JudikaturJustiz15Os20/04

15Os20/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. März 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. März 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Maßnahmensache des Reinhard H***** wegen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 4. Dezember 2003, GZ 14 Hv 198/03y-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Reinhard H***** wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er in Judenburg unter dem Einfluss einer schweren wahnhaften Störung (paranoia querulans), somit unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht, den für ihn bestellten Sachwalter Dr. Heinz P***** durch die nachangeführten Äußerungen, somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme davon zu nötigen versucht hat, weiterhin als sein Sachwalter im Rahmen des Aufteilungsverfahrens 8 F 1036/99x des Bezirksgerichtes Judenburg Tätigkeiten zu entfalten, und zwar:

1) am 6. Dezember 2002 durch die wiederholte Äußerung, er werde jeden, der sich dem Anwesen (gemeint: die Liegenschaft samt Haus des Reinhard H***** in *****) nähert, ihn (Dr. Heinz P*****) inbegriffen, sowie alle am Aufteilungsverfahren beteiligten Personen, sollte dieses Verfahren nicht unterbleiben, "heimdrehen" bzw ihnen mit einem Messer "die Gurgel durchschneiden";

2) von Jänner bis Juli 2003 in wiederholten Angriffen durch die telefonischen Äußerungen, er werde ihn (Dr. Heinz P*****) und die am Aufteilungsverfahren Beteiligten liquidieren;

somit Taten begangen hat, die ihm - wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen - als die Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB zuzurechnen gewesen wären, und (zu ergänzen - vgl US 9 und 10) nach seiner Person, nach seinem Zustand sowie nach der Art der Taten zu befürchten ist, dass er sonst unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Betroffenen aus Z 1, 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Nichtigkeit nach Z 1 leg cit behauptet die Rüge, weil "aus AS 317 hervorgehe", dass der Richter Dr. Rudolf S***** dieses Urteil ausgefertigt oder an der Ausfertigung teilgenommen hat, obwohl die Hauptverhandlung vom 4. Dezember 2003 von Mag. Sabine A***** als Vorsitzende, im Beisein des Richters Mag. Andreas G***** und der Schöffen Ernst F***** und Andreas A***** durchgeführt wurde. Mit dem pauschalen Verweis auf AS 317, auf der lediglich die Zeile "Leoben, am 4. 12. 2003" sowie "gespeichert unter:

S:\Pe\A-Dezember03\Urteile\1419803y.lwp" und eine nicht leserliche Unterschrift aufscheint, trägt die Beschwerde allerdings nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 285 Abs 1 zweiter Satz, § 285a Z 2 StPO Rechnung, wonach der Sachverhalt deutlich und bestimmt zu bezeichnen ist, der den Prüfungskriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes entspricht (Ratz, WK-StPO §§ 281 Rz 144, 285d Rz 10). Im Übrigen wird mit dem Einwand, ein Richter, der nicht an der Hauptverhandlung (und Urteilsfällung) teilgenommen habe, habe die Urteilsausfertigung verfasst, überhaupt kein Nichtigkeitsgrund geltend gemacht. Wie die Beschwerde (in ihren einleitenden Ausführungen zur Z 11) selbst zugesteht, sind nach ständiger Rechtsprechung nur die Aussprüche über die Grundvoraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB - unter anderem einweisungsrelevante Anlasstat, Zurechnungsunfähigkeit, geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades - mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpfbar, sowie lediglich jenes Element der Gefährlichkeitsprognose, das die Rechtsfrage der Qualifikation der zu befürchtenden strafbedrohten Handlung mit schweren Folgen betrifft (aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO). Hinsichtlich aller weiteren Elemente der Gefährlichkeitsprognose können demnach formelle Mängel (hier: Z 5 zur ordnungsgemäßen Befundaufnahme betreffend die Gefährlichkeitsprognose) nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden, sondern - als gegen eine Ermessensentscheidung gerichtet - allein mit Berufung (13 Os 47/02).

Soweit die Mängelrüge (Z 5, der Sache nach Z 11) die Erörterung zweier - von der Beschwerde isoliert herausgegriffener - Antworten des Sachverständigen auf Verteidigerfragen, nämlich "dass der Betroffene in der Hauptverhandlung keine Gefahr für andere darstelle" bzw "dass es möglich sei, seinen Zustand so zu erhalten, wenn dieser bereit sei die Medikamente selbst einzunehmen", vermisst, negiert sie die diesbezüglichen Urteilserwägungen US 7 und 9, die auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens in seiner Gesamtheit Bezug nehmen und kritisiert in Wahrheit, wie sich schon aus der Formulierung "... hätte das Erstgericht diese Beweisergebnisse ordnungsgemäß gewürdigt ..." ergibt, mit dem Hinweis auf diese isoliert zugunsten des Betroffen herausgegriffenen Teile der Sachverständigenexpertise unzulässig nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter. Diese haben in einer Gesamtschau der Beweisergebnisse im Einklang mit den Grundsätzen der Logik und denjenigen der empirischen Erfahrung nicht widersprechend, dem Gebot der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend, begründet dargelegt, warum der Betroffene krankheitsunsichtig ist und die Notwendigkeit einer Behandlung ebenso negiert wie den Umstand, dass er derzeit medikamentös behandelt bzw eingestellt ist (US 7 und 9). Der weiteren Beschwerdebehauptung zuwider hat das Erstgericht auch Konstatierungen dazu getroffen, dass der Angeklagte unter dem Einfluss seiner geistigen und seelischen Abartigkeit mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, nämlich insbesondere Aggressionshandlungen gegen Leib und Leben anderer Personen, im speziellen gegen solche, die mit dem Aufteilungsverfahren in Verbindung stehen, begehen werde (US 9 und 10).

Der Einwand, das Erstgericht habe Feststellungen unterlassen, welche Taten konkret vom Betroffenen zu befürchten seien, eine Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB sei nur dann zulässig, wenn mit gerichtlich strafbaren Handlungen mit schweren Folgen zu rechnen sein werde, starke Rückfallsneigung, die Unverbesserlichkeit und Behandlungsbedürftigkeit genügten für sich alleine nicht, verkennt, dass der hier anzuwendende, mit jenen des § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO deckungsgleiche (Ratz in WK2 § 21 Rz 27) Begriff der vom Gesetz verlangten schweren Folgen ausdrücklich auf die Begehung (irgend) einer gegen dasselbe Rechtsgut gerichteten strafbaren Handlung mit schweren Folgen und nicht auf die - naturgemäß nicht mögliche - Vorhersage konkreter Taten abstellt (14 Os 38/00, 15 Os 156/03). Derartige Konstatierungen finden sich, wie bereits ausgeführt, jedoch begründet im Urteil (US 7, 9, 10; vgl auch 13 Os 84/00). Das Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), "mit der Feststellung des Vorsatzes habe das Erstgericht die Schuldfähigkeit des Betroffenen bejaht, bei Bejahung eines Vorsatzes und sohin eines Schuldtatbestandes seien die Voraussetzungen für eine vorbeugende Maßnahme nicht mehr gegeben", verwechselt die Fähigkeit, überhaupt einen Willen zu bilden, mit jener, diesen (gebildeten) Willen verantwortlich an den Rechtsnormen auszurichten (13 Os 77/01, 13 Os 106/02, 13 Os 148/02, 15 Os 149/03).

Die weitere Rechtsrüge (in Wahrheit nach dem einleitend Ausgeführten auch die Kriterien des § 21 Abs 1 und nicht die Anlasstat betreffend und somit inhaltlich ebenfalls Z 11) kritisiert den Mangel an "konkreten Feststellungen, welche gerichtlich strafbaren Handlungen mit schweren Folgen vom Betroffenen zu erwarten wären", unterlässt dabei aber die zur prozesskonformen Geltendmachung erforderliche Klarstellung, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenzen hätte abgeleitet werden sollen (Ratz aaO § 281 Rz 584), übergeht weiters die diesbezüglichen Urteilsannahmen S 9 und 10 und legt nicht dar, welche darüber hinausgehenden Feststellungen von den Tatrichtern noch getroffen hätten werden sollen.

Den unter Z 11 vorgebrachten Argumenten, ist, soweit sie nicht schon in Erledigung der Mängelrüge erörtert wurden, letztlich noch zu entgegnen, dass mit der Behauptung, "bei einem Vergleich mit dem Vorleben des Betroffenen sei davon auszugehen, dass allenfalls höchstens wieder mit Drohungen zu rechnen sein werde, deren Verwirklichung oder Umsetzung nicht zu erwarten wären", beweiswürdigend die der Beurteilung der Prognosetat zugrunde liegenden Sachverhaltsannahmen, die den Schluss ermöglichen, dass die befürchtete Handlung mit Strafe bedroht und als besonders folgenschwer zu werten wäre, verändert wurden. Inhaltlich werden damit neuerlich Begründungsmängel der Prognose behauptet, welche allerdings, wie bereits ausgeführt, nur mit Berufung bekämpfbar sind (vgl 13 Os 84/00).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach als zum Teil unbegründet, als zum Teil nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, sodass über die Berufung des Betroffenen das zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden haben wird (§§ 285d, 285i StPO).

Rechtssätze
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