JudikaturJustiz15Os39/12t

15Os39/12t – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. November 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. November 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Scheickl als Schriftführerin in der Medienrechtssache des Antragstellers ***** Dr. Gerald K***** gegen die Antragsgegnerin „D*****“ wegen §§ 6 Abs 1, 8a Abs 6 MedienG, AZ 19 Hv 156/09w des Landesgerichts Klagenfurt über den Antrag der Antragsgegnerin „D*****“ auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

In der Medienrechtssache des Antragstellers ***** Dr. Gerald K***** gegen die Antragsgegnerin „D*****“ wegen §§ 6 Abs 1, 8a Abs 6 MedienG wurde mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 23. Dezember 2010, GZ 19 Hv 156/09w 18, ausgesprochen, dass durch die in der APA OTS Aussendung vom 26. November 2009 (OTS 0276) mit dem Titel „B***** KO S***** fordert Rücktritt des Obmanns des K***** Netzwerkes gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ verbreitete Behauptung, der Antragsteller greife schamlos in den Sozialtopf und sei mit 30 Personen fürstlich mit finanziellen Mitteln, welche eigentlich sozialbedürftigen Menschen zustehen, speisen gegangen und habe eine Restaurantrechnung pro Kopf in der Höhe von 274 Euro eingereicht, sowie durch die in der APA OTS Aussendung vom 27. November 2009 (OTS 0038) mit dem Titel „B***** KO S*****: Fall K***** offenbart trauriges Sittenbild des S***** Systems“ aufgestellte Behauptung, der Antragsteller werfe als Obmann des K***** Netzwerks gegen Armut und soziale Ausgrenzung verschwenderisch, sorglos und dekadent mit Steuergeld um sich; er lebe als selbsternannter Retter der Armen in Saus und Braus und würde mit Geld aus dem Sozialtopf noble Essen und obskure Publikationen finanzieren, mit Beziehung auf den Antragsteller der objektive Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB hergestellt wurde. Der Antragsgegnerin wurde gemäß § 6 Abs 1 MedienG die Zahlung einer Entschädigung von 3.000 Euro pro Aussendung (insgesamt daher 6.000 Euro) an den Antragsteller sowie gemäß § 8a Abs 1 MedienG iVm § 389 Abs 1 StPO der Ersatz der Verfahrenskosten auferlegt; gemäß § 8a Abs 6 MedienG wurde sie zur Urteilsveröffentlichung verpflichtet.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Berufung der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe gab das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht mit Urteil vom 20. September 2011, AZ 9 Bs 200/11x (ON 25 des Hv Akts), nicht Folge.

Gegen die Urteile des Landesgerichts Klagenfurt und des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht richtet sich der auf die Behauptung einer Verletzung in den Grundrechten auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK und auf Schutz des Eigentums nach Art 1 des 1. ZPMRK gestützte Antrag der Antragsgegnerin „D*****“ auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG.

Der Antrag ist zulässig (RIS Justiz RS0122228), aber offenbar unbegründet.

Für einen (wie hier vorliegenden) nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag gelten alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß (RIS Justiz RS0122737).

Demnach hat da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein auch ein Erneuerungsantrag gemäß § 363a StPO deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0124359) und, soweit er auf der Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl zu § 281 Abs 1 Z 5 sowie Z 5a: Ratz , WK StPO § 281 Rz 394 und 487) nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu wecken vermag, seiner Argumentation die Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zugrunde zu legen (RIS Justiz RS0125393 [T1]).

Diesen Anforderungen wird der Erneuerungsantrag nicht gerecht.

1./ Zur behaupteten Verletzung im Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK:

1./1./ Mit dem Einwand eines (ausreichenden) wahren Tatsachensubstrats für die inkriminierten Vorwürfe hält die Erneuerungswerberin ohne Begründungsmängel oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen auch nur zu behaupten auch in ihrer Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur nicht an der Gesamtheit der (auch der Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Graz unverändert zugrunde gelegten; US 9) Urteilsfeststellungen des Landesgerichts Klagenfurt zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Aussendungen für den Konsumenten von APA OTS Meldungen politischer Parteien und zum (damit nicht im Einklang stehenden) Tatsachenkern fest. Demnach wurde dem Antragsteller mit der Aussendung vom 26. November 2009 vorgeworfen, er habe eine Restaurantrechnung für 30 Personen mit Pro Kopf Kosten von 274 Euro bei der Sozialabteilung des Amts der K***** Landesregierung eingereicht und diesen Betrag von der öffentlichen Hand subventioniert erhalten, was zufolge nicht erbrachten Wahrheitsbeweises (§ 6 Abs 2 Z 2 lit a MedienG) nicht den Tatsachen entsprach (US 10 f, 13, 18). Auch beim Vorwurf in der (zum Teil auf die vorangegangene Aussendung Bezug nehmenden) Aussendung vom 27. November 2009, der Antragsteller verwende öffentliche Gelder, etwa durch Finanzierung nobler Konsumationen und obskurer Publikationen , auf Kosten armutsgefährdeter Menschen zweckwidrig, handelte es sich nach den weiteren Urteilskonstatierungen ebenfalls um unwahre Tatsachenbehauptungen bzw ein darauf solcherart ohne Tatsachengrundlage gegründetes Werturteil (S 13, 18 f des Ersturteils; S 8 des Berufungsurteils).

Im Übrigen beschränken sich die Erwägungen der Erneuerungswerberin zu einem vermeintlich wahren Tatsachensubstrat für die inkriminierten Behauptungen auf die bloße wortwörtliche Wiederholung des Berufungsvorbringens (ON 20 S 9 f) ohne (substantielle) Auseinandersetzung mit den Begründungserwägungen des Oberlandesgerichts (US 7). Auch unter diesem Gesichtspunkt genügt das Vorbringen daher den zuvor aufgezeigten Voraussetzungen nicht (neuerlich RIS Justiz RS0124359; vgl auch zum GRBG RIS Justiz RS0110146 [T22], RS0106464).

Solcherart versagt auch entgegen der Äußerung der Erneuerungswerberin zur Stellungnahme der Generalprokuratur die Reklamation einer durch das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 Abs 1 MRK gedeckten sanktionslosen Kritik auch bei Einstufung des Antragstellers als „public figure“ oder der berichteten Angelegenheiten als solche von öffentlichem Interesse wie auch unter dem Gesichtspunkt einer Retorsion gegen behauptete mediale Angriffe des Antragstellers, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hier vorgelegene unwahre diffamierende Tatsachenbehauptungen oder auf unwahren (bzw nicht hinreichenden) Tatsachenbehauptungen beruhende negative Werturteile oder Wertungsexzesse nicht unter den Schutzbereich des Art 10 MRK fallen (vgl RIS Justiz RS0125220, RS0107915, RS0075601, RS0032201; Kienapfel/Schroll , BT I 5 Vorbem §§ 111 ff RN 8, 14, 26).

1./2./ Weshalb die behauptete Gewährung einer Gesamtsubvention von 28.900 Euro aus Mitteln des Landes K***** an das K***** Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung mit Beziehung auf die hier inkriminierten Vorwürfe entscheidende Tatsachen betreffen soll und es daher von der Erneuerungswerberin vermisster Feststellungen dazu in den Urteilen der hier befasst gewesenen Gerichte bedurft hätte, legt die Erneuerungswerberin auch in diesem Punkt ihrer Obliegenheit zu deutlicher und bestimmter Darlegung einer Grundrechtsverletzung zuwider nicht dar.

1./3./ Das Postulat der Erneuerungswerberin, wonach entsprechend dem im Strafprozess geltenden Grundsatz „in dubio pro reo“ bei der Feststellung des Bedeutungsinhalts einer Veröffentlichung von der für den Angeklagten (hier: die Medieninhaberin; § 41 Abs 6 zweiter Satz MedienG) günstigsten Variante auszugehen sei, trifft nur unter der hier nach den auch dem Urteil des Berufungsgerichts (siehe dort US 9) zugrunde gelegten Feststellungen des Landesgerichts Klagenfurt (US 13) gerade nicht vorgelegenen Prämisse zu, dass vom erkennenden Gericht bei seiner Beweiswürdigung mehrere verschiedene Auslegungen zur Beurteilung des Sinngehalts einer Aussage nicht ausgeschlossen werden können (RIS Justiz RS0123503).

1./4./ Das Vorbringen der Erneuerungswerberin ist damit insgesamt nicht geeignet, aufzuzeigen, dass die Tatbestandsverwirklichung zu Unrecht angenommen wurde. Die Einschränkung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung zum Schutz des guten Rufs im Sinn des Art 10 Abs 2 MRK war gesetzlich, nämlich in § 6 Abs 1 (sowie § 8a Abs 6) MedienG, vorgesehen und im konkreten Fall auch erforderlich.

2./ Zur relevierten Verletzung im Grundrecht auf Schutz des Eigentums nach Art 1 des 1. ZPMRK:

2./1./ Mit der Behauptung eines mangels Tatbildlichkeit der inkriminierten Äußerungen nicht durch Gesetz gedeckten Eingriffs in das in Rede stehende Grundrecht (erster Absatz des Art 1 des 1. ZPMRK) ist die Erneuerungswerberin auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.

2./2./ Auch der Einwand fehlender Passivlegitimation der Antragsgegnerin ist verfehlt:

Denn nach den (vom Berufungsgericht unverändert zugrunde gelegten [US 4 f]) Feststellungen des Landesgerichts Klagenfurt war als solcher für den Inhalt der Aussendungen ausschließlich verantwortlicher Aussender der verfahrensgegenständlichen APA OTS Aussendungen mithin Medieninhaber (§ 1 Abs 1 Z 8 lit d MedienG; vgl RIS Justiz RS0125858) (als Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin) das B*****, vertreten durch dessen leitenden Funktionär Ing. Kurt S*****, nicht aber der Landtagsklub des B***** (US 8 f iVm 18). Mit der bloßen, weder eine Mangelhaftigkeit der Begründung im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO (vgl S 18 des Urteils des Landesgerichts Klagenfurt sowie S 5 ff des Urteils des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht) noch erhebliche Bedenken im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5a StPO gegen deren Richtigkeit relevierenden Kritik an diesen Urteilsannahmen verfehlt die Erneuerungswerberin einmal mehr den Bezugspunkt des geltend gemachten Rechtsbehelfs.

2./3./ Dem Einwand einer Unverhältnismäßigkeit der zugesprochenen Entschädigung (vgl zur Relevanz dieses Prüfungskriteriums auch für die Eigentumsgarantie des Art 1 des 1. ZPMRK [„Es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt“] Grabenwarter/Pabel , EMRK 5 § 18 Rz 16 mwN) schließlich ist zu erwidern, dass die vom Landesgericht Klagenfurt (US 20) und vom Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht (US 10) unter Zugrundelegung sämtlicher in § 6 Abs 1 MedienG angeführter Bemessungskriterien angeführten Gründe für die Ausmessung der Entschädigung im jeweils unteren Sechstel des gesetzlichen Höchstbetrags (§ 6 Abs 1 MedienG) relevant und ausreichend sind und die Entschädigung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls innerhalb des Ermessensspielraums der Gerichte bei Verfolgung des legitimen Ziels des Schutzes des guten Rufs (hier:) des Antragstellers liegt (vgl neuerlich Grabenwarter/Pabel , aaO; vgl 15 Os 8/10f).

Der offenbar unbegründete Erneuerungsantrag der Antragsgegnerin war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 363b Abs 1 und Abs 2 Z 3 StPO in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zurückzuweisen.

Rechtssätze
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