JudikaturJustiz1Ob13/07d

1Ob13/07d – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solè und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Abstammungssache des Antragstellers Dkfm Ing. Günter W*****, vertreten durch Dr. Nikolaus Lehner, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Robert B*****, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. Oktober 2006, GZ 42 R 378/06h-15, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 8. Mai 2006, GZ 1 FAM 13/05f-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, dem Antragsgegner die mit EUR 300,10 (darin EUR 50,02 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Antragsgegner kam am 11. 6. 1980 als tschechoslowakischer Staatsbürger in Prag zur Welt. Der Antragsteller erkannte im März 1982 vor einer Behörde in Prag die Vaterschaft zum Antragsgegner an. Daraufhin stellte das tschechoslowakische Innenministerium eine Geburtsurkunde aus, die den Antragsteller als Vater ausweist. Dem Antragsgegner wurde später die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Nachdem der Antragsteller spätestens im Dezember 2003 begründete Zweifel an seiner Vaterschaft hegte, übermittelte er im Jänner 2004 Proben von eigenem Körpermaterial und - nach seinen Angaben - solchem des Antragsgegners an ein Privatinstitut. Am 20. 1. 2004 erhielt er von diesem Institut das Ergebnis einer DNA-Analyse, nach der er nicht der biologische Vater des Antragsgegners sei. Der Antragsteller begehrte nun am 22. 9. 2005 beim Erstgericht sein vor dem Matrikelamt in Prag im März 1982 abgegebenes Vaterschaftsanerkenntnis für unwirksam zu erklären. Das Erstgericht wies den Antrag ab. Gemäß § 25 Abs 1 Satz 1 und Satz 3 IPRG sei im Zuge der Bestreitung der anerkannten Vaterschaft tschechisches materielles Recht anzuwenden, da der Antragsgegner bei seiner Geburt tschechischer Staatsbürger gewesen sei. Auch das tschechische internationale Privatrecht verweise insoweit auf die Staatsangehörigkeit des Kindes bei seiner Geburt. Nach § 61 Abs 1 des (tschechischen) dritten Familiengesetzes vom 4. 12. 1963, Nr 94/1963 (in der zuletzt gültigen Fassung 315/2004 Sb) könne ein Mann, dessen Vaterschaft durch eine übereinstimmende Erklärung der Eltern festgestellt wurde, diese vor Gericht bestreiten, wenn es ausgeschlossen ist, dass er der Vater sein könnte und solange nicht 6 Monate seit dem Tag verstrichen sind, an dem die Vaterschaft auf diese Weise festgestellt wurde. Der Antragsteller habe seine Vaterschaft spätestens mit Kenntnis des DNA-Gutachtens im Jänner 2004 ausschließen können, jedoch erst am 22. 9.2005 die Klage (richtig: den Antrag) eingebracht. Die gesetzliche 6-Monate-Frist sei somit bei Antragstellung bereits abgelaufen gewesen, sodass dahingestellt bleiben könne, ob diese Frist ab der Anerkennungserklärung oder „ab dem Ausschluss der Vaterschaft durch das Gutachten" zu laufen begonnen habe.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Maßgebend für die Bestreitung der Vaterschaft sei nach dem klaren Wortlaut des § 25 Abs 1 Satz 3 IPRG tschechisches Recht, komme es danach doch allein auf das Personalstatut des Kindes im Zeitpunkt seiner Geburt an. Der spätere Statutenwechsel ändere daran nichts. Nur in einem ganz anderen Zusammenhang erkläre das Gesetz - im Satz 2 der genannten Bestimmung - die Änderung des Personalstatuts des Kindes ausdrücklich für maßgebend. Dabei werde der favor paternitatis ausdrücklich hervorgehoben. Bei der hier allein zu berücksichtigenden Frage der Bestreitung der Anerkennung werde ein späterer Statutenwechsel im Gesetz jedoch nicht erwähnt. Daraus folge zwingend, dass die Änderung des Personalstatuts in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen könne. Andernfalls wäre im Gesetz wohl auch bei der Bestreitung der Vaterschaft ausdrücklich auf das derzeitige Personalstatut abgestellt worden. Da eine unklare gesetzliche Regelung nicht vorliege, komme es auch nicht in Betracht, bei deren Auslegung die Bestimmung des § 1 Abs 2 IPRG zur Konkretisierung heranzuziehen, wonach die im IPRG enthaltenen besonderen Regelungen über die anzuwendende Rechtsordnung als Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes der stärksten Beziehung anzusehen sind. Die 6-Monate-Frist des § 61 Abs 1 des 3. Familiengesetzes in der zuletzt gültigen Fassung wäre zum Zeitpunkt der Antragstellung auch dann bereits abgelaufen gewesen, wenn die Kenntnis vom Ausschluss der Vaterschaft als fristauslösend anzusehen wäre. Soweit der Antragsteller einen Verstoß gegen den österreichischen ordre public darin erblicke, dass die Frist von 6 Monaten ab dem Anerkenntnis mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung im Sinne des § 6 IPRG unvereinbar sei, könne sich das Rekursgericht dem nicht anschließen. Auch wenn in der Regelung des fremden Rechts der favor paternitatis noch stärker betont werde, sei doch auch im österreichischen Recht der Grundgedanke verankert, dass aus der Sicht des Schutzes des Kindeswohls im Hinblick auf die anerkannte Vaterschaft grundsätzlich von der Richtigkeit dieser Erklärung ausgegangen werden könne und sie nur bei Vorliegen der normierten Voraussetzungen für unwirksam zu erklären sei. Die gesetzliche Festlegung einer deutlich kürzeren Frist verstoße daher noch nicht gegen den (österreichischen) ordre public. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Verfristung des Antrags auf Unwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses nach tschechischem Recht und zur ordre public-Widrigkeit einer derart kurzen Frist für die Antragstellung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist nicht zulässig, weil entgegen der Auffassung des Rekursgerichts keine im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage zu beantworten ist. Soweit der Revisionsrekurswerber neuerlich einen vermeintlichen Wertungswiderspruch zwischen den Regelungen in § 25 Abs 1 Satz 2 IPRG einerseits und Satz 3 andererseits aufzuzeigen versucht, ist er auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts zu verweisen. Er versucht auch gar nicht, das vom Berufungsgericht gebrauchte Argument zu entkräften, im Satz 2 der genannten Bestimmung komme der favor paternitatis in besonderem Maße zum Ausdruck. Die Berücksichtigung eines späteren Personalstatuts soll dann in Betracht kommen, wenn nur dieses die Feststellung bzw Anerkennung einer Vaterschaft ermöglicht. Für die Bestreitung gilt nach § 25 Abs 1 Satz 3 IPRG - wohl auch aus Gründen der Rechtssicherheit - jedenfalls das Recht, nach dem die Vaterschaft festgestellt oder anerkannt worden ist, also unabhängig davon, ob das Personalstatut nach Satz 1 oder nach Satz 2 der zitierten Rechtsnorm der Feststellung bzw dem Anerkenntnis zu Grunde lag. Dem festgestellten Vater die Berufung auf ein für ihn allenfalls günstigeres Recht, das ihm eine Bestreitung ermöglichte, zu gestatten, erscheint vom Sinngehalt der Regelung her nicht geboten. Es ist somit weder ein gesetzlicher Wertungswiderspruch, noch die Notwendigkeit eines Rückgriffs auf § 1 IPRG zu erkennen. Zutreffend hat das Rekursgericht auch eine Verletzung des österreichischen ordre public verneint, wobei anzumerken ist, dass der Revisionsrekurswerber nicht mehr in Zweifel zieht, dass eine Bestreitung seiner Vaterschaft im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht nach tschechischem Recht nicht mehr möglich war. Nach § 6 Satz 1 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechts (nur) dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führte, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar wäre. Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass von dieser Vorbehaltsklausel sparsamster Gebrauch zu machen ist (RIS-Justiz RS0110743). Als davon erfasste Grundwertungen sind vor allem die tragenden Grundsätze der Bundesverfassung, aber auch des Strafrechts, des Privatrechts und des Prozessrechts zu verstehen (SZ 2005/9). Der Revisionsrekurswerber übersieht, dass das österreichische materielle Recht nicht nur Bestimmungen enthält, die als allgemeiner Ausdruck des favor paternitatis anzusehen sind (zB § 25 Abs 1 Satz 2 IPRG), sondern darüber hinaus selbst Fristen vorsieht, nach deren Ablauf die Bekämpfung eines Vaterschaftsanerkenntnisses nicht mehr möglich ist. Dass eine fremde - nach den Regeln des internationalen Privatrechts auch für österreichische Gerichte maßgebliche - Rechtsordnung den genannten Grundsatz noch mehr betont und eine deutlich kürzere Frist vorsieht, die überdies nur auf den Zeitpunkt der Feststellung der Vaterschaft abstellt, führt zu keiner Unvereinbarkeit mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung. Sogar im Falle der bloß einmonatigen Ehelichkeitsbestreitungsfrist - die bereits mit der Kenntnis des Mannes von der Geburt des Kindes zu laufen beginnt (6 Ob 559/95; SZ 64/176) - nach türkischem Recht hat der Oberste Gerichtshof etwa einen Widerspruch zum österreichischen ordre public verneint (8 Ob 1589/92; 6 Ob 559/95). Das bloße Fehlen österreichischer höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Vereinbarkeit einer anzuwendenden Bestimmung fremden materiellen Rechts mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung könnte nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG darstellen, wenn ein solcher Widerspruch zumindest ernstlich erwogen werden könnte. Davon kann im vorliegenden Fall jedoch keine Rede sein, gehört doch die Entscheidung des österreichischen Gesetzgebers, innerhalb welcher Frist die inhaltliche Richtigkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses bekämpft werden kann und wann diese Frist zu laufen beginnt, gewiss nicht zu den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung.

Der Revisionsrekurs ist sohin als unzulässig zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 Satz 1 AußStrG Rechtsanwaltskosten sind auf einer Bemessungsgrundlage von nun EUR 1.740,-- angefallen (§ 10 Z 4 lit b RATG).

Rechtssätze
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