JudikaturJustiz15Os7/17v

15Os7/17v – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. August 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Limberger, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache der Privatanklägerinnen 1. P***** GesmbH, 2. P***** Limited, 3. D***** GmbH gegen 1. DI Dr. Bernhard L*****, 2. Hansjörg H*****, 3. S***** GmbH wegen des Vergehens der Auskundschaftung eines Geschäfts oder Betriebsgeheimnisses nach § 123 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 26 Hv 31/16b des Landesgerichts Linz, über die von der Generalprokuratur gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Linz vom 14. Juni 2016, AZ 10 Bs 102/16w und vom 10. April 2017, AZ 10 Bs 281/16v erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über die Anträge auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO des Erst und Zweitangeklagten und des belangten Verbandes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Sauter, der Privatanklagevertreter Dr. Engin Deniz und Dr. Staber, des Angeklagten Hansjörg H*****, der Verteidiger Mag. Nemec und MMag. Dr. Wietrzyk zu Recht erkannt:

Spruch

Im Privatanklageverfahren AZ 26 Hv 31/16b des Landesgerichts Linz verletzen

1./ der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 14. Juni 2016, AZ 10 Bs 102/16w, § 71 Abs 5 erster Satz iVm § 210 Abs 2 und Abs 3 und § 121 Abs 2 StPO,

2./ der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 10. April 2017, AZ 10 Bs 281/16v, § 35 Abs 2 und § 87 Abs 1 StPO.

Der Beschluss vom 14. Juni 2016 wird aufgehoben und die Beschwerde der Privatanklägerinnen gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 12. April 2016, GZ 26 Hv 31/16b 5, wird abgewiesen.

Der Beschluss vom 10. April 2017 wird aufgehoben und es wird dem Oberlandesgericht Linz die neuerliche Entscheidung über die Beschwerden der Angeklagten und des belangten Verbandes gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 28. November 2016, GZ 26 Hv 31/16b 24, aufgetragen.

Soweit sich der Erneuerungsantrag vom 26. Mai 2017 gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 28. November 2016 wendet, wird er zurückgewiesen.

Im Übrigen werden die Antragsteller mit ihren Erneuerungsanträgen auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit beim Landesgericht Linz zur AZ 26 Hv 31/16b eingebrachtem Schriftsatz (ON 2) erhoben die P***** GmbH, die P***** Ltd und die D***** GmbH Privatanklage gegen DI Dr. Bernhard L*****, Hansjörg H***** und die S***** GmbH wegen § 123 Abs 1 StGB, § 11 Abs 1 und Abs 2 UWG und stellten einen „Antrag auf Durchsuchung von Orten und Gegenständen, Sicherstellung und Beschlagnahme“.

Mit Beschluss vom 12. April 2016 (ON 5) ordnete der Einzelrichter des Landesgerichts Linz (zusammengefasst) die Durchsuchung der Geschäfts- und Lagerräumlichkeiten der S***** GmbH und der S***** t***** GmbH, der Wohnräumlichkeiten und Fahrzeuge des DI Dr. L***** und des Hansjörg H***** sowie der sich an diesen Orten befindlichen Computer und sonstigen elektronischen Datenträger an, und zwar zum Zweck der Sicherstellung und Beschlagnahme verfahrensrelevanter, im Beschluss konkretisierter Dokumente, Unterlagen und Gegenstände. Mit der Durchführung der Amtshandlungen wurden Beamte der Landespolizeidirektion Oberösterreich beauftragt.

Den Antrag der Privatanklägerinnen, „diese vorab über den Durchsuchungstermin zu informieren und diesen die Möglichkeit einzuräumen, an den Durchsuchungen teilzunehmen“, wies der Einzelrichter im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass Privatanklägern gemäß § 71 Abs 5 StPO dieselben Rechte wie der Staatsanwaltschaft zustehen, die Staatsanwaltschaft mit Beginn des Hauptverfahrens (§ 210 Abs 2 StPO) zur Beteiligten des Verfahrens werde, ihr ab diesem Zeitpunkt eine (eigenständige) Ermittlungstätigkeit verwehrt sei und demnach auch Privatanklägern kein Recht auf Teilnahme an Durchsuchungen bzw Sicherstellungen, somit auf Vornahme einer ermittelnden Tätigkeit, zukomme.

Der gegen die Abweisung dieses Antrags gerichteten Beschwerde der Privatanklägerinnen (ON 6) gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 14. Juni 2016, AZ 10 Bs 102/16w (ON 8) Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahingehend ab, „dass die Privatanklägerinnen vorab über den Durchsuchungstermin zu informieren sind und diesen und ihrer rechtsfreundlichen Vertretung die Möglichkeit einzuräumen ist, an den Durchsuchungen teilzunehmen“.

Begründend verwies das Beschwerdegericht im Wesentlichen darauf, dass „dem Gesetz keine Bestimmung zu entnehmen [ist], die darauf schließen ließe, dass eine Intervention des Privatanklägers bei der von ihm beantragten und gerichtlich für bewilligungsfähig erachteten und daher angeordneten Zwangsmaßnahme (im Sinne von anwesend sein) nicht zulässig sein sollte“, die Zulassung einer derartigen Intervention bei komplizierten Sachverhalten zweckmäßig erscheine und „daraus […] auch keine eigenständige Ermittlungstätigkeit einer Verfahrenspartei [entsteht]“.

Die Durchsuchungen wurden am 3. Oktober 2016 von der Kriminalpolizei in Anwesenheit von Verantwortlichen der Privatanklägerinnen und deren rechtsfreundlichen Vertretung vollzogen, wobei zahlreiche Unterlagen und elektronische Dokumente sichergestellt wurden (vgl ON 1 S 16, ON 18, ON 33 S 19 ff).

Am 6. Oktober 2016 verfügte der Einzelrichter die Zustellung der Privatanklage an die Angeklagten mit dem Hinweis, dass sie gemäß § 71 Abs 4 StPO berechtigt seien, sich dazu binnen 14 Tagen ab Zustellung zu äußern (ON 1 S 17), wobei diese Äußerungsfrist in der Folge erstreckt wurde.

Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2016 (ON 11) stellte die S***** GmbH ua den „Antrag auf vorübergehende Untersagung der Akteneinsicht hinsichtlich der bei den Hausdurchsuchungen beschlagnahmten Gegenstände und Objekte“, weil die Antragstellerin in einem direkten Konkurrenzverhältnis zu den Privatanklägerinnen stehe und insofern eine „undifferenzierte Übermittlung“ der bei den Durchsuchungen „beschlagnahmten Objekte der S***** GmbH einen weiteren unwiederbringlichen und in ihrer Existenz gefährdenden Schaden verursachen“ würde. Demgegenüber begehrten die Privatanklägerinnen in ihrer Stellungnahme vom 25. Oktober 2016 (ON 19), ihnen „Akteneinsicht in die bei den Hausdurchsuchungen beschlagnahmten Gegenstände und Objekte zu gewähren“.

Mit Beschluss vom 3. November 2016 (ON 20) wies das Landesgericht Linz den Antrag der S***** GmbH „auf vorübergehende Untersagung der Akteneinsicht hinsichtlich der bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Gegenstände und Objekte“ ab und verwies die Privatanklägerinnen mit ihrem Akteneinsichtsantrag auf diese Entscheidung. Begründend hielt der Einzelrichter fest, dass ein in der StPO vorgesehener Grund für eine (vorübergehende) Versagung der Akteneinsicht nicht genannt worden sei, im Übrigen auch kein Grund im Sinn der §§ 51 Abs 2, 68 StPO ersichtlich sei und auch die Voraussetzungen des § 112 StPO nicht vorlägen.

Ergänzend sprach der Einzelrichter mit Beschluss vom 17. November 2016 (ON 21) aus, dass „Akteneinsicht in die vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungs-/Hauptverfahrens genommen werden [kann], eine Einsichtnahme in solche sichergestellten Objekte, insbesondere Datenträger, deren Auswertung/Sichtung bislang jedoch nicht erfolgt ist, jedoch nicht in Betracht [kommt]“. Begründend wurde darauf verwiesen, dass zwar keine der im Gesetz normierten Gründe für eine Beschränkung der Akteneinsicht vorlägen, eine Einsichtnahme in sämtliche bei den Durchsuchungen sichergestellten Objekte derzeit jedoch nicht in Betracht komme, zumal Akteneinsicht nur in die vorliegenden Ergebnisse des Verfahrens zu gewähren sei, was auf die bislang nicht ausgewerteten bzw gesichteten Objekte nicht zutreffe.

Mit Schriftsatz vom 23. November 2016 (ON 23) beantragten die beiden Angeklagten und der belangte Verband, „den Privatanklägerinnen Akteneinsicht nur insoweit in die vorliegenden Ergebnisse des Verfahrens zu gewähren, als eine vorangegangene Auswertung und Sichtung sämtlicher bei den Angeklagten sichergestellten Unterlagen – sei es in Papierform, sei es in elektronischer Form – durch einen zu bestellenden, fachlich kompetenten Sachverständigen stattgefunden hat und zwar ausschließlich in jenem Umfang, als eine derartige Auswertung/Sichtung einen untrennbaren Zusammenhang der betroffenen Unterlagen mit der verfahrensgegenständlichen Anklage ergeben hat“.

Mit Beschluss vom 28. November 2016 (ON 24) wies das Landesgericht Linz diesen Antrag unter Hinweis auf die bereits ergangenen Beschlüsse ON 20 und ON 21 und mit der Begründung ab, dass „eine solche Einschränkung der Akteneinsicht, wie sie nunmehr die Privatangeklagten begehren“, dem Gesetz fremd sei.

Den gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerden der Angeklagten (ON 27) und des belangten Verbandes (ON 28) gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 10. April 2017, AZ 10 Bs 281/16v (ON 39), nicht Folge. Begründend verwies das Beschwerdegericht zusammengefasst darauf, dass die „kritisierte (unschädlich) in Beschlussform gegossene Disposition, mit der das Erstgericht zum Ausdruck brachte, derzeit die Bestellung eines Sachverständigen oder die Beschränkung der Akteneinsicht nicht zu veranlassen, in der Sache bloß eine prozessleitende Verfügung im Sinn des § 35 Abs 2 letzter Halbsatz StPO darstellt, gegen die eine Beschwerde nicht zulässig ist“.

Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 14. Juni 2016, AZ 10 Bs 102/16w (ON 8), und vom 10. April 2017, AZ 10 Bs 281/16v (ON 39), stehen – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

1./ Zum Beschluss vom 14. Juni 2016, AZ 10 Bs 102/16w:

Das Privatanklageverfahren ist ausschließlich als Hauptverfahren zu führen. Es beginnt mit der Einbringung der Privatanklage (vgl § 71 Abs 3 StPO) oder – vorliegend nicht von Relevanz – eines selbständigen Antrags auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 StPO; ein Ermittlungsverfahren findet nicht statt (§ 71 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Der Privatankläger hat gemäß § 71 Abs 5 erster Satz StPO grundsätzlich die gleichen Rechte wie die Staatsanwaltschaft. Im Hinblick darauf, dass es sich bei dem aufgrund einer Privatanklage zu führenden Verfahren stets um ein Hauptverfahren handelt, kommen dem Privatankläger demnach jene Rechte zu, die der Staatsanwaltschaft im Hauptverfahren zustehen.

Gemäß § 210 Abs 2 StPO wird die Staatsanwaltschaft mit Einbringung der Anklage zur Beteiligten des Verfahrens. Sie kann ab diesem Zeitpunkt Anträge stellen, etwa auf Aufnahme von Beweisen oder Durchführung von Zwangsmaßnahmen, und durch Prozesshandlungen das Verfahren gestalten; eine eigenständige Ermittlungstätigkeit ist ihr ab diesem Zeitpunkt versagt (vgl Schroll , WK StPO § 20 Rz 10; Birklbauer/Mayrhofer , WK-StPO § 210 Rz 2, 17).

Das Recht des Privatanklägers zur Beantragung von Zwangsmaßnahmen ist gegenüber jenem des Staatsanwalts gemäß § 71 Abs 5 zweiter und dritter Satz StPO insofern eingeschränkt, als er derartige Maßnahmen zu beantragen nur berechtigt ist, als dies zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen erforderlich ist; zu Anträgen auf Festnahme oder auf Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft ist er ausdrücklich nicht berechtigt.

Über nach Einbringung der Anklage vom Ankläger – sei es vom Staatsanwalt, sei es vom Privatankläger – gestellte Anträge auf Durchführung von Zwangsmaßnahmen, etwa – wie vorliegend – auf Durchsuchung von Orten und Gegenständen (§ 117 Z 2 iVm § 119 Abs 1 StPO) samt Sicherstellung bzw Beschlagnahme von Gegenständen (§ 109 Z 1 und 2 iVm §§ 110 bzw 115 StPO), entscheidet gemäß § 210 Abs 3 StPO (iVm § 71 Abs 5 StPO) das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht. Die Durchführung derartiger gerichtlich angeordneter Zwangsmaßnahmen obliegt gemäß § 210 Abs 3 zweiter Satz StPO der Kriminalpolizei (vgl § 18 StPO), die ihre Berichte und Verständigungen (nun) an das Gericht (und nicht an die Staatsanwaltschaft) zu richten hat.

Während sich demnach die Staatsanwaltschaft in dem von ihr zu leitenden Ermittlungsverfahren (wegen eines Offizialdelikts) stets an allen Ermittlungen der Kriminalpolizei beteiligen und dem Leiter der kriminalpolizeilichen Amtshandlungen Aufträge erteilen (§ 103 Abs 1 StPO) sowie selbst Ermittlungen durchführen kann (§ 103 Abs 2 StPO), stehen ihr diese Rechte im Hauptverfahren aufgrund ihrer (bloßen) Beteiligtenstellung nicht mehr zu (zu den Rechten der Beteiligten vgl Danek/Mann , WK-StPO § 220 Rz 1).

Zwar normierte die StPO bis zum 31. Dezember 2007 ein Recht des (öffentlichen oder Privat-)Anklägers und des Verteidigers, einer Hausdurchsuchung beizuwohnen und die Gegenstände zu bezeichnen, auf die die Untersuchungshandlungen auszudehnen seien (§ 97 Abs 2 StPO idF vor BGBl I 2004/19). Ein gleichartiges Recht der Beteiligten des Verfahrens kennt die StPO idgF jedoch nicht (vgl auch § 49 Z 10 StPO), vielmehr räumt sie nur dem von einer Durchsuchung von Orten und Gegenständen Betroffenen und dessen Vertrauensperson, alternativ einem erwachsenen Mitbewohner oder zwei unbeteiligten Zeugen der Amtshandlung, bei Durchsuchung von bestimmten der Berufsausübung gewidmeten Räumen einem Interessenvertreter, Medieninhaber oder dessen Vertreter (in allen Verfahrensstadien; § 121 Abs 2, § 210 Abs 3 StPO), darüber hinaus im Ermittlungsverfahren auch der Staatsanwaltschaft als dessen Leiterin (§ 103 Abs 1 StPO), ein Recht auf Anwesenheit ein.

Wenngleich das Hauptverfahren grundsätzlich parteiöffentlich ist, hat der Gesetzgeber für außerhalb der Hauptverhandlung durchzuführende Beweisaufnahmen ausschließlich im Fall eines vom Vorsitzenden allein oder von einem Beisitzer vorzunehmenden Augenscheins ein Recht der Beteiligten auf Anwesenheit normiert (§ 254 Abs 2 erster Satz StPO; vgl SSt 61/26), nicht aber im unmittelbar danach geregelten Fall sonstiger Beweisaufnahmen außerhalb der Hauptverhandlung (§ 254 Abs 2 zweiter Satz StPO), woraus zu schließen ist, dass ein gleichartiges Recht für solche (demnach auch für Beweisaufnahmen vorbereitende/sichernde Zwangsmaßnahmen) nicht besteht.

Für diese Sicht spricht auch, dass der Gesetzgeber ein nur kurze Zeit (von 1. Jänner 2008 bis 31. Mai 2009) – für alle Verfahrensstadien – normiertes Anwesenheitsrecht der Beteiligten bei der Befundaufnahme eines Sachverständigen (§ 127 Abs 2 StPO idF des StPRefG, BGBl I 2004/19) infolge der Problematik des dadurch bewirkten Eingriffs in die Privatsphäre des Betroffenen (Art 8 MRK) und der Verzögerung der Befundaufnahme (Art 6 Abs 1 MRK) rasch wieder beseitigt hat (BGBl I 2009/52; ErläutRV 113 BlgNR 24. GP 36; s auch RIS-Justiz RS0096652). Dieselben Argumente gelten nämlich auch für eine Durchsuchung von Orten und Gegenständen (vgl § 121 Abs 3 StPO, § 9 StPO).

Parteiöffentlichkeit im Hauptverfahren darf aufgrund des Prinzips der Waffengleichheit, das nach ständiger Rechtsprechung des EGMR einen der Wesenszüge des fairen Verfahrens iSd Art 6 EMRK darstellt, nicht einseitig gewährt werden (vgl VfGH 13. 12. 2012, G 137/11, mwN).

Insofern kommt einem Privatankläger, aber auch allen anderen Beteiligten des Hauptverfahrens in dieser jeweiligen Funktion kein Recht auf Teilnahme an einer – von der Kriminalpolizei ausschließlich im Auftrag des Gerichts außerhalb der Hauptverhandlung vorzunehmenden – Durchsuchung zu. Ein (bloß) aus anderer Stellung als der eines Beteiligten resultierendes Recht (§ 121 Abs 2 StPO) steht dem nicht entgegen.

Von den Privatanklägerinnen in ihrer Stellungnahme zur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes behaupteten Defiziten der Rechtsverfolgung (Ineffektivität einer nur durch Organe der Kriminalpolizei ohne Hilfestellung eines informierten Vertreters des Privatanklägers durchgeführten Durchsuchung, insbesondere, wenn es – wie hier – um die Sicherstellung ausgekundschafteter Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse geht) kann bereits durch entsprechend genaue Determinierung des Durchsuchungsantrags (vgl RIS-Justiz RS0116050; Tipold/Zerbes , WK-StPO § 120 Rz 4), erforderlichenfalls auch durch Beiziehung eines im Rahmen der Durchsuchung Befund aufnehmenden Sachverständigen (RIS-Justiz RS0096652 [T1]) Rechnung getragen werden.

Entgegen der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Linz ergibt sich daher aus § 71 Abs 5, § 210 Abs 2 und 3 und § 121 Abs 2 StPO die Unzulässigkeit der Teilnahme des Privatanklägers an der – wenn auch über seinen Antrag – vom Gericht angeordneten und von der Kriminalpolizei durchzuführenden Durchsuchung. Der Antrag der Privatankläger auf Teilnahme an den Durchsuchungen wurde demnach vom Erstgericht zu Recht abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, die Feststellung dieser Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

2./ Zum Beschluss vom 10. April 2017, AZ 10 Bs 281/16v:

Privatankläger sind gemäß § 68 Abs 1 StPO zur Akteneinsicht berechtigt, soweit ihre Interessen betroffen sind, wobei die für den Beschuldigten geltenden Bestimmungen der §§ 51, 52 Abs 1, Abs 2 Z 1 und 3 sowie § 53 StPO sinngemäß anzuwenden sind. Im Übrigen darf die Akteneinsicht nur verweigert oder beschränkt werden, soweit durch sie der Zweck der Ermittlungen oder eine unbeeinflusste Aussage als Zeuge gefährdet wäre (§ 68 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Eine Verweigerung oder Beschränkung der Akteneinsicht im (als Hauptverfahren zu führenden) Privatanklageverfahren ist demnach zum einen gemäß § 68 Abs 1 erster Satz zweiter Halbsatz iVm § 51 Abs 2 erster Satz StPO bei Bestehen einer ernsten Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit (vgl § 162 StPO) hinsichtlich personenbezogener Daten oder sonstiger Umstände, die Rückschlüsse auf die Identität oder die höchstpersönlichen Lebensumstände der gefährdeten Person zulassen, möglich. Zum anderen ergibt sich eine Einschränkung des Akteneinsichtsrechts des Privatanklägers daraus, dass diesem Akteneinsicht nur insoweit zusteht, als seine Interessen betroffen sind. Dies gebietet im Einzelfall eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Privatanklägers an der Akteneinsicht und dem Recht (ua) des Angeklagten auf Geheimhaltung seiner (personenbezogenen) Daten (vgl Korn/Zöchbauer , WK StPO § 68 Rz 2; Fabrizy , StPO 12 § 68 Rz 2).

Über die Gewährung von Akteneinsicht entscheidet ab Einbringung der Anklage (vgl § 210 Abs 2 StPO) das Gericht ( Achammer , WK-StPO § 53 Rz 7; Danek/Mann , WK-StPO Vor §§ 220–227 Rz 8).

Gemäß § 35 Abs 2 StPO sind die nicht gemäß Abs 1 leg cit der Urteilsform vorbehaltenen Entscheidungen der Gerichte als Beschluss (§ 86 StPO) zu fassen, soweit nicht bloß eine auf den Fortgang des Verfahrens oder die Bekanntmachung einer gerichtlichen Entscheidung gerichtete Verfügung erlassen wird.

Ob ein (mit Beschwerde bekämpfbarer) Beschluss oder eine (nicht bzw nicht gesondert anfechtbare) prozessleitende Verfügung vorliegt, bestimmt sich nach dem Wesen der Entscheidung (vgl RIS-Justiz RS0106264; Ratz , WK-StPO Vor §§ 280–296a Rz 5).

Bei der Abgrenzung ist darauf abzustellen, ob der – hier – Angeklagte durch die fragliche Entscheidung materiell beschwert ist: Bewirkt die Entscheidung einen unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre des Angeklagten, so muss sie in Form eines bekämpfbaren Beschlusses ergehen, im Übrigen aber in Form einer nicht bzw nicht gesondert anfechtbaren prozessleitenden Verfügung ( Nimmervoll , Das Strafverfahren, 115). Auf den Fortgang des Verfahrens gerichtete prozessleitende Verfügungen sind demgemäß etwa die Anberaumung der Hauptverhandlung, Ladungen, die Anordnung der Vorführung des Beschuldigten sowie Maßnahmen im Rahmen der Leitung der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden (§ 232 StPO; vgl auch Markel , WK StPO § 35 Rz 4).

Gerichtliche Entscheidungen über nach Einbringung der Anklage (§ 210 Abs 2 StPO), aber vor Beginn der Hauptverhandlung (§§ 228 ff StPO) gestellte Anträge auf Verweigerung oder Beschränkung von Akteneinsicht haben mit Blick auf den damit verbundenen unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre des Angeklagten mit bekämpfbarem Beschluss zu ergehen (vgl 15 Os 2/16g).

Indem das Oberlandesgericht Linz den gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 28. November 2016 gerichteten Beschwerden der Angeklagten und „des belangten Verbandes mit der Begründung“ nicht Folge gab, dass es sich bei derartigen Entscheidungen (bloß) um prozessleitende Verfügungen handle, gegen die eine Beschwerde nicht zulässig sei, verletzte es das Gesetz in den § 35 Abs 2 und § 87 Abs 1 StPO.

Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung – eine Benachteiligung der Angeklagten und des belangten Verbandes kann nicht ausgeschlossen werden – mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

Mit ihren Erneuerungsanträgen waren die Antragsteller auf diese Entscheidung zu verweisen.

Soweit der Antrag vom 26. Mai 2017 gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 28. November 2016 gerichtet war, war er zurückzuweisen, weil Erneuerungsanträge gegen Entscheidungen, die der Erneuerungswerber mit Beschwerde anfechten kann (und fallkonkret auch angefochten hat), unzulässig sind (RIS Justiz RS0124739 [T2]).

Soweit die Antragsteller im Übrigen eine Verletzung der Verfahrensgarantien des Art 6 Abs 1 und Abs 3 lit a MRK darin erblicken, dass ihnen die Privatanklage vom 24. März 2016 erst am 11. Oktober 2016 zugestellt worden ist, fehlt es an der Zulässigkeitsvoraussetzung des Art 34 MRK. Denn die Erneuerungswerber beziehen sich insofern ausschließlich auf Konventionsgarantien, die auf die Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage selbst zielen ( Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 24 Rz 28) und die demgemäß in der Hauptverhandlung oder im Rahmen der Urteilsanfechtung im Sinn des Art 13 MRK wirksam durchgesetzt werden können ( RIS Justiz RS0126370 ). Da der Antrag nicht erkennen lässt, weshalb die Erneuerungswerber dennoch bereits durch die (vermeintlich) „verspätete Zustellung“ der Anklage in ihren durch Art 6 MRK garantierten Rechten verletzt worden sein sollten, legt er die Opfereigenschaft (Art 34 MRK) nicht deutlich und bestimmt dar.