JudikaturJustiz1Ob104/00a

1Ob104/00a – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Steiermark, vertreten durch Held Berdnik Astner Held Rechtsanwaltskanzlei OEG in Graz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen 10,015.033 S sA und Feststellung (Streitwert 400.000 S) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. November 1999, GZ 4 R 194/99b-194, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Verwiesen wird auf die Vorentscheidungen des erkennenden Senats in dieser seit 1986 anhängigen Rechtssache 1 Ob 544/88 (ON 27) und 1 Ob 565/92 (ON 70).

Das klagende Land Steiermark wurde aufgrund von 18 in den Jahren 1964 bis 1969 mit der beklagten Republik Österreich geschlossenen Verträgen berechtigt und verpflichtet, bei den Bezirkshauptmannschaften des Landes Steiermark und deren Exposituren gemäß dem StempelmarkenG BGBl 1964/24 (StMG) und der Verordnung des BMF vom 11. Mai 1964 zur Durchführung des StempelmarkenG BGBl 1964/89 idgF (StMGDV) Stempelmarken zum Nennwert zu verkaufen, auf die Verkaufsmöglichkeit hinzuweisen, für geeignete Verkaufszeiten zu sorgen und laufend einen ausreichenden Vorrat an Stempelmarken bereit zu halten. Dafür erhielt die klagende Partei eine durch die Finanzlandesdirektion (FLD) zu gewährende Vergütung in Form einer Provision von 3 % des Jahresbezugs an Stempelmarken. § 6 der genannten Verträge statuiert jeweils:

"... Der FLD steht das Recht zu, die Höhe der Provision neu festzusetzen. Im Falle einer Herabsetzung der Provision hat die FLD den Verkäufer hievon drei Monate vor dem Inkrafttreten der neu festgesetzten Provision schriftlich zu verständigen."

Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1986 änderte die beklagte Partei den Provisionssatz dahin ab, dass dieser bis zum Jahresbezug von 300.000 S 3,5 %, vom Mehrbetrag über 300.000 S bis 600.000 S nur mehr 2 % und vom Mehrbetrag über 600.000 S nur mehr 1 % beträgt. Die gestaffelte Provision wird jeweils vom Umsatz jeder Bezirkshauptmannschaft berechnet. Der Berufungssenat der FLD für Steiermark sprach mit Entscheidung vom 21. März 1985 aus, dass die Tätigkeit der klagenden Partei in den 18 Stempelmarken-Verschleißstellen als gewerblicher Betrieb einzustufen sei. Zufolge der Änderung der Provisionssätze entgingen der klagenden Partei vom 1. Jänner 1986 bis 31. Dezember 1989 insgesamt 10,015.033,65 S.

Das Erstgericht gab im ersten Rechtsgang dem Klagebegehren auf Feststellung, die Verpflichtung der beklagten Partei zur Zahlung einer Provision von 3 % bestehe über den 1. Jänner 1986 hinaus fort, und auf Zahlung von 1,099.670,80 S sA als Ersatz der der klagenden Partei im ersten Halbjahr 1986 entgangenen Provisionen statt. Das Gericht zweiter Instanz hob dieses Urteil auf; sein Beschluss wurde vom Obersten Gerichtshof bestätigt: Die Festlegung der Gegenleistung für eine Leistung könne bei jedem Rechtsgeschäft iSd § 1056 ABGB auch einer der Parteien des Rechtsgeschäfts überlassen werden. Eine derartige Leistungsbestimmung unterliege insofern der richterlichen Kontrolle, als eine Partei an eine grob unbillige Preisfestsetzung durch die andere Partei nicht gebunden sei. Dies gelte auch für Dauerschuldverhältnisse. Die Preisbestimmung habe sich an der Austauschgerechtigkeit im Einzelfall zu orientieren, für die die Interessenlage beider Parteien von Bedeutung sei. Da die Angemessenheit der seinerzeit in den Verträgen gewährten Provision von 3 % von den Parteien nicht in Zweifel gezogen werde, sei von der Angemessenheit der seinerzeitigen Regelung auszugehen. Die Neufestsetzung des Provisionssatzes wäre dann grob unbillig, wenn sie nicht etwa der Relation zwischen Aufwendungen und Provisionserträgen entspräche, wie sie zur Zeit der Vertragsabschlüsse gegeben gewesen sei. Es müsse daher das Verhältnis des Aufwands beim Vertrieb zum Erlös sowohl im Zeitpunkt nach Abschluss der Verträge als auch im Zeitpunkt der von der beklagten Partei verfügten Änderung festgestellt werden. Die seit Vertragsabschluss eingetretenen Erhöhungen des Sachaufwands seien an Hand eines Indexwerts zu erheben, ebenso die durch die vorschussweise Bestreitung des Aufwands für den Einkauf der Stempelmarken auflaufenden Kapitalkosten. Beim Personalaufwand seien die Bezugsansätze eines Bediensteten der Verwendungs- bzw Entlohnungsgruppe D bzw d mit mittlerer Dienstzeit, (§ 29 Abs 5 Geo; nunmehr mittlerer Dienst) - ein solcher sei bei den Gerichten mit dem vergleichbaren Vertrieb von Gerichtskostenmarken befasst - dieser Gegenüberstellung zugrunde zu legen. Auch eine bloß teilweise Korrektur der Provisionssätze sei möglich und werde bei der Entscheidung über das Leistungsbegehren zu berücksichtigen sein.

Im zweiten Rechtsgang sprach das Erstgericht nach Klagserweiterungen mit Teilurteil der klagenden Partei 8,155.271,10 S sA an Provisionsentgang zu (Punkt 1.) und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 1,859.762,55 S sA an Provisionsentgang für den Zeitraum vom 1. Jänner bis 26. September 1987 wegen Verjährung (Punkt 2.), das Feststellungshauptbegehren, dass die in den (im Einzelnen genannten 18) Verträgen der Streitteile über den Vertrieb von Bundesstempelmarken von der beklagten Partei jeweils im § 6 übernommene Verpflichtung zur Zahlung einer Provision von 3 % an die klagende Partei über den 1. Jänner 1990 hinaus fortbestehe (Punkt 3a.) sowie das Feststellungseventualbegehren, dass die von der beklagten Partei vorgenommene Herabsetzung der Provisionssätze aus den 18 Verträgen ... der klagenden Partei gegenüber zur Gänze rechtsunwirksam sei und die beklagte Partei der klagenden Partei auch über den 1. Jänner 1990 hinaus für den Vertrieb von jedem Bundesstempelmarkenbezug aus den obgenannten Verträgen für die Zahlung einer 3 %igen Provision zur Gänze hafte (Punkt 3b.) ab. Der erkennende Senat änderte den zweitinstanzlichen Aufhebungsbeschluss dahin ab, dass das erstinstanzliche Teilurteil in der Abweisung des Feststellungs(haupt)begehrens zur Gänze und in der Abweisung des Eventualfeststellungsbegehrens teilweise (in seinem 2.Halbsatz: "die beklagte Partei hafte der klagenden Partei auch über den 1. Jänner 1990 hinaus für den Vertrieb von jedem Bundesstempelbezug aus den zu Punkt 3a) genannten Verträgen für die Bezahlung einer 3%igen Provision zur Gänze") wiederhergestellt wurde.

Im dritten Rechtsgang wies das Erstgericht auch das Leistungsbegehren sowie das restliche Feststellungs(eventual)begehren ab und stellte dazu noch fest: 1989 seien gleich viele Beschäftigte der klagenden Partei mit dem Stempelmarkenverkauf befasst gewesen wie bei Abschluss der 18 Verträge. Der Deckungsbeitrag habe sich für die klagende Partei im Jahr 1986 im Vergleich zum Jahr 1969 deutlich erhöht.

Daraus folgerte der Erstrichter in rechtlicher Hinsicht, eine allfällige Unbilligkeit bei der Senkung der Provisionssätze durch die beklagte Partei sei am Verhältnis des Aufwands beim Vertrieb zum Erlös bei Abschluss der 18 Verträge (1969) und bei Senkung der Provisionssätze (1986) zu messen. Die Provisionserträge der klagenden Partei seien dem von ihr getätigten Aufwand für den Verschleiß der Stempelmarken unter Berücksichtigung der Personalkosten, des Sachaufwands und der Kapitalkosten gegenüber zu stellen. 1986 sei für die klagende Partei ein weit höherer Deckungsgrad vorhanden gewesen, sodass die Provisionsabsenkung durch die beklagte Partei nicht unbillig gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit eingehender Begründung.

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei bringt keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung:

Rechtliche Beurteilung

a) Den gegen das Ersturteil erhobenen Vorwurf einer Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO hat bereits die zweite Instanz verneint; eine Mangelhaftigkeit des Berufungsurteils erblickt sie darin, dass die in der Berufung erhobene Tatsachenrüge nicht ausreichend behandelt worden sei. Dieser Vowurf ist, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht berechtigt (§ 510 Abs 3 ZPO). Die der Sache nach im Rechtsmittel enthaltene Tatsachen- und Beweisrüge entzieht sich einer meritorischen Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof.

b) Erstmals in der Tagsatzung vom 12. März 1997 im dritten Rechtsgang machte die klagende Partei auch ausdrücklich die Nichtigkeit der 18 Vereinbarungen wegen Verstoßes gegen § 2 F-VG BGBl 1948/45 idgF geltend und stützte ihren Anspruch hilfsweise auf Bereicherung.

Wenngleich im Gesetzeswortlaut des § 877 ABGB nur von mangelhafter Einwilligung die Rede ist, wird nach stRspr die Rückforderung erbrachter Leistungen auch bei sonstiger Ungültigkeit eines Vertrags, insbesondere nach § 879 ABGB, auf § 877 ABGB gegründet (SZ 63/72; JBl 1991, 44 ua; Apathy in Schwimann2, § 877 ABGB Rz 5 mwN). Inhalt und Umfang des Anspruchs nach § 877 ABGB sind in dieser Bestimmung nicht festgelegt. Sie richten sich daher nach den allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen. Ist - wie hier - die Rückgabe in Natur unmöglich oder untunlich, etwa bei Arbeitsleistungen, so schuldet der Empfänger Wertersatz nach Maßgabe seines Nutzens im Zeitpunkt der Leistung (SZ 58/105, SZ 60/6 uva) und nicht nach dem Schaden des Leistenden (Apathy aaO § 877 ABGB Rz 11 mwN). Zum allein maßgeblichen Nutzen der beklagten Partei zur Höhe dieses Nutzens und zu dessen Berechnung hat die klagende Partei aber keinerlei Vorbringen erstattet, sondern nur vorgebracht, dass ihre Vertriebstätigkeit für die beklagte Partei nützlich gewesen und diese daher zumindest im Umfang des Leistungsbegehrens um den Klagebetrag bereichert sei; sie hätte dementgegen behaupten - und beweisen - müssen, dass die beklagte Partei, hätte diese der klagenden Partei nicht das Recht zum Verkauf von Stempelmarken eingeräumt, einen dem Klagsbetrag (der Differenz zwischen begehrter und gewährter Provision) entsprechenden zusätzlichen Aufwand - sei es wegen des Verkaufs auch der von den Landesbehörden verkauften Stempelmarken im eigenen Bereich, sei es infolge Verkaufs dieser Stempelmarken durch Tabakverschleißer - hätte tragen müssen, der ihr durch die Tätigkeit der Landesbehörden jedoch abgenommen worden ist. Insoweit erweist sich das aus dem Sachverhalt abgeleitete Begehren als nicht schlüssig, sodass es schon deshalb für den Streitausgang auf die aus § 2 F-VG 1948 abgeleitete Nichtigkeits der Verträge namentlich auf das Ergebnis der Prüfung des Vorbringens im Rechtsmittel, das StMG habe nur den Tabakverschleißern - und nicht auch Behörden, Ämtern und Betrieben von Gebietskörperschaften (gemeint: der Länder und Gemeinden) - einen Anspruch auf Abschluss eines Verkaufsvertrags für Stempelmarken einräumen wollen, weshalb es gegenüber den mit dem Verkauf von (Bundes)Stempelmarken befassten (Landes)Behörden an einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung ("andere Bestimmung der zuständigen Gesetzgebung über die Tragung des Aufwandes" iSd § 2 F-VG 1948) fehle und somit alle 18 Verträge nichtig seien, gar nicht mehr ankommt.

c) Nach stRspr ist es einem Monopolisten ganz allgemein verwehrt, seine faktische Übermacht in unsachlicher Weise auszuüben (RIS-Justiz RS0110808 ua). Beim vergleichbaren Tabakmonopol wurde das einseitige Provisionsfestsetzungsrecht der Austria Tabakwerke AG an sich noch nicht als sittenwidrig beurteilt (Arb 9797; RIS-Justiz RS0037830). Von einem sittenwidrigen Missbrauch einer Übermacht und einer unentrinnbaren Äquivalenzstörung kann in Übereinstimmung mit der zweiten Instanz aber auch hier schon deshalb keine Rede sein, weil § 8 der Verträge jedem Vertragsteil, somit auch der klagenden Partei, eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit bei Einhaltung einer dreimonatigen Frist zum Monatsende einräumt (§ 510 Abs 3 ZPO).

d) Zu den Voraussetzungen einer grob unbilligen Preisfestsetzung wurde bereits im ersten Rechtsgang in der Vorentscheidung ON 27 Stellung genommen. Ob diese im Einzelfall vorliegt, hängt allein von dessen konkreten Umständen ab. Von einer auffallenden Fehlbeurteilung der zweiten Instanz, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigigkeit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, kann keine Rede sein.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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