JudikaturJustiz15Os75/99

15Os75/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. September 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Horvath als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ing. Werner H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Ing. Werner H*****, Krystof G***** und Tadeusz L***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 14. Jänner 1999, GZ 38 Vr 1533/97-66, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, des Angeklagten L***** und der Verteidiger Dr. Macher, Dr. Sperk und Dr. Iro, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Ing. H***** und G*****, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird jedoch aus deren Anlaß das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem die Angeklagten Krystof G***** und Tadeusz L***** treffenden Schuldspruch A des Urteilsspruches wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB sowie in der den Angeklagten Ing. Werner H***** zu C des Urteilsspruches und die Angeklagten Krystof G***** und Tadeusz L***** zu D des Urteilsspruches treffenden Unterstellung der zu diesen Schuldsprüchen festgestellten Tatsachen auch unter die Bestimmung des § 147 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB und demgemäß auch die alle Angeklagten treffenden Strafaussprüche aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird

a) die Sache hinsichtlich der Angeklagten Krystof G***** und Tadeusz L***** zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen;

b) hinsichtlich des Angeklagten Ing. Werner H***** gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Ing. Werner H***** wird für das ihm nach dem unberührt bleibenden Schuldspruch weiter zur Last liegende Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB und das Vergehen des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB gemäß §§ 28, 169 Abs 1 StGB zu 22 (zweiundzwanzig) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Die Vorhaftanrechnung bezüglich dieses Angeklagten wird aus dem erstgerichtlichen Urteil übernommen.

Mit ihren Berufungen werden Ing. Werner H***** auf die Entscheidung über die Strafneubemessung, die Angeklagten Krystof G***** und Tadeusz L***** auf die sie treffende kassatorische Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last, und zwar Ing. Werner H***** zur Gänze, Krystof G***** und Tadeusz L***** jene, die durch ihre erfolglosen Nichtigkeitsbeschwerden verursacht wurden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch des Erstangeklagten enthaltenden Urteil wurden Ing. Werner H***** (B) des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB und (C) des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB sowie Krystof G***** und Tadeusz L***** (A) des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und (D) des Vergehens des versuchten schweren Betruges als Beitragstäter nach §§ 12 dritter Fall, 15, 146, 147 Abs 1 (Z 1) und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach haben

(A) Krystof G***** und Tadeusz L***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken am 5. November 1997 in Grünbach am Schneeberg an einer fremden Sache, nämlich dem im Grundbuchseigentum der Anna Ho***** und "im außerbücherlichen Eigentum" der Firma B***** GmbH stehenden Mehrfamilienhaus Kolonie Nr. 21, genannt "Li*****", dadurch ohne Einwilligung des Eigentümers vorsätzlich eine Feuersbrunst verursacht, daß sie fünf Liter Benzin im ersten Stock ausschütteten und anzündeten, wodurch sich ein Vollbrand entwickelte, der zur Zerstörung des Obergeschoßes und des Dachstuhles führte;

(B) Ing. Werner H***** Ende Oktober 1997 während einer Autofahrt und am darauffolgenden Tag an nicht mehr feststellbaren österreichischen Orten Tadeusz L***** dazu bestimmt, die unter A genannte Tat auszuführen, indem er zu L*****, der das "Li*****" kannte, sagte, es wäre besser, das Haus loszuwerden, es sei auf 400.000 S versichert, L***** würde zehn Prozent der Versicherungsleistung aus dem von ihm herbeizuführenden Schadensfall erhalten, und am darauffolgenden Tag L***** einen handgeschriebenen Zettel mit der Anschrift des zu zerstörenden "Li*****" übergab;

(C) Ing. Werner H***** am 14. November 1997 in Wiener Neustadt mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der I***** Versicherungs-AG, bei der er als Geschäftsführer der Firma B***** GmbH im Mai 1997 eine Feuerversicherung für das "Li*****" abgeschlossen hatte, durch die Vorspiegelung in der Schadensmeldung über die zu A genannte Feuersbrunst, das "Li*****" sei von unbekannten Tätern in Brand gesteckt worden, und Verschweigen des Umstandes, daß die Feuersbrunst in Wahrheit durch den von ihm dazu bestimmten Tadeusz L***** verursacht worden war, somit durch Täuschung über Tatsachen, wobei er zur Täuschung ein falsches Beweismittel, nämlich eine inhaltlich unrichtige Schadensmeldung benützte, zur Auszahlung einer Versicherungsleistung zu verleiten versucht, wodurch das Versicherungsunternehmen um 478.553 S am Vermögen geschädigt werden sollte;

(D) Krystof G***** und Tadeusz L***** am 5. November 1997 in Grünbach am Schneeberg dadurch zu der unter C angeführten Tat beigetragen, daß sie zum Zweck des betrügerischen Herauslockens einer Versicherungsleistung die unter A genannte Tat verübten. Tadeusz L***** überdies am 14. November 1997 in Wiener Neustadt dadurch, daß er Ing. Werner H***** zum Zweck der Übergabe der inhaltlich unrichtigen Schadensmeldung an die I***** Versicherungs-AG mit einem PKW nach Wiener Neustadt brachte.

Dagegen richten sich die getrennt ausgeführten, jeweils auf Z 9 lit a, von den Angeklagten G***** und L***** auch auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, die sich als nicht berechtigt erweisen.

Zur Beschwerde des Angeklagten Ing. H*****:

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Schuldspruch nach §§ 12 zweiter Fall, 169 Abs 1 StGB erhobene Einwand (Z 9 lit a), der Angeklagte habe durch Veranlassen der Brandlegung an dem von der GmbH gekauften Objekt als Geschäftsführer eine tatbestandsausschließende Einwilligung gegeben, versagt selbst bei der Ansicht, daß einem unverbücherten Liegenschaftserwerb Bedeutung für den strafrechtlichen Eigentumsbegriff zukommt (SSt 42/24; Triffterer StGB-Kommentar Rz 5, Bertel WK2 Rz 2, je zu § 125; vgl aber Aicher in Rummel, ABGB § 1053 Rz 14):

Eine Feuersbrunst wird gemäß § 169 Abs 1 StGB ohne Einwilligung des Eigentümers verursacht, wenn dieser nicht wirksam zugestimmt hat. Zwar kommt eine im Strafrecht erhebliche Einwilligung eines Eigentümers grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn Träger des Eigentumsrechts eine juristische Person ist, die Willenserklärungen durch Organe abgibt. Dabei sind aber gesetzliche Beschränkungen der Dispositionsbefugnis der Organe beachtlich, weil bei Überschreitung derartiger Grenzen eine Zustimmung strafrechtlich unwirksam ist.

Der Geschäftsführer einer GmbH ist nicht befugt, zwecks Verübung einer Straftat eine Brandstiftung an Sachen der Gesellschaft vorzunehmen oder in ein solches Verhalten einzuwilligen. Seine Aufforderung zur Zerstörung von Gesellschaftsvermögen zum Zweck eines Versicherungsbetrugs ist keine wirksame Vertretungshandlung (11 Os 114/95, 13 Os 33/92; vgl Reich-Rohrwig GmbH-Recht2 Rz 2/242 ff, Umfahrer Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung5 Rz 243). Demnach kann sich der Angeklagte nicht mit Erfolg auf seine Stellung als Geschäftsführer der GmbH berufen.

Welche Konstatierungen der Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang vermißt, kann der prozeßordnungswidrigen Pauschalbehauptung eines Feststellungsmangels nicht entnommen werden (§ 285 Abs 1 StPO).

Der Beschwerde zuwider war das rechtlich als Bestimmungstäterschaft beurteilte Verhalten gegenüber dem Angeklagten L***** nach den Urteilsfeststellungen objektiv und subjektiv auf eine ausreichend individualisierte Tat bezogen (US 6 f, 10, 12 f; Leukauf/Steininger Komm3 § 12 RN 33). Hinweise auf urteilsfremde Deutungsmöglichkeiten von Sachverhaltskomponenten entsprechen nicht dem Gebot strikter Beachtung der festgestellten Tatsachen bei Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes.

Die an die rechtlichen Einwände geknüpfte undifferenzierte Begründungskritik (inhaltlich Z 5) stellt der Sache nach nur einen im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Angriff auf die erstrichterliche Beweiswürdigung dar. Mit der Forderung nach Anwendung des Zweifelsgrundsatzes ("in dubio pro reo") wird kein Begründungsmangel geltend gemacht. Das Gericht ist entgegen der Beschwerdeauffassung nicht verpflichtet, sich bei mehreren denkbaren Schlußfolgerungen durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (15 Os 77/97 uva).

Eine gesetzmäßige Heranziehung der Urteilsannahmen läßt auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) betreffend den Schuldspruch wegen versuchten schweren Betruges vermissen, in welcher der Beschwerdeführer feststellungswidrig die Veranlassung der Brandlegung ebenso bestreitet wie seine Kenntnis der Brandursache (US 7 f, 11; Mayerhofer StPO4 § 281 E 26,30).

Zu den Beschwerden der Angeklagten G***** und L*****:

Zu Unrecht wird (sachlich nur Z 9 lit a) vorgebracht, die Brandstiftung habe keine fremde Sache betroffen. Fremd ist einem Täter jede Sache, die nicht in seinem Alleineigentum steht und nicht herrenlos ist (11 Os 114/95 uva; Leukauf/Steininger Komm3 § 169 RN 3, Kienapfel BT II3 § 127 RN 35 f).

Ob der Erstangeklagte Alleingesellschafter der GmbH war, spielt hier keine Rolle, weil die Gesellschaft eine juristische Person mit eigenen Rechten und Pflichten ist, deren Eigentum von jenem der Gesellschafter zu unter- scheiden ist. Auch über Stadien des Liegenschaftsankaufs durch die Gesellschaft mußten demgemäß keine näheren Feststellungen getroffen werden.

Mit weiteren Einwänden greift der Angeklagte G*****, ohne Nichtigkeit bewirkende Umstände deutlich und bestimmt zu bezeichnen (§ 285 Abs 1 StPO), nur die Beweiswürdigung des Erstgerichtes über das zur Brandstiftung festgestellte Vorhaben an, eine Feuersbrunst zu verursachen, und verkennt in Ansehung des Betruges, daß ihm ein Tatbeitrag (§ 12 dritter Fall StGB) angelastet wurde, weshalb es der Konstatierung eines eigenen Täuschungsverhaltens (§§ 12 erster Fall, 146 StGB) nicht bedurfte.

Der Angeklagte L***** zeigt mit der - wie im Rechtsmittel selbst zugestanden - urteilsfremden Hypothese, daß er angeblich eine "Verfügungsberechtigung" des Erstangeklagten über das Brandobjekt annehmen mußte, in prozeßordnungsmäßiger Form weder einen Begründungs- noch einen Feststellungsmangel auf.

Die (im Rahmen der Berufung ausgeführte) Rechtsrüge des Angeklagten L***** (Z 9 lit a) erweist sich mit der Behauptung, "aus dem Akt und dem Wesen des Drittangeklagten" sei bei der Fahrt zur Zweigstelle des Versicherungsunternehmens ein Betrugsvorsatz nicht zu entnehmen, ebenfalls nicht als gesetzmäßig dargelegt, weil sie die gegenteiligen (den Vorsatz ausdrücklich feststellenden) Urteilsannahmen (US 7 unten) negiert.

Die unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Sie geben jedoch in mehreren Punkten Anlaß zu einem amtswegigen Vorgehen zu Gunsten der Angeklagten gemäß § 290 Abs 1 StPO:

Das Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB erfordert auf der inneren Tatseite auch den Vorsatz, daß die Feuersbrunst ohne Einwilligung des Eigentümers verursacht wird. Feststellungen darüber, wen die Angeklagten G***** und L***** für den Eigentümer des Tatobjektes hielten und ob sie demgemäß das Fehlen der Zustimmung zur Brandlegung in ihre Vorstellung einbezogen, wurden nicht getroffen. Zur Eigentumsfrage enthält das Urteil nur eine Beschreibung der vom Erstangeklagten herbeigeführten Gegebenheiten (US 6).

Dieser ungerügte Feststellungsmangel erfordert die Aufhebung des Schuldspruches der Angeklagten G***** und L***** wegen Brandstiftung (A) und insoweit die Anordnung der Verfahrenserneuerung.

Alle drei Angeklagten sind durch einen Subsumtionsfehler betroffen, der die Schuldsprüche wegen Betruges (C, D) belastet. Als falsches Beweismittel nach § 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB kann eine echte, inhaltlich unrichtige Urkunde nur dann betrachtet werden, wenn ihr ein eigener Beweiswert zukommt. Dieses Erfordernis ist bei einer Schadensmeldung, die nur die unwahren Sachverhaltsbehauptungen des Anspruchstellers umfaßt (S 57 f = ON 401 f/I), nicht erfüllt (12 Os 131/98).

Dieser rechtsirrige Ausspruch sowie die darauf beruhende Qualifikation des Beweismittelbetruges haben demnach zu entfallen.

Bei der durch die Teilkassation des den Angeklagten Ing. H***** treffenden Schuldspruches notwendig gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen sowie die Anstiftung der Angeklagten G***** und L*****; als mildernd, daß es beim Vergehen des Betruges beim Versuch geblieben ist.

Aus der sorgfältigen Planung und rücksichtslosen Ausführung der Tat, der mit dem Betrugsversuch beabsichtigten Erlangung einer Versicherungsleistung, die knapp unter der Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB liegt, und dem bereits eigentumsdeliktisch belasteten Vorleben des Angeklagten resultiert dessen ablehnende Einstellung gegenüber rechtlich geschützten Werten, der eine - dem Gewicht nach - bloß geringfügigen Korrektur der im Spruch des Ersturteils (mit 2 Jahren) angeführten Freiheitsstrafe weiterhin der tat- und täterbezogenen Schuld entspricht. Nach Lage des Falles war bereits auf Grund der Wirkungslosigkeit vorheriger Strafmaßnahmen und der Aggravierung des Deliktspotentials der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe erforderlich, um den Erfordernissen der Spezialprävention zu genügen und dem Rechtsschutzbedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen.

Rechtssätze
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