JudikaturJustiz15Os118/23a

15Os118/23a – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. November 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. November 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Mag. Maringer als Schriftführerin in der Strafsache gegen I* Z* und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall, Abs 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten I* Z* und D* K* sowie über die Berufung des Angeklagten M* J* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. Juni 2023, GZ 45 Hv 45/23z 142, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten I* Z* und D*  K* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier relevant – I* Z* der Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 (erster Satz) zweiter Fall, Abs 3 SMG (I.A.3.c.) und nach § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 3 SMG (I.B.) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 2 SMG (I.D.) sowie D* K* der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 2 SMG (I.A.1.) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 3 SMG (I.B.), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 4 Z 2 SMG (I.C.) und nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 2 SMG (I.D.) sowie des Vergehens der Entziehung von Energie nach § 132 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (II.) schuldig erkannt.

[2] Danach haben Z* und K* – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – in W*

I. jeweils als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig

A. Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

1. erzeugt, und zwar K* von September 2022 bis 1. Februar 2023, indem er eine Indoorplantage unterhielt und rund 3.500 Gramm Cannabiskraut aberntete (enthaltend zumindest 0,23 % Delta-9-THC und 2,93 % THCA);

3.c mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar Z* zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt Mitte Jänner 2023 40 Gramm Kokain (enthaltend zumindest 71,9 % Cocain);

B. Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift mit dem Vorsatz angebaut, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar Z*, K* und ein weiterer Angeklagter, indem sie von Anfang Jänner bis 1. Februar 2023 eine Indoorplantage mit 641 Cannabis-pflanzen zur Gewinnung von zumindest 12.820 Gramm Cannabiskraut (enthaltend zumindest 0,23 % Delta-9-THC und 2,93 % THCA) betrieben;

C. Suchtgift überlassen, und zwar K* einem anderen Angeklagten zwischen Anfang Jänner und 1. Februar 2023 2,5 Gramm Cannabiskraut (enthaltend Delta 9 THC und THCA);

D. Suchtgift besessen, und zwar ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt bis 1. Februar 2023 Z* geringe Mengen Kokain (enthaltend Cocain) und K* geringe Mengen Cannabiskraut (enthaltend Delta-9-THC und THCA).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Z* und die aus § 281 Abs 1 Z 5 und Z 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*, denen keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Z*:

[4] Die gegen I.B. gerichtete, Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) behauptende Mängelrüge unterlässt es trotz erheblichen Aktenumfangs, die Aktenfundstelle der angeblich übergangenen Hin- und Rückfahrkarte für die Slowakei zu bezeichnen (RIS Justiz RS0124172 [T8, T9]). Zudem stünde der schlichte Besitz eines solchen Tickets den Feststellungen (US 9) zur Tätigkeit des Rechtsmittelwerbers als (nach seiner Diktion) „Cannabisgärtner im Rahmen einer kriminellen Vereinigung“ nicht erörterungsbedürftig entgegen (RIS Justiz RS0098646 [insb T8], RS0099578 [insb T10, T16, T19]).

[5] Mit der bloßen Behauptung, es gäbe keine Beweisergebnisse für ein Arbeiten an der Cannabisplantage, spricht der Rechtsmittelwerber keinen Nichtigkeitsgrund an.

[6] Soweit die gegen I.A.3.c. und I.B. gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht am festgestellten Sachverhalt festhält und Kritik an der Beweiswürdigung übt , entzieht sie sich einer inhaltlichen Auseinandersetzung (RIS Justiz RS0099810).

[7] Denn der Nichtigkeitswerber lässt die Feststellungen zur kriminellen Vereinigung (einschließlich zu seiner die Vereinigungsmerkmale umfassenden subjektiven Tatseite; US 7 f), zu seinen (nicht näher feststellbaren) Arbeiten zum Zweck, die angebauten 641 Cannabispflanzen bis zur Ernte zu pflegen (zum auch „Aufziehen“ und damit „Pflege“ umfassenden Anbau-Begriff vgl RIS Justiz RS0124029), und zu seinem die Grenzmenge übersteigende Reinsubstanzmengen umfassenden Vorsatz (US 9) außer Acht. Er erklärt auch nicht, welche zusätzlichen Feststellungen für die vorgenommene Subsumtion erforderlich sein sollten. Damit gelangt die Rechtsrüge nicht prozessordnungskonform zur Ausführung (RIS Justiz RS0099775, RS0118342).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*:

[8] Die Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) in Ansehung der Feststellungen zur Abgrenzbarkeit der Taten zu I.A.1. und I.B. behauptende Mängelrüge nimmt nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß (RIS Justiz RS0117995 [T1], RS0089983 [T2, T3]).

[9] Anhand der Konstatierungen auf US 8 f ist nämlich unzweifelhaft erkennbar, dass die Tatrichter sehr wohl von klar voneinander abgegrenzten Mengen an Cannabispflanzen ausgingen, nämlich von jenen Cannabispflanzen, die ausschließlich vom Rechtsmittelwerber angebaut und bereits abgeerntet worden waren (I.A.1.), und von 641 anderen Cannabispflanzen, die vom Rechtsmittelwerber und von zwei weiteren Angeklagten angebaut, aber noch nicht abgeerntet worden waren (I.B.).

[10] Die Mängelrüge (Z 5) im Übrigen und die Subsumtionsrüge (Z 10) richten sich inhaltlich nur gegen die jeweils zu I.A.1., I.B., I.C. und I.D. angenommene Qualifikation „Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung“.

[11] Die Mängelrüge behauptet Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) hinsichtlich der „objektiven“ und „subjektiven Tatseite der Begehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung“. Allerdings nimmt der Nichtigkeitswerber – unter Aspekten der Urteilsklarheit – erneut nicht die Gesamtheit der Entscheidungsgründe in den Blick.

[12] Mit den Konstatierungen auf US 8 brachten die Tatrichter nämlich unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Nichtigkeitswerber bei allen angesprochenen Taten den Vorsatz hatte, diese als Mitglied der in US 7 f detailliert beschriebenen kriminellen Vereinigung zu begehen, und dass er auch tatsächlich alle diese Taten als Mitglied dieser kriminellen Vereinigung beging.

[13] Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang auch moniert, dass keine „weiteren Feststellungen“ getroffen worden seien, „welche konkreten Taten von welchen Angeklagten als Mitglied der festgestellten kriminellen Vereinigung begangen“ worden bzw „welche konkreten (…) strafbaren Handlungen gemeint“ seien (inhaltlich Z 10), lässt sie die bezeichneten Konstatierungen zu den Taten des Beschwerdeführers (insb US 8 f, 11 f) unberücksichtigt und macht auch nicht deutlich, welche zusätzlichen Feststellungen für die Bejahung der Vereinigungsqualifikation erforderlich sein sollten (vgl erneut RIS Justiz RS0118342).

[14] Die Mängelrüge reklamiert weiters Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Beweiswürdigung zu den Feststellungen, nach denen der Nichtigkeitswerber die Taten zu I.A.1., I.B., I.C. und I.D. als Mitglied einer kriminellen Vereinigung beging. Dabei sei unberücksichtigt geblieben, dass ihm Tathandlungen nur in Bezug auf (unterdurchschnittliches) Cannabiskraut, nicht aber in Bezug auf (überdurchschnittliches) Kokain zur Last gelegt worden seien, was aber für seine Tätigkeit außerhalb der auf Handel mit beiden Suchtgiften ausgerichteten kriminellen Vereinigung spreche.

[15] Mit dieser eigenständigen Interpretation der Tatvorwürfe zeigt die Rüge allerdings keine Außerachtlassung erheblicher Verfahrensergebnisse in der Beweiswürdigung auf, sondern kritisiert diese nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung (RIS Justiz RS0099599).

[16] Ferner erachtet die Mängelrüge das Urteil in Ansehung der Feststellungen zur Begehung der Taten zu I.C. und I.D. als Mitglied einer kriminellen Vereinigung als widersprüchlich (Z 5 dritter Fall).

[17] Dazu referiert der Nichtigkeitswerber die Erwägungen der Tatrichter, warum sie Tatbegehung vorwiegend zur Ermöglichung des Eigenkonsums ausschlossen und finanzielle Interessen für ausschlaggebend hielten (US 23). Überdies behauptet er, das Schöffengericht habe dabei die Angaben der Angeklagten „nicht entsprechend gewürdigt“ (vgl jedoch US 23), und präsentiert eigene Beweisüberlegungen, warum die Überlassung von „lediglich 2,5 Gramm“ Cannabiskraut an einen Mitangeklagten (I.C.) und der Besitz von „geringen Mengen“ Cannabiskraut (I.D.) nicht als Mitglied einer kriminellen Vereinigung erfolgt seien.

[18] Eine andere Urteilsstelle, die im logischen Widerspruch zur referierten Urteilspassage stehen könnte (RIS Justiz RS0119089), wird gar nicht benannt. Damit wird in Ansehung dieser Feststellungen weder Widersprüchlichkeit iSd Z 5 dritter Fall (RIS Justiz RS0099651, RS0117402 [insb T10, T14, T15]) noch sonst ein Begründungsmangel aufgezeigt, sondern erneut bloß in unzulässiger Form die Beweiswürdigung des Schöffengerichts angegriffen.

[19] Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) versucht, die Feststellungsbasis zu verändern oder in Zweifel zu ziehen, ist sie einer inhaltlichen Antwort nicht zugänglich (erneut RIS Justiz RS0099810).

[20] Die Rüge i m Übrigen erklärt nicht (RIS Justiz RS0118415), weshalb die Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf US 8, wonach unter anderem der Nichtigkeitswerber die (ausführlich beschriebene) Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung ernstlich für möglich hielt und sich billigend damit abfand, für die Bejahung bedingten Vorsatzes (§ 5 Abs 1 StGB; zur erforderlichen Vorsatzform vgl RIS Justiz RS0088067 [T8]) nicht genügen sollten und warum es zusätzlich einer Feststellung bedurft hätte, dass er die Taten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begehen „wollte“.

[21] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[22] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
8
  • RS0118415OGH Rechtssatz

    08. November 2023·3 Entscheidungen

    Von Feststellungsmängeln abgesehen, liegen die Nichtigkeitsgründe der Z 9 und 10 des § 281 Abs 1 StPO vor, wenn angesichts der im angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen zu Unrecht ein Schuld- oder Freispruch ergangen ist (Z 9 lit a bis c) oder die festgestellten Tatsachen zwar zu Recht einem Tatbestand des materiellen Strafrechts subsumiert wurden, aber bei der Subsumtion Fehler unterlaufen sind (Z 10). Mit diesen Rechtsfragen können zur Anfechtung des Urteils Berechtigte den Obersten Gerichtshof befassen. Da die §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO vom Beschwerdeführer verlangen, die Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen, also darzulegen, warum das Erstgericht zu Unrecht freigesprochen oder die festgestellten Tatsachen einem Tatbestand des materiellen Strafrechts subsumiert oder nicht subsumiert hat, also aufzuzeigen, warum das Gesetz unrichtig angewendet wurde, die bloße (= substratlose) Behauptung, der Angeklagte sei nicht oder nicht im Sinn der angezogenen Gesetzesstellen schuldig, aber nicht erkennen lässt, welchen konkreten Rechtsfehler der Beschwerdeführer geltend machen will und damit einer inhaltlichen Erörterung nicht zugänglich ist, sollen derartige Rügen, um kostenaufwändige Gerichtstage zu vermeiden, bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen werden können. Verzichtet der Beschwerdeführer auf methodengerechte Argumentation (vgl §§ 6 f ABGB, § 1 StGB) zugunsten bloßer (Rechts-)Behauptungen, können diese zwar zu amtswegigem Einschreiten des Obersten Gerichtshofes nach § 290 Abs 1 zweiter Satz (erster Fall) StPO zugunsten des Angeklagten - dann nämlich, wenn die Behauptung im Ergebnis zutrifft -, nicht aber zum Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde führen, sodass sich eine Behandlung im Gerichtstag erübrigt.