JudikaturJustiz14Os130/00

14Os130/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krauss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Siegfried B***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Kremsmünster vom 18. Mai 2000, GZ 1 U 98/99a 12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Bezirksgerichtes Kremsmünster vom 18. Mai 2000, GZ 1 U 98/99a 12, verletzt, soweit der Beschuldigte damit zur Zahlung eines Betrages von 30.000 S vorbehaltlich weiterer Forderungen an den Privatbeteiligten Gerhard M***** verurteilt wurde, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 366 Abs 2, 369 Abs l, 447 StPO iVm 175 Abs l, 333 Abs 1 und Abs 4 ASVG.

Es werden das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im erwähnten Ausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Der Privatbeteiligte Gerhard M***** wird mit seinen Ersatzansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Text

Gründe:

Mit - in Rechtskraft erwachsenem - (Abwesenheits ) Urteil des Bezirksgerichts Kremsmünster vom 18. Mai 2000, GZ 1 U 98/99a 12, wurde Siegfried B***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er als Verantwortlicher der Firma B***** in Kremsmünster am 7. Juni 1999 einen Arbeitsunfall dadurch verschuldet, dass er "seinen" Arbeitnehmern vor Aufnahme der Arbeit keine Unterweisung gemäß § 14 ASchG und § 154 BauV erteilte, keine Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 und 10 BauV anbrachte und keine geeignete Schutzausrüstung zur Verfügung stellte, wodurch Gerhard M***** beim Verlegen von Wellblechplatten abstürzte und schwere Verletzungen, nämlich einen zweifachen Hüftbruch, Schambeinbruch, Lendenwirbelbruch, Blutergüsse, Prellungen und eine Rissquetschwunde am Hinterkopf erlitt.

Das Gericht verurteilte Siegfried B***** zu einer Geldstrafe sowie gemäß § 369 (zu ergänzen: Abs 1) StPO dazu, dem Verletzten, der sich dem Verfahren als Privatbeteiligter angeschlossen hatte, "einen Betrag von 30.000 S, vorbehaltlich weiterer Forderungen, zu bezahlen" (S 61).

Nach den Urteilsfeststellungen leaste der Verurteilte als Arbeitgeber bzw Verantwortlicher der Firma B*****, Kremsmünster, von der Firma T***** in Linz (ua) Gerhard M***** als Arbeiter, um ihn zum Verlegen von Wellblechplatten auf einem Dach der Firma V***** in Kremsmünster einzusetzen. Im Zuge dieser Arbeiten stürzte der Genannte aus einer Höhe von fast acht Metern vom Dach und zog sich dabei die oben angeführten Verletzungen zu.

Das Gericht ging ferner davon aus, dass weder der Verletzte (bzw die anderen Arbeiter) gemäß den Arbeitsschutz- und Baubestimmungen eingeschult worden waren, noch entsprechendes also ausreichendes und funktionstüchtiges - Sicherheitsgeschirr vorhanden war, wofür Siegfried B***** als verantwortlicher Bauführer die Verantwortung trug, und zwar ungeachtet dessen, dass Gerhard M***** über eine Leasingfirma zur Baustelle gekommen war.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Bezirksgerichtes Kremsmünster steht in Ansehung des Schmerzengeldzuspruchs an den Privatbeteiligten wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Vorliegend handelt es sich um einen Arbeitsunfall im Sinn des § 175 ASVG, weil dieser sich (nach den Urteilsfeststellungen) im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung (nämlich dem Verlegen von Wellblechplatten auf einem Dach) ereignete.

§ 333 Abs 1 ASVG schränkt die Haftung des Dienstgebers im Betrieb für den Ersatz des aus einer Körperverletzung des Versicherten bei einem Arbeitsunfall resultierenden Schadens auf den Fall ein, dass er den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht hat. Diese Einschränkung erstreckt sich - mit der hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme des § 333 Abs 3 ASVG auf sämtliche zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche, einschließlich jener auf Schmerzengeld, die aus einem nach §§ 4 ff ASVG der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegenden Arbeitsunfall resultieren, soweit sie Personenschäden betreffen, weil § 333 ASVG diese Ansprüche abschließend regelt und damit alle anderen Haftungsgründe insbesondere auch solche nach §§ 1325 ff ABGB ausschließt (vgl 12 Os 86, 87/93; Teschner/Widlar ASVG § 333 Anm 5). Dabei macht es keinen Unterschied, dass der Verurteilte die Arbeitskraft des Verletzten geleast hatte, weil der Erstgenannte als vertraglicher Vertreter des Dienstgebers iS des Abs 4 des § 333 ASVG anzusehen ist und deshalb das Haftungsprivileg für sich hat (Schwimann Praxiskommentar zum ABGB2 § 333 ASVG Rz 68).

Da nach den Urteilsannahmen der Verurteilte Dienstgeber im Sinn des § 35 Abs 1 ASVG (vgl Teschner/Widlar aa0 § 35 Anm 1) und Gegenstand des Schuldspruches ein von ihm fahrlässig verursachter Arbeitsunfall war, ist der im Übrigen auch gegen § 365 Abs 2 zweiter Satz verstoßende - Schadenersatzzuspruch an den Privatbeteiligten rechtlich verfehlt. Vielmehr wäre dieser mit seinem Schmerzengeldanspruch auf den Zivilrechtsweg zu verweisen gewesen (ÖJZ LSK 1982/197 sowie die oben angeführte oberstgerichtliche Judikatur). Diese Gesetzesverletzung gereicht dem Verurteilten zum Nachteil, weshalb spruchgemäß zu verfahren war.

Rechtssätze
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