JudikaturJustiz15Os105/87

15Os105/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. November 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bachinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alfred W*** und Alois S*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Alfred W*** und Alois S*** sowie der Staatsanwaltschaft (hinsichtlich beider Angeklagten), ferner die Berufungen des Angeklagten Alois S*** und der Staatsanwaltschaft (hinsichtlich beider Angeklagten) gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 13.Mai 1987, GZ 8 Vr 976/85-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, der beiden Angeklagten sowie deren Verteidiger Dr. Fried und Dr. Pramer zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches ansonsten unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Alois S*** laut Punkt 3 des Urteilssatzes, in dem (lediglich in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck gebrachten) Teilfreispruch des Angeklagten Alfred W*** von der Anklage wegen Veruntreuung von weiteren 68.245,36 S und wegen eines auch darin gelegenen Mißbrauchs der Amtsgewalt (über die Schuldsprüche des Angeklagten W*** laut den Punkten 1 und 2/a hinaus), ferner im Freispruch des Angeklagten S*** laut Punkt 1, des Angeklagten W*** laut Punkt 2 und beider Angeklagten laut Punkt 3 des Urteilssatzes sowie im Strafausspruch über die beiden Angeklagten aufgehoben; die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten W*** wird verworfen.

III. Der Angeklagte S*** wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung hinsichtlich des Angeklagten W*** auf diese Entscheidung verwiesen.

IV. Die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten S*** wird zurückgewiesen.

V. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten W*** auch die Kosten des ihn betreffenden Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Alfred W*** (zu Punkt 1 des Urteilssatzes) des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und (zu Punkt 2) des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB sowie Alois S*** (zu Punkt 3) des Vergehens der falschen Beurkundung im Amt nach § 311 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben in Schärding

1) Alfred W*** in der Zeit vom 13.Jänner 1984 bis 17.Juni 1985 ein ihm anvertrautes Gut in einem 100.000 S übersteigenden Wert, nämlich von ihm als Vollstrecker des Bezirksgerichtes Schärding bei verpflichteten Parteien eingetriebene Schuldbeträge und Gerichtsgebühren im Gesamtbetrag von 200.000 S sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er sie nicht an die betreibenden Parteien oder an das Gericht weiterleitete, sondern für sich verwendete;

2) Alfred W*** als Beamter, nämlich als Vollstrecker des Bezirksgerichtes Schärding, mit dem Vorsatz, dadurch andere an ihren Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er

a) in der Zeit vom 13.Jänner 1984 bis 17.Juni 1985 (vgl. Punkt 1) von verpflichteten Parteien im Rahmen von Exekutionsverfahren übernommene Geldbeträge (von 200.000 S) nicht an die betreibenden Parteien weiterleitete oder zur Beibringung von Gerichtskostenmarken verwendete und solcherart teils die Parteien in ihrem Recht auf Übermittlung der eingetriebenen Geldbeträge sowie teils den Staat in seinem Recht auf

Einhebung von Gerichtsgebühren schädigte; und

b) in der Zeit von 1983 bis Juni 1985 von verpflichteten Parteien im Rahmen von Exekutionsverfahren eingetriebene Geldbeträge nicht sofort an die betreibenden Parteien weiterleitete, sondern sie zunächst für sich verwendete und teilweise erst Monate später an die betreibenden Parteien überwies, wodurch diesen Zinsenverluste oder den verpflichteten Parteien zusätzliche Zinsenverpflichtungen entstanden; sowie

3) Alois S*** in der Zeit vom 16.Jänner 1984 bis Juni 1985 als Beamter des Bezirksgerichtes Schärding im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem (diesbezüglich straflosen) Alfred W*** in öffentlichen Urkunden, deren Ausstellung in den Bereich seines Amtes fiel, nämlich im E-Register und im Vollzugsbuch, durch das Abstreichen von Verfahren ohne Nachweis der tatsächlichen Bezahlung (der betriebenen Forderungen) und ohne tatsächliche Erledigung (der Vollzugsaufträge) wiederholt eine Tatsache mit dem Vorsatz fälschlich beurkundet, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis der Tatsache der ordnungsgemäßen Durchführung von Exekutionsverfahren gebraucht werden.

Hingegen wurden Alois S*** und Alfred W*** vom

Anklagevorwurf, das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt dadurch

gegangen zu haben, daß

1) Alois S*** in der Zeit vom 16.Jänner 1984 bis Juni 1985 als unmittelbarer Dienstvorgesetzter des Alfred W*** dessen Dienstverfehlungen, und zwar die nicht rechtzeitige Weiterleitung eingetriebener Geldbeträge an die betreibenden Parteien, dem Gerichtsvorsteher nicht meldete und die Quittungsblöcke nicht ordnungsgemäß kontrollierte;

2) Alfred W*** zwischen dem 4.Juni 1984 und dem 13.Mai 1985 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem diesbezüglich nach § 311 StGB schuldig erkannten Alois S*** anhängige Exekutionsverfahren sowohl im Vollzugsbuch als auch im E-Register tatsachenwidrig und ohne daß diese Akten einer weiteren Maßnahme zugeführt wurden, als erledigt abstrich; sowie

3) Alfred W*** und Alois S*** vom 9.Juli 1982 bis 19. Juni 1985 teilweise im bewußten und gewollten Zusammenwirken Aktenstücke in Schreibtischladen, zu Hause oder an anderen Orten aufbewahrten, ohne sie den entsprechenden Akten zuzuführen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Zwar nicht im Urteilsspruch, jedoch inhaltlich der Urteilsbegründung (US 9, 10, 20) der Sache nach ebenfalls mit Freispruch erledigt wurde die zusätzliche Anklage, Alfred W*** habe das Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB sowie das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB auch im Zusammenhang mit der Zueignung weiterer bei verpflichteten Parteien eingetriebener Bargeldbeträge von insgesamt 68.245,36 S begangen (Mayerhofer-Rieder, StPO2, E 4, 64 a, 82, 84 zu § 259; E 8, 9 zu § 281 Abs 1 Z 7).

Rechtliche Beurteilung

Den freisprechenden Teil des Erkenntnisses (einschließlich des nur den Urteilsgründen zu entnehmenden Freispruchs) sowie den Schuldspruch des Alois S*** wegen § 311 StGB und (zu Gunsten dieses Angeklagten) den darauf gegründeten Strafausspruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Angeklagte Alfred W*** wendet sich unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO nur gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens der Veruntreuung (Punkt 1) und läßt jenen wegen Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt (Punkt 2) ausdrücklich unbekämpft. Der Angeklagte Alois S*** schließlich ficht den ihn betreffenden Schuldspruch (Punkt 3) mit Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Grund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO an.

Nur die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist begründet.

Dazu ist zunächst zu resümieren:

Die Anklage zielte inhaltlich auf drei Arten von Amtsmißbrauch:

I. Nichtablieferung (zugleich Veruntreuung) und verspätete Ablieferung einkassierter Beträge; II. Nichterledigung von Akten; und III. Nichterledigung einzelner Anträge. Insoweit richten sich die Anklagevorwürfe

zu I.:

Rechtssätze
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