JudikaturJustiz15Os34/13h

15Os34/13h – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bitsakos als Schriftführer in der Medienrechtssache des Antragstellers Kurt S***** gegen die Antragsgegnerinnen St***** GmbH und d***** GmbH wegen §§ 6 Abs 1, 8a Abs 6 MedienG, AZ 91 Hv 5/12i des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der St***** GmbH und d***** GmbH auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

In der Medienrechtssache des Antragstellers Kurt S***** gegen die Antragsgegnerinnen St***** GmbH und d***** GmbH wegen §§ 6 Abs 1, 8a Abs 6 MedienG wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. Mai 2012, GZ 91 Hv 5/12i 14, ausgesprochen, dass durch die im periodischen Druckwerk „D*****“ vom 26./27. November 2011 sowie auf der Webseite d***** am 25. November 2011 veröffentlichten wortidenten Artikel mit der Überschrift „Spitzelvorwurf gegen Ka***** Vorstand“ und der Subüberschrift „Laut einem Protokoll soll die Chefin der K*****, Ines M*****, die Bespitzelung einer Betriebsversammlung von Ärzten angeordnet haben“ und den darin erhobenen Vorwurf, der Antragsteller sei „Spiritus Rector“ der Bespitzelungsaktion, mit Beziehung auf den Antragsteller der objektive Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB hergestellt wurde. Den Antragsgegnerinnen wurde nach § 6 Abs 1 MedienG die Zahlung einer Entschädigung von jeweils 1.500 Euro an den Antragsteller sowie gemäß § 8a Abs 1 MedienG iVm § 389 Abs 1 StPO der Ersatz der Verfahrenskosten auferlegt; nach § 8a Abs 6 MedienG wurden sie überdies zur Urteilsveröffentlichung verpflichtet.

Rechtliche Beurteilung

Den dagegen erhobenen Berufungen der Antragsgegnerinnen wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 26. September 2012, AZ 17 Bs 301/12g (ON 20 des Hv Aktes), nicht Folge.

Gegen die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht richtet sich der auf die Behauptung einer Verletzung im Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK gestützte Antrag der Antragsgegnerinnen auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG.

Dem Antrag kommt keine Berechtigung zu.

Für einen hier vorliegenden nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag gelten alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß (RIS Justiz RS0122737).

Demnach hat da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein auch ein Erneuerungsantrag gemäß § 363a StPO deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende -Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0124359).

Diesen Anforderungen wird der Erneuerungsantrag nicht gerecht.

Nach den die in diese Richtung getroffenen Urteilsfeststellungen des Erstgerichts (US 6 f) verdeutlichenden (tatsächlichen) Urteilsannahmen des Berufungsgerichts wurde mit der inkriminierten Behauptung, der Antragsteller sei vermutlich „Spiritus Rector“ einer in den Artikeln näher beschriebenen Spitzelaktion bei einer Betriebsversammlung von Ärzten im Klinikum K***** gewesen, gegen den Antragsteller ein spezifischer und ausreichend konkretisierter Verhaltensvorwurf erhoben, nicht aber eine politische Bewertung seines Verhaltens vorgenommen (US 4). Die inkriminierte Äußerung war nach den Urteilsannahmen der beiden befasst gewesenen Gerichte zum Bedeutungsinhalt demnach Tatsachenbehauptung, nicht aber Werturteil.

Mit nicht an den Begründungserwägungen des Oberlandesgerichts (US 4) orientierten Einwänden erheblicher Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Tatsachenannahmen verfehlt der Erneuerungsantrag den geforderten Bezugspunkt dieses Rechtsbehelfs. Solcherart wird verkannt, dass das Berufungsgericht abseits der nicht an der inkriminierten Textpassage („Als Spiritus Rector der Spitzelaktion wird Ka*****-Aufsichtsratschef Kurt S***** [F*****] vermutet“) ausgerichteten isolierten Betrachtung der Begriffsbedeutung eines „Spiritus Rector“ durch die Antragsgegnerinnen den in einer Anstiftung zu der in den Artikeln näher beschriebenen Spitzelaktion gelegenen Bedeutungsinhalt zutreffend unter textsystematischen Gesichtspunkten aus dem Gesamtzusammenhang und Bezugspunkt dieser Subjekteigenschaft abgeleitet hat.

Tatbestandsmäßig nach § 111 Abs 1 StGB (§ 6 Abs 1 MedienG) ist nicht nur der Vorwurf eines als ehrenrührig zu beurteilenden Verhaltens, sondern auch ein bloßer Verdachtsvorwurf eines solchen (vgl RIS Justiz RS0108346 [T1]). Der Einwand eines vom Oberlandesgericht zu Unrecht bejahten konkreten ehrenrührigen Verhaltensvorwurfs geht daher auch unter rechtlichen Gesichtspunkten fehl.

Das Postulat der Erneuerungswerberinnen, wonach entsprechend dem im Strafprozess geltenden Grundsatz „in dubio pro reo“ bei der Feststellung des Bedeutungsinhalts bei mehreren möglichen Auslegungsergebnissen einer inkriminierten Äußerung von der für den Medieninhaber (§ 41 Abs 6 zweiter Satz MedienG) günstigsten Variante auszugehen sei, trifft nur unter der hier nach den expliziten Urteilsannahmen des Berufungsgerichts (US 4) aber gerade nicht vorgelegenen Prämisse zu, dass vom erkennenden Gericht bei seiner Beweiswürdigung mehrere verschiedene Auslegungen zur Beurteilung des Sinngehalts einer Aussage nicht ausgeschlossen werden können (RIS-Justiz RS0123503).

Aus den (wie erwähnt unbedenklichen) Urteilsannahmen zur (tatsächlichen) Einstufung der inkriminierten Äußerung als (dem Standpunkt der Erneuerungswerberinnen zuwider, im Übrigen nicht wertende [vgl dazu EGMR 1. Dezember 2009, Bsw. 5380/07, Karsai gegen Ungarn , NL 2009, 346]) Tatsachenbehauptung, nicht aber als Werturteil folgt zum einen die Gegenstandslosigkeit des Antragsvorbringens zu einem für ein Werturteil ausreichenden Tatsachensubstrat und zur Unzulässigkeit des Einforderns eines Wahrheitsbeweises für Werturteile (vgl RIS Justiz RS0075706).

Zum anderen fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hier vorgelegene nicht als wahr erwiesene (§§ 6 Abs 2 Z 2 lit a, 8 Abs 3 MedienG) und daher unwahre diffamierende Tatsachenbehauptungen jedenfalls nicht unter den Schutzbereich des Art 10 MRK (vgl RIS Justiz RS0107915, RS0075601, RS0032201; Kienapfel/Schroll , BT I 5 Vorbem §§ 111 ff RN 8). Demgemäß ist dem Standpunkt der Erneuerungswerberinnen zuwider auch unter den Gesichtspunkten einer Berichterstattung über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse oder einer öffentlichen Debatte über die Tätigkeit eines Politikers in eine Interessenabwägung oder Verhältnismäßigkeitsprüfung (Art 10 Abs 2 MRK) nicht einzutreten.

Das Vorbringen der Erneuerungswerberinnen ist damit insgesamt nicht geeignet, aufzuzeigen, dass die Tatbestandsverwirklichung (Verwirklichung eines Eingriffstatbestands; Art 10 Abs 2 MRK) zu Unrecht angenommen wurde. Die Einschränkung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung zum Schutz des guten Rufs im Sinn des Art 10 Abs 2 MRK war daher gesetzlich, nämlich in § 6 Abs 1 (sowie § 8a Abs 6) MedienG, vorgesehen und im konkreten Fall (auch in Ansehung der mit weniger als einem Zehntel des gesetzlichen Sanktionsrahmens [§ 6 Abs 1 letzter Satz MedienG] ausgemessenen Entschädigungsbeträge) erforderlich.

Der offenbar unbegründete Erneuerungsantrag war daher bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 363b Abs 1 und Abs 2 Z 3 StPO in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zurückzuweisen.

Rechtssätze
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