JudikaturJustiz16Ok3/06

16Ok3/06 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Birgit Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gerhard Kuras und Univ. Doz. Dr. Georg Kodek sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer und Dr. Erich Haas als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin Bundeswettbewerbsbehörde, 1020 Wien, Praterstraße 21, der weiteren Amtspartei Bundeskartellanwalt, 1010 Wien, Schmerlingplatz 11, wider die Antragsgegnerin C***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Norbert Gugerbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Verhängung einer Geldbuße (§ 142 Z 1 lit b erster Fall KartG), über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom 21. Dezember 2005, GZ 26 Kt 95/03-50, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Dem vorliegenden Geldbußenverfahren ging ein Verfahren wegen Abstellung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung (§ 35 Abs 1 und 2 KartG) voraus, das mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom 28. 4. 2004, 26 Kt 230/02, 26 Kt 93, 94/03, bestätigt durch den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 4. 4. 2005, 16 Ok 20/04, beendet wurde.

1. Wesentliche Feststellungen des Vorverfahrens

1.1. Die Antragsgegnerin

Die Antragsgegnerin hält 98 % der Anteile an der Cineplexx Kinobetrieb Gesellschaft mbH und 100 % der Anteile an der Lichtspieltheater Betriebsgesellschaft mbH. Sie ist keine reine Holding-Gesellschaft, sondern zählt zu den umsatzstärksten Filmunternehmen Österreichs.

Die Anteile an der Antragsgegnerin werden zu 98,42 % von der Langhammer Privatstiftung und zu 1,58 % von Ing. Christian Langhammer gehalten. Letzterer ist Alleingeschäftsführer der Antragsgegnerin und einer von zwei selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführern der Cineplexx Kinobetrieb Gesellschaft mbH. Der Konzern der Antragsgegnerin betreibt eines der bedeutendsten Filmverleihunternehmen in Österreich sowie zahlreiche Kinos, zu denen einige der umsatzstärksten Großkinos gehören.

1.2 Filmverleih in Österreich

In Österreich gibt es neben der Antragsgegnerin weitere fünf große Filmverleihgesellschaften:

Wettbe- Marktanteile Zeitraum 2001-2003

werber (Filme 10-49 Kopien)

Umsatz Besucher Umsatz Besucher

(´000 EUR) (´000) (%) (%)

Constantin 22.233 3.346 31,07 30,98

UIP 7.067 1.042 9,87 9,65

Warner Bros. 9.403 1.430 13,14 13,25

Centfox 8.711 1.262 12,17 11,68

Columbia 5.002 742 6,99 6,87

Buena Vista 5.496 854 7,68 7,91

Filmladen 7.918 1.241 11,07 11,5

Einhorn 2.910 445 4,07 4,12

Concorde 637 98 0,89 0,91

Polyfilm 1.880 292 2,63 2,7

Stadtkino 240 37 0,34 0,34

TOP/Kinowelt 62 10 0,09 0,09

Gesamt 71.559 10.799 100,01 100,01

Das Kinowesen erfuhr in den letzten Jahrzehnten einen tiefgreifenden

Strukturwandel. Ab dem Ende der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts

kam es zu einem deutlichen Wachstum der Anzahl an Kinos und

Leinwänden. Bestehende Kinos vergrößerten ihr Saalangebot durch Aus-

und Zubauten. In Wien und in den größeren (Landeshaupt )Städten

entstanden in den 90er Jahren zahlreiche Mehrsaalkinos der Kategorie

"Multiplex". Das früher übliche Einsaalkino wurde vor allem in

Ballungszentren fast völlig zurückgedrängt. Die Inbetriebnahme von

Multiplexen führte zu teilweise massiven Umsatzrückgängen bei

herkömmlichen Kinos. Insgesamt verzeichnete aber der Kinomarkt von

1990 an jährlich Umsatzzuwächse. Der Kinomarkt ist nunmehr im

Wesentlichen gesättigt, an weiteren Multiplexen besteht kein weiterer

Bedarf. Es ist vielmehr in dieser Kino-Sparte mit einer

Konsolidierung zu rechnen. Folgende Übersicht gibt die Entwicklung

des österreichischen Kinomarktes in den letzten Jahren wieder:

Jahr Anzahl der Anzahl der Besucher Umsatz in

Kinos Säle (´000) Mio (EUR)

1998 k.A. 424 15.219 87,06

1999 208 524 15.023 87,3

2000 204 534 16.298 93,2

2001 201 564 18.832 108,6

2002 199 564 19.316 114,5

2003 k.A. k.A. k.A. k.A.

Säle Anzahl der % Besucher % Nettoein- %

(Stand 2002) Kinos (´000) nahmen

(´000)

8+ 27 13,64 12.340 63,88 73.554 64,24

4-7 23 11,62 3.011 15,59 17.473 15,26

1-3 148 74,74 3.966 20,53 23.476 20,50

Gesamt 198 100 19.316 100 114.502 100

1.3. Kinos der Antragsgegnerin

Die Antragsgegnerin verfügt über folgende Kinos:

CINEPLEXX Kinobetrieb Gesellschaft mbH:

Hohenems 9 Säle

Innsbruck 8 Säle

Salzburg Airport 10 Säle

Salzburg City 8 Säle

Linz 10 Säle

Graz 10 Säle

Villach 6 Säle

Leoben 6 Säle

Wien: Apollo 12 Säle

Palace Wien 14 Säle

Wien-Auhof 8 Säle

Wienerberg 10 Säle

Donauplexx 13 Säle

Lichtspieltheater Betriebsgesellschaft mbH:

Baden „Beethoven" 2 Säle

Graz „Geidorf" 3 Säle

„Royal" 3 Säle

Linz „Kolosseum" 4 Säle

Wien „Actors" 3 Säle

„Artis" 6 Säle

„Atelier" 1 Saal

„Tuchlauben" 2 Säle

„Urania" 1 Saal

„Auge Gottes" 5 Säle

Die Kinos der Antragsgegnerin stehen in direktem Wettbewerb zu den Kinos der KINO Betriebsgesellschaft mbH, die in Linz/Pasching den „Hollywood-Megaplex" mit 12 Sälen und in St. Pölten ein Kino mit 8 Sälen betreibt, sowie der KIMA Cinemas Vienna GmbH, die im Shopping Center Nord ein Hollywood-Megaplex Kino mit 8 Sälen und im Gasometer ein Multiplexkino mit 12 Sälen betreibt.

1.4. Praxis des Filmverleihs in Österreich

Die österreichischen Filmverleiher beziehen ihre Aufführungsrechte für Kinofilme aus Lizenzverträgen. Die Rechtevergabe für einen bestimmten Film erfolgt stets an einen einzigen inländischen Verleiher für das ganze Bundesgebiet. Österreichischen Kinos ist es daher nicht möglich, die Aufführungsrechte für einen bestimmten Film vom ausländischen Produzenten oder Verwertungsunternehmen zu beziehen.

Die Filmverleihunternehmen schließen mit den Kinounternehmen Filmaufführungsverträge („Filmmietvertrag" oder „Filmleihvertrag"), mit denen diese gegen Entgelt in Form einer vereinbarten prozentuellen Beteiligung an den Einspielergebnissen eine Werknutzungsbewilligung an Filmverleiher erwerben. Der österreichische Filmverleiher legt die Startkopienanzahl fest. Diese bedarf üblicherweise der Genehmigung der Lizenzgeber, die auch die Kopien herstellen lassen; sie wird aber so gut wie immer erteilt. Die Anzahl der vom Filmverleiher festgelegten Startkopien orientiert sich häufig an der in Deutschland vergebenen Startkopienanzahl und legt diese in einem dem Verhältnis der Bevölkerungszahlen entsprechenden Schlüssel (1 : 10) auf den österreichischen Markt um. In der Regel werden auch Bestellungen vom Filmverleih - soweit wirtschaftlich sinnvoll - berücksichtigt. Spätestens vier Wochen vor dem Start ist jeder Verleiher in der Lage, ihm vorliegende Bestellungen von Kinos zu beantworten. Die Zu- oder Absagen erfolgen üblicherweise formlos innerhalb weniger Tage, manchmal auch Stunden nach Eingang der Bestellung. Spätestens vier Wochen vor dem Starttermin wird Kinobetreibern in aller Regel Bescheid gegeben, ob sie den Film zur Erstaufführung erhalten. Am Montag vor dem Filmstart, der üblicherweise ein Freitag ist, leiten die Kinounternehmer um 13 Uhr das ab Freitag gültige Kinoprogramm für die Folgewoche an die Medien weiter, damit dieses noch in der selben Woche veröffentlicht wird. Dies ist der letztmögliche Zeitpunkt, einen am darauffolgenden Freitag startenden Film noch ins Programm aufzunehmen. Für die ausreichende Bewerbung des Films im Kino mittels Aushangs oder Vorspannfilmen ist aber eine Ankündigung des Films durch mindestens vier Wochen erforderlich.

Wenn ein Film zum Starttermin von mehr Kinobetreibern bestellt wird, als Startkopien zur Verfügung stehen, verwenden alle großen Filmverleiher interne „Rankings", in denen eine Rangordnung der Kinos nach den Umsätzen mit den Filmen aus dem eigenen Verleih gebildet wird, um die Belieferungsentscheidung zu treffen. Die Grundlagen dieser Rangfolge werden dem Kinounternehmen nicht offengelegt.

1.5. Verleihpraxis der Antragsgegnerin

Die Filmstarts bei der Antragsgegnerin erfolgten im Allgemeinen mit 20 bis 40 Kopien. Sie lehnte eine Belieferung von ihr unabhängiger Kinos zur Erstaufführung immer wieder mit dem Hinweis auf die „geringe Startkopienanzahl" und den Listenplatz ihres internen Rankings, das im Übrigen nicht offengelegt wurde, ab. Sie behandelte ihre „eigenen" Kinos bevorzugt. Diese wurden vielfach früher als andere mit Werbematerial versorgt und konnten daher früher beginnen, den Film zu bewerben. Dieser Bevorzugung lag die Unternehmensstrategie der Antragsgegnerin zugrunde, die eigenen Kinos durch Mittel des Verleihs gezielt zu fördern. Der Film „Spy Kids 2" ging am 31. 1. 2003 mit 26 Kopien, von denen 15 an die Kinos der Antragsgegnerin gingen, an den Start. Die Bestellung des SCN wurde ursprünglich angenommen, später jedoch unter Hinweis auf die geringe Kopienanzahl abgelehnt. Tatsächlich startete der Film in allen Wiener Multiplexen der Gruppe der Antragsgegnerin, nicht aber im SCN. Der Film „Weißer Oleander" startete am 7. 2. 2003 mit 12 Filmkopien, von denen 9 an Kinos der Antragsgegnerin geliefert wurden. Drei Multiplexkinos von Mitbewerbern wurden mit der unrichtigen Begründung, dass mit nur 10 Kopien österreichweit gestartet werde, nicht beliefert. Hingegen wurden Kinos der Antragsgegnerin beliefert, deren Besucherzahlen hinter denen der nicht belieferten Mitbewerber lagen.

1.6. Einzelfälle

Der Film „Lara Croft - Tomb Raider/Die Wiege des Lebens" wurde am 14. 8. 2003 mit 69 Kopien gestartet. Die Antragsgegnerin weigerte sich, die Multiplexe von Mitbewerbern mit zwei Kopien zu beliefern, und zwar mit der Begründung, es sei momentan nicht vorgesehen, mit zwei Kopien an einem Standort zu spielen. In den Cineplexx-Kinos der Antragsgegnerin in Linz, Graz, Salzburg und Hohenems wurde vom Start weg eine zweite Kopie eingesetzt.

Der Film „Ein ungleiches Paar" startete am 19. 9. 2003 mit 21 Kopien. Dieser war mehr als sechs Wochen vor dem Start auch für die Mitbewerber Megaplex Gasometer und SCN bestellt worden. Auf dieser Bestellung wurde in der Folge jedoch nicht bestanden, weil die Antragsgegnerin mitteilte, der Film werde auch im Cineplexx Auhof nicht eingesetzt werden. Mit E-Mail vom 15. 9. 2003, sohin vier Tage vor dem Start, bot die Antragsgegnerin eine Kopie für das SCN mit dem Hinweis an, dass der Film auch im Cineplexx Auhof eingesetzt werde. Dies war für das SCN zu spät, weil das Programm für die Woche ab 19.

4.1. Ergänzende Feststellungen des Erstgerichtes

Im Geldbußenverfahren traf das Erstgericht ergänzend folgende Feststellungen:

Die Start-Kosten eines Films setzen sich aus den Startwerbekosten, den Herstellungskosten der Filmkopien von etwa EUR 1.100 bis EUR

1.300 pro Kopie samt Nebenkosten sowie der „Minimum-Garantie" zusammen. Dabei handelt es sich um Kosten, die der Filmverleiher dem Rechteinhaber im Vorhinein als garantierten Erfolgsanteil zu bezahlen hat.

Für die Kalenderjahre 2001 bis 2003 ergibt sich für die im vorliegenden Fall eine Rolle spielenden Kinos folgende Rangfolge nach Leihmieterlösen:

01-09/2001

5) Linz Cineplexx c/o Wien ATS 6,329.458,45

7) Wien Cineplexx Palace c/o Wien ATS 5,862.884,58

10) Pasching Hollyw

Megaplex Linz-Pasching ATS 4,165.180,76

11) Wien Hollyw Megaplex im DX Wien ATS 3,442.137,95

30) Wien Cineplexx Auhof Wien ATS 1,032.775,67

34) Wien Hollyw Megaplex SCN Wien ATS 911.358,08

Das Ranking unter Berücksichtigung der umsatzstarken Monate Oktober

bis Dezember 2001 kann - mangels Vorlage von Urkunden durch die

Antragsgegnerin - nicht festgestellt werden.

2002

6) Linz Cineplexx Wien EUR 293.644,38

8) Pasching Hollyw

Megaplex Linz-Pasching EUR 212.699,29

10) Wien Hollyw Megaplex im DX Wien EUR 171.166,97

11) Wien Cineplexx Palace Wien EUR 166.680,68

19) Wien Cineplexx Auhof Wien EUR 87.312,11

24) Wien Artis Ing. Cinema Wien EUR 80.911,52

37) Wien Hollyw Megaplex im SCN Wien EUR 43.492,82

63) Wien English Cinema Haydn Wien EUR 16.214,79

118) Wien Burg-Kino Wien EUR 3.144,06

2003

5) Linz Cineplexx EUR 131.730,28

8) Pasching Hollyw

Megaplex Linz-Pasching EUR 97.539,64

12) Wien Hollyw Megaplex im DX Wien EUR 83.063,64

14) Wien-Cineplexx Wienerberg Wien EUR 70.646,51

15) Wien-Cineplexx Palace Wien EUR 69.883,59

18) Wien Hollyw Megaplex

Gasometer Wien EUR 53.051,64

23) Wien Cineplexx Auhof Wien EUR 42.902,31

34) Wien Hollyw Megaplex im SCN Wien EUR 25.070,27

Den für die Antragsgegnerin Handelnden war die marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin als Verleiherin von erstmalig im Inland in die Kinos kommenden Filmen des Mittelsegments bekannt. Es war ihnen auch klar, dass Multiplex-Kinos regelmäßig eine Vielzahl attraktiver, verschiedenartiger Filme („Film-Mix") benötigten, um ihre mindestens acht Leinwände breitenwirksam bespielen zu können. Der Bevorzugung der eigenen Kinos lag die bewusste Unternehmensstrategie der Antragsgegnerin zugrunde, die eigenen Kinos durch die Mittel des Filmverleihs zu stärken.

Der Film „Spy Kids 2" zog durchschnittlich nur acht zahlende Besucher pro Vorstellung an. Zum Zeitpunkt des Filmstarts am 31. 1. 2003 lag das Auhofkino an 19. Position des Rankings der Antragsgegnerin, das Cineplexx Palace an 11. Stelle und das Megaplex Shopping City Nord an

37. Stelle. Dieses Ranking wurde erstmals im Geldbußenverfahren offengelegt.

Der Film „Weißer Oleander" war ein sogenannter „Vertriebs-Film", den die Antragsgegnerin nur zum Vertrieb und zur Verrechnung übernahm. Die Aufführungsrechte blieben beim Lizenzgeber, der auch das wirtschaftliche Risiko trug. Über Umsatz- und Gewinnzahlen konnten keine Feststellungen getroffen werden.

Beim Film „Lara Croft - Tomb Raider/Die Wiege des Lebens" wurde das Megaplex Pasching von der Antragsgegnerin nicht mit der bestellten zweiten Kopie beliefert. Es wäre dem Megaplex Pasching technisch möglich gewesen, mit einer Kopie den Film in zwei Kinosälen zu zeigen. Es wäre allerdings nicht möglich gewesen (und allein darauf kommt es an), den Film zeitversetzt gleichzeitig in zwei Kinosälen zu zeigen.

Der Film „Ein ungleiches Paar" war kein wirtschaftlicher Erfolg und spielte nicht einmal die Kopiekosten herein.

Das Burg-Kino bespielt zwei Säle mit fremdsprachigen Filmen in Originalversion. Die unmittelbaren Konkurrenten sind die der Antragsgegnerin zuzurechnenden „Haydn-Kino" und „Artis"-Kino sowie das „De France-Kino", die ebenfalls fremdsprachige Filme in Originalfassung ohne Untertitel spielen.

Vertreter der Antragsgegnerin haben den Verleiher des Films „Two Weeks in Notice", der Anfang 2003 aufgeführt wurde, nicht aufgerufen, das Burgkino mit der Belieferung dieses Films zu boykottieren. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin einschließlich der konzernverbundenen Unternehmen stellt sich wie folgt dar:

Umsatz Jahresgewinn

2002 73 Mio EUR 6,048.000 EUR

2003 64 Mio EUR 163.000 EUR

2004 80 Mio EUR 3,040.000 EUR

Der konsolidierte Konzernumsatz für das Geschäftsjahr 2004 betrug EUR 68 Mio.

4.2. Rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass nach § 142 Z 1 lit b KartG auf Antrag einer Amtspartei eine Geldbuße in Höhe von EUR 10.000 bis EUR 1 Mio oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % der vom Unternehmer im letzten Geschäftsjahr erzielten weltweiten Umsatzerlöse aufzuerlegen sei, wenn der Unternehmer seine marktbeherrschende Stellung missbrauche. Die Rechtsnatur der Geldbuße im Sinne dieser Bestimmung sei nicht eindeutig bestimmbar (unter Berufung auf Rosbaud, Das Kartellstrafrecht ist tot! Lang lebe das „Kartellstrafrecht!", JBl 2003, 907 ff).

Die Verhängung einer Kriminalstrafe über ein Unternehmen würde nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz Feststellungen über die innere Tatseite von Entscheidungsträgern und Mitarbeitern voraussetzen. Weil es sich jedoch um kein Kriminalstrafrecht im engeren Sinn handle, sei es für die Verhängung einer Geldbuße ausreichend, wenn festgestellt werden könne, dass handlungsbefugte natürliche Personen Verhalten, das vom Kartellgesetz mit Geldbußen bewehrt sei, setzten, ohne dass es darauf ankäme, diese Personen namentlich zu individualisieren. Dass die Antragsgegnerin ihre marktbeherrschende Stellung iSd § 35 KartG auch in Ansehung der Filme „Spy Kids 2", „Weißer Oleander", „Lara Croft" und „Ein ungleiches Paar" missbraucht habe, stehe nach der Vorentscheidung fest und sei im Geldbußenverfahren nicht neuerlich aufzurollen. Die objektive Tatbestandsmäßigkeit ihres Verhaltens werde von der Antragsgegnerin auch nicht in Zweifel gezogen. In subjektiver Hinsicht sei von vorsätzlichem Handeln der Entscheidungsträger der Antragsgegnerin auszugehen. Letztlich spreche auch der Fortsetzungszusammenhang ähnlicher Handlungen über einen längeren Zeitraum für ein strategisches - und somit vorsätzliches - Vorgehen der Entscheidungsträger der Antragsgegnerin. Die vor dem 1. 7. 2002 gesetzten Handlungen könnten zwar nicht mit Geldbuße belegt werden, sie ließen jedoch wegen der langen Dauer fortgesetzter, gleichgelagerter Handlungen auf die subjektive Tatseite der Entscheidungsträger schließen.

Der Einwand der Antragsgegnerin, in der Vorentscheidung sei von der Rechtsprechung abgegangen worden und eine bis dahin nicht judizierte Marktabgrenzung vorgenommen worden, sei als Einwand eines vorsatzausschließenden Tatbildirrtums zu verstehen. Ein allfälliger vorsatzausschließender Tatbildirrtum würde nicht notwendigerweise zu einer Abweisung des Geldbußenantrages führen, weil auch die fahrlässige Verwirklichung des Geldbußen-Tatbestandes zur Verhängung einer Geldbuße führen könne; die Schuldform beim Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung (vorsätzlich oder fahrlässige Begehung) habe grundsätzlich nur Auswirkungen auf die Höhe der zu bemessenden Geldbuße.

Ein Tatbildirrtum liege jedoch nach den Feststellungen nicht vor. Der Einwand, die Antragsgegnerin habe die Berufung auf interne Rankings nach Verleihumsätzen für rechtmäßig gehalten, sei als Einwand fehlenden Unrechtsbewusstseins (vgl § 9 StGB) zu werten. Hiefür sei nicht die genaue Kenntnis der entsprechenden Verbotsnorm erforderlich, sondern lediglich das Wissen der Handelnden vom Unwertgehalt der Handlung im Sinne einer „Parallelwertung in der Laiensphäre". Es genüge, dass die Handelnden die marktbeherrschende Stellung des eigenen Unternehmens zum Nachteil der Mitbewerber bewusst einsetzten. Dass die Antragsgegnerin ihre Marktmacht durch bewusste Benachteiligungen der Mitbewerber am nachgelagerten Kinomarkt ausnützte, sei schon in der Vorentscheidung festgestellt worden. Dies reiche für die Annahme von Unrechtsbewusstsein aus; die Kenntnis der Sanktionierbarkeit dieses Verhaltens sei nicht Gegenstand des Unrechtsbewusstseins (Steininger in Salzburger Kommentar zum StGB4 § 9 Rz 10 f).

Die Geldbuße sei gemäß § 143 KartG nach den Kriterien der Schwere und Dauer der Verletzung, der durch die Rechtsverletzung erzielten Bereicherung, dem Grad des Verschuldens und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu bemessen.

Nach den Leitlinien der Europäischen Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen (Amtsblatt 1998 Nr C 9/3) sei bei der Bemessung von Geldbußen zunächst nach Maßgabe der Schwere und Dauer des Verstoßes ein Grundbetrag zu errechnen, der dann bei erschwerenden Umständen erhöht und bei mildernden Umständen gemildert werden könne. Wenngleich diese Leitlinien für das Kartellgericht nicht bindend seien, überzeugten deren Grundgedanken, nach denen die Kriterien der Schwere und Dauer der Verletzung besonders ins Gewicht fielen.

Die der Antragsgegnerin anzulastenden Handlungen stellten minderschwere Verstöße im Sinne der zitierten Leitlinien dar, weil die in vertikaler Verbindung des Verleihunternehmens der Antragsgegnerin zu den Kinos der Antragsgegnerin stattgefunden habenden Bevorzugungen zu keinen im Verfahren festgestellten umfassenden Auswirkungen am betroffenen Markt geführt hätten. Die Verstöße seien dennoch geeignet, die Interessen der Antragsgegnerin effizient gegen deren Mitbewerber am Kinomarkt durchzusetzen. Die Verstöße ereigneten sich in einem Zeitraum von kurzer Dauer, weil die vor dem 1. 7. 2002 festgestellten Missbrauchshandlungen wegen des Rückwirkungsverbotes nicht berücksichtigt werden könnten und Handlungen nach dem 31. 12. 2003 nicht berücksichtigt wurden. Allerdings sei die Dauer der Rechtsverletzung nur von untergeordneter Bedeutung, weil es nicht um eine, sondern um mehrere Missbrauchshandlungen gehe.

Das Zumessungskriterium der Bereicherung bleibe im vorliegenden Fall neutral, weil keine Bereicherung vorliege.

In Anbetracht der erheblichen Gewinne und des Umsatzes der Antragsgegnerin erscheine die Verhängung einer Geldbuße von EUR 150.000 (rund 2,2 % der höchstmöglichen Geldbuße) als angemessen. Es solle jedoch kein Zweifel daran gelassen werden, dass das Kartellgericht bereit sei, dem pönalen Charakter der Geldbuße im Wiederholungsfall durch die Verhängung wesentlich höherer Geldbußen Rechnung zu tragen.

5. Zum Rekurs

5.1. Parteienanträge

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, keine Geldbuße aufzuerlegen bzw - hilfsweise - diese bloß mit EUR 10.000 festzusetzen.

Die Bundeswettbewerbsbehörde hat eine Rekursbeantwortung eingebracht

und beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

5.2. Übergangsrecht

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, dass nach der ausdrücklichen Übergangsbestimmung des § 90 Z 2 lit d KartG 2005 Anträge auf Verhängung von Geldbußen nach § 142 KartG 1988 nach den Bestimmungen des KartG 1988 fortzusetzen sind.

5.3. Verfahrensgegenstand und Feststellungsrügen

Soweit sich die Rekurswerberin gegen die Berücksichtigung von vor dem 1. 7. 2002 stattgefundenen Vorfällen wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass das Erstgericht in seiner Entscheidung die Verhängung der Geldbuße ohnedies ausdrücklich nur auf nach dem 1. 7. 2002 stattgefundene Fälle gestützt hat. Das diesbezügliche Rekursvorbringen geht sohin ins Leere. Das Rückwirkungsverbot des Art 7 MRK schließt jedoch keineswegs aus, dass das Erstgericht auf der Tatsachenebene im Wege von Schlussfolgerungen in der Vergangenheit gesetzte Verhaltensweisen der Antragsgegnerin als Indiz für das Vorliegen einer umfassenden Strategie der Antragsgegnerin, eigene Kinos durch die Verleihpraxis gezielt gegenüber Mitbewerbern zu begünstigen, heranzieht. Die Richtigkeit der vom Erstgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen kann - wie in der Vorentscheidung 16 Ok 20/04 (= ÖBl-LS 2005/177) eingehend begründet wurde - im Kartellverfahren vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden. Inwieweit dieser Grundsatz auch im Geldbußeverfahren uneingeschränkt aufrecht zu erhalten ist, braucht im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden, zumal die Rekurswerberin keine stichhaltigen Bedenken gegen die Feststellungen des Erstgerichts aufzuzeigen vermag. Der im Rekurs vertretene Standpunkt, der Film „Lara Croft - Tomb Raider" sei nicht Gegenstand des Bußgeldverfahrens, ist aktenwidrig. Vielmehr hat die Bundeswettbewerbsbehörde in ihrem Schriftsatz vom 15. 7. 2005 (ON 31) ausdrücklich auch den Film „Lara Croft" zum Gegenstand ihres Antrags auf Verhängung eines Bußgeldes gemacht (vgl insbes S 5 in ON 31 = AS 339/II). Wenngleich dieser Film nach der festgestellten Anzahl der Startkopien oberhalb des eigentlichen „mittleren Segments" angesiedelt ist, hat doch die Antragsgegnerin im Verfahren erster Instanz trotz eingehender Prüfung und Erörterung der sich auf diesen Film beziehenden Vorwürfe der Bundeswettbewerbsbehörde nicht substantiiert bestritten (vgl auch § 33 Abs 1 iVm § 199 AußStrG), dass ihr (auch) in diesem Bereich marktbeherrschende Stellung zukomme. Auch im Rekurs wird nicht behauptet, dass sich die Marktposition der Antragsgegnerin insofern in relevanter Weise von derjenigen innerhalb des „mittleren Segments" unterscheide. Die diesbezüglich im Rekurs vertretene, ausschließlich formale Argumentation, dieser Film sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen, trifft nach dem Gesagten nicht zu. Den Film „The Passion of Christ" hat das Erstgericht im Hinblick auf die diesbezügliche Rückziehung des Strafantrags durch die Bundeswettbewerbsbehörde (S 2 in ON 43 = AS 489/II) ohnedies nicht bei der Festsetzung der Geldbuße berücksichtigt (vgl S 22 und 41 des angefochtenen Beschlusses). Gleiches gilt für den Film „Bandits", der vom Erstgericht zwar in den Feststellungen erwähnt, aber der Geldbußenverhängung nicht zugrundegelegt wurde (vgl S 41 des angefochtenen Beschlusses).

Der Umstand, dass das Erstgericht teilweise auf Feststellungen der Vorentscheidung verweist, begründet keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Dadurch wird die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung in keiner Weise beeinträchtigt, zumal wesentliche Elemente dieser Entscheidung vom Erstgericht sogar wörtlich wiedergegeben werden. Von einem „pauschalen Verweis" auf Feststellungen der Vorentscheidung kann daher den Rekursvorbringen zuwider keine Rede sein. Die im Rekurs erhobene Behauptung, es fehle „schon an objektiven Tatsachensubstrat, aus welchem auf die subjektive Tatseite geschlossen werden kann", negiert die detaillierten und minutiösen Feststellungen des Erstgerichtes.

Die Behauptung, die Antragsgegnerin verfüge über keine

marktbeherrschende Stellung im „mittleren Segment", steht im

Widerspruch zu den ausdrücklich vom Erstgericht getroffenen

Feststellungen. Das Erstgericht hat die marktbeherrschende Stellung

der Antragsgegnerin vielmehr durch Verweis auf die Vorentscheidung

und durch ergänzende Feststellungen zum Missbrauch durch die

Antragsgegnerin (S 32 der Beschlussausfertigung) festgestellt und

durch umfassende Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung eingehend

begründet (S 39 der Beschlussausfertigung). Die Richtigkeit dieser

dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Erwägungen können vom Obersten

Gerichtshof im Kartellverfahren nicht überprüft werden.

Der behauptete Widerspruch zwischen den Feststellungen auf S 20 und

32 liegt nicht vor. Zunächst bezieht sich die Feststellung auf S 20

auf die Besucherzahlen, die Feststellungen auf S 32 hingegen auf die

entsprechenden Leihmieterlöse. Außerdem liegen den jeweiligen

Feststellungen unterschiedliche Zeiträume zugrunde. Während die

Feststellungen auf S 20 des angefochtenen Beschlusses ausschließlich

die Laufzeit des Films „Weißer Oleander" zum Gegenstand haben,

beziehen sich die Feststellungen auf S 32 auf das gesamte Jahr 2003.

Außerdem lag auch bei Zugrundelegung der auf S 32 angeführten Zahlen

zumindest das von einem Mitbewerber betriebene Megaplex Donauplex

deutlich vor den - im Gegensatz zu den Kinos der Mitbewerber -

belieferten Kinos der Antragsgegnerin. Für die - von der

Rekurswerberin ohnehin ausdrücklich nur als „theoretisch" bezeichnete

- Möglichkeit, dass das nach den Feststellungen des Erstgerichtes mit

dem Film „Weißer Oleander" nicht belieferte, nicht namentlich

angeführte dritte Kino (neben dem ausdrücklich angeführten Megaplex

Gasometer und Megaplex Donauplex) nicht mit der Antragsgegnerin in

Wettbewerb stehe, bietet der Sachverhalt nicht den geringsten

Anhaltspunkt.

Dass die Rekurswerberin die Ausführungen des Erstgerichtes als

„unbeachtlich" und ihrer Auffassung nach nicht ausreichend konkret

ansieht, vermag ebensowenig eine Mangelhaftigkeit der Feststellungen

des Erstgerichtes aufzuzeigen wie der von der Rekurswerberin

erhobene, der Sache nach jedoch jeder Berechtigung entbehrende

Vorwurf, das Erstgericht verstoße gegen „Denkgesetze der Logik". Dass

die Gewinnung von tatsächlichen Schlussfolgerungen aus vor dem 1. 7.

2002 gesetzten Verhaltensweisen mit dem Rückwirkungsverbot des Art 7

MRK nichts zu tun hat, wurde bereits ausgeführt.

5.4. Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung

Hinsichtlich der Qualifikation der festgestellten Verhaltensweisen

der Antragsgegnerin als Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung

kann auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes verwiesen

werden (§ 60 Abs 2 AußStrG). Dass der Antragsgegnerin im hier in Rede

stehenden (Teil )Markt marktbeherrschende Stellung zukommt, wurde vom

Obersten Gerichtshof bereits in der Vorentscheidung 16 Ok 20/04

ausgesprochen. Die insoweit maßgebliche Tatsachengrundlage hat durch

das vom Erstgericht nunmehr durchgeführte ergänzende Beweisverfahren

keine relevanten Änderungen erfahren. Der Verweis der Rekurswerberin

auf die Beweislastregel des § 34 Abs 1a Z 1 KartG geht ins Leere,

weil das Erstgericht keine Beweislastentscheidung gefällt hat,

sondern positive Feststellungen getroffen hat.

Die Lieferverweigerung gegenüber den Mitbewerbern erfolgte nach den

Feststellungen des Erstgerichts durchwegs ohne sachliche, das heißt

nachvollziehbare bzw zutreffende Begründung, während die örtlich

konkurrierenden Kinos der Antragsgegnerin beliefert wurden, obwohl

deren Umsatzzahl nach den Feststellungen des Erstgerichtes teilweise

deutlich unter denen von Mitbewerbern lagen. Im Übrigen vermag die

nachträgliche Offenlegung interner Rankings erstmals im Rahmen des

Geldbußenverfahrens eine entsprechende Begründung einer

Lieferverweigerung nicht zu ersetzen. Beim Film „Spy Kids 2" ist

zudem auch unter Zugrundelegung der von Antragsgegnerin in ihrem

Rekurs angeführten Zahlen davon auszugehen, dass rund 58 % der zur

Verfügung stehenden Startkopien an Kinos der Gruppe der

Antragsgegnerin geliefert wurden, sodass nur rund 42 % für

Mitbewerber zur Verfügung standen.

Entgegen der Rechtsansicht der Rekurswerberin zeigt auch die

Vorgangsweise der Antragsgegnerin beim Film „Ein ungleiches Paar"

eine gezielte Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung, weil das

Zurverfügungstehen einer entsprechenden Filmkopie derart kurzfristig

mitgeteilt wurde, dass für eine entsprechende Bewerbung des Films

kein Raum blieb. In Anbetracht der zwangsläufig erforderlichen

Vorlaufzeiten erscheint es auch geradezu denkunmöglich, dass der

Antragsgegnerin nicht früher bekannt war, dass dieser Film in ihrem

eigenen Cineplexxcenter in Auhof eingesetzt werden würde. Gerade die

- unrichtige - Angabe, die Antragsgegnerin werde diesen Film im

Cineplexx Auhof nicht zeigen, war aber nach den Feststellungen der

Grund dafür, dass die Mitbewerberin nicht auf ihrer Bestellung für

die Megaplexkinos Gasometer und Shopping Center Nord beharrte.

Auch von einer - gegebenenfalls auf der Ebene der Strafbemessung zu

berücksichtigenden - Änderung der Rechtsprechung kann im vorliegenden

Zusammenhang keine Rede sein. Nach den - einer Überprüfung durch den

Obersten Gerichtshof nicht zugänglichen - Feststellungen des

Erstgerichtes war vielmehr den für die Antragsgegnerin handelnden

Personen während des gesamten Tatzeitraums ihre marktbeherrschende

Stellung durchwegs bewusst. Lediglich am Rande sei angemerkt, dass

die Antragsgegnerin ihr Verhalten teilweise auch nach Anhängigkeit

eines entsprechenden Missbrauchsverfahrens fortgesetzt hat.

5.5. Zur Höhe der Geldbuße

Auch die Bemessung der Geldbuße durch das Erstgericht ist nicht zu

beanstanden. Der Oberste Gerichtshof billigt die diesbezügliche

rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes sowohl im Ergebnis als auch

in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf

verwiesen werden kann (§ 60 Abs 2 Satz 2 AußStrG). Von einer

„unreflektierten" Vorgangsweise des Erstgerichts kann - entgegen den

Rekursausführungen - in Anbetracht der ausführlichen und sorgfältigen

Entscheidungsbegründung keine Rede sein.

Die Geldbuße nach der KartGNov 2002 ist eine Neuerung im

österreichischen Recht. Sie dient nicht nur als Beugemittel der Erzwingung gebotener Handlungen, sondern verfolgt nach der Lehre (Rosbaud, Das Kartellstrafrecht ist tot! Lang lebe das „Kartellstrafrecht"! Zur Rechtsnatur der Geldbuße nach § 142 Z 1 KartG idF KartG-Novelle 2002, JBl 2003, 907 ff; Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht, 56) auch den Zweck, begangenes Unrecht zu ahnden (Repression) und der Begehung weiterer Zuwiderhandlungen vorzubeugen (Prävention). Damit weist sie die typischen Merkmale einer Strafe auf (Rosbaud aaO 926 spricht von einer „zivilrechtlichen Strafe"). Dieser Auffassung hat sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 16 Ok 52/05 angeschlossen.

§ 143 KartG sieht vor, dass bei der Bemessung der Geldbuße insbesondere auf die Schwere und Dauer der Rechtsverletzung, auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, auf den Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen ist. Das Erstgericht hat sich ausführlich mit diesen Bemessungskriterien auseinandergesetzt. Die Rekurswerberin vermag es nicht, einen wesentlichen Rechtsirrtum in diesem Zusammenhang aufzuzeigen (vgl 16 Ok 21/04).

Zusammenfassend läuft die weitwendige Argumentation der Rekurswerberin darauf hinaus, ihre mehrfach wiederholten und systematisch fortgesetzten Missbrauchshandlungen, die Teil einer gezielten Unternehmensstrategie der Antragsgegnerin sind, als „außerordentlich geringen" Wettbewerbsverstoß darzustellen. Dass diese Auffassung in Anbetracht der Vielzahl von Verletzungshandlungen und der diesen zugrunde liegenden zielgerichteten und planmäßigen Absicht nicht zutrifft, hat bereits das Erstgericht überzeugend dargelegt. Aus diesem Grund ist das Argument der Rekurswerberin, es sei von einem - der österreichischen Rechtsordnung im Übrigen in dieser Form fremden - „Grundbetrag" von EUR 1.000 auszugehen, schon im Ansatz verfehlt.

Zudem verkennt die Rekurswerberin, dass nach den - ihrer Ansicht nach als Orientierung heranzuziehenden - Leitlinien der Europäischen Kommission (Mitteilung der Kommission - Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Art 15 Abs 2 der VO Nr 17 und gem Art 65 Abs 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, ABl C 9 vom 14. 1. 1998, S 3 ff) der „Grundbetrag" der Geldbuße in minder schweren Fällen zwischen EUR 1.000,- und EUR 1 Million, sohin immerhin nahezu das Siebenfache der tatsächlich verhängten Geldbuße, beträgt (Punkt 1 A der zitierten Leitlinien). Die von der Rekurswerberin in Anlehnung der Terminologie der zitierten Leitlinien mehrfach hervorgehobene „kurze" Dauer des Verstoßes von weniger als einem Jahr (vgl Punkt 1 B der Leitlinien) bedeutet lediglich, dass der Grundbetrag nicht zu erhöhen ist (vgl EuGH vom 28. 6. 2005, Dansk Rorindustri ua/Kommission, Slg 2005 Seite I-05425, Tz 228).

Warum die Geldbuße trotz der planmäßig und systematisch begangenen Verstöße an der Untergrenze dieses Rahmens auszumessen sein soll, ist schlicht unerfindlich. Damit könnte die kartellrechtliche Geldbuße die ihr nach dem Willen des Gesetzgebers zukommende Präventionsfunktion (vgl ErläutRV 1005 BlgNR 21. GP 32) auch nicht annähernd erfüllen. Dass die Geldbuße auch einen Präventionszweck erfüllt, entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 14. 5. 1998, Rs T-327/94 - SCA/Kommission, Tz 168), worauf im Übrigen auch der von der Rekurswerberin zur Stützung ihrer Argumentation herangezogene, insoweit jedoch nicht zitierte Aufsatz von Deselaers (Uferlose Geldbußen bei Kartellverstößen nach der neuen 10 % Umsatzregel des § 81 Abs 4 GWB WUW 2006, 118 [119]) hinweist.

Soweit dieser Autor gegen den Strafrahmen der - § 142 KartG vergleichbaren - Regelung des § 81 Abs 4 GWB verfassungsrechtliche Bedenken wegen der umsatzabhängigen und damit „wandernden" Strafobergrenze erhebt (aaO 121 ff), ist dem jedenfalls für den österreichischen Rechtsbereich nicht zu folgen. Vielmehr sind die Strafzumessungskriterien des § 143 KartG ebenso wie die Obergrenze des § 142 Z 1 lit b KartG ausreichend bestimmt, zumal eine der Rekurswerberin offenbar vorschwebende ziffernmäßig exakte Berechnung der Strafe auch im Bereich des Kriminalstrafrechts als nicht möglich angesehen wird (vgl nur Ebner in Wiener Kommentar zum StGB § 32 Rz 51 ff und 96). Auch der EuGH billigt, dass nach den Leitlinien der Kommission die Geldbuße nicht nach einer arithmetischen Formel berechnet werden kann (vgl EuGH vom 28. 6. 2005, Dansk Rorindustri ua/Kommission, Slg 2005 Seite I-05425, Tz 259 ff mit zustimmender Zitierung der Ausführungen des Urteils des Europäischen Gerichts Erster Instanz Tz 285). Dass der Gesetzgeber zum Schutz der Existenz des Unternehmens dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit durch Einführung einer absoluten Obergrenze in Höhe von 10 % des Umsatzes Rechnung trägt, ist verfassungsrechtlich daher nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass einzelne der von der diskriminierenden Verleihpraxis der Antragsgegnerin betroffenen Filme sich rückschauend betrachtet als wirtschaftlicher Misserfolg darstellten, ist nicht geeignet, die Schwere des zugrunde liegenden Verstoßes zu mildern, kam es der Antragsgegnerin doch nach den Feststellungen des Erstgerichtes bei der von ihr geübten Verleihpraxis - ex ante betrachtet - auf gezielte Begünstigung ihrer eigenen Kinos an, nicht etwa darauf, die Kinos von Mitbewerbern vor wirtschaftlichen Nachteilen zu bewahren. Dass aus der unsachlichen Verweigerung der Zurverfügungstellung entsprechender Filmkopien im Einzelfall kein Schaden entstand, weil sich die entsprechenden Erfolgserwartungen der Antragsgegnerin nicht verwirklichten, bedeutet lediglich, dass - wie gleichfalls schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat - hier für eine Erhöhung der Geldbuße kein Raum bleibt. Diesen Umstand jedoch - wie dies die Rekurswerberin anstrebt - ausdrücklich als „mildernd" zu werten, wäre jedoch verfehlt.

Soweit die Rekurswerberin behauptet, ein Abstellen auf den Gesamtumsatz sei „a priori unverhältnismäßig", verkennt sie, dass das Erstgericht nicht etwa eine Geldbuße in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Gesamtumsatzes festgelegt hat, sondern lediglich ergänzend darauf hinweist, dass die verhängte Geldbuße (nur) rund 2,2 % der höchstmöglichen Geldbuße und damit in Wahrheit nur rund 2,2 %0 des Umsatzes betragen hat.

Im Übrigen ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens nach § 143 KartG ausdrücklich Strafbemessungskriterium. Dass hiefür nicht nur der - vom Erstgericht gleichfalls herangezogene - Gewinn, sondern auch der Umsatz ein Kriterium darstellt, kann in Anbetracht des Umstandes, dass dieser auch Maß für die Obergrenze der höchstzulässigen Geldstrafe bietet, keinen Zweifel unterliegen. Dies wurde auch vom Europäischen Gerichtshof ausdrücklich anerkannt (vgl EuGH vom 28. 6. 2005, Dansk Rorindustri ua/Kommission, Slg 2005 Seite I-05425, Tz 243). Demnach darf bei der Festsetzung des Unternehmens der Umsatz, der - wenn auch nur annähernd und unvollständig - etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, herangezogen werden. Die Geldbuße darf jedoch nicht das Ergebnis eines bloßen auf den Gesamtumsatz abstellenden Rechenvorgangs sein, weil damit das Gebot der Berücksichtigung aller Faktoren nicht beachtet würde (EuGH aaO). Die weiteren Rekursausführungen zur Höhe von in anderen Fällen verhängten Geldbußen übersehen zunächst, dass es sich dabei um nicht vom Obersten Gerichtshof stammende Entscheidungen handelt. Zudem verkennt die diesbezügliche Argumentation der Rekurswerberin, dass die Höhe der Geldbuße wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhängt. Der von der Rekurswerberin primär als Vergleichsmaßstab herangezogene Umsatz der betroffenen Unternehmen ist zudem nur eines von mehreren Bemessungskriterien. Damit erweist sich der angefochtene Beschluss aber als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

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