JudikaturJustiz15Os167/93

15Os167/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch, Dr. Schindler und Dr. Ebner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Straßegger als Schriftführer, in der Rechtshilfesache betreffend das Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Stuttgart im Ermittlungsverfahren gegen Wolfgang M***** und andere wegen Steuerhinterziehung nach § 370 der deutschen Abgabenordnung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes Innsbruck (als Beschwerdegericht) vom 9. Juli 1993, AZ 20 BfNs 52, 55/93 (= GZ Hs 10/93-31 des Bezirksgerichtes Hopfgarten), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein, und des Vertreters des Beteiligten Manfred B*****, Dr. Formentini, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes Innsbruck (als Beschwerdegericht) vom 9. Juni 1993, AZ 20 BfNs 52, 55/93 (= GZ Hs 10/93-31 des Bezirksgerichtes Hopfgarten), verletzt insoweit, als in der Begründung ausgesprochen wurde, daß die "Unantastbarkeit des Bankgeheimnisses" ein wesentliches, der Gewährung von Rechtshilfe für Strafverfolgungsbehörden der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehendes Interesse der Republik Österreich iS des Art 2 lit b des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, BGBl 1969/41, und des § 2 ARHG darstelle, das Gesetz in den beiden genannten Bestimmungen im Zusammenhalt mit Art IV Abs 3 des Zusatzvertrages mit der Bundesrepublik Deutschland vom 31. Jänner 1972, BGBl 1977/36, und mit Kapitel I Art I des Zusatzprotokolles zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen mit Vorbehalt und Erklärung der Republik Österreich vom 17. März 1978, BGBl 1983/296.

Text

Gründe:

I. Gegen den deutschen Staatsangehörigen Wolfgang M***** und die österreichische Staatsbürgerin Gerlinde M*****-P***** ist bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Steuerhinterziehung nach § 370 der deutschen Abgabenordnung anhängig, in welchem als richterliche Untersuchungshandlungen (gemäß § 162 dStPO) Beschlüsse des Amtsgerichtes Stuttgart vom 8. Februar 1993 (AZ B 27 Gs 10457/93, B 27 Gs 10458/93, B 27 Gs 10460/93 und B 27 Gs 10461/93) ergingen. Den Genannten liegt zur Last, in den Jahren 1982 bis 1992 Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe-, Umsatz- und Lohnsteuer in der Höhe von rund 2,1 Millionen DM verkürzt und nach Österreich verbrachte "Schwarzeinnahmen" teilweise unter Einschaltung des (jedenfalls auch) in Kirchberg in Tirol wohnhaften Manfred B***** bzw über das Konto Nr. 21881 bei der Raiffeisenbank W***** - Belege über Zahlungsvorgänge von B***** und zu Lasten des angeführten Kontos an den Beschuldigten Wolfgang M***** wurden in Deutschland sichergestellt - rücktransferiert zu haben.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart begehrte in einem Rechtshilfeersuchen vom 17. Februar 1993, AZ 160 AR (Rh) 6/93 Scha/Lei, an das - gemäß § 55 Abs 1 ARHG zuständige - Bezirksgericht Hopfgarten (unter anderem) die Durchsuchung der Geschäftsräume der Raiffeisenbank W***** und die Sicherstellung "relevanter Beweismittel", wobei sie (unter anderem) auf den dem Rechtshilfeersuchen angeschlossenen Beschluß des Amtsgerichtes Stuttgart vom 8. Februar 1993, AZ B 27 Gs 10460/93, verwies, mit dem diese Maßnahme "zur Sicherstellung aller Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, insbesondere Kontokorrent-, Spar-, Festgeld-, Darlehens-, CpD-, Sammel-, Währungskonten, Wertpapierdepots, Sammeldepots, Schließfächer, Kreditakten, Kredithandakten, Verwahrstücke, Korrespondenz und sonstige Aufzeichnungen, die die Beschuldigten sowie Manfred B*****, geboren am 19. Jänner 1950, betreffen oder über die die Genannten einzeln oder gemeinsam mit Dritten verfügungsberechtigt sind oder waren oder die Aufschlüsse über Zahlungsverkehr zwischen den Beschuldigten und Manfred B***** geben, insbesondere sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit dem Konto Nr 21881" gemäß §§ 33 Abs 4, 94, 95, 98, 103, 105 und 162 dStPO angeordnet worden war (S 1 - 5, 19 - 23 des Aktes Hs 10/93 des Bezirksgerichtes Hopfgarten).

Hinweise dafür, daß die beiden Beschuldigten (direkt oder indirekt) über Konten (insbesondere das angeführte) bei der Raiffeisenbank W***** verfügen konnten, sind dem Rechtshilfeersuchen nicht zu entnehmen.

In Entsprechung dieses Ersuchens verfügte das Bezirksgericht Hopfgarten mit dem Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl vom 16. März 1993, GZ Hs 10/93-3, die Vornahme der von den deutschen Strafverfolgungsbehörden begehrten Nachschau in den Räumen der Raiffeisenkasse (richtig: Raiffeisenbank) W***** durch die Prüfungsabteilung für Strafsachen des Finanzamtes Innsbruck in Anwesenheit zweier Beamter der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes Rottweil-Deutschland (§ 59 Abs 1 ARHG) - letzterer war überdies vom Bundesministerium für Justiz fernmündlich zugestimmt worden (GZ Hs 10/93-6) - und die Beschlagnahme der im Rechtshilfeersuchen detailliert angeführten Unterlagen.

Die Zulässigkeit der Rechtshilfehandlung leitete der Bezirksrichter aus Art IV Abs 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (BGBl 1969/41) und die Erleichterung seiner Anwendung, BGBl 1977/36, ab; bei völkerrechtsfreundlicher Auslegung dieses Vertrages sowie unter Berücksichtigung der Neufassung des Vorbehaltes zu Art 2 des vorerwähnten Übereinkommens (BGBl 1969/41) durch BGBl 1983/303 sei davon auszugehen, daß die in § 23 Abs 2 Z 1 KWG normierten Voraussetzungen für die Durchbrechung des Bankgeheimnisses (§ 23 Abs 1 KWG) auch im strafgerichtlichen Rechtshilfeverfahren wegen eines Fiskaldeliktes im Verhältnis zu Deutschland gegeben seien.

Ersichtlich noch vor Beginn der Hausdurchsuchung begnügte sich der Leiter dieser Amtshandlung mit der Bereitschaft des Geschäftsleiters des genannten Bankinstitutes, die durch die angeordnete Beschlagnahme in Betracht gekommenen Unterlagen vorläufig beim Bezirksgericht Hopfgarten zu hinterlegen (ON 14 des Aktes GZ Hs 10/93-14).

In Stattgebung der in der Folge sowohl vom betroffenen Bankinstitut als auch von Manfred B***** eingebrachten Beschwerden hob die Ratskammer des Landesgerichtes Innsbruck mit Beschluß vom 9. Juni 1993, AZ 20 BfNs 52, 55/93, den angefochtenen Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl ersatzlos auf und ordnete die Rückstellung der zwischenzeitig versiegelt beim Bezirksgericht Hopfgarten hinterlegten Urkunden (ohne deren Sichtung) an die Raiffeisenbank W***** an (GZ Hs 10/93-31).

Die Ratskammer ging davon aus, daß Österreich zufolge der neben dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl 1977/36, nach wie vor in Geltung stehenden Bestimmungen des Art 2 lit b des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, BGBl 1969/41, und des § 2 ARHG bei Verletzung wesentlicher Interessen der Republik Österreich die Rechtshilfe verweigern könne; da die "Unantastbarkeit des Bankgeheimnisses" ein derartiges schutzwürdiges Interesse darstelle, sei die mit den Beschwerden angefochtene Rechtshilfeleistung nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

II. Zur Beschlußfassung durch die Ratskammer des Landesgerichtes Innsbruck sei vorerst - wiewohl von der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde nicht aufgegriffen - darauf verwiesen, daß das Bezirksgericht Hopfgarten in der ihm durch § 55 Abs 1 erster Fall ARHG zugewiesenen Zuständigkeit tätig wurde und nicht im Rahmen der Mitwirkung am Verfahren wegen Verbrechen oder wegen anderer, an sich nicht in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes ressortierender Vergehen (§ 9 Abs 1 Z 2 StPO). Demnach unterlag das Bezirksgericht vorliegend auch nicht der Aufsicht der Ratskammer über alle in ihren Sprengel fallenden Voruntersuchungen und Vorerhebungen wie sie § 12 Abs 1 StPO in der bis 31. Dezember 1993 geltenden Fassung vorsieht. Zur Entscheidung über die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Hopfgarten (§ 481 StPO) im vorliegenden Rechtshilfeverfahren wäre somit der gemäß § 13 Abs 3 StPO vorgesehene Drei-Richter-Senat des Landesgerichtes Innsbruck berufen gewesen.

III. Der bekämpfte Ratskammerbeschluß steht aber jedenfalls auch - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - inhaltlich mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Das Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Stuttgart betrifft ein sowohl nach österreichischem Recht (hier: gemäß § 53 Abs 1 lit b FinStrG) wie auch nach deutschem Recht gerichtlich strafbares Fiskaldelikt.

Die in § 3 Abs 1 ARHG normierte allgemeine Voraussetzung der Gegenseitigkeit für die Rechtshilfe an Deutschland ist im vorliegenden Fall ebenso gegeben wie die speziellen Voraussetzungen des § 56 ARHG, nämlich eine hinreichende Sachverhaltsdarstellung und rechtliche Beurteilung im Rechtshilfeersuchen sowie die Beifügung einer Ausfertigung der richterlichen Anordnung einer Durchsuchung von Räumen und einer Beschlagnahme von Gegenständen.

Nach § 1 ARHG gehen zwischenstaatliche Vereinbarungen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vor.

Darnach ergibt sich:

Das - auch im Verhältnis zu Deutschland geltende - Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl 1969/41 idgF, verpflichtet im Art 1 Abs 1 alle Vertragsparteien, gemäß den Bestimmungen dieses Übereinkommens einander soweit wie möglich Rechtshilfe in allen Verfahren hinsichtlich strafbarer Handlungen zu leisten, zu deren Verfolgung in dem Zeitpunkt, in dem um Rechtshilfe ersucht wird, die Justizbehörden des ersuchenden Staates zuständig sind; die Rechtshilfe kann nach Art 2 (ua) verweigert werden, wenn sich das Ersuchen auf strafbare Handlungen bezieht, die vom ersuchten Staat als fiskalisch strafbare Handlungen angesehen werden (lit a), oder wenn der ersuchte Staat der Ansicht ist, daß die Erledigung des Ersuchens geeignet ist, die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung (ordre public) oder andere wesentliche Interessen des Landes zu beeinträchtigen (lit b).

Der von der Republik Österreich anläßlich der Ratifizierung dieses Übereinkommens abgegebene Vorbehalt zu Art 2 lit a dieses Übereinkommens, wonach Österreich die Rechtshilfe für die darin aufgezählten strafbaren Handlungen verweigern wird, wurde durch die Erklärung der Republik Österreich BGBl 1983/303 zurückgezogen und durch die Erklärung ersetzt, daß die Republik Österreich - soweit nicht Kapitel I des Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (BGBl 1983/296) zur Anwendung kommt - Art 2 lit a des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen entsprechend seiner innerstaatlichen Gesetzgebung (dem ARHG) anwenden wird und die Leistung von Rechtshilfe gemäß § 51 Z 1 ARHG in den Fällen ausgeschlossen ist, in denen gemäß §§ 14 und 15 ARHG eine Auslieferung unzulässig wäre.

Nach § 15 Z 2 ARHG ist eine Auslieferung wegen strafbarer Handlungen, die nach österreichischem Recht ausschließlich in der Verletzung von Abgaben-, Monopol-, Zoll- oder Devisenvorschriften oder von Vorschriften über die Warenbewirtschaftung oder über den Außenhandel bestehen, unzulässig.

Das in der erwähnten Erklärung (BGBl 1983/303) als von der Verweigerung der Rechtshilfe ausgenommene Kapitel I des Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl 1983/296, bestimmt hingegen im Art I, daß die Vertragsparteien das in Art 2 lit a des Übereinkommens vorgesehene Recht zur Verweigerung der Rechtshilfe nicht allein aus dem Grund ausüben, daß das Ersuchen eine strafbare Handlung betrifft, welche die ersuchte Vertragspartei als eine fiskalische strafbare Handlung ansieht.

Vor dieser eben dargestellten Regelung des multilateralen Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen war bereits in einem bilateralen Vertrag - der als solcher einem multilateralen Abkommen vorgeht, soweit er diesem gegenüber eine Erweiterung vorsieht - zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschalnd vom 31. Jänner 1972, über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl 1977/36, nach dessen Präambel das genannte Übereinkommen ergänzt und die Anwendung seiner Grundsätze erleichtert werden sollten, im - von den in der vorliegenden Sache befaßten Gerichten auch erörterten - Art IV Abs 1 in Abweichung vom oben bezeichneten Vorbehalt der Republik Österreich zu Art 2 lit a des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen die Leistung der Rechtshilfe auch auf Verfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Monopolvorschriften ausgedehnt worden.

Dem erwähnten österreichischen Vorbehalt zu Art 2 lit a des genannten Übereinkommens war somit im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland schon mit diesem Vertrag derogiert worden, soweit es die zuletzt bezeichneten Zuwiderhandlungen betrifft.

An der Verpflichtung der Republik Österreich, im gegenständlichen Strafverfahren wegen fiskalischer strafbarer Handlungen den deutschen Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich Rechtshilfe zu leisten, kann somit kein Zweifel bestehen.

Nach Art 2 lit b des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen kann Rechtshilfe verweigert werden, wenn der ersuchte Staat der Ansicht ist, daß die Erledigung des Ersuchens geeignet ist, die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung (ordre public) oder andere wesentliche Interessen seines Landes zu beeinträchtigen. Dem entspricht - von hier nicht maßgeblichen Abweichungen abgesehen - der allgemeine Vorbehalt des § 2 ARHG, wonach einem ausländischen Ersuchen nur dann entsprochen werden darf, wenn die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen der Republik Österreich nicht verletzt werden.

Zu Art 2 lit b des genannten Übereinkommens hatte Österreich den Vorbehalt abgegeben, daß es "unter anderen wesentlichen Interessen" seines Landes insbesondere die Wahrung der in den österreichischen Rechtsvorschriften vorgesehenen Geheimhaltungspflicht versteht.

Zum bereits erwähnten Kapitel I Art 1 des Zusatzprotokolls zu diesem Übereinkommen (BGBl 1983/296) gab die Republik Österreich einen Vorbehalt und eine Erklärung ab, wonach Rechtshilfe um Durchsuchung oder Beschlagnahme von Gegenständen in bezug auf fiskalische strafbare Handlungen, die Abgaben-, Steuer- und Zollstrafverfahren darstellten, nur unter der Bedingung geleistet wird, daß entsprechend den in den österreichischen Rechtsvorschriften vorgesehenen Geheimhaltungspflichten die im Rahmen der Rechtshilfe erhaltenen Auskünfte und Beweise nur in dem Strafverfahren, für das um Rechtshilfe ersucht worden ist, sowie in den mit diesem Verfahren in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Abgabe-, Steuer- oder Zollverfahren verwendet werden.

Im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland hatte bereits zuvor Art IV Abs 3 des - bereits erwähnten - bilateralen Zusatzvertrages mit der Bundesrepublik Deutschland vom 31. März 1972, BGBl 1977/36, bestimmt, daß die nach den Vorschriften der Vertragsstaaten bestehenden Geheimhaltungspflichten in fiskalischen Angelegenheiten (zwar) der nach diesem Artikel zu leistenden Rechtshilfe nicht entgegenstehen; Umstände oder Tatsachen, die den Justiz- oder Verwaltungsbehörden eines Vertragsstaates im Zusammenhang mit einem Rechtshilfeersuchen bekannt werden, unterliegen (jedoch) der nach den Vorschriften dieses Staates in fiskalischen Angelegenheiten bestehenden Geheimhaltungspflichten.

Aus der dargestellten zwischenstaatlichen Regelung ergibt sich somit, daß Rechtshilfe in gerichtlichen fiskalischen Strafsachen insbesondere im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland nicht mit dem generellen Hinweis auf eine nach den österreichischen Gesetzen bestehende Geheimhaltungspflicht verweigert werden darf, sondern im konkreten Fall zu beurteilen ist, ob nach österreichischem Recht die Geheimhaltungspflicht aufgehoben ist. Nur wenn auf der Basis dieser Prüfung ein Rechtshilfeakt in fiskalischen Strafverfahren begehrt wurde, der in den österreichischen Rechtsvorschriften keine Deckung fände, könnte von einer Beeinträchtigung wesentlicher Interessen der Republik Österreich gesprochen werden.

Das einer Geheimhaltungspflicht entsprechende, in § 23 Abs 1 KWG (ab

1. Jänner 1994 § 38 Bankwesengesetz BGBl 1993/532) umschriebene

Bankgeheimnis schützt grundsätzlich den Bankkunden, also diejenige

Rechtspersönlichkeit, die mit einer Kreditunternehmung (im Sinne der

Legaldefinition des § 1 Abs 1 KWG) in Geschäftsverbindung steht (oder

stand). Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses besteht

gemäß § 23 Abs 2 Z 1 KWG jedoch gegenüber dem Strafgericht dann nicht

(mehr), wenn gegen einen Bankkunden (oder gegen eine andere Person,

die Verfügungsmöglichkeiten über das offenzulegende Bankkonto hat -

vgl JBl 1987, 596 = EvBl 1987/151 = RZ 1987/55 = BankArchiv 1987, 654

= RdW 1987, 198) ein gerichtliches Strafverfahren (zumindest in Form

gerichtlicher Vorerhebungen - vgl EvBl 1989/99 = JBl 1989, 454 = ÖZW

1989/60) eingeleitet wurde.

Im Hinblick auf das Vorliegen eines Hausdurchsuchungsbefehls des Amtsgerichtes Stuttgart entspricht das gegenständliche deutsche Ermittlungsverfahren einem im Inland - zumindest in Form von Vorerhebungen geführten - eingeleiteten Strafverfahren im Sinne des § 23 Abs 2 Z 1 KWG.

Die von den deutschen Strafverfolgungsbehörden gewünschten Auskünfte (Offenlegung) sind grundsätzlich Gegenstand des "Bankgeheimnisses" (vgl. Mayerhofer-Rieder Nebenstrafrecht**n Anm 4 zu § 23 KWG).

Ob die beiden Beschuldigten die unmittelbare Möglichkeit einer Verfügung in bezug auf offenzulegende Bankkonten hatten, läßt sich zwar dem Akteninhalt nicht entnehmen. Unabhängig davon ist aber im Sinne der dargestellten (völkerrechtsfreundlichen) Interpretation - wie das Bezirksgericht Hopfgarten zutreffend ausführte - davon auszugehen, daß die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses grundsätzlich auch bei Rechtshilfehandlungen durch österreichische Strafgerichte gegenüber Deutschland unter den Voraussetzungen des § 23 Abs 2 Z 1 KWG nicht besteht. Denn anders betrachtet wäre die - oben dargelegte - Bezugnahme auf der Rechtshilfe in fiskalischen Strafsachen prinzipiell nicht entgegenstehende Geheimhaltungspflichten in Kapitel I Art 1 des Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 17. März 1978, BGBl 1983/296 und dem hiezu von Österreich abgegebenen Vorbehalt sowie im Art IV Abs 3 des bilateralen Zusatzvertrages mit der Bundesrepublik Deutschland vom 31. März 1972, BGBl 1977/36, sinnlos (vgl. auch die schon vom Erstgericht zitierte, zu dem im Amtshilfevertrag mit der Bundesrepublik Deutschland in Abgabensachen, BGBl 1955/249, ebenfalls verwendeten Begriff der "wesentlichen Interessen Österreichs" ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1983, Zl 82/17/0087 = VwSlg 5819 F mwN; Laurer in JBl 1986, 391 ff; aM Beiser in ÖJZ 1985, 178 ff).

Demnach ist die von der Ratskammer aus Art 2 lit b des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, BGBl 1969/41, und § 2 ARHG abgeleitete Rechtsansicht, daß die Rechtshilfe (schon) deshalb unzulässig sei, weil zu den wesentlichen Interessen der Republik Österreich (generell) die Unantastbarkeit des Bankgeheimnisses zähle, jedenfalls verfehlt.

Auf andere, der Rechtshilfe entgegenstehende wesentliche Interessen der Republik Österreich bezieht sich die Entscheidung nicht. Nach Lage des Falles können daher alle anderen Fragen, wie etwa, ob der gegenständliche Durchsuchungsbefehl in bezug auf sämtliche hievon erfaßten Unterlagen ausreichend determiniert war oder ob zwischen den - offenzulegenden - Unterlagen und der damals wegen des Fiskaldeliktes in gerichtliche - ausländische - Ermittlungen gezogenen Personen Wolfgang M***** und Gerlinde M*****-P***** eine solche - rechtliche oder tatsächliche - Verbindung bestanden hat, die den Verdacht zu begründen vermochte, die Beschuldigten hätten sich - auch - die aus dieser speziellen Verbindung erwachsende Verfügungsmöglichkeit, insbesondere über inländische Konten, bei Begehung der Straftat zunutze gemacht (vgl. erneut EvBl 1987/151 = JBl 1987, 596; Jabornegg-Strasser-Floretta, Das Bankgeheimnis, 109), und hinsichtlich des Spannungsverhältnisses zu allfälligen Aussageverweigerungsrechten auf sich beruhen. Denn selbst die Annahme, daß die Ratskammer im Ergebnis (wenn auch aus anderen, von ihr nicht erörterten Erwägungen) die Erteilung der gewünschten Auskünfte an die deutschen Behörden zu Recht verweigert hätte, würde an der gerügten unrichtigen Beurteilung der völkerrechtlichen Verpflichtung österreichischer Gerichte gegenüber der Bundesrepublik Deutschland bei Erledigung von Rechtshilfeersuchen der gegenständlichen Art, an deren einheitlicher Handhabung ein - vom Generalprokurator mit Recht hervorgehobenes - über den vorliegenden Fall hinausgehendes rechtstheoretisches Interesse besteht, keine Änderung herbeiführen.

Nur noch am Rande bleibt anzumerken, daß im deutschen Strafverfahrensrecht ein Bankgeheimnis nicht anerkannt wird (Pelchen im Karlsruher Komm z dStPO**n § 53 Rz 2; Dahr in Löwe-Rosenberg, Die (d)StPO24 § 53 Rz 4), sodaß im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland jedenfalls auch die Gegenseitigkeit iSd § 3 Abs 1 ARHG gewährleistet ist.

Da den Beschuldigten mit Rücksicht darauf, daß die im Rahmen der Beschlagnahme vom Bezirksrichter (ersichtlich gemäß § 145 Abs 2 StPO) versiegelten Papiere von der Ratskammer wieder freigegeben worden sind, kein prozessualer Nachteil erwachsen ist, kann sich die Entscheidung auf die Feststellungen der aufgezeigten Gesetzesverletzung beschränken.

Rechtssätze
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