JudikaturJustiz1Ob32/02s

1Ob32/02s – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Monika K*****, vertreten durch Dr. Christian Függer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17 19, wegen S 108.516,88 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. Oktober 2001, GZ 4 R 156/01s 20, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 2. Mai 2001, GZ 12 Cg 65/00g 14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 520,05 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe :

Die Klägerin betreibt ein Pfandleihunternehmen und gewährte in dessen Betrieb am 9. 9. 1996 einem Kunden ein Darlehen von S 50.000. Die Vertragspartner unterfertigten einen "Pfandschein" (Beilage A), in dem festgehalten ist, dass die Klägerin an einem im Eigentum des Kunden stehenden PKW durch tatsächliche Übergabe und Inbetriebnahme ein Pfandrecht erworben habe. Zugleich vereinbarten sie die prekaristische, unentgeltliche (Weiter )Benützung dieses PKWs durch dessen Eigentümer (Beilage B). Den Typenschein des Fahrzeugs nahm die Klägerin zu ihrer Absicherung in Verwahrung. Nach zweimaliger Verlängerung des "Pfandvertrags" erklärte die Klägerin den "Verfall des Pfandes", konnte aber das Fahrzeug nicht auffinden. Sie befürchtete, dass der Eigentümer den Verlust des Typenscheins melden und sich nach Verlustanzeige einen neuen Typenschein durch den Generalimporteur ausstellen lassen werde. Deshalb setzte sie sich mit der Bundespolizeidirektion Salzburg telefonisch in Verbindung und teilte ihre Befürchtung unter Hinweis auf den bestehenden "Pfandvertrag" und die Weiterbenützungsbewilligung sowie auf den bei ihr hinterlegten Typenschein mit. Sie übermittelte mittels Telefax den "Pfandvertrag" und die Weiterbenützungsvereinbarung und teilte schließlich auch mit, dass der PKW mit 9. 12. 1996 "verfallen" sei (Beilage C). Die Bundespolizeidirektion Salzburg stellte am 28. 3. 1997 eine Bestätigung darüber aus, dass der Eigentümer des PKWs den Verlust des Typenscheins zur Anzeige gebracht habe; unter Verwendung dieser Bestätigung wurde ein Duplikat des Typenscheins ausgestellt.

Die Klägerin begehrt aus dem Titel der Amtshaftung die Zahlung von S 108.516,88. Angesichts der Beschaffung eines "zweiten" Typenscheins habe der Eigentümer des Fahrzeugs dieses rechtmäßig verkaufen können und sei dadurch das Pfandrecht der Klägerin am PKW erloschen. Den daraus resultierenden Schaden habe die beklagte Partei zu verantworten, weil die Bundespolizeidirektion Salzburg keine Bestätigung über die Verlustanzeige hätte ausstellen dürfen.

Die beklagte Partei wendete unter anderem ein, dass der Schutzzweck des § 30 KFG nur im technischen Bereich liege und lediglich die Typengemäßheit des Fahrzeugs und die Verkehrssicherheit gewährleisten solle. Die Bundespolizeidirektion Salzburg sei weder verpflichtet noch strukturell und personell ausgestattet, um private Rechtsgeschäfte evident zu halten. Die von der Klägerin an die Behörde ergangenen Mitteilungen hätten keine Handlungspflicht nach sich gezogen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus fest, (der Klägerin) sei nicht bekannt, ob der PKW tatsächlich unter Verwendung des Typenscheinduplikats veräußert worden sei.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Klägerin habe kein Pfandrecht am PKW erworben, denn sie habe diesen nicht in Verwahrung genommen. Der Typenschein habe keine das Eigentum sichernde Funktion, sondern stelle nur eine Bestätigung dar, dass das Fahrzeug der genehmigten Type entspreche. Bei Glaubhaftmachung des Verlusts eines Typenscheins habe der zur Erzeugung der Fahrzeugtype Berechtigte einen neuen Typenschein auszustellen, allerdings nur mit Zustimmung der Behörde, die zuletzt einen Zulassungsschein für das Fahrzeug ausgestellt habe. Die Zustimmung sei von der Behörde zu erteilen, sofern keine Bedenken dagegen bestünden, dass das Fahrzeug noch der genehmigten Type und den gemäß § 33 Abs 3 KFG genehmigten Änderungen am Fahrzeug entspreche. Der bloße Besitz des Typenscheins vermittle keine Verfügungsmacht über das Fahrzeug und hindere insbesondere nicht dessen rechtswirksamen Verkauf. Rechtswidriges Verhalten von Organen des Bundes liege nicht vor, weshalb es belanglos sei, ob der Kunde der Klägerin den PKW tatsächlich unter Verwendung des Typenscheinduplikats veräußert habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Ein Pfandrecht der Klägerin am Fahrzeug ihres Kunden sei nicht begründet worden, weil sie den PKW nicht in Verwahrung genommen, vielmehr dessen Weiterbenützung durch den Eigentümer gestattet habe. Die Übergabe des Typenscheins reiche zur Begründung des Pfandrechts nicht aus, es habe lediglich ein durchaus sinnvolles Zurückbehaltungsrecht der Klägerin am Typenschein bestanden. Der Schutzzweck des § 30 Abs 5 KFG sei darin gelegen, dass Duplikate von Typenscheinen nur für solche Fahrzeuge ausgestellt werden sollten, die einem genehmigten Typ und damit in ihrer Bauart den Anforderungen der Betriebs und Verkehrssicherheit entsprächen, er umfasse also nur öffentliche Interessen. § 30 Abs 5 KFG habe nicht den Zweck, einen geschädigten Kreditgeber vor Vermögensnachteilen zu schützen. Für die Begründung eines Amtshaftungsanspruchs reiche es nicht aus, dass eine dem öffentlichen Interesse dienende Amtshandlung mittelbar auch einem Dritten zugute komme und diesem gleichsam als Reflexwirkung einen Vorteil verschaffe. Selbst wenn die Bundespolizeidirektion Salzburg keine Zustimmung zur Ausstellung eines Typenscheinduplikats hätte erteilen dürfen, weil der Verlust des Typenscheins nicht glaubhaft gemacht worden sei, sei der von der Klägerin geltend gemachte Vermögensschaden vom Schutzzweck des § 30 Abs 5 KFG nicht umfasst und demnach die Klagsforderung nicht berechtigt.

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 30 Abs 5 KFG hat ohne die beiden für den vorliegenden Fall bedeutungslosen letzten Sätze folgenden Wortlaut:

"Wird der Verlust eines Typenscheines glaubhaft gemacht, so hat der zur Erzeugung der Type des Fahrzeuges Berechtigte, bei ausländischen Erzeugern der gemäß § 29 Abs 2 Bevollmächtigte, einen neuen Typenschein auszustellen. Er darf diesen nur mit Zustimmung der Behörde ausstellen, die zuletzt einen Zulassungsschein für das Fahrzeug ausgestellt hat. Diese Behörde hat die Zustimmung zu erteilen, wenn keine Bedenken dagegen bestehen, dass das Fahrzeug noch der genehmigten Type und gemäß § 33 Abs 3 genehmigten Änderungen am Fahrzeug entspricht."

Der mit dem Kraftfahrgesetz (KFG) angestrebte Verwaltungszweck ist der Schutz der öffentlichen Verkehrssicherheit. Der Staat will durch die Vorschriften des KFG den Gefahren steuern, die der Allgemeinheit im öffentlichen Straßenverkehr durch die Eigenart und Beschaffenheit der Kraftfahrzeuge drohen (1 Ob 2331/96t = RdW 1997, 719; SZ 67/39 mwN). Ist der Typenschein gemäß § 30 Abs 1 KFG die Bestätigung darüber, dass ein durch die Fahrgestellnummer, bei Kraftfahrzeugen auch durch die Motornummer, bestimmtes Fahrzeug der genehmigten Type entspricht, dann kann auch der die Ausstellung eines neuen Typenscheins regelnde Abs 5 des § 30 KFG ebenso wie die §§ 55 und 57 KFG nur dem Schutz der Allgemeinheit und damit dem öffentlichen Interesse dienen. § 30 Abs 5 KFG ist eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB, die ganz allgemein den Gefahren vorbeugen soll, die durch den Betrieb nicht typengerechter Fahrzeuge im Straßenverkehr hervorgerufen werden (vgl 1 Ob 2331/96t; SZ 67/39). Auch für den Bereich des Amtshaftungsrechts gilt der allgemeine Grundsatz, dass die übertretene Vorschrift gerade auch den Zweck haben muss, den Geschädigten vor eingetretenen (Vermögens )Nachteilen zu schützen. Es wird nur für solche Schäden gehaftet, derentwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat. Bei der maßgebenden teleologischen Betrachtungsweise ist bei jeder einzelnen Norm der Normzweck zu erfragen, der sich aus der wertenden Beurteilung des Sinnes der Vorschrift ergibt. Besteht kein Zusammenhang zwischen Normzweck und eingetretenem Schaden, dann liegt nur ein mittelbarer, grundsätzlich nicht ersatzfähiger Schade vor (1 Ob 2331/96t; SZ 68/156; SZ 68/191; JBl 1994, 695; SZ 67/39; SZ 65/94 uva). Allein daraus, dass eine Amtshandlung, die dem öffentlichen Interesse dient, mittelbar auch die Interessen eines Dritten berührt, ihm zugutekommt und damit als Reflexwirkung pflichtgemäßen Handelns einen Vorteil verschafft, lässt sich noch nicht auf eine Amtshaftungspflicht gerade diesem gegenüber schließen (SZ 68/191; JBl 1994, 695; SZ 67/39; SZ 65/94; SZ 61/189 uva).

Weder aus dem Wortlaut des § 30 Abs 5 KFG noch aus den Gesetzesmaterialien (186 BlgNR 11. GP, 67 ff [85]) lässt sich ableiten, dass ein Darlehensgeber, der zur Sicherung der Rückzahlungsverpflichtung den Typenschein eines Fahrzeugs in seine Gewahrsame nimmt, durch § 30 Abs 5 KFG in seinen zivilrechtlichen Ansprüchen auf Rückzahlung des Darlehens geschützt sein sollte. Gewiss sollen "Doppel" des Typenscheins nur mehr ausgestellt werden, wenn der Verlust des Typenscheins glaubhaft gemacht wird (186 BlgNR 11. GP 85), doch bedeutet dies nicht, dass die genannte Gesetzesstelle zum Schutz der zivilrechtlichen Ansprüche eines Darlehensgebers gedacht wäre. Die Funktion des Typenscheins hat sich vom Gesetz her nicht gewandelt (siehe BGBl 1967/267, § 30 Abs 1 und 5 KFG), und daher ist der von der Revisionswerberin behauptete Umstand, dass im Zuge der immer mehr um sich greifenden Fremdfinanzierung von Fahrzeugen der Typenschein eine Besicherungsfunktion übernommen habe, rechtlich völlig bedeutungslos, mag auch das vertraglich begründete Zurückbehaltungsrecht am Typenschein (JBl 1984, 143; Grubmann, KFG 1967, Anm 2 zu § 30) wirtschaftlich bedeutsam sein (vgl ZVR 1969/19).

Auch wenn die Bundespolizeidirektion Salzburg die Zustimmung zur Ausstellung eines neuen Typenscheins nicht hätte erteilen dürfen, weil dessen Verlust nicht glaubhaft gemacht worden sei, mangelt es doch am erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen diesem von der Klägerin behaupteten rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten von Organen der beklagten Partei und dem bei der Klägerin eingetretenen Erfolg. Als bloß "mittelbar Geschädigter" stehen ihr Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz aus der inkriminierten Vorgangsweise nicht zu, weil sie vom Zweck des § 30 Abs 5 KFG nicht geschützt ist (vgl SZ 61/189).

Zu prüfen bleibt, ob aus den von der Klägerin behaupteten Zusicherungen einer Beamtin der Bundespolizeidirektion Salzburg, sich "bei etwaigen Aktivitäten des Fahrzeugseigentümers bei der Klägerin zu rühren" bzw "auf den Fahrzeugeigentümer aufzupassen" (S 2 und 4 des Schriftsatzes vom 4. 10. 2000), Amtshaftungsansprüche abzuleiten sind. Hiezu ist auszuführen:

Allein aus der Zusage der Sachbearbeiterin der Bundespolizeidirektion Salzburg, sie werde sich bei der Klägerin "rühren" bzw auf den Eigentümer des PKWs "aufpassen", kann kein Amtshaftungsanspruch abgeleitet werden. Die Klägerin brachte nämlich im Verfahren erster Instanz im Übrigen auch in dem vor der zweiten Instanz überhaupt nicht vor, warum bei einer (allenfalls zugesagten) Kontaktaufnahme mit der Klägerin deren Schaden nicht eingetreten wäre. Erstmals in der Revision behauptet sie, sie hätte, wären die erwähnten Zusicherungen unterblieben, das dem Eigentümer des PKWs gewährte Darlehen viel früher eingetrieben und mit der Suche nach dem Fahrzeug begonnen (S 6 der Revision). Dieses Vorbringen ist einerseits im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung und anderseits auch zu wenig konkret, um prüfen zu können, ob irgendwelche von der Klägerin zu setzende Schritte den Erfolg gezeitigt hätten, dass der von ihr behauptete Schade nicht eingetreten wäre. Ein Recht auf Verständigung durch die Behörde hatte sie jedenfalls nicht, zumal mangels körperlicher Übergabe des Fahrzeugs im Sinn des § 451 ABGB ungeachtet der Willensübereinstimmung betreffend dessen Widmung als Sicherungsmittel und ungeachtet der Ausfolgung des Typenscheins an die Klägerin weder Sicherungseigentum noch ein Pfandrecht wirksam begründet worden waren (ZVR 1996/46; ZVR 1986/99; JBl 1984, 143; SZ 48/75; ZVR 1961/311; Grubmann aaO; Hofmann in Rummel ABGB3 Rz 2 zu § 452 mwN). Sie war nicht Partei des Verwaltungsverfahrens, sondern hatte lediglich als Vertragspartnerin des PKW Eigentümers ein wirtschaftliches Interesse an einem gesetzeskonformen Tätigwerden der Behörde. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob die Sachbearbeiterin die behauptete Zusage in hoheitlicher Funktion oder rein privatwirtschaftlich tätigte, denn selbst bei Annahme eines hoheitlichen Handelns ist das Begehren der Klägerin nicht berechtigt, weil sie nicht darlegte, durch welche konkreten Maßnahmen sie für den Fall des Einhaltens der Zusage den behaupteten Schadenseintritt verhindert hätte.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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