JudikaturJustiz15Os72/97

15Os72/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Juli 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mag.Volker S***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Krems an der Donau vom 20.März 1997, GZ 16 Vr 153/96-123, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiß, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Bernhauser zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Mag.Volker S***** der Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt.

Danach hat er

1. am 19.März 1996 in Unserfrau versucht, Roman H***** durch einen heftig geführten Stich mit einem Messer in den Rücken/Schulterbereich links der Wirbelsäule und durch einen weiteren Stich, mit dem er ihn am linken Oberarm traf, vorsätzlich zu töten;

2. am 19.März 1996 in Unserfrau versucht, mit Gewalt gegen Roman H***** unter Verwendung einer Waffe, indem er diesem einen heftig geführten Stich mit einem Messer in den Rücken/Schulterbereich links der Wirbelsäule sowie in den linken Oberarm versetzte, eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Goldring mit einem Rubin und Brillanten wegzunehmen, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern;

3. am 18.März 1996 in Unserfrau vorsätzlich Roman H***** durch mehrere heftige Schläge mit einem knapp 1 m langen "Expander" gegen den Kopf am Körper verletzt und ihm hiedurch Schürfwunden im Stirn- und Scheitelbereich links und an der rechten Wange zugefügt;

4. in der Zeit von Februar bis 18.März 1996 in Wien und Unserfrau den bestehenden Vorschriften zuwider insgesamt rund 2 Gramm Kokain erworben, besessen und hievon eine nicht mehr feststellbare Menge einem Strichjungen namens "Michael" überlassen.

Im zugrundeliegenden Wahrspruch hatten die Geschworenen die (anklagekonformen) Hauptfragen nach den Verbrechen des versuchten Mordes (§§ 15, 75 StGB) [A], und des versuchten schweren Raubes (§§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB) [B] sowie nach den Vergehen der Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) [C] und nach § 16 Abs 1 SGG [D] bejaht. Die für den Fall der Bejahung der Hauptfrage A gestellten Zusatzfragen nach dem Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr (§ 3 Abs 1 StGB) [1], nach dem Entschuldigungsgrund des Notwehrexzesses (§ 3 Abs 2 StGB) [2] sowie zur Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) [4] verneinten die Geschworenen ebenso wie die zu den Hauptfragen B und C gestellten Zusatzfragen nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) [9 und 11]. Folgerichtig waren somit die gestellten Eventualfragen nach dem Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung (§§ 15, 87 Abs 1), nach dem Vergehen der schweren Körperverletzung (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1), nach dem Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung (§ 88 Abs 1 und 3 zweiter Fall [§ 81 Z 1]), nach dem Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB) und nach dem Verbrechen der versuchten schweren Nötigung (§§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB) und die darauf bezogenen Zusatzfragen unbeantwortet geblieben.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 6, 8, 9, 10 a, 11 a und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; ihr kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) erblickt der Beschwerdeführer im Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage zur Hauptfrage A nach dem Verbrechen des versuchten Totschlages (§§ 15, 76 StGB), weil er gemäß seiner Verantwortung infolge seines Alkohol-, Suchtgift- und Medikamentenkonsums anläßlich der Betretung des Roman H***** beim Diebstahl von Geld und eines Rubinringes in eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung geraten sei und deswegen auf den Flüchtenden eingestochen habe.

Eventualfragen sind gemäß § 314 Abs 1 StPO unter anderem nur dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist, als das in der Anklageschrift angeführte.

Die Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag liegt in der besonderen Gemütsbeschaffenheit des Täters zur Tatzeit. Beide Tatbestände erfordern aber einen auf Tötung eines anderen gerichteten (zumindest bedingten) Vorsatz (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 76 E 1).

Der Beschwerdeführer hat in der Hauptverhandlung einen Tötungsvorsatz in Abrede gestellt und immer nur einen Verletzungswillen behauptet (393, 461, 462, 465, jeweils III). Diese Verantwortung zur subjektiven Tatseite indiziert somit nicht die Stellung einer Eventualfrage in Richtung §§ 15, 76 StGB.

Darüber hinaus ist eine Gemütsbewegung nur dann "allgemein begreiflich", wenn dem Täter kein sittlicher Vorwurf gemacht werden kann, daß er in den psychischen Ausnahmezustand geraten ist (Mayerhofer/Rieder aaO E 8 a, Leukauf/Steininger Komm3 § 76 RN 12).

Der behauptete Affektsturm wäre im vorliegenden Fall aber nur auf eine Enthemmung nach Alkohol-, Suchtgift- und Medikamentenkonsum in Verbindung mit der abnormen Persönlichkeit (43/IV) zurückzuführen, wodurch der Ange- klagte die Wegnahme eines Ringes - anders als ein durchschnittlicher Mensch - als einen besonders belastenden Angriff empfunden und darauf überschießend mit heftiger Aggression reagierte hätte. Damit wäre aber die Gemütsbewegung nicht allgemein begreiflich (Leukauf/Steininger aaO).

Die Beschwerdeargumentation, es sei auf eine "Maßfigur ... in der spezifischen Tatsituation" bei schwerer Alkoholisierung abzustellen, verkennt, daß Alkohol- und Drogenkonsum idR nur Beschleuniger für ohnehin vorhandene Beweggründe ist und § 76 StGB nur dann angenommen werden kann, wenn der Affekt unabhängig von diesem Konsum allgemein begreiflich wäre (Moos im WK § 76 Rz 39).

Im übrigen wurde der Verantwortung des Rechtsmittelwerbers, durch den behaupteten Diebstahl sei es zu einer aus einer Notwehrsituation resultierenden Affektreaktion gekommen, durch Stellung von Zusatzfragen nach § 3 Abs 1 StGB bzw § 3 Abs 2 StGB begegnet.

Zu Unrecht rügt der Rechtsmittelwerber auch, daß zur Hauptfrage D (Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG) gemäß § 313 StPO keine Zusatzfrage nach dem Vorliegen des Strafausschließungsgrundes der mangelnden Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) gestellt worden sei.

Das von dieser Hauptfrage erfaßte Suchtgiftvergehen steht nämlich in einem untrennbaren Zusammenhang mit den unter dem Einfluß des Suchtgiftmißbrauchs begangenen Verbrechen des versuchten Mordes und des versuchten schweren Raubes sowie des Vergehens der Körperverletzung. Nach dem psychiatrischen Gutachten des Univ.Prof.Dr.K***** ist der Angeklagte eine abnorme Persönlichkeit (43/IV), deren sadistische Komponente insbesondere durch Alkohol- und Suchtgiftmißbrauch zum Tragen kommt (40 und 42/IV).

Damit ist aber eine Bestrafung wegen des Suchtgiftvergehens schon deswegen geboten, um den Täter von künftigen strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 42 Z 3 StGB), sodaß für das Erstgericht kein Anlaß bestand, die geforderte Zusatzfrage zu stellen, zumal alle vom § 42 StGB angeführten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, um die mangelnde Strafwürdigkeit zu begründen.

Der in der Instruktionsrüge (Z 8) erhobene Einwand einer unrichtigen (weil unzureichenden bzw mißverständlichen) Rechtsbelehrung betreffend die Zurechnungsunfähigkeit infolge einer vollen Berauschung (Zusatzfragen 3, 4, 5 und 6 sowie Eventualfragen IV, V, VI und VII zur Hauptfrage A, Zusatzfragen 9 und 10 sowie Eventualfragen IX und X zur Hauptfrage B sowie Zusatzfrage 11 und Eventualfrage XI zur Hauptfrage C) übergeht, daß die den Geschworenen erteilte Instruktion keineswegs darauf abstellt, daß eine volle Berauschung nur dann vorläge, wenn sämtliche der in der Rechtsbelehrung angeführten Symptome einer fehlenden Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit gegeben wären. Die Instruktion hielt vielmehr fest, daß sich die volle Berauschung vor allem in Erinnerungslücken und in einem nicht sinnvollen Handeln manifestiert, während die Fähigkeit, sich situationsgemäß zu verhalten, sowie die Tat zielführend und sinnvoll auszuführen sowie den Zweck und die Tragweite des Vorganges richtig zu erfassen, einen Rauschzustand regelmäßig ausschließt (S 33 der Rechtsbelehrung). Der Beschwerde zuwider stellt die Instruktion auch darauf ab, daß ein kombinierter Genuß von Alkohol und Suchtgift (allenfalls in Verbindung mit Medikamenten) geeignet ist, einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand herbeizuführen (S 32 f der Rechtsbelehrung).

Soweit der Beschwerdeführer Rechtsausführungen zu einem pathologischen Rauschzustand vermißt, ist ihm entgegenzuhalten, daß in der Rechtsbelehrung nicht auf alle denkbaren Varianten eines möglichen Geschehensablaufes abzustellen ist, sondern auf solche, die nach den Verfahrensergebnissen in Betracht kommen können (SSt 54/69). Eine krankhafte Alkoholintoleranz und damit ein schon bei geringem Alkohol- und Suchtgiftkonsum eintretender Rauschzustand des Beschwerdeführers wurde weder von ihm behauptet (vgl 407 ff, 421 ff, insbesondere 424 f, 433, 443 ff und 481, jeweils III) noch vom Gutachter Univ.Prof.Dr.K***** erhoben (vgl ON 65 iVm S 36 ff/IV).

Wenn die Nichtigkeitsbeschwerde eine fehlende Belehrung zum Eigentumsbegriff und zur Schenkung rügt, ist ihr entgegenzuhalten, daß hiezu fallbezogen keine Notwendigkeit bestand, weil die Begriffe der Schenkung einer beweglichen Sache, des mit deren Übergabe verbundenen Eigentumsüberganges und damit einer "fremden Sache" auch Laien ohne nähere Erläuterung verständlich sind (vgl dazu die Erwägungen der Geschworenen in der Niederschrift nach § 331 Abs 3 StPO). Dazu stellt der Rechtsmittelwerber überdies rechtsirrig darauf ab, daß bei einer Mentalreservation des Schenkenden mangels einer Willensübereinstimmung und damit mangels eines Titels Eigentum (gültig) nicht übertragen werden könne. Abgesehen davon, daß die vom Angeklagten behauptete Überzeugung vom Fortbestehen seiner Eigentümerposition mit der Eventualfrage VIII (bzw Zusatzfrage 10 und Eventualfrage X) und der dazu erteilten Rechtsbelehrung (S 42) erfaßt wurde, wäre auch bei unentgeltlichen Verträgen eine dem Vertragspartner nicht bekannte Mentalreservation unbeachtlich (vgl Rummel in Rummel ABGB § 901 Rz 9; Schwimann ABGB V2 § 869 Rz 4; Koziol-Welser I10 119).

Das für das Verbrechen des (versuchten schweren) Raubes wesentliche Tatbestandselement der unrechtmäßigen Bereicherung als Abgrenzungsmerkmal zum Verbrechen der (versuchten schweren) Nötigung wurde den Beschwerdeausführungen zuwider vom Erstgericht ausreichend erklärt (S 38 und 42 der Rechtsbelehrung), sodaß die Laienrichter in der Lage waren, zwischen der Hauptfrage B (nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB) bzw der Eventualfrage IX nach § 287 Abs 1 StGB einerseits und den Eventualfragen VIII (nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB) bzw XI (nach § 287 Abs 1 StGB) andererseits zu unterscheiden.

Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 des § 345 Abs 1 StPO behauptet der Beschwerdeführer einen inneren Widerspruch in der Fragestellung, weil bei den Hauptfragen A und B vom identen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Er hätte nur einen Stich versetzt; dies könne nur einem Tatbestand unterstellt werden.

Die Fragestellung und der Wahrspruch sind nur dann in sich widersprechend, wenn Tatsachen festgestellt werden, die nach den Gesetzen des logischen Denkens einander ausschließen und daher unvereinbar sind (Mayerhofer StPO4 § 332 E 13). Die anklagekonforme Fragestellung und der Wahrspruch stellen aber auf einen im Zuge des Raubes zugleich versuchten Mord ab, sodaß sie weder undeutlich noch widersprüchlich sind. Vielmehr legt das Beschwerdevorbringen inhaltlich eine Rechtsrüge dar, in der - ebenso wie ausdrücklich unter Z 12 des § 345 Abs 1 StPO - die Annahme der Qualifikation des § 143 zweiter Fall StGB mit der Argumentation bekämpft wird, die Verwendung einer Waffe (hier Messer) sei bereits im Schuldspruch wegen des Verbrechens des versuchten Mordes enthalten, weshalb nicht noch die Qualifikation des schweren Raubes angenommen werden könne.

Dem ist jedoch zu erwidern, daß nach herrschender Lehre und ständiger Judikatur - von der abzugehen kein Anlaß besteht - dann, wenn der Täter von vornherein den Vorsatz hatte, das Opfer, um es berauben zu können, mit einer Waffe zu töten, eine echte Idealkonkurrenz zwischen dem Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und des durch den Waffengebrauch qualifizierten versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB vorliegt (Leukauf/Steininger Komm3 § 142 RN 37 und § 143 RN 17; Kienapfel BT II3 § 142 Rz 90;

Foregger/Kodek § 143 Anm VI; Bertel/Schwaighofer BT I4 § 143 Rz 6;

SSt 55/37; 55/43; 54/31); die Erfüllung des Mordtatbestandes hat keineswegs wesensnotwendig den Einsatz einer Waffe iSd § 143 StGB zur Voraussetzung.

Soweit der Beschwerdeführer in der Tatsachenrüge (Z 10 a) sowohl den Tötungs- als auch den Raubvorsatz in Frage stellt und Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Roman H***** vorbringt, versucht er lediglich die Beweiswürdigung der Geschworenen in Art einer nicht zulässigen Schuldberufung in Zweifel zu ziehen, ohne allerdings sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken aufzeigen zu können.

So beurteilt der Zeuge Roman H***** die Messerattacke des Angeklagten aus seiner Sicht als Versuch des Beschwerdeführers, ihn zu töten (35 und 90/I). Darüber hinaus bietet auch der Einsatz der vom Angeklagten gezielt mitgenommenen Tatwaffe (459 f/III) und das Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr.M***** (ON 24 und 77 sowie S 30 ff/IV) eine hinreichende Grundlage für die von den Geschworenen im Wahrspruch getroffene Feststellung (vgl Niederschrift der Geschworenen zur Hauptfrage A), daß der Angeklagte auf Roman H***** mit Tötungsvorsatz einstach. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang das Fehlen eines Tatmotives behauptet, übergeht er, daß er sogar des versuchten schweren Raubes für schuldig befunden wurde.

Der Umstand, daß im Kellerbereich, wo der Angeklagte auf Roman H***** erstmals einstach, keinerlei Blutspuren gefunden wurden, läßt sich angesichts der nach den Stichen sofort ergriffenen Flucht des Tatopfers und der Tatsache, daß eine Wunde erst nach Verstreichen eines gewissen Zeitraumes zu bluten beginnt, ohne weiteres erklären (vgl Aussage des Roman H***** 94 ff und 140 f, jeweils I sowie des Zeugen Abteilungsinspektor G***** 7 f/IV).

Die im übrigen gegen den Zeugen Roman H***** vorgebrachten Bedenken übergehen, daß dieser bereits einige Stunden, nachdem er seine Tätigkeit als "Strichjunge" in Abrede gestellt hatte (25/I), diese Erwerbsart offen einbekannte (29/I). Entgegen den Beschwerdeausführungen suchte das Tatopfer nicht nur bei einem Tankwart Zuflucht, sondern bat diesen ausdrücklich, die Gendarmerie und die Rettung zu verständigen (27/I); aus der Tatsache schließlich, daß Roman H***** aus fremdenpolizeilichen Gründen in Schubhaft genommen wurde (199, 215 und 375, jeweils I), lassen sich keinerlei Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit der Aussagen dieses Zeugen ziehen.

Daß Roman H***** aus der Stichführung gegen ihn auf einen Tötungsvorsatz des Angeklagten schloß, spricht ebensowenig gegen seine Realitätsbezogenheit wie die teilweisen Erinnerungslücken, welche auf Alkoholkonsum und die Verletzungen infolge der Schläge mit dem "Expander" zurückgeführt werden können, zumal er ungeachtet dessen die Aggressionsakte des Angeklagten - in Übereinstimmung mit dessen Einlassung zum objektiven Tatgeschehen - lückenlos schildern konnte (25 ff, 135 ff/I).

Wenn auch die vor der Messerattacke bereits ausgezogene, blutverschmierte Kleidung eher dafür spricht, daß Roman H***** - entgegen seiner Erinnerung - mit dem "Expander" geschlagen wurde, als er bekleidet war, vermag dieses - im übrigen gar nicht entscheidungswesentliche Detail - angesichts der bereits geschilderten Schwierigkeiten bei der zeitlichen Einordnung der sich über zwei Tage erstreckenden Geschehnisse durch das Tatopfer keine Bedenken gegen die von den Geschworenen angenommene Glaubwürdigkeit des Roman H***** hervorzurufen.

Der weitere Einwand, Roman H***** habe nicht nur den Rubinring, sondern noch weitere Schmuckstücke gestohlen und sodann auf seiner Flucht verloren, weil in der Eingangshalle mehrere blutige Ringe des Angeklagten gefunden worden seien, erweist sich als bloße Sachverhaltsspekulation, zumal nicht einmal der Rechtsmittelwerber selbst den Diebstahl dieser Ringe durch das Tatopfer erwogen hatte (487 und 490/III).

Die weiteren Beschwerdeausführungen, daß die Geschworenen zwar der Verantwortung des Angeklagten, das Tatopfer habe den Ring mit einem Rubin und Diamanten gestohlen, keinen Glauben geschenkt und in diesem Umfang den Angaben des Roman H***** gefolgt sind, wonach er diesen Ring als Geschenk erhalten hatte, gleichzeitig aber auch der Verantwortung des Beschwerdeführers folgten, wonach er mit dem Stich gegen Roman H***** diesen Ring wiedererlangen wollten, betreffen nur Einwände gegen die Beweiswürdigung der Geschworenen.

Daß der Angeklagte den kurz zuvor verschenkten Ring mit Gewalt zurückerlangen wollte, mag zwar als ungewöhnliche Vorgangsweise einzustufen sein, im Hinblick auf die geistige Abartigkeit des Angeklagten und dessen außergewöhnliches Aggressionspotential ergeben sich daraus aber gleichfalls keine Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Wahrspruch der Geschworenen zugrunde gelegten Tatsachen.

In seiner Rechtsrüge (Z 11 lit a) behauptet der Beschwerdeführer eine rechtfertigende Einwilligung des Verletzten im Sinne des § 90 Abs 1 StGB zum Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB.

Die gesetzmäßige Darstellung dieses Nichtigkeitsgrundes verlangt jedoch einen Vergleich der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen mit dem darauf angewendeten Gesetz. Da der Beschwerdeführer insbesondere die Feststellungen zur subjektiven Tatseite übergeht, ist dieser Nichtigkeitsgrund nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Soweit er damit inhaltlich die Fragestellung rügt (Z 6) und eine Zusatzfrage nach dem Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes reklamiert, übergeht er damit seine eigene Verantwortung, wonach eine solche Einwilligung des Roman H***** gar nicht vorlag (430 f, 435/III). Auch aus der Aussage des Roman H***** ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine derartige Einwilligung (31 und 90/I), sodaß für den Schwurgerichtshof keine Veranlassung bestand, eine entsprechende Zusatzfrage zu stellen.

Es bedarf damit keines Eingehens auf die Frage, ob eine Einwilligung zur Körperverletzung im Gefolge abwegiger Sexualpraktiken den guten Sitten widerstreitet.

Wenn der Beschwerdeführer unter diesem Nichtigkeitsgrund (Z 11 lit a) bei den Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und nach § 16 Abs 1 SGG das Vorliegen der Voraussetzung nach § 42 StGB als gegeben erachtet, übersieht er, daß materiellrechtliche Strafbefreiungsgründe nur mit einer auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden können (Foregger/Kodek StPO6 § 345 Anm II Z 11 b). Wie bereits zur Fragestellungsrüge dargetan, bestand im Hinblick auf die Spezialprävention (§ 42 Z 3 StGB) für das Erstgericht keine Veranlassung, eine Zusatzfrage nach dem Strafbefreiungsgrund der mangelnden Strafwürdigkeit der Tat zu stellen, zumal auch die Verletzungstat Ausfluß des sich unter Alkohol- und Drogeneinfluß freisetzenden Aggressions- potentials des Angeklagten ist.

Die im Gerichtstag vorgelegte "Beurteilung und Begutachtung" des Univ.Doz.Dr.A***** vom 26.Mai 1997, in der gegen das Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof.Dr.K***** Stellung genommen wird, ist unbeachtlich, weil mit dieser Vorlage prozessual unzulässig versucht wird, als Neuerung ein Privatgutachten als weiteres Beweismittel einzubringen (Mayerhofer StPO4 § 281 E 15 a ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zur Gänze zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über Mag.Volker S***** nach § 75 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren.

Bei der Strafzumessung wertete es als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, das umfassende und reumütige Geständnis zu den beiden Vergehen, den Umstand, daß die Taten auf Grund einer geistig-seelischen Abartigkeit begangen wurden und daß es bei den Verbrechen beim Versuch geblieben ist; als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und zwei Vergehen, die besonders verwerflichen Beweggründe sowie die heimtückische Vorgangsweise.

Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit der er unter Anwendung des § 41 StGB eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter das gesetzliche Mindestmaß anstrebt.

Ihr kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Berufung liegt der weitere Milderungsgrund der Unbesonnenheit (§ 34 Z 7 StGB) nicht vor, weil dieser verlangt, daß die Tathandlung auf eine augenblickliche Eingebung zurückzuführen ist, auf einen Willensimpuls, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist und nach der charakterlichen Beschaffenheit des Täters in der Regel unterdrückt worden wäre (Leukauf/Steininger aaO § 34 RN 13). Auf Grund der geplanten Vorgangsweise und der Persönlichkeitsstruktur des Rechtsmittelwerbers lag eine Unbesonnenheit nicht vor.

Die geistig-seelische Abartigkeit, die unter anderem auch auf einem Alkoholmißbrauch beruht, wurde ohnedies als mildernd gewertet.

Zutreffend wurden die besonders verwerflichen Beweggründe als erschwerend beurteilt, weil das Handeln des Täters von Vorstellungen bestimmt war, die nach dem Empfinden eines rechtstreuen Menschen besonders verachtenswert sind und dessen Abscheu hervorrufen (Leukauf/Steininger aaO § 33 RN 11). Hat sich doch der Angeklagte als Priester mit einem "Strichjungen" eingelassen und dann den Streit um den dafür zu bezahlenden Lohn mit äußerster Aggression ausgetragen.

Auch die besondere Gefährlichkeit des Angeklagten, die entgegen der Berufung in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten aus der Tat und der Täterpersönlichkeit abgeleitet wurde und selbst aus der - im Rahmen der Berufung zulässigerweise - vorgelegten Stellungnahme des Univ.Doz.Dr.A***** vom 20.Juni 1997 hervorleuchtet, hat das Geschworenengericht bei der Strafzumessung zutreffend hervorgehoben.

Die vom Erstgericht ausgemessene Freiheitsstrafe ist daher durchaus tatschuld- und unrechtsangemessen. Für eine Herabsetzung besteht somit kein Anlaß.

Rechtssätze
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