JudikaturJustiz14Os130/07k

14Os130/07k – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. November 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon.-Prof. Dr. Schroll und Dr. Lässig und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maschler als Schriftführerin in den Strafsachen gegen Renate B***** und einer weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 19 Hv 31/02b des Landesgerichtes Klagenfurt, und wegen des Vergehens und Betruges nach § 146 StGB, AZ 17 E Vr 913/01 desselben Gerichtes, über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 1. Februar 2005, GZ 17 E Vr 913/01-18, sowie weitere Vorgänge im Verfahren AZ 19 Hv 31/02b desselben Gerichtes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators StA Dr. Michael Kwapinski und der Verteidigerin Mag. Sabina Heine, zu Recht erkannt:

Spruch

Es verletzen

1./ das Unterbleiben einer vom Landesgericht Klagenfurt zu AZ 19 Hv 31/02b unverzüglich nach Beschlussfassung (und unabhängig vom Eintritt der Rechtskraft vorzunehmenden) Verständigung des Landesgerichtes Klagenfurt zu AZ 17 E Vr 913/01 vom Widerruf der mit Urteil vom 8. Juni 2001, GZ 17 E Vr 913/01-4, gewährten bedingten Strafnachsicht § 494a Abs 7 StPO;

2./ das Unterbleiben der vom Landesgericht Klagenfurt zu AZ 19 Hv 31/02b nach Eintritt der Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses vom 13. März 2002, GZ 19 Hv 31/02b-13, vorzunehmenden Mitteilung an die Bundespolizeidirektion Wien § 4 Abs 1 StRegG iVm § 2 Abs 1 Z 4 lit e StRegG;

3./ der Vorgang, dass die mit am 11. September 2002 in Rechtskraft erwachsenem Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 13. März 2002, GZ 19 Hv 31/02b-13, widerrufene Freiheitsstrafe nicht ungesäumt in Vollzug gesetzt und die Verurteilte nicht gleichzeitig zum Strafantritt aufgefordert wurde, § 397 StPO;

4./ der Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 1. Februar 2005, GZ 17 E Vr 913/01-18, mit dem die mit Urteil vom 8. Juni 2001 bedingt nachgesehene Strafe endgültig nachgesehen wurde, den sich aus den Anfechtungsvorschriften und dem XX. Hauptstück der Strafprozessordnung ergebenden Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und der Antrag des öffentlichen Anklägers vom 1. Februar 2005 auf endgültige Strafnachsicht zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem am 12. Juni 2001 in Rechtskraft erwachsenen (in gekürzter Form ausgefertigten) Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8. Juni 2001, GZ 17 E Vr 913/01-4, wurde (unter anderem) Renate B***** wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt und deren Vollzug gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 13. März 2002, GZ 19 Hv 31/02b-13, wurde Renate B***** wegen des im Februar und März 2001 begangenen Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 zweiter Deliktsfall StGB als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB sowie wegen des am 23. Oktober 2001 begangenen Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Deliktsfall StGB zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurde gemäß § 53 Abs 1 StGB, § 494a Abs 1 Z 4 StPO der Widerruf der vom Landesgericht Klagenfurt zu AZ 17 E Vr 913/01 gewährten bedingten Strafnachsicht ausgesprochen. Diese Entscheidung erwuchs mit Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde der Renate B***** durch Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 25. Juni 2002, GZ 14 Os 67/02-6 (= ON 17) und Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 11. September 2002, AZ 11 Bs 344/02 (= ON 21), womit der Berufung der Renate B***** sowie deren Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss nicht Folge gegeben wurde, in Rechtskraft.

Verständigungen des Landesgerichtes Klagenfurt zu AZ 17 E Vr 913/01 sowie des Strafregisteramtes vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht unterblieben.

Im Rahmen der Endverfügung vom 7. Oktober 2002, S 267, wurde nur der Vollzug der urteilsgegenständlichen 15-monatigen Freiheitsstrafe eingeleitet.

Die erst am 21. Jänner 2003 getroffene Verfügung, mit der der Vollzug der widerrufenen Freiheitsstrafe angeordnet (StV 1) und die das Strafregister führende Behörde (BedV 10) verständigt werden sollte, wurde auf S 268 im Akt AZ 19 Hv 31/02b des Landesgerichtes Klagenfurt getroffen. Nach dem dort beigefügten Abfertigungsvermerk wurde diese Verfügung am selben Tag an die Kanzlei übergeben und am 30. Jänner (2003) auch ausgefertigt, nach dem Aktenvermerk vom 29. März 2007 jedoch irrtümlich nicht abgefertigt. Wann, von wem und aus welchen Überlegungen die Verfügung vom 21. Jänner 2003 nachträglich durchgestrichen wurde, ist dem Akt nicht zu entnehmen. Am 29. März 2007 erfolgte neuerlich die Anordnung des Vollzuges und nunmehr auch der Zustellung der Aufforderung zum Antritt der in ihrer Vollstreckbarkeit nicht verjährten (§ 59 Abs 3 StGB) dem Widerruf bedingter Nachsicht unterliegenden Freiheitsstrafe an die Verurteilte (StV 4).

Zwischenweilig ist mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 1. Februar 2005, GZ 17 E Vr 913/01-18, nach am 22. November 2004 veranlasster und aus dem zwei Tage später angefertigten Amtsvermerk ersichtlich erfolgter (S 307) Beischaffung unter anderem des Aktes AZ 19 Hv 31/02b des Landesgerichtes Klagenfurt und trotz der daraus ersichtlichen Widerrufsentscheidung über Antrag der Staatsanwaltschaft die bereits vom rechtskräftigen Widerruf der bedingten Nachsicht betroffene Strafe endgültig nachgesehen worden (ON 18). Dieser Beschluss blieb seitens der Staatsanwaltschaft unbekämpft (ON 18).

Das Vorgehen des Landesgerichtes Klagenfurt zu AZ 19 Hv 31/02b und der Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 1. Februar 2005, GZ 17 E Vr 913/01-18, mit welchem die Strafnachsicht für endgültig erklärt wurde, stehen - wie der Generalprokurator in seiner deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 43 Abs 2 StGB ist die Strafe endgültig nachzusehen, wenn die Nachsicht nicht widerrufen wird. Diese Voraussetzung war im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 1. Februar 2005, GZ 17 E Vr 913/01-18 des Landesgerichtes Klagenfurt, wegen des bereits am 13. Februar 2002 ausgesprochenen Widerrufs der bedingten Strafnachsicht (GZ 19 Hv 31/02b-13) nicht gegeben.

Der Feststellungsbeschluss über die endgültige Strafnachsicht entfaltet angesichts der Bindungswirkung des zeitlich vorangegangenen, den identen Entscheidungsgegenstand betreffenden Widerrufsbeschlusses keine Rechtswirksamkeit; er ist aus Gründen der Rechtsklarheit zu beseitigen (Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 13). Der Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 1. Februar 2005, GZ 17 E Vr 913/01-18, war ersichtlich durch die entgegen der Vorschrift des § 494a Abs 7 StPO unterlassene, unverzüglich und ohne Rücksicht auf den Eintritt der Rechtskraft (vgl RIS-Justiz RS0101932) vorzunehmende Verständigung von der Widerufsentscheidung zu GZ 19 Hv 31/02b-13 des Landesgerichtes Klagenfurt sowie durch die entgegen § 4 Abs 1 StRegG iVm § 2 Abs 1 Z 4 lit e StRegG ebenfalls unterbliebene Benachrichtigung der das Strafregister führenden Behörde nach Rechtskraft (mit-)bedingt.

Das gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO den Widerruf der bedingten Nachsicht aussprechende Gericht ist auch erkennendes Gericht im Sinn des § 397 letzter Satz StPO (Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 15). Damit ist von diesem nach dem ersten Satz der genannten Bestimmung auch die Widerrufsentscheidung ungesäumt in Vollzug zu setzen, sobald feststeht, dass der Vollstreckung kein gesetzliches Hindernis, im Besonderen kein rechtzeitig vom Berechtigten ergriffenes Rechtsmittel entgegensteht, dem aufschiebende Wirkung zukommt. Diesem Erfordernis widerspricht bereits die erst dreieinhalb Monate nach der Endverfügung getroffene - letztlich nicht abgefertigte - Verfügung vom 21. Jänner 2003 ohne dass darauf einzugehen war, ob die tatsächliche Einleitung des Vollzuges erst mit Verfügung vom 29. März 2007 auf einem Fehler des Strafgerichts beruhte.

Rechtssätze
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