JudikaturJustiz1Ob1/22m

1Ob1/22m – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J* und 2. K*, beide *, vertreten durch Dr. Christoph Gernerth Mautner Markhof ua, Rechtsanwälte in Hallein, gegen die beklagten Parteien 1. H*, vertreten durch Dr. Wolfgang Hochsteger ua, Rechtsanwälte in Hallein, und 2. G*, vertreten durch Mag. Josef Herr, Rechtsanwalt in Hallein, wegen Feststellung, Beseitigung und Unterlassung (Streitwert insgesamt 9.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionen beider beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. November 2021, GZ 22 R 246/21m 56, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hallein vom 16. Juni 2021, GZ 2 C 947/17h 51, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die gegen die der gegen die Erweiterung eines zugunsten des Grundstücks der Beklagten und zulasten des Grundstücks der Kläger bestehenden Wasserbezugsrechts gerichteten Klage stattgebende Entscheidung des Berufungsgerichts erhobenen außerordentlichen Revisionen der Beklagten zeigen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Ihre Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO). Aufgrund ihres thematischen Zusammenhangs werden die beiden Rechtsmittel gemeinsam behandelt.

[2] 2. Das Ausmaß einer Dienstbarkeit und der Umfang der dem Berechtigten zustehenden Befugnisse richten sich nach deren Titel (RIS Justiz RS0011720). Sofern der Parteiwille nicht aus dem Wortsinn ermittelt werden kann, sind für dessen Bestimmung insbesondere Natur und Zweck der Servitut zur Zeit ihrer Einräumung zu berücksichtigen (RS0011720 [T20]). Dies gilt auch für ungemessene Dienstbarkeiten (RS0011720 [T11]; RS0011741 [T6]), bei denen Art und Ausmaß der Befugnisse durch die Vereinbarung nicht eindeutig bestimmt sind (vgl RS0011752 [T1, T2, T7]; RS0116523). Ihr Ausmaß und Umfang orientiert sich zwar am Bedürfnis des herrschenden Guts, findet seine Grenze aber in dessen ursprünglichem Bestand und der ursprünglichen Bewirtschaftungs- bzw Ausübungsart (1 Ob 276/02y mwN). Die Beurteilung des Umfangs einer Dienstbarkeit hängt stets vom Einzelfall ab und begründet typischerweise keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0011720 [T7]).

[3] 3. Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung diese Rechtsprechung zugrunde und ging ebenso wie die Parteien von einer ungemessenen Servitut aus, weil der Umfang des Wasserbezugs weder vertraglich eindeutig festgelegt noch durch Bezugnahme auf konkrete Eigenschaften des zu versorgenden Gebäudes bestimmt wurde. Da auf dem herrschenden Grundstück aufgrund bau- und raumordnungsrechtlicher Vorgaben nur ein Haus mit zwei Wohnungen (davon eine Austragswohnung) errichtet werden habe dürfen (wegen seiner Lage im Grünland habe es einer Ausnahme von der bestehenden Flächenwidmung bedurft), sei dessen Errichtung im Zeitpunkt der (vor Baubeginn erfolgten) Einräumung des Wasserbezugsrechts nur in diesem eingeschränkten Umfang beabsichtigt und vorhersehbar gewesen. Durch die Versorgung einer nachträglich geschaffenen dritten Wohneinheit würde die ursprünglich nur zur Erlangung der seinerzeit erforderlichen (Bau )Bewilligung eingeräumte Servitut unzulässig erweitert.

[4] 4. Dass das Berufungsgericht für die Beurteilung des Umfangs des vereinbarten Wasserbezugsrechts den Bedarf des herrschenden Grundstücks (des darauf zu errichtenden Gebäudes) zum Zeitpunkt der Einräumung dieses Rechts als maßgeblich ansah (vgl 1 Ob 18/84; 1 Ob 29/84), ist nicht zu beanstanden; ebensowenig, dass es diesen anhand der objektiv vorhersehbaren Nutzung beurteilte und für diese auch auf damalige bau- und raumordnungsrechtliche Nutzungsbeschränkungen abstellte (vgl 1 Ob 43/10f).

[5] 5.1. Die Revisionswerber stehen auf dem Standpunkt, dass auch die künftige Wasserversorgung des (auszubauenden) Dachgeschosses der ursprünglichen bei Vereinbarung des Wasserbezugsrechts bestehenden Parteiabsicht entsprochen habe. Sie übergehen mit ihrer Argumentation die Erwägung des Berufungsgerichts, wonach ein solches Recht nur im Rahmen der bei seiner Begründung (objektiv) vorhersehbaren und durch öffentlich-rechtliche Beschränkungen begrenzten Nutzung des herrschenden Guts ausgeübt werden darf. Mit seiner Behauptung, der Umfang der Servitut hänge nicht von der „aufsichtsbehördlichen Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens“ ab, legt der Erstbeklagte schon mangels näherer Konkretisierung seines Standpunkts keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar. Auch seine Bezugnahme auf den Baubewilligungsbescheid vom 26. 8. 1994 betreffend den Dachbodenausbau geht ins Leere, weil für die Beurteilung des Parteiwillens zum Umfang der Servitut auf den Zeitpunkt ihrer Einräumung abzustellen ist. Der Zweitbeklagte hält der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach bei Begründung des Wasserbezugsrechts aufgrund bestehender Bebauungsbeschränkungen nur die Errichtung von zwei Wohneinheiten (objektiv) vorhersehbar war, bloß entgegen, dass die Parteien auch ein darüber hinausgehendes Wasserbezugsrecht vereinbaren durften. Dass dies tatsächlich erfolgt wäre, findet aber keine Deckung in dem vom Gericht zweiter Instanz zugrundegelegten Sachverhalt.

[6] 5.2. Dem auch in dritter Instanz aufrechterhaltenen (Haupt )Argument der Beklagten, wonach den (ursprünglichen) Eigentümern des dienenden Grundstücks bekannt gewesen sei, dass das Dachgeschoss als weitere (dritte) Wohnung ausgebaut werden soll, und der beim Hausbau mitarbeitende (damalige) Miteigentümer des dienenden Grundstücks seinem Sohn (dem Zweitbeklagten als damaligem Alleineigentümer des herrschenden Grundstücks) den künftigen Ausbau des Dachgeschosses sowie die Installation von Wasseranschlüssen in diesem sogar empfohlen habe, weil dessen künftige Nutzung als Wohnung durch allfällige Kinder des Zweitbeklagten bereits „im Raum gestanden“ sei, hielt das Berufungsgericht zutreffend entgegen, dass sich diese Feststellungen nicht auf den Zeitpunkt der Einräumung des Wasserbezugsrechts bezogen, zu dem nur die Errichtung von zwei Wohneinheiten vorhersehbar war. Die Erwägung des Erstgerichts in seiner Beweiswürdigung, wonach das Wasserbezugsrecht „für das gesamte Haus (beinhaltend auch das Dachgeschoss)“ eingeräumt worden sei, begründet keine Tatsachenfeststellung, sondern eine vom Berufungsgericht ohne Fehlbeurteilung korrigierte rechtliche Beurteilung.

[7] 6. Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach daraus, dass der (damalige) Miteigentümer des dienenden Grundstücks seinem Sohn (dem Zweitbeklagten) bei Errichtung des Hauses empfahl, vorsorglich eine Wasserversorgung für das Dachgeschoss (Verrohrung) vorzusehen, weil dessen spätere Nutzung als Wohnung „im Raum stand“, auf keine schlüssige (nachträgliche) Ausweitung des Umfangs des Wasserbezugsrechts geschlossen werden könne (zumal auch eine Wasserversorgung des Dachgeschosses aus einer anderen im Übergabevertrag über das herrschende Grundstück angesprochenen Quelle oder durch die Gemeinde denkbar gewesen wäre), treten die Revisionswerber nicht konkret entgegen. Der Zweitbeklagte erblickt darin nur einen Hinweis auf den ursprünglichen Parteiwillen, hingegen keinen Anhaltspunkt für eine nachträgliche (konkludente) Erweiterung des Umfangs des Wasserbezugsrechts. Der Erstbeklagte kritisiert die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nur ganz pauschal als unrichtig und zeigt damit ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (vgl RS0043605).

[8] 7. Eine unzulässige „Erweiterung der Dienstbarkeit“ – im Sinn einer übermäßigen Inanspruchnahme der dienstbaren Sache – liegt nur dann vor, wenn das dienende Gut dadurch erheblich schwerer belastet wird (RS0097856 [T9, T12]; RS0016368 [T14]; RS0011720 [T16]), wovon das Berufungsgericht ausging, weil die Quelle der Kläger, die unter anderem auch das dienende Gut mit Wasser versorgt, von (zunehmender) Wasserknappheit betroffen ist. Der Erstbeklagte behauptet dazu in seinem Rechtsmittel bloß, dass es durch den Mehrverbrauch für die neue (Dachgeschoss )Wohnung nur zu einer geringfügigen Erweiterung der Dienstbarkeit komme und der Mehrverbrauch keine „schwere Belastung“ für das dienende Grundstück darstelle, womit er schon mangels Berücksichtigung der vom Erstgericht festgestellten „Wasserknappheit“ keine erhebliche Rechtsfrage darlegt. Auch der Zweitbeklagte setzt der Begründung des Berufungsgerichts keine überzeugenden Argumente entgegen. Dass nicht der bloße Anschluss einer weiteren Wohnung an die Quelle der Kläger zu einem Mehrverbrauch führt, sondern erst die Nutzung des Quellwassers durch eine größere Anzahl an Bewohnern, ist selbstverständlich; ein davon abweichendes Verständnis kann dem Berufungsgericht nicht unterstellt werden.

Rechtssätze
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