JudikaturJustiz15Os41/03

15Os41/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. April 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. April 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hietler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian W***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 3. Dezember 2002, GZ 32 Hv 50/02h-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Annahme gewerbsmäßiger Begehung und in der rechtlichen Unterstellung der zu Punkt A und B festgestellten Tatsachen unter § 148 erster Fall StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch den erfolglos gebliebenen Teil seines Rechtsmittels verursachten Kosten des Verfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Christian W***** wurde des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB (A 1 und 2; B 1 bis 3) schuldig erkannt. Danach hat er in St. Pölten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Nachgenannte durch Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen verleitet, die diese bzw deren Unternehmen am Vermögen schädigten, und zwar

A) Verfügungsberechtigte des Hotels H*****

1) am 21. Mai und am 18. Juni 2002 jeweils zur mietweisen Überlassung eines Hotelzimmers; Schaden insgesamt 296 Euro an entgangenem Mietentgelt;

2. am 22. Mai 2002 zur Bewirtung mit Speisen und Getränken im Gesamtwert von 144,50 Euro;

B) Margot F*****

1. am 24. April 2002 zur Begleichung einer Verbindlichkeit gegenüber der Ö***** AG, Schaden 258 Euro;

Rechtliche Beurteilung

Auf anlässlich der Ausführung einer Nichtigkeitsbeschwerde durch den gewählten oder - wie hier - bestellten Verteidiger persönlich verfasste Aufsätze ist jedoch selbst dann nicht einzugehen, wenn der Verteidiger diese über Verlangen des Angeklagten seiner Rechtsmittelschrift beilegt, beiheftet oder mit ihr vereinigt und diese zu einem integrierenden Bestandteil seiner Beschwerdeausführung erklärt. Denn das Gesetz sieht nur eine einzige Ausführung des Rechtsmittels vor (Mayerhofer StPO4 § 285 E 36 ff, 41, Ratz, WK-StPO § 285 Rz 6). Werden mehrere Schriften überreicht, nimmt der Oberste Gerichtshof nur auf die zuerst eingelangte Rücksicht, woraus folgt, dass die erst später eingelangte Rechtsmittelausführung außer Betracht zu bleiben hat (vgl Ratz aaO Rz 7).

Die am 16. Jänner 2003 vom Verteidiger des Angeklagten eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich mit dem Einwand (inhaltlich Z 10), für die Unterstellung der dem Angeklagten angelasteten Betrugshandlungen in Form gewerbsmäßiger Begehung mangle es an Feststellungen, als im Ergebnis berechtigt:

Gewerbsmäßige Begehung einer strafbaren Handlung erfordert die Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; sie setzt somit die qualifizierte Vorsatzform im Sinn von § 5 Abs 2 StGB voraus. Dem gewerbsmäßig Handelnden kommt es darauf an, sich durch die ins Auge gefasste Tatwiederholungen eine fortlaufende Einnahmequelle zu eröffnen (Jerabek in WK2 § 70 Rz 2). Bei absichtlichem Handeln setzt sich der Täter die Verwirklichung des tatbildmäßigen Unrechts direkt zum Ziel (Mayerhofer StGB5 § 5 E 5).

Die Konstatierung, "da der Angeklagte über kein Einkommen verfügte und die Geldbeträge, die ihm aus dem gerichtlichen Vergleich zur Verfügung standen, anderwärtig verbrauchte, wollte er sich durch die Täuschungshandlungen auch eine fortlaufende Einnahmequelle schaffen" (US 5 und 6), stellt keine ausreichende Grundlage dar, welche den rechtlichen Schluss auf absichtliches Handeln im Sinn von § 5 Abs 2 StGB gestattet, vielmehr lässt die Feststellung, dass er sich durch die Täuschungshandlungen eine fortlaufende Einnahmequelle schaffen "wollte", die zur absichtlichen Tatverübung erforderliche Zielsetzung im Dunkeln. Die getroffene Annahme stellt keineswegs klar, die Absicht des Angeklagten wäre dahin gegangen, sich durch die Wiederholung der strafbaren Handlung eine zumindest für einen längeren Zeitraum wirksame Einnahmequelle zu erschließen (Jerabek aaO Rz 7).

Damit ist das Urteil mit einem Feststellungsmangel behaftet, der Nichtigkeit des Schuldspruchs im Ausspruch der gewerbsmäßigen Begehung bewirkt und daher im genannten Umfang zur Kassierung des Urteils samt Strafausspruch führen musste.

Da somit die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Als nicht zielführend erweist sich allerdings die Nichtigkeitsbeschwerde betreffend das Grunddelikt:

Der Verfahrensrüge (nach Z 4) zuwider wurden durch die Ablehnung der schriftlich gestellten Anträge vom 9. Oktober 2002 (ON 5), 13. Oktober 2002 (ON 6) und 21. November 2002 (ON 14), die in der Hauptverhandlung vom 3. Dezember 2002 "aufrechterhalten wurden", sowie desjenigen auf Beischaffung des Aktes 23 Nc 11/01z des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien zum Beweis dafür, "dass der Angeklagte Bemühungen zur Einbringung offener Forderungen gesetzt hat, was weiters beweist, dass er sehr wohl in der Lage gewesen wäre, die Schulden zu begleichen, wenn er nicht verhaftet worden wäre bzw nicht in Haft belassen worden wäre", Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO setzt voraus, dass über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinn des Antragstellers entschieden wurde. Ein auf seine Berechtigung überprüfbarer Beweisantrag liegt nur dann vor, wenn in ihm das Beweismittel und das Beweisthema angegeben und darüber hinaus dargelegt wird, inwieweit das bei Durchführung der beantragten Beweise nach Ansicht des Antragstellers zu erwartende Ergebnis der Beweisaufnahme für die Schuldfrage von Bedeutung ist und aus welchen Gründen erwartet werden kann, dass die Durchführung der begehrten Beweise auch tatsächlich das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben werde (Mayerhofer StPO4 aaO § 281 Z 4 E 1 und 19, Ratz aaO § 281 Rz 327, 330). Im Übrigen hat ein Antrag zwecks Vervollständigung des Beweismaterials auf den Beweis einer erheblichen Tatsache abzuzielen (Ratz aaO § 281 Rz 30). Nach dem Inhalt des Protokolls erklärte der Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 3. Dezember 2002, "die schriftlich gestellten Anträge aufrecht zu halten (S 224)". Abgesehen von einem Mangel der Antragserfordernis im Sinne des § 238 StPO (vgl Ratz aaO Rz 313), enthalten die angeführten Schriftsätze großteils nicht zu einem bestimmten Beweisthema gestellte Anträge auf Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen sowie Beischaffung von Unterlagen, teils auch zu "Richtigstellungen zur Anklageschrift". Einige dieser Zeugen wurden bereits in der Hauptverhandlung vom 11. November 2002, andere in der vom 3. Dezember 2002 vernommen. Die pauschale "Aufrechterhaltung" aller Beweisanträge lässt nicht erkennen, welche Zeugen tatsächlich noch oder noch einmal und zu welchem Beweisthemen befragt und welche Urkunden zu welchem relevanten Beweisthema beigeschafft werden sollten. Damit fehlt es aber an einem auf seine Berechtigung überprüfbaren Beweisantrag.

Dass der Angeklagte im Hinblick auf die ihm aus dem Vergleich zustehende Auszahlungssumme von über 7.000 Euro in der Lage gewesen wäre, die von ihm geschuldeten Beträge laut Spruchfaktum A und B zu begleichen, hat das Erstgericht ohnedies angenommen (vgl US 5 unten iVm S 6 Mitte), sodass auch aus der Ablehnung der Beschaffung des Aktes 23 Nc 11/01z des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien keine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten abgeleitet werden kann (Ratz aaO Rz 342). Die in der Rechtsmittelschrift vorgebrachten, teilweise neuen Argumente vermögen daran nichts zu ändern, weil - wie oben dargelegt - bei der Überprüfung der Beweisanträge von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Erstgericht auszugehen ist.

Mit dem Urteilsunvollständigkeit monierenden Einwand der Mängelrüge (Z 5), das Erstgericht habe es unterlassen, die Aussagen der Zeugen "entsprechend zu erörtern", dies wäre aber für die Beweiswürdigung und die abschließende Beurteilung von ausschlaggebender Bedeutung, verfehlt die Beschwerde ihrerseits die deutliche und bestimmte Behauptung eines Sachverhalts, der den Prüfungskriterien eines ebenso bezeichneten Nichtigkeitsgrundes entspricht (Ratz aaO § 285d Rz 10). Mit dem Vorbringen, das Erstgericht hätte sich mit den Aussagen des Angeklagten, insbesondere zum Faktum B "hinsichtlich der angeblichen Tatzeiten" genauer auseinandersetzen müssen, wird kein Begründungsmangel geltend gemacht, da die Begehungszeit einer Straftat nicht zu den wesentlichen, die Eindeutigkeit bestimmenden Merkmalen gehört, sofern sich ergibt, dass Anklage und Urteil dasselbe Tun erfassen (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 18). Soweit die Beschwerde eine genauere Auseinandersetzung mit den Depositionen des Angeklagten vermisst und vermeint, bei näherer Befassung mit der Frage, warum die Aussage des Angeklagten als nicht glaubwürdig anzusehen wären, hätte das Erstgericht zu günstigeren Schlussfolgerungen kommen müssen, bekämpft sie nur unzulässig nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) versucht unter selektivem Hervorheben isoliert betrachteter, scheinbar für den Angeklagten günstig erscheinender Teile des Beweisverfahrens und dessen eigenständiger Würdigung die Glaubwürdigkeit der Zeugen und die dazu angestellten Beweiswerterwägungen der Tatrichter in einer auch unter diesem Nichtigkeitsgrund nicht vorgesehenen Art in Frage zu stellen, vermag damit aber keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO im erörterten Umfang bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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