JudikaturJustiz15Ns4/94

15Ns4/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. August 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.August 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Ebner und Dr. Schmucker als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krumholz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter T* und einen anderen wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 20 Vr 317/89 des Landesgerichtes Innsbruck, gemäß § 6 Abs 1 StEG über die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruches des Walter T* nach § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

In Ansehung der strafgerichtlichen Anhaltung des Walter T* vom 28. Juli 1989, 10.40 Uhr, bis 3. August 1989, 15.45 Uhr, sowie vom 13. Dezember 1990, 14.15 Uhr, bis 17. Juni 1992, 20.45 Uhr, liegen die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG nicht vor.

Text

Gründe:

In der Nacht zum 31. Jänner 1989 wurden in P*, Virginia, USA, in einem Wald Feld Gebiet neben der Staatsstraße Nummer 17 Hubert S* und Edgar P* erschossen und beraubt.

Am 5. Februar 1989 wurde der am 1. Februar 1989 aus den USA ausgereiste Franz Johann W* in Tirol festgenommen und anschließend wegen des Verdachtes des Mordes nach § 75 StGB (an den beiden Genannten) in Untersuchungshaft genommen.

Nach einer am 26. Juli 1989 bei der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Tirol mit Walter T*, der zur Zeit der Tat einen Autohandelsbetrieb in den USA geführt hatte und dort Dienstgeber des W* war, aufgenommenen Niederschrift (S 453 ff/III), deren Inhalt er im wesentlichen während des gesamten Verfahrens aufrecht hielt, hatte T* seinem Angestellten W* nicht nur die Tatwaffe, mit der der Mord an den beiden eingangs Genannten verübt wurde, zur Verfügung gestellt - die Gründe hiefür schwächte er im Verlauf der verschiedenen Einvernahmen ab , sondern insbesondere auch nach der - nach seinen Angaben mit W* nicht abgesprochenen - Tat des W*, der sich danach ohne ersichtlichen Grund an ihn - zugleich die Tat gestehend - um Hilfe gewandt haben soll, beim Beseitigen blutiger Kleider und der Gepäcksstücke der beiden Toten Hilfe geleistet. Darüber hinaus hatte er den Erhebungsbeamten der USA, die aufgrund einer bei den Toten vorgefundenen Telefonnummer auf den Betrieb T*s aufmerksam geworden waren, trotz Kenntnis des von W* geschilderten Tatherganges erklärt, von Tatumständen und Tätern keine Kenntnis zu haben und ihnen erst dann die angebliche Tatbegehung W*s bekannt gegeben, als dieser am 1. Februar 1989 bereits fluchtartig die Vereinigten Staaten von Amerika verlassen hatte. T* wußte im übrigen nach seinen Angaben, daß die später Ermordeten in seinem Betrieb einen Jeep erstehen wollten und daher offensichtlich über einen größeren Geldbetrag verfügten.

Mit Beschluß vom 27. Juli 1989 leitete der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Innsbruck die Voruntersuchung gegen Walter T* wegen des Verdachtes des Verbrechens des Mordes als Beteiligter nach §§ 12, 75 StGB ein, er wurde am 28. Juli 1989 festgenommen und über ihn am 29. Juli 1989 die Untersuchungshaft gemäß § 180 Abs 7 StPO verhängt (S 489 verso/III). Einen dringenden Tatverdacht einer Unterstützung des Franz W* bei der Mordtat leitete die Untersuchungsrichterin "insbesondere aus dem Widerspruch zwischen den Angaben des Beschuldigten vor dem Landesgendarmeriekommando und den Erhebungsergebnissen in den Vereinigten Staaten" ab (S 491/III).

Am 3. August 1989 wurde über Antrag der Staatsanwaltschaft die Voruntersuchung gegen Walter T* auch wegen des Verdachtes der Begünstigung nach § 299 StGB ausgedehnt. Er wurde am gleichen Tag gegen Gelöbnis und unter vorübergehender Abnahme des Reisepasses enthaftet (S 489 a, c und d/III).

Die Staatsanwaltschaft erhob am 25. Juni 1990 sodann gegen W* Anklage wegen der beiden Raubmorde, hinsichtlich des Beschuldigten T* gab sie die Erklärung nach § 109 StPO hinsichtlich des Verdachtes der Beteiligung an den Raubmorden ab und beantragte zugleich, das Verfahren gegen diesen Beschuldigten wegen §§ 277 und 299 (allenfalls § 164) StGB gemäß § 57 StPO auszuscheiden (S 3 ff des Antrags- und Verfügungsbogens). Dieses Verfahren wurde in der Folge zum AZ 33 Vr 3306/90 des Landesgerichtes Innsbruck geführt (= nunmehr Bd XVIII und XIX).

Im Rahmen der gegen W* (zum AZ 20 Vr 317/89 des Landesgerichtes Innsbruck) geführten Hauptverhandlung vom 13. Dezember 1990 wurde ua auch Walter T* als Zeuge einvernommen und unter Hinweis auf belastende Aussagen der gleichfalls als Zeugin vernommenen Edith B*, einer Bekannten seiner Lebensgefährtin Brunhilde W*, sowie unter Hinweis auf seine eigene, geänderte Aussage über den Verbleib der Tatwaffe auf Antrag des Staatsanwaltes, der zugleich die Wiederaufnahme des Strafverfahrens wegen des Verdachtes des Mordes nach § 75 StGB beantragte, festgenommen und dem Untersuchungsrichter vorgeführt (ON 1 in Bd XVIII). Dieser leitete gegen T* am 14. Dezember 1990 die Voruntersuchung wegen des Verdachtes des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB ein, wogegen der Genannte sofort Beschwerde erhob, verhängte gemäß § 180 Abs 7 StPO erneut die Untersuchungshaft über ihn und legte noch am selben Tag den Akt der Ratskammer des Landesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag vor (S 2, 32, 39/XVIII). Die Ratskammer gab in zwei getrennten Beschlüssen vom 19. Dezember 1990 der Beschwerde T*s gegen den - vorerst noch ohne Wiederaufnahme gefaßten - Beschluß auf Einleitung der Voruntersuchung Folge (S 67 ff/XVIII), faßte aber zugleich den Beschluß auf Wiederaufnahme dieses Verfahrens gemäß § 352 Abs 1 und Abs 2 StPO (S 73 ff/XVIII). Am 27. Dezember 1990 gab sodann die Ratskammer einer Haftbeschwerde des Walter T* nicht Folge (S 87 ff/XVIII). Das Oberlandesgericht Innsbruck gab mit dem Beschluß vom 31. Jänner 1991, AZ 7 Bs 29, 30/91, Beschwerden des Walter T* gegen die Ratskammerbeschlüsse über die Wiederaufnahme des Verfahrens und über die Haft nicht Folge (S 127 ff/XVIII).

Am 18.Juni 1991 sprach das Oberlandesgericht Innsbruck aus, daß die über Walter T* gemäß § 180 Abs 7 StPO verhängte Untersuchungshaft bis zu 12 Monate fortdauern darf (S 143 f/XVIII).

In dem (weiterhin getrennt geführten) Verfahren gegen W* wurde Walter T* in der Hauptverhandlung vom 18. Juli 1991 als Zeuge vorgeführt und trotz seiner Berufung auf § 153 StPO zur Zeugenaussage verhalten. Es wurde vorerst über ihn eine Beugegeldstrafe verhängt (S 253/XIV). In der Hauptverhandlung vom 8. August 1991 nahm Walter T* als Zeuge vorgeführt erneut ein Entschlagungsrecht in Anspruch, das nicht anerkannt wurde; es wurde über ihn eine Beugehaft in der Dauer von sechs Wochen verhängt (S 41/XV). Die dagegen erhobene Beschwerde T*s wurde vom Oberlandesgericht Innsbruck am 4. September 1991 als unzulässig - weil in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehen - zurückgewiesen; es sah keinen Anlaß zu einem aufsichtsbehördlichen Einschreiten gemäß § 15 StPO (S 47 ff/XVI).

Zum Vollzug der Beugehaft wurde die Untersuchungshaft am 8. August 1991 um 9.15 Uhr aufgehoben. Nach Vollzug dieser Beugehaft am 19. September 1991, 9.15 Uhr, wurde Walter T* wieder gemäß § 180 Abs 7 StPO in Untersuchungshaft genommen (S 207 und 241/XVIII). Der dagegen erhobenen Haftbeschwerde gab die Ratskammer des Landesgerichtes Innsbruck mit Beschluß vom 31. Oktober 1991 nicht Folge (S 265 ff/XVIII); einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit dem Beschluß vom 29. November 1991, AZ 7 Bs 528/91, nicht Folge (S 485 ff/XVIII).

Am 16. Oktober 1991 war mittlerweile im Verfahren gegen W* das Verdikt der Geschworenen, die die Haupt- und Eventualfragen in Ansehung des gegen W* gerichteten Anklagevorwurfes verneint hatten, ausgesetzt worden (S 179/XVII).

Am 25. November 1991 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Walter T* wegen Beteiligung an den von dem "derzeit noch abgesondert verfolgten Franz Johann W*" begangenen beiden Raubmorden sowie wegen Hehlerei (S 281 ff/XVIII) und gab ua zugleich die Erklärung nach § 109 Abs 1 StPO betreffend den gegen T* bestehenden Verdacht der Begünstigung nach § 299 StGB sowie eine Erklärung nach § 34 Abs 2 Z 1 StPO - unter Vorbehalt späterer Verfolgung - in Bezug auf das Verbrechen des verbrecherischen Komplotts nach § 277 StGB ab (S 3 z/XVIII).

Das Oberlandesgericht Innsbruck sprach sodann in einem Beschluß vom 18. Dezember 1991, AZ 7 Bs 555/91, 7 Ns 1280/91, aus, daß die Untersuchungshaft über T* bis zu 15 Monaten dauern darf; in diesem Beschluß wurde auch über den Einspruch des Genannten gegen die gegen ihn erhobene Anklage in der Richtung entschieden, daß der Anklagepunkt wegen Hehlerei aus rechtlichen Gründen zu entfallen habe, weil in Ansehung der bei einem Raubmord erbeuteten Sachen einem Tatbeteiligten nicht zugleich Hehlerei (straflose Nachtat für den Fall einer Verurteilung wegen der Vortat) angelastet werden könne (S 1 ff/XIX).

Aufgrund einer von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde stellte sodann der Oberste Gerichtshof mit dem Urteil vom 16. Jänner 1992, GZ 15 Os 152, 153/91 9, fest, daß das Gesetz durch den Vorgang, daß Walter T* in der Hauptverhandlung am 18. Juli 1991 zur Ablegung eines Zeugnisses verhalten wurde und durch den Beschluß vom 18. Juli 1991, mit welchem über ihn eine Beugestrafe von 5.000 S verhängt wurde, sowie durch den Beschluß vom 8. August 1991, mit dem über ihn eine Beugehaft in der Dauer von sechs Wochen verhängt wurde, in den Bestimmungen der §§ 153 Abs 1 und 160 StPO verletzt wurde. Wesentliche Erwägung war, daß dem Aufklärungsinteresse im Verfahren gegen W*, in welchem T* die Zeugenaussage ablegen sollte, ein gleichgewichtiges Interesse des T* an der Verweigerung der Aussage, nämlich dessen Verteidigungsrechte in Ansehung des gegen ihn bestehenden Verdachts, an den dem W* angelasteten Mordtaten beteiligt gewesen zu sein, gegenüberstand, das es dem Zeugen unzumutbar machte, wahrheitsgemäß auszusagen, weil dies allenfalls das Eingeständnis einer Beteiligung an den Taten des W* und damit einen Zwang zur Selbstbezichtigung bedeuten könnte (S 139 ff/XX).

Nachdem der Oberste Gerichtshof am 20. November 1991 gemäß § 334 Abs 2 StPO die Verweisung der Strafsache W* an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht Innsbruck angeordnet hatte (S 291/XVII), wurde mit dem Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 17. Jänner 1992 (S 3/XX) das gegen T* geführte Strafverfahren in jenes gegen W* gemäß § 56 Abs 1 StPO einbezogen. Nach Durchführung der Hauptverhandlung in der Zeit zwischen dem 4. und dem 17. Juni 1992 - nunmehr gegen beide Angeklagte - (Bd XXV bis XXVII), wurden mit dem Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 17. Juni 1992, GZ 20 Vr 317/89 719, W* und T* aufgrund des Wahrspruches der Geschworenen vom Anklagevorwurf des zweifachen Raubmordes (T* als Beteiligter) gemäß § 336 StPO freigesprochen, jedoch T* des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2, Abs 3 letzter Fall StGB in Ansehung des An Sich Bringens von 650 US Dollar, die bei der Beraubung von Hubert S* und Edgar P* erbeutet worden waren, schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Mit Urteil vom 25. März 1993, GZ 11 Os 124/92 6, gab der Oberste Gerichtshof der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T* Folge, hob den Wahrspruch der Geschworenen in Ansehung der in Richtung Hehlerei gehenden Eventualfrage und das darauf beruhende Urteil im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Hehlerei aus § 164 Abs 1 Z 2, Abs 3 letzter Fall StGB sowie demgemäß im Strafausspruch auf und verwies die Strafsache an den Einzelrichter des Landesgerichtes Innsbruck (S 169 ff/XXVIII).

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck gab sodann am 5.Mai 1993 bezüglich der dem Walter T* zur Last gelegten Hehlerei durch Übernahme von 650 US Dollar die Erklärung gemäß § 227 Abs 1 StPO ab; zugleich stellte sie den Antrag, den Anspruch des Walter T* auf Haftentschädigung gemäß § 2 Abs 1 lit b StEG abzuweisen, weil "der Verdacht, daß Walter T* die ihm zur Last liegenden Handlungen begangen haben, nicht entkräftet wurde" (S 175 f/XXVIII). Das Verfahren gegen T* wurde zufolge des erwähnten Rücktrittes des öffentlichen Anklägers von der Anklage mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 10.Mai 1993 gemäß § 227 Abs 1 StPO eingestellt (S 177/XXVIII).

Am 28. Mai 1993 beantragte T* "volle Haftentschädigung" (S 191 ff/XXVIII). Nach der am 1. Oktober 1993 vorgenommenen Anhörung T*s gemäß § 6 Abs 3 StEG (S 219/XXVIII) faßte das Landesgericht Innsbruck am 17. November 1993 den Beschluß, daß dem Genannten kein Ersatzanspruch gemäß § 2 Abs 1 lit b StEG für die von ihm erlittene Verwahrungs- und Untersuchungshaft zustehe; zugleich sprach es aus, daß hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 lit a StEG betreffend die über T* verhängte Beugehaft das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden haben wird (S 243 f/XXVIII).

Aus Anlaß der von T* gegen diesen Beschluß erhobenen Beschwerde legte das Oberlandesgericht Innsbruck den Akt zur Entscheidung über die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG dem Obersten Gerichtshof vor, weil es durch Zurückweisung der unzulässigen Beschwerde an der Aufrechterhaltung der Beugehaft und auch durch mehrfache Beschwerdeentscheidungen sowie durch die Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift und durch die zweimalige Verlängerung der Untersuchungshaft gemäß § 193 Abs 4 StPO aF an der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft mitgewirkt habe, die von Thaler als von Anfang an gesetzwidrig angeordnet bezeichnet werde.

Zutreffend zeigt das Oberlandesgericht Innsbruck damit auf, daß die Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofes über eine allfällige Gesetzwidrigkeit der Anhaltung im Sinn des § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG gegeben ist (Mayerhofer Rieder Nebenstrafrecht3 § 6 StEG E 2 a und 3).

Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG liegen indes nicht vor.

Bei Prüfung der Frage, ob die Haft gesetzwidrig angeordnet oder verlängert wurde, ist auf den Erhebungsstand im Zeitpunkt der Beschlußfassung (über die Anordnung oder Verlängerung) abzustellen; nachträglich hervorgekommene, gegen einen (hinreichenden bzw dringenden) Tatverdacht oder die Annahme von Haftgründen sprechende Umstände müssen bei dieser Prüfung außer Betracht bleiben (SSt 58/24; NRsp 1988/11; EvBl 1994/50; 13 Os 178/93; 13 Os 118/93; 13 Ns 10/93; 12 Ns 3/92 uam). Nachträgliche Verdachtsentkräftungsumstände könnten lediglich bei Beurteilung der Frage einer Anspruchsvoraussetzung nach § 2 Abs 1 lit b StEG von Bedeutung sein (13 Ns 10/93), worüber das Oberlandesgericht Innsbruck im Rahmen der zu fällenden Enscheidung über die Beschwerde des Walter T* gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 17. November 1993 (ON 779) zu befinden haben wird.

Von einer Gesetzwidrigkeit im Sinn des § 2 Abs 1 lit a StEG kann nur dann gesprochen werden, wenn die damals entscheidenden Gerichte von einer erkennbar unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen sind oder die Annahme des höheren Grades an Wahrscheinlichkeit der Begehung einer strafbaren Handlung (hier der Beteiligung an dem nach der damaligen Verdachtslage von W* begangenen Doppelraubmord, allenfalls einer Verabredung mit W* zur gemeinsamen Ausführung des Raubmordes, allenfalls einer Begünstigung W*s nach dem Mord und des An Sich Bringens zumindest von Teilen der Beute aus dieser Straftat) ebensowenig nachvollziehbar wäre wie die Annahme von Haftgründen.

Nach der bereits eingangs dargestellten Niederschrift des Landesgendarmeriekommandos für Tirol mit dem Beschwerdeführer vom 26. Juli 1989 (S 453 ff/III) bestand jedenfalls ein dringender Tatverdacht, weil sich daraus - nach der damaligen Verfahrenslage die Annahme ableiten ließ, T* habe die von ihm kurz zuvor angekaufte Tatwaffe dem W* zum Zwecke eines Mordes oder Raubes zur Verfügung gestellt, kein plausibler Grund dafür zu ersehen war, daß W* ohne vorangegangene Absprache der Tat T* zum Mitwisser gemacht hätte, und T* den W* nachhaltig unterstützte, indem er bei der Beiseiteschaffung blutgetränkter Kleidungsstücke sowie von Habseligkeiten der beiden Ermordeten mithalf.

Hinsichtlich der Annahme eines dringenden Tatverdachtes nach Wiederaufnahme des gegen T* eingestellten Verfahrens genügte die als Begründung für die Wiederaufnahme angeführte Aussage T*s im Verfahren gegen W*, daß er nämlich einerseits den amerikanischen Erhebungsbeamten bewußt zur Irreführung eine falsche Stelle in einem Flußbett bezeichnet hatte, in die W* angeblich die Tatwaffe geworfen hätte, in Verbindung mit dem Umstand, daß er in der Hauptverhandlung am 13. Dezember 1990 auch zugegeben hatte, einem Angestellten nach dem Mordeingeständnis W*s ihm gegenüber den Auftrag gegeben zu haben, das (vermutliche) Tatfahrzeug von Fingerabdrücken zu reinigen (S 29/XVIII), und die Aussage der Zeugin Edith B* in derselben Hauptverhandlung, wonach sie von der Lebensgefährtin T*s erfahren habe, daß dieser ihr nach der Tat einen Geldbetrag von 6.200 Dollar übergeben hatte, von dem sie 5.000 Dollar in einem Kofferraum eines PKWs versteckte (S 7 ff/XVIII), daß sowohl das Landesgericht Innsbruck als auch das Oberlandesgericht Innsbruck mit einem höheren Grad von Wahrscheinlichkeit davon ausgehen durften, daß sich T* nicht nur der Begünstigung W*s, sondern auch der Beteiligung an den Raubmorden schuldig gemacht hat.

Da die Untergrenze des in Betracht kommenden Strafrahmens des § 75 StGB 10 Jahre beträgt, war bei der Annahme eines dringenden Tatverdachtes das Vorliegen von Haftgründen an der Bestimmung des § 180 Abs 7 StPO zu messen, wonach bei einem mit einer derartigen Strafe bedrohten Verbrechen die Untersuchungshaft verhängt werden muß, es sei denn, daß aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller im Abs 2 des § 180 StPO angeführten Haftgründe sei auszuschließen. Da sich indes T* bereits seit dem Jahr 1981 in den USA aufgehalten und dort einen Handelsbetrieb geführt hatte, seine sozialen Bindungen zu Österreich somit gering waren, und seine Lebensgefährtin W* in den USA wohnte (S 21/XVIII), konnte mit Recht davon ausgegangen werden, daß zumindest der Haftgrund der Fluchtgefahr (auch unter Anwendung gelinderer Mittel) nicht ausgeschlossen werden konnte.

Aus all dem folgt, daß die Anhaltung des Walter T* in Untersuchungshaft weder gesetzwidrig angeordnet noch verlängert wurde.

Klarstellend sei bemerkt, daß mit dieser Entscheidung des Obersten Gerichtshofes über die Gesetzmäßigkeit der Anordnung und Verlängerung der Anhaltung des Walter T*, die nach dem Gesagten auf den Zeitpunkt der jeweiligen Beschlüsse abzustellen ist, und die Frage der Beurteilung einer allfälligen späteren Verdachtsentkräftung der vom Oberlandesgericht Innsbruck zu treffenden Entscheidung nach § 2 Abs 1 lit b StEG zu überlassen hat, schon begrifflich keine Kritik an dem späteren Wahrspruch der Geschworenen vom 17. Juni 1992 verbunden sein kann.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß durch den freisprechenden Teil des Urteils des Geschworenengerichtes von diesem Tag nur ein Teil der gegen T* erhobenen Anklage erledigt wurde, hinsichtlich des übrigens Teils hingegen - wie oben dargestellt - der Staatsanwalt die Erklärung abgab, von der Verfolgung T*s - aus Opportunitätsgründen unter Vorbehalt späterer Verfolgung - Abstand zu nehmen (S 3 z/XVIII) oder von der Anklage zurückzutreten (S 175/XXVIII), Erklärungen, die das Gericht nach der österreichischen Strafprozeßordnung zwingen, das Verfahren einzustellen, ohne die Erwägungen des Staatsanwaltes hiefür prüfen zu können. Insoweit kann also durch die Annahme einer eine Entschädigung ausschließenden Verdachtslage ein rechtskräftiges freisprechendes Urteil ebenfalls nicht in Zweifel gesetzt werden; die Verfahrenslage kann somit insoweit nicht mit der der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall Sekanina (Publikationen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Bd 266 Teil A; in deutscher Übersetzung teilweise veröffentlicht ÖJZ 1993, 816 E 46) verglichen werden, sondern mit den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in den Fällen Englert und Nölkenbockhoff (Publikationen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Bd 123 S 40 ff und S 64 ff), in denen es jeweils zu vergleichbaren Verfahrenseinstellungen kam und in welchen Fällen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Prüfung der Verdachtslage auch nach der Verfahrenseinstellung für zulässig befand.

Hinsichtlich der oben näher beschriebenen Beugehaft des Antragstellers T* wurde bereits mit dem schon erwähnten Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 16.Jänner 1992 eine Gesetzesverletzung festgestellt.

Indes resultiert aus der Gesezesverletzung aus zwei voneinander unabhängigen Erwägungen kein Ersatzanspruch nach dem StEG:

Eine Beugehaft zur Erzwingung einer Aussage - mag sie auch von einem Strafgericht ausgesprochen worden sein - ist keine strafgerichtliche Anhaltung im Sinn des § 1 StEG (Mayerhofer Rieder Nebenstrafrecht3 § 2 StEG Anm 8). Auch das Strafgericht wird insoweit nicht in seiner Aufgabe tätig, über ein vom Gesetzgeber als gerichtlich strafbar erklärtes Verhalten zu urteilen; die Verhängung von Beugestrafen durch ein Strafgericht hat keine andere Funktion als jene der Verhängung von solchen Strafen durch ein Zivilgericht oder eine Verwaltungsbehörde (§ 325 Abs 1 ZPO, § 49 Abs 5 AVG iVm § 34 Abs 2 AVG und § 24 VStG).

Die Verneinung eines Ersatzanspruches nach dem StEG zieht wie klarstellend bemerkt sei - nicht eo ipso die Verneinung eines Anspruches auf Schadenersatz im Sinn des Art 5 Abs 4 MRK (in Beziehung auf Art 5 Abs 1 lit b MRK [zu "Erzwingungsstrafen" siehe Schorn Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten 148]) nach sich; Haftentschädigungsansprüche, die über das StEG hinausgehen, können mit Amtshaftungsklage geltend gemacht werden (SZ 52/153 ua).

Von den bisherigen Erwägungen zur Beugehaft abgesehen stünde dem Walter T* aber auch aus einem weiteren Grund kein Anspruch nach dem StEG zu. Ein Anspruch dieser Art setzt nämlich - wie jede Schadenersatzforderung - einen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen Normverstoß und dem Schadenseintritt voraus. Wäre auch bei gesetzmäßigem Vorgehen die strafgerichtliche Anhaltung erfolgt, so besteht kein Ersatzanspruch (SSt 57/77; EvBl 1994/50; 12 Os 1/88). Soweit eine Untersuchungshaft durch eine gesetzwidrig vollzogene Freiheitsentziehung anderer Art im Sinn des § 180 Abs 4 StPO substituiert wird wie es vorliegend geschehen ist - ist demnach zu prüfen, ob die Fortsetzung der Anhaltung in Untersuchungshaft gerechtfertigt gewesen wäre (erneut SSt 57/77).

Vorliegend ist nicht zu erkennen, aus welchen Umständen Walter T* - wäre die Untersuchungshaft nicht in der Zeit zwischen 8. August und 19. September 1991 zur Vollstreckung der Beugehaft unterbrochen worden - gerade für jene Zeit enthaftet worden wäre; Umstände dieser Art vermag er auch nicht vorzubringen. Nach der Aktenlage ist es auch evident, daß zu jener Zeit jene Verfahrenslage, die zur Verhängung der Untersuchungshaft geführt hatte, nach wie vor unverändert war und nicht der mindeste Anlaß zur Enthaftung bestand. Da somit ohne die gesetzwidrige Beugehaft der Antragsteller T* gleichfalls in Haft geblieben wäre, fehlt es an einem Rechtswidrigkeitszusammenhang der oben genannten Art.

Auch aus diesem Grunde müßte hinsichtlich der Beugehaft ein Ersatzanspruch nach dem StEG verneint werden.

Aus den angeführten Erwägungen war daher insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Wie bereits erwähnt, wird nunmehr das Oberlandesgericht Innsbruck über die Beschwerde des Walter T* gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 17.November 1993 unter dem Gesichtspunkt des § 2 Abs 1 lit b StEG zu entscheiden haben.

Rechtssätze
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