JudikaturJustiz14Os78/18d

14Os78/18d – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. September 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Günther K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 14. Mai 2018, GZ 50 Hv 17/18d 39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Anlasstaten I./B./ und II./, demzufolge auch in der Anordnung der Unterbringung des Günther K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günther K***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er in G***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer schizoaffektiven Psychose,

I./ Nachgenannte gefährlich mit dem Tod (A./ und C./) und mit einer Brandstiftung (B./) bedroht hat, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er

A./ am 18. Oktober 2017 Friedrich F***** in aggressivem Tonfall ankündigte „I hob trainiert. Du host ka Chance gegen mi weu i hau di nieda. Waunnst naumoi in mein zweiten Stock kummst [ersichtlich gemeint:] stich i di o. Du bist a Beidl. Irgendwaun dawisch i di.“;

B./ am 20. Dezember 2017 dem Bürgermeister der Marktgemeinde G***** Alfred A***** ankündigte, er werde das Haus des (mit diesem bekannten [US 3]) Polizisten Helmut W***** anzünden und dessen Auto zerkratzen;

C./ am 11. Jänner 2018 Hans G***** in aggressivem Tonfall ankündigte „G*****, wenn's finster is, stich i di o!“;

II./ am 21. Dezember 2017 versucht hat, Beamte durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung, nämlich seiner Vorführung nach § 46 SPG zu hindern, indem er gegen die wegen Verwaltungsübertretungen und Fremdgefährdung eindringenden Polizeibeamten H***** und P***** durch Erheben der geballten Fäuste in Schlagstellung und die Ankündigung, er werde sie schlagen und sich nicht abhalten lassen, aus dem Fenster zu springen, falls sich ihm jemand nähert, schlüssig eine Körperverletzung in Aussicht stellte (US 4 iVm US 2);

sohin Taten begangen hat, die jeweils als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall (I./A./ und I./C./) und vierter Fall (I./B./) StGB und des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (II./) jeweils mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil im Ausspruch über die Anlasstaten I./B./ und II./ nicht geltend gemachte, dem Betroffenen zum Nachteil gereichende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StGB).

Die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB setzt (unter anderem) die Begehung einer mit (ein Jahr übersteigender Freiheits )Strafe bedrohten Handlung (Anlasstat) voraus, die (nur) vorliegt, wenn sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand erfüllt sind (RIS Justiz RS0119623, RS0090295; Ratz in WK² StGB § 21 Rz 14).

Der Tatbestand der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB setzt eine Drohung mit einer Brandstiftung iSd § 169 StGB voraus. Er verlangt demnach die Ankündigung nicht bloß einer Sachbeschädigung durch Feuer, sondern der Verursachung einer Feuersbrunst im Sinn eines ausgedehnten, mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr beherrschbaren, zumindest abstrakt gemeingefährlichen Brandes sowie einen (auch) diese Merkmale umfassenden Vorsatz (RIS Justiz RS0092994, RS0094944, RS0094805).

Einen hinreichenden Sachverhaltsbezug aufweisende (RIS Justiz RS0119090) Konstatierungen zu einer solchen qualifizierten Drohung sind dem Urteil zu I./B./ nicht zu entnehmen.

Zu II./ fehlen Feststellungen zum – die Grundlage für die rechtliche Beurteilung als gefährliche Drohung (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB) bildenden – Bedeutungsinhalt der Ankündigungen und der Gestik des Betroffenen sowie zu einem auf die Anwendung einer gefährlichen Drohung gerichteten Vorsatz (RIS Justiz RS0092437 [T4]; Danek/Mann in WK 2 StGB § 269 Rz 61 und 67 [in Druck]). Dass K***** nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) den Polizeibeamten „schlüssig eine Körperverletzung für den Fall des Näherkommens in Aussicht“ stellte (US 2) ersetzt nicht Feststellungen des wesentlichen Sachverhalts in den Entscheidungsgründen (RIS Justiz RS0099791).

Diese Rechtsfehler mangels Feststellungen zwingen zur Aufhebung des Ausspruchs über die Anlasstaten I./B./ und II./ sowie der Unterbringungsanordnung (RIS Justiz RS0120576, RS0090390). In diesem Umfang war die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu verweisen (§ 285e StPO). Ein Eingehen auf das zu II./ erstattete Vorbringen erübrigt sich daher.

Im Übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde keine Berechtigung zu:

Die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) behauptet unter Anführung von Passagen der Aussage des Zeugen Alfred A***** einen „Widerspruch“, weil die Feststellungen über entscheidende Tatsachen „mit dem Protokoll nicht übereinstimmen“ würden. Der Hinweis auf Beweisergebnisse, die allenfalls gegen die getroffenen Feststellungen sprechen, ist jedoch unter dem Aspekt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes unbeachtlich (RIS Justiz RS0119089 [T1]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 439). Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) wird damit ebenfalls nicht aufgezeigt (RIS Justiz RS0089983).

Soweit die Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) das Fehlen einer Auseinandersetzung mit den bezeichneten Textpassagen reklamiert, macht sie nicht klar, warum die aus diesen ableitbaren Motive der Bedrohten für die Anzeigeerstattungen und die Frage, ob die Drohungen von ihnen ernst genommen wurden, für die Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen erheblich sein sollen (RIS Justiz RS0092392, RS0092753, RS0127353).

Indem die Rüge (der Sache nach Z 9 lit a) die Eignung der Drohungen, den Bedrohten begründete Besorgnis (in Bezug auf einen Angriff auf ihr Leben) einzuflößen, in Frage stellt, leitet sie nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (RIS Justiz RS0116569), weshalb eine solche bei gebotener Anlegung eines objektiv individuellen Maßstabs in Bezug auf die verbale Ankündigung des Abstechens nicht gegeben sein sollte, und aus welchem Grund es bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage auf die Realisierbarkeit des angedrohten Übels oder darauf ankommen sollte, dass die Bedrohten tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurden oder aus welchen Motiven sie Anzeige erstattet haben.

Im gegen den Ausspruch über die Anlasstaten I./A./ und C./ gerichteten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit seiner Berufung war der Beschwerdeführer auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
8
  • RS0090390OGH Rechtssatz

    29. Februar 2024·3 Entscheidungen

    Liegen dem Betroffenen mehrere Taten zur Last, von denen nur eine den Voraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB entspricht, während die anderen zufolge der für sie maßgebenden Strafdrohung nicht einweisungsrelevant sein können, so hat das Gericht den Einweisungsantrag, soweit er auch diese Taten betrifft, abzuweisen; stützt es jedoch (rechtsirrig) sein Einweisungserkenntnis spruchgemäß auch auf diese Taten, dann hat es insoweit seine Einweisungsbefugnis überschritten, womit das Erkenntnis in diesem Punkt nichtig im Sinn der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO ist, uzw unbeschadet dessen, dass dem Betroffenen daneben auch eine einweisungsrelevante Anlasstat zur Last liegt. Denn der im Urteilstenor dekretierte Tatvorwurf kann von der darauf gestützten Sanktion nicht getrennt werden; diese basiert damit aber auch auf Taten, die die Einweisung nicht zu tragen vermögen, wobei die darin gelegene Urteilsnichtigkeit den Betroffenen beschwert, weil nicht gesagt werden kann, dass die nicht einweisungsrelevanten Taten bloß überflüssigerweise und ohne irgendwelche nachteiligen Wirkungen für ihn in den Urteilsspruch aufgenommen worden seien. Daher kann eine Unanfechtbarkeit des Ausspruchs über die Anstaltseinweisung nicht daraus abgeleitet werden, dass die Einweisung ohnedies bereits durch eine andere, diese recte tragende Tat gedeckt ist (Ablehnung der gegenteiligen Auffassung in 10 Os 162/79 = EvBl 1980/203).