JudikaturJustiz1Ob21/22b

1Ob21/22b – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Parzmayr und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* P*, vertreten durch die Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte GmbH, Graz, gegen die beklagten Parteien 1. J* E*, 2. C* E*, und 3. E* GmbH, *, alle vertreten durch die Eisenberger Offenbeck Rechtsanwalts GmbH, Graz, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 1. Dezember 2021, GZ 4 R 176/21s 78, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 31. Mai 2021, GZ 14 Cg 67/16t 73, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Soweit die Beklagten aus diversen Unterlagen andere Feststellungen als die getroffenen ableiten wollen, bekämpfen sie die Beweiswürdigung. Der Oberste Gerichtshof ist aber nicht Tatsacheninstanz, weshalb die Beweiswürdigung von ihm nicht überprüft werden kann (RIS Justiz RS0042903 [T5, T10]; RS0043371 [T22, T24]; RS0069246 [T1, T2]).

[2] 2. Die Revisionswerber bestreiten zwar das Vorliegen einer gemessenen Dienstbarkeit, nicht aber die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass unter Zugrundelegung dieses Falls zu Gunsten ihrer Grundstücke kein Dienstbarkeitsrecht des Fahrens mit Fahrzeugen aller Art zum Zweck der Bergbautätigkeit über Grundstücke der Klägerin bestünde, weil im Zeitpunkt des Abschlusses des „Servituts und Wegbauvertrags“ am 1. 12. 1967 kein Bedarf für Steintransporte von ihren Grundstücken über die nunmehr im Eigentum der Klägerin stehende Liegenschaft bestand.

[3] 3.1. Wird im Servitutsbestellungsvertrag Ausmaß und Umfang des eingeräumten Rechts nicht näher festgelegt, so liegt – wovon die Revisionswerber ausgehen – eine ungemessene Servitut vor (RS0011741; RS0011752 [T2]). Deren Umfang richtet sich, ebenso wie die Art der Ausübung nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist (RS0011720; RS0011741 [T6]). Maßgebend ist dabei das jeweilige Bedürfnis des herrschenden Gutes unter Berücksichtigung der ursprünglichen Bewirtschaftungsart sowie der vorhersehbaren Art der Ausübung (RS0011741 [T12, T14]; RS0016368 [T7]; RS0097856).

[4] 3.2. Die Art der Ausübung findet ihre Grenze in einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Gutes (RS0016368 [T8]; RS0097856 [T2]). Dem Berechtigten soll der angestrebte Vorteil ermöglicht, dem Belasteten aber so wenig wie möglich geschadet werden. Eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit liegt nur dann vor, wenn das dienende Gut dadurch erheblich schwerer belastet wird (RS0016368 [T14]; RS0097856 [T9]).

[5] 3.3. Die Auslegung eines Dienstbarkeitsbestellungsvertrags ist stets eine Frage des Einzelfalls (RS0011720 [T7]), ebenso wie die nach § 484 ABGB vorzunehmende Interessenabwägung (RS0011720 [T17]).

[6] 4.1. Eine unzulässige Erweiterung einer Dienstbarkeit im Sinn des § 484 ABGB wurde etwa in der Ausdehnung eines für private oder landwirtschaftliche Zwecke eingeräumten Fahrrechts auf andere (insbesondere gewerbliche) Zwecke erblickt (RS0011718; 2 Ob 13/11t; 4 Ob 25/14a, jeweils mwN).

[7] Das Berufungsgericht beurteilte den Servitutsbestellungsvertrag auch unter dem Aspekt, dass eine ungemessene Servitut vorliegen könnte. Die ursprüngliche Benützungsart bestand bei Vertragsabschluss nicht im (gewerblichen) Bergbau. Seine Beurteilung, die Ausdehnung des Fahrrechts über die Grundstücke der Klägerin nunmehr auf gewerbliche Zwecke des Gesteinsabbaus (Bergbau) auf der herrschenden Liegenschaft der Beklagten stelle – auch ohne dass die Anzahl der Fuhren und deren Gewicht (im Vergleich zu Holztransporten) festzustellen wäre – jedenfalls eine erheblich schwerere Belastung der dienenden Liegenschaft und eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit im Sinn des § 484 ABGB dar, folgt der zitierten Judikatur und ist nicht zu beanstanden.

[8] 4.2. Die Ausführungen der Revisionswerber vermögen keine Fehlbeurteilung aufzuzeigen. Gegenstand des im Servitutsbestellungsvertrag eingeräumten Fahrrechts war nicht „die Steinbringung“ über den neu zu errichtenden Weg und schon gar nicht ein gewerblicher Bergbau, der erst nachfolgend – in den späten 1970er Jahren – auf der Liegenschaft der Rechtsvorgänger der Beklagten betrieben wurde. Der Servitutsweg wurde auch nicht für (gewerbliche) Gesteinstransporte benützt.

[9] Wenn die Beklagten damit argumentieren, dass die Nutzung des Wegs zum Zwecke des Steintransports für eine „gewinnbringende Betriebsführung“ notwendig sei, haben sie dazu schon im erstinstanzlichen Verfahren kein konkretes Vorbringen erstattet, sodass ihre nunmehrige Behauptung dem Neuerungsverbot widerspricht (§ 504 Abs 2 ZPO). Dass sie den Steinbruch auf ihrer Liegenschaft selbst betreiben, haben sie im erstinstanzlichen Verfahren zudem nie behauptet.

[10] Aufgrund lange zurückliegender Bergbautätigkeit auf der benachbarten L iegenschaft – wahrscheinlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts – musste die Rechtsvorgängerin der Klägerin anlässlich des Abschlusses des Servitutsbestellungsvertrags nicht davon ausgehen, dass auf der Liegenschaft der Beklagten wieder Bergbau (noch dazu in einem viel größeren Umfang) betrieben und der Servitutsweg für den Abtransport von Gestein verwendet werden könnte. Zwar ist den servitutsberechtigten Beklagten der Holztransport gestattet, jedoch vernachlässigen sie bei ihren Ausführungen zum zulässigen Gesamtgewicht für Kraftwägen mit Anhängern für Holztransporte aus dem Wald die häufigere Frequenz der Steintransporte bei einem laufenden Bergbaubetrieb. Dass der Weg ohne Änderung seiner Beschaffenheit auch für die Durchführung von Steintransporten verwendet werden könnte, steht – entgegen ihrer Behauptung – nicht fest. Vielmehr wurde gerade vereinbart, dass die Benützung des Wegs während der Tauperiode und nach längeren Regenfällen, durch die die Fahrbahn aufgeweicht wird, mit Fahrzeugen ab einem Gesamtgewicht von zwei Tonnen nicht gestattet ist.

[11] Die Revisionswerber vermögen nicht nachvollziehbar aufzuzeigen , dass die Liegenschaft der Klägerin durch Steintransporte für den gewerblichen Bergbaubetrieb auf ihrer Liegenschaft nicht erheblich schwerer belastet werden würde. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass es sich dabei um eine unzulässige Erweiterung der bestehenden Dienstbarkeit des Fahrrechts handelt, ist nicht korrekturbedürftig.

[12] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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