JudikaturJustiz1Ob326/98t

1Ob326/98t – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Richard G. K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Semotan, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Wolfram T*****, wegen Feststellung (Streitwert 600.000 S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichts vom 27. Mai 1998, GZ 35 R 278/98m 25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 29. Dezember 1997, GZ 45 C 555/96b 20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 21.645 S (darin 3.607,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Er war bis 1994 „Kanzleipartner“ eines anderen Rechtsanwalts. Der Kläger ist Eigentümer einer Wiener Liegenschaft mit Haus. Dieser beabsichtigte, sein Haus den beiden Rechtsanwälten als „Generalhauptmieter“ in Bestand zu geben. Zu diesem Zweck wurde ein mit 9. Februar 1990 datierter Mietvertragsentwurf errichtet. Einige Tage danach teilten die Rechtsanwälte dem Kläger mit, an ihrer Stelle solle eine Gesellschaft m.b.H., deren Unternehmensgegenstand unter anderem die Realitätenvermittlung war und deren Gesellschafterinnen damals die Ehegattinnen der beiden Rechtsanwälte waren, Hauptmieterin werden. Der Kläger war mit einer Vermietung seines Hauses an diese Gesellschaft nur unter der Bedingungen einverstanden, daß die Rechtsanwälte „eine persönliche Haftungserklärung abgeben“. In der Folge schloß der Kläger als Vermieter mit der Gesellschaft als Mieterin einen „Generalhauptmietvertrag“ über sein Haus auf unbestimmte Zeit mit „Mietbeginn“ am 1. April 1990. Anläßlich der Unterschriftsleistung wurde ihm eine mit 28. Februar 1990 datierte schriftliche und gefertigte Erklärung der Rechtsanwälte auf deren Briefpapier übergeben. Sie hat folgenden Wortlaut:

„Am heutigen Tag wurde der Mietvertrag zwischen Ihnen und der ... (GmbH) ... betreffen(d) die Liegenschaft ... unterfertigt. In diesem Zusammenhang halten wir fest, daß wir als unwiderruflich für alle Forderungen Ihrerseits und sonstige Belange, die mit diesem Mietvertrag zwischen Ihnen (bzw Ihren Erben und/oder Rechtsnachfolgern) und der ... (GmbH) ... (bzw deren Rechtsnachfolgern) zur Übernahme der persönlichen Haftung verpflichtet haben. Wir bestätigen Ihnen hiermit die Übernahme dieser persönlichen, uneingeschränkten Haftung ausdrücklich. Im Falle einer Beendigung des Mietverhältnisses durch die ... (GmbH) ... (oder deren Rechtsnachfolger) erlischt diese Haftung, die auch für Erben und/oder Rechtsnachfolger des Vermieters gilt, erst mit der ausdrücklichen Erklärung eines vollkommenen Anspruchsverzichtes nach ordnungsgemäßer Rückgabe und Übernahme des Mietobjektes an Sie (bzw Ihre Erben/Rechtsnachfolger).

Der Haftungsumfang bezieht sich sowohl auf den gesamten Inhalt des Mietvertrages als auch auf die Nichteinhaltung einzelner Vertragspunkte durch den Mieter, ... (GmbH) ... sowie auf jeden Untermieter und sein Personal.“

Dieser Wortlaut „stammt inhaltlich komplett vom Kläger“ und wurde auf dessen Wunsch auf das Kanzleipapier der Rechtsanwälte übertragen. Letztere nahmen keine Textänderungen vor. Zwischen dem Kläger und den Rechtsanwälten wurde nur über den letzten Absatz des Erklärungstextes diskutiert. Es kam aber auch insoweit zu keiner Wortlautänderung.

Die Ehegattin des Beklagten schied 1991 oder 1992 als Gesellschafterin der Hauptmieterin aus. Die Kanzleigemeinschaft der Rechtsanwälte wurde 1994 beendet. Mit Schreiben vom 6. Oktober 1995 kündigte der Beklagte seine Haftungserklärung vom 28. Februar 1990.

Der Kläger begehrte, festzustellen, daß die vom Beklagten übernommene Verpflichtung vom 28. Februar 1990, unwiderruflich für alle seine Forderungen „und sonstige(n) Belange, die mit der ... (GmbH) ... betreffend die Liegenschaft ... verbunden sind, persönlich und uneingeschränkt bis zur Beendigung des Mietverhältnisses zu haften, voll aufrecht besteht und die vom Beklagten erklärte Kündigung seiner Verpflichtung vom 16. 10. 1995 bzw 24. 9. 1996 gegenstandslos ist“. Er brachte vor, 1990 die Vermietung seines Hauses - einige Räumlichkeiten ausgenommen - beabsichtigt zu haben. Die Vermietung hätte an einen oder mehrere Mieter, die zur Untervermietung berechtigt sein sollten, erfolgen sollen. Als Mietinteressenten seien der Beklagte und sein damaliger Kanzleipartner aufgetreten. Diese hätten die Verlegung ihrer Rechtsanwaltskanzlei in das Bestandobjekt und die Gewinnung von Untermietern für die von ihnen nicht benötigten Räume geplant. Schließlich hätten sie „aus in ihrem Interesse liegenden Gründen“ eine GmbH als Hauptmieterin vorgeschlagen, deren Gesellschafterinnen ihre Ehegattinnen gewesen seien. Er sei jedoch zur Vermietung an die Gesellschaft nur bereit gewesen, wenn die beiden Rechtsanwälte „die Haftung wie wirkliche Mieter“ übernähmen. Das sei der Hintergrund der Haftungserklärung vom 28. Februar 1990. Der Beklagte habe das Haftungsverhältnis mit Schreiben vom 6. Oktober 1995 gekündigt, doch sei diese Erklärung unwirksam. Seine Haftung sei unwiderruflich. In Betracht komme lediglich eine außerordentliche Kündigung aus wichtigen Gründen. Solche lägen aber nicht vor. Außerdem könnten Gründe in der Sphäre des Kündigenden, mit deren Eintreten bereits bei Vertragsabschluß zu rechnen gewesen sei, eine vorzeitige Vertragsauflösung jedenfalls nicht rechtfertigen. Die allfällige Beendigung einer Rechtsanwaltspartnerschaft und der immer mögliche Wechsel von Gesellschaftern einer GmbH seien vorhersehbar gewesen. Es wäre daher am Beklagten gelegen, entsprechende vertragliche Vorsorgen zu treffen. Hätte sich der Beklagte allerdings den Wegfall seiner Haftung bei Auflösung der Rechtsanwaltspartnerschaft bzw bei Ausscheiden seiner Ehegattin als Gesellschafterin der Hauptmieterin ausbedingen wollen, so wäre der Abschluß eines Mietvertrags mit der Gesellschaft unterblieben.

Der Beklagte wendete ein, seine Erklärung vom 28. Februar 1990 sei nicht so zu verstehen, daß die „Haftung selbst 'unwiderruflich' übernommen werden sollte“, es sei vielmehr durch diesen Wortlaut nur bestätigt worden, daß sich er und sein Kanzleipartner unwiderruflich verpflichtet hätten, „die persönliche Haftung im Falle des Zustandekommens des Mietvertrages zwischen dem Kläger und der ... (GmbH) ... einzugehen“. Unzutreffend sei daher, daß die Haftung „erst im Falle einer Beendigung des Mietverhältnisses durch die ... (GmbH) ...“ erlöschen solle. Sei die Haftungsbeziehung als Bürgschaft zu werten, sei diese Bürgschaft ein Dauerschuldverhältnis, weil sie Leistungspflichten aus einem Mietvertrag als Dauerschuldverhältnis besichere. Ihm stehe daher das Recht auf ordentliche Kündigung der Bürgschaft zu. Er habe davon auch Gebrauch gemacht. Selbst wenn das Bürgschaftsverhältnis nicht mittels ordentlicher Kündigung auflösbar sein sollte, wäre dessen Aufkündigung aus wichtigen Gründen möglich. Das gelte auch, wenn solche Gründe der Sphäre des Kündigenden zuzurechnen seien. Er habe die Haftungserklärung einerseits „zum Schutz der an der Hauptmieterin ... beteiligten Ehefrau ... abgegeben“, andererseits aber auch „zur Absicherung der eigenen Nutzungsmöglichkeit an einem Teil des Bestandobjektes“, hätte er doch „gemeinsam mit seinem Kanzleipartner ursprünglich sogar Mitmieter des Objektes werden“ sollen. Seine Ehegattin sei nicht mehr Gesellschafterin der Hauptmieterin, seit Juni 1994 sei auch die Rechtsanwaltspartnerschaft aufgelöst. Daraufhin habe er seine Kanzlei verlegt. Er habe daher „weder direkt noch indirekt Einfluß auf das Schicksal des Hauptmieters noch direkt oder indirekt an einer (wenn auch nur teilweisen) Nutzung des Objektes“. Diese Gründe seien „wichtig genug“, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, weil ihm die Fortsetzung der Haftungsbeziehung bei Abwägung der Interessenlage nicht mehr zumutbar sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seiner Ansicht ist die Haftungserklärung vom 28. Februar 1990 als Bürgschaft anzusehen, weil sie bloß die Sicherung des Klägers gegen allfällige Vertragsverletzungen der Hauptmieterin bezwecke. Der Bürgschaftsvertrag sei, weil er sich auf ein Bestandverhältnis als Dauerschuldverhältnis beziehe, selbst ein Dauerschuldverhältnis. Seine ordentliche Kündigung scheide aus, weil die Haftung des Beklagten unwiderruflich sei. Eine außerordentliche Kündigung setzte Gründe voraus, die „objektiv als unerträglich“ zu beurteilen seien oder die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses „sonst als nicht mehr zumutbar erscheinen“ ließen. Im Bürgschaftsvertrag werde weder auf die Identität der Gesellschafter der Hauptschuldnerin noch auf ein Fortbestehen der Rechtsanwaltspartnerschaft Bezug genommen. Daher seien solche Motive auch nicht Vertragsinhalt der Bürgschaft geworden. Auch die Abwägung der einander widerstreitenden Interessen der Vertragspartner ergebe, daß „die Aufrechterhaltung der Haftung dem Beklagten eher zumutbar“ sei, als „dem Kläger deren Wegfall“.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige, ließ die ordentliche Revision zu und erwog in rechtlicher Hinsicht, der Beklagte habe - entgegen seiner Ansicht eine unwiderrufliche Haftungserklärung abgegeben. Eine bloß unwiderrufliche Erklärung, eine Haftung künftig übernehmen zu wollen, sei nur sinnvoll, wenn sie der eigentlichen Haftungserklärung zeitlich vorangehe. Daran mangle es hier, weil in ein und derselben Urkunde zum einen die unwiderrufliche Verpflichtung zur Haftungsübernahme, zum anderen aber auch deren Bestätigung erfolgt sei.Aus dem Urkundenwortlaut folge unmißverständlich, daß die Haftungserklärung zeitlich vorher abgegeben und schließlich schriftlich bestätigt worden sei. Der Begriff „unwiderruflich“ könne sich daher „nur auf die bereits in dieser Erklärung deponierte Haftungserklärung selbst beziehen und nicht auf die Übernahme der Haftung, da diese nach dem Wortlaut ja bereits übernommen“ worden sei. Unter Heranziehung der Auslegungsregeln gemäß § 914 ABGB sei die auszulegende Formulierung selbst für einen „durchschnittlichen Betrachter ... nur als Übernahme einer unwiderruflichen Haftung“ zu verstehen. Es wäre auch völlig ungewöhnlich, gäbe sich ein Gläubiger mit einer Bürgschaft zufrieden, „deren Aufhebung allein schon durch eine Änderung der persönlichen Verhältnisse des Bürgen herbeigeführt werden könnte“. Durch die Übernahme einer unwiderruflichen Haftung habe sich der Beklagte des ordentlichen Kündigungsrechts begeben. Diesem stehe aber auch kein außerordentliches Kündigungsrecht zu, weil die „Abwägung der Bestand- gegen die Auflösungsinteressen“ zu Lasten des Beklagten ausfalle. Gegen dieses Ergebnis sprächen auch nicht die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu 7 Ob 53 55/71 und 7 Ob 207/70, weil sich deren Sachverhalte in wesentlichen Punkten von der Rechtsbeziehung der Streitteile unterschieden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist, wie sich aus den folgenden Erörterungen ergeben wird, zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die vom Beklagten geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf.

Der erkennende Senat teilt die Ansicht der Vorinstanzen, daß die vom Kläger angenommene Haftungserklärung des Beklagten als Bürgschaft zu qualifizieren und dieses Rechtsgeschäft deshalb ein Dauerschuldverhältnis ist, weil es Leistungspflichten sichert, die eine Gesellschaft als Mieterin eines Bestandobjekts demnach im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses zu erfüllen hat. Dieser Ansicht sind auch die Streitteile, sodaß insoweit keine weitere Begründung erforderlich ist.

Eine Bürgschaft als Dauerschuldverhältnis kann an sich entweder durch ordentliche oder durch außerordentliche Kündigung mit der Wirkung ex nunc beendet werden. Davon gehen auch die Prozeßparteien aus. Nicht strittig ist ferner, daß eine Bürgschaft auf unbestimmte Zeit nach angemessener Dauer aufgelöst werden kann (ÖBA 1994, 239; ÖBA 1994, 236 = ÖZW 1995, 55 [dazu Lukas , Novation zugunsten des Bürgen?, ÖZW 1995, 40]; JBl 1971, 521; JBl 1971, 257; Gamerith in Rummel , ABGB 2 Rz 3 zu § 1353), es sei denn, die Bürgenhaftung wäre unwiderruflich übernommen worden, was deren Beendigung nur mehr aus wichtigen Gründen zuließe (JBl 1971, 521; Gamerith in Rummel aaO; Lukas , ÖZW 1995, 42; Mader in Schwimann , ABGB 2 Rz 7 zu § 1353; Mayrhofer/Ehrenzweig , Schuldrecht AT3 138). Vorerst ist daher zu klären, von welcher Parteiabsicht den Begriff „unwiderruflich“ in der Haftungserklärung vom 28. Februar 1990 bestimmt ist.

Der Beklagte versucht auf vielen Seiten seines Rechtsmittels zu begründen, daß das Wort „unwiderruflich“ im grammatikalischen Zusammenhang des Erklärungswortlauts bloß eine Zusage an den Kläger verdeutliche, (künftig) unwiderruflich eine bestimmte Haftung übernehmen zu wollen, aber nicht, daß eine solche Haftung selbst unwiderruflich sei. Das ergebe sich eindeutig aus der „Wort- und Satzinterpretation“ und dürfe nicht durch Erwägungen zur (vermeintlichen) Parteiabsicht bzw Verkehrsübung unterlaufen werden. Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden:

Gemäß § 1353 ABGB kann eine Bürgschaft nicht weiter ausgedehnt werden, als sich der Bürge ausdrücklich erklärt - also hinreichend deutlich gemacht - hat. Im Zweifel ist nach § 915 erster Halbsatz ABGB anzunehmen, daß sich der Bürge eher die geringere als die schwerere Last auferlegen wollte. Ob aber der Umfang seiner Erklärung überhaupt zweifelhaft ist, ob also die Auslegungsregeln der §§ 1353 und 915 ABGB heranzuziehen sind, ist unter Bedachtnahme auf § 914 ABGB zu ermitteln. Daher greift § 915 ABGB nur dann ein, wenn der Inhalt einer unklaren und zweifelhaften Äußerung mit den Auslegungsregeln des § 914 ABGB nicht aufklärbar ist. Danach ist bei der Interpretation von Verträgen aber nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und ein solches Rechtsgeschäft so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Demgemäß ist der reine Wortsinn rechtsgeschäftlicher Erklärungen nur der erste, nicht aber auch schon der letzte Anhaltspunkt für das tatsächlich Gewollte (ÖBA 1997, 826; Mader in Schwimann aaO Rz 4 zu § 1353; Gamerith in Rummel aaO Rz 1 zu § 1353 je mwN). Bei Bürgschaftserklärungen ist also - zumindest in einem Fall wie dem vorliegenden - schließlich gleichfalls jenes Verständnis maßgeblich, das ein redlicher Erklärungsempfänger von der Haftungszusage gewinnen durfte und auch gewonnen hat ( Gamerith in Rummel aaO Rz 1 zu § 1353).

Der Beklagte hebt selbst die zunächst gehegte Absicht hervor, daß er und sein damaliger Geschäftspartner selbst Hauptmieter werden sollten. Wie feststeht, wollten die beiden Rechtsanwälte letztendlich aber doch nicht Hauptmieter werden, sondern brachten eine Gesellschaft als Mietinteressentin ins Spiel, deren Gesellschafterinnen ihre Ehegattinnen waren. Das veranlaßte den Kläger, sich auszubedingen, daß die Rechtsanwälte „eine persönliche Haftungserklärung“ für die Verbindlichkeiten einer solchen Hauptmieterin abgeben müßten. Die Absicht beider Vertragsteile kann in diesem Zusammenhang ganz ohne Zweifel nur darauf gerichtet gewesen sein, daß der Kläger die Rechtsanwälte während der Dauer des Bestandverhältnisses mit der Gesellschaft in Anspruch nehmen könne, sollte die Hauptmieterin Vertragspflichten verletzen. Vor diesem Hintergrund kann es gerade nicht Parteiwille gewesen sein, daß die Bürgen ihre Haftung nach angemessener Frist, jedoch noch vor Auflösung des Bestandverhältnisses nach Belieben mittels ordentlicher Kündigung beenden könnten, wäre doch dann jene reale Gefahr eingetreten, gegen die sich der Kläger absichern wollte.

Aber selbst eine rein grammatikalische Interpretation der Haftungserklärung vom 28. Februar 1990 führt zu keinem anderen Ergebnis: Die Rechtsanwälte betonen im ersten Satz des vom Kläger herrührenden Urkundenwortlauts - bloß, ob nun gewollt oder ungewollt, sprachlich mangelhaft - unwiderruflich haften zu wollen, was der dritte Satz der Erklärung verdeutlicht. Außerdem wird in deren erstem Satz der vorherige Abschluß des Mietvertrags hervorgehoben, was die Ansicht des Beklagten geradezu absurd erscheinen läßt.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die Vorinstanzen die Bürgschaftserklärung des Beklagten insgesamt logisch einwandfrei und dem Parteiwillen entsprechend auslegten und damit das Wesentliche der Absicht der Vertragsparteien erfaßten. Ist aber dieses Ergebnis zugrundezulegen, so hat sich der Beklagte der Möglichkeit der Beendigung der Bürgschaft mittels ordentlicher Kündigung noch vor Auflösung des gesicherten Bestandverhältnisses begeben. Daran ändert auch die Berufung des Beklagten auf eine Fußnote bei P. Bydlinski (Die Bürgschaft im österreichischen und deutschen Handels , Gesellschafts- und Wertpapierrecht [1991] 58 FN 38) nichts. Dort wird als kritische Anmerkung zu einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nur zum Ausdruck gebracht, „daß 'unwiderruflich' wohl kaum als vollständiger Verzicht auf das ordentliche Kündigungsrecht verstanden werden“ könne „und daß 'auf ewige Zeiten' unauflösbare (unbefristete) Vertragsverhältnisse (zumindest fallweise) zwingendem Recht widersprechen dürften“. Hier ist dagegen nicht eine Bürgschaft „auf ewige Zeiten“ Entscheidungsgegenstand, sondern eine solche, deren Beendigung - nach dem letzten Satz des ersten Absatzes der Erklärung vom 28. Februar 1990 - von der künftigen Verwirklichung eines bestimmten Sachverhalts abhängt. Daß demzufolge eine Beendigung der Bürgenhaftung mittels ordentlicher Kündigung jedenfalls die Auflösung des Bestandverhältnisses zwischen dem Kläger und der Gesellschaft voraussetzt, entspricht dem die Haftungserklärung tragenden (vereinbarten) Sicherungszweck.

Streitentscheidend ist daher allein, ob die vom Beklagten herangezogenen Gründe in seiner Sphäre eine außerordentliche Kündigung der Bürgschaft zu rechtfertigen vermögen.

Es entspricht herrschender Ansicht, daß - auch befristete - Dauerschuldverhältnisse mit der Wirkung ex nunc jederzeit aus wichtigem Grund vorzeitig aufgelöst werden können. Als Auflösungsgründe kommen etwa Vertragsverletzungen, der dadurch bedingte Verlust des Vertrauens zum Vertragspartner oder erhebliche Änderungen der Verhältnisse in Betracht, die eine weitere Aufrechterhaltung der vertraglichen Bindung unzumutbar erscheinen lassen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß auf Dauer angelegte Rechtsverhältnisse in besonderem Maß dem Einfluß von Veränderungen der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblichen Verhältnisse unterliegen, weil auch sorgfältigste Parteien nicht für alle zukünftigen Wechselfälle vertragliche Vorsorge treffen können (1 Ob 176/98h; JBl 1992, 517; JBl 1992, 187; Apathy in Schwimann aaO Rz 21 zu § 859; F. Bydlinski in Klang 2 IV/2, 200; Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 27; Mayrhofer/Ehrenzweig , Schuldrecht AT3 619; Rummel in Rummel aaO Rz 27 zu § 859). Gründe, mit denen schon bei Abschluß des Dauerrechtsverhältnisses gerechnet werden mußte, oder Veränderungen, die von den Vertragsparteien offensichtlich in Kauf genommen wurden, können dessen vorzeitige Auflösung jedenfalls nicht rechtfertigen (1 Ob 176/98h; 9 Ob 166/97w; 6 Ob 1530/95; JBl 1982, 142). Wichtige Gründe für eine solche Vertragsaufhebung hat derjenige zu behaupten und zu beweisen, der die Auflösung erklärt (1 Ob 176/98h; 6 Ob 1530/95). Die Eignung einer solchen Erklärung zur Herbeiführung der Auflösungswirkung bestimmt sich nach dem Maß der Vorhersehbarkeit der gegen die Vertragsbindung geltend gemachten Umstände und ihrer Zugehörigkeit zur Herrschaftssphäre eines der Vertragspartner. Je eher solche Umstände im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhersehbar waren und je mehr sie in die Sphäre des nun auflösungswilligen Vertragspartners fallen, desto größer ist der Stellenwert der Stabilität der Vertragsbindung und umso höhere Anforderungen sind an die Gewichtigkeit behaupteter Auflösungsgründe zu stellen (1 Ob 176/98h; JBl 1992, 517). Lediglich innerhalb dieser Schranken kann der nachträgliche Wegfall der die Bürgschaftsübernahme tragenden Motive einen wichtigen Grund für die Vertragsauflösung bilden. Dagegen billigt P. Bydlinski (aaO 59) - wesentlich enger - dem „schlichten Motiv des Bürgen“ zur Haftungsübernahme nur dann Relevanz für die Vertragsauflösung zu, wenn es „als Bedingung konkret Eingang in den Bürgschaftsvertrag gefunden haben“ sollte.

Die Entscheidungen 7 Ob 207/70 (= JBl 1971, 257) und 7 Ob 53 55/71 (= JBl 1971, 521) lassen sich - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht erfolgreich gegen die Rechtslage, wie sie im voranstehenden Absatz dargestellt wurde, ins Treffen führen. In der Entscheidung 7 Ob 207/70 wurde die Kündigung der Bürgschaft ohne weitere Begründung allein schon deshalb für möglich gehalten, weil sich die Haftung des Bürgen auf die Erfüllung von Verbindlichkeiten aufgrund eines Dauerschuldverhältnisses bezog. Den Gründen ist aber nicht einmal eine begriffliche Trennung zwischen den Instituten der ordentlichen und der außerordentlichen Kündigung zu entnehmen. Inhaltlich unterschieden werden diese Kündigungsarten dagegen in der Entscheidung 7 Ob 53 55/71: in dieser wird jedoch schließlich ohne nähere Begründung demjenigen, der sich als Gesellschafter einer GmbH für bestimmte von deren bestehenden und künftigen Schulden verbürgte, dann ein wichtiger Grund zur Bürgschaftsauflösung zugebilligt, wenn er als Gesellschafter ausschied und daher „nicht mehr der Hauptschuldnerin angehört“. Diese Entscheidung läßt das zuvor erörterte und erst in der neueren Rechtsprechung verfeinerte Instrumentarium der Interessenabwägung in einem beweglichen System bei einer außerordentlichen Kündigung noch gänzlich vermissen. Sie kann dem erkennenden Senat daher auch nicht als Richtschnur für die Lösung dieses Falles dienen.

Der Kläger trat den Einwendungen des Beklagten im Verfahren erster Instanz ausdrücklich mit dem Argument entgegen, die allfällige Beendigung einer Rechtsanwaltspartnerschaft und ein immer möglicher Gesellschafterwechsel bei der Hauptmieterin seien vorhersehbar gewesen, weshalb eine solche Entwicklung der Ereignisse eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen könne; dafür wäre vielmehr vertragliche Vorsorge zu treffen gewesen. Der Beklagte brachte dagegen nichts vor, obgleich er zu behaupten und zu beweisen gehabt hätte, weshalb er jene gar nicht außergewöhnlichen Ereignisse (Gesellschafterwechsel und Auflösung einer Rechtsanwaltspartnerschaft), die ihn schließlich zur außerordentlichen Kündigung der Bürgschaft veranlaßten und die der Beendigung seiner Haftung als zureichende Gründe dienen sollen, im konkreten Fall auch bei sorgfältiger Wahrnehmung seiner eigenen Interessen nicht hätte vorhersehen können, obwohl es naheliegend gewesen wäre, sich die Auflösung der Bürgschaft gerade für die erwähnten Fälle vertraglich vorzubehalten, waren doch der Bestand der Rechtsanwaltspartnerschaft und die Gesellschafterstellung seiner Ehegattin - nach dessen Behauptungen - die zentralen Motive für seine Bürgschaftserklärung. Ohne konkretes Vorbringen in dieser Richtung und darauf aufbauende Beweise läßt sich aber als Kündigungshindernis nicht einmal von der Hand weisen, daß die Rechtsanwälte solche allfälligen Veränderungen damals bewußt in Kauf nahmen, um den Abschluß des angestrebten Mietvertrags nicht zu gefährden.

Der Revision kann daher schon wegen der rechtlichen Folgerungen aus der erörterten Behauptungs- und Beweislastfrage kein Erfolg beschieden sein. Demgemäß hing die Klagestattgebung nicht mehr von einer umfassenden und detaillierten Abwägung der einander widerstreitenden Parteiinteressen Aufrechterhaltung gegen Beendigung der Bürgschaft ab, weil eine solche Interessenabwägung konkrete Feststellungen, aus denen ableitbar gewesen wäre, inwieweit die geltend gemachten Auflösungsgründe im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses tatsächlich unvorhersehbar waren, vorausgesetzt hätte.

Der Revision ist somit nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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