JudikaturJustiz14Os111/20k

14Os111/20k – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Nagy in der Strafsache gegen ***** S***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten ***** H*****, der Staatsanwaltschaft und der Haftungsbeteiligten Y***** GmbH sowie die Berufung des Privatbeteiligten Dr. ***** A***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Juni 2020, GZ 12 Hv 4/19x 396, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten ***** S***** zu II./2./, II./3./b./, II./4./a./ und II./4./b./, in der zum Schuldspruch gebildeten Subsumtionseinheit, demgemäß auch im ihn betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), weiters im Ausspruch des Verfalls der Liegenschaft KG ***** EZ ***** mit der Adresse *****, einer „Tasche schwarz mit Schmuck“, einer „Schmuckkassette mit Halskette“, von „Schmuck lt Fotos“ und „Ringen lt Fotos“, einer „schwarzen Schmuckkassette 'Orient Juwel' samt Halskette, Armreifen, zwei Ohrgehänge, zwei Halsketten und ein Armband goldfarbig“, sowie einer „roten Schmuckkassette mit Halskette mit Edelsteinen, zwei Ohrringen, einem Ring und einem Armband jeweils mit Edelsteinen“ aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten ***** H***** und der Haftungsbeteiligten Y***** GmbH werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten H***** und des Privatbeteiligten Dr. ***** A***** obliegt dem Oberlandesgericht Wien.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und die Y***** GmbH auf die (kassatorische) Entscheidung zum Verfall verwiesen.

Dem Angeklagten H***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant wurde m it dem angefochtenen Urteil ***** S***** (zu I./ und II./) – ebenso wie ***** H***** (zu I./ und III./) – des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit gegenständlich von Bedeutung – „in W*****, Riad und an weiteren nicht mehr feststellbaren Orten“ gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 2 und 3 StGB) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zur Übergabe von Geldbeträgen sowie Schmuck verleitet und dadurch einen Schaden von insgesamt 10.077.703 Euro herbeigeführt , und zwar

(…)

II./2./ A***** A***** zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Ende 2017 zur Übergabe von 47.000 Euro, indem er wahrheitswidrig behauptete, er werde diesen Betrag zur Zahlung einer Kaution für zwei Mietobjekte verwenden, die er gewinnbringend weitervermieten werde, wobei der Getäuschte infolge geleisteter Rückzahlungen von höchstens 4.800 Euro mit einem Betrag von 42.200 Euro am Vermögen geschädigt wurde;

II./3./ Ay***** A*****, Ab***** A***** und A***** A*****

a./ (…)

b./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 2017 und 4. Mai 2018 zur Übergabe von insgesamt 472.500 Euro, indem er wahrheitswidrig behauptete, dieser Betrag diene ihrer Beteiligung an seinem „Tourismusunternehmen“ M***** eU, das in S***** Touristen für Österreich-Reisen vermittle;

4./ ***** Alm*****

a./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2017 zur Übergabe von 800.000 Euro, indem er wahrheitswidrig behauptete, er werde damit die I***** GmbH erwerben;

b./ zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zwischen 19. Februar 2017 und 4. Mai 2018 in wiederholten Angriffen zur Übergabe von Schmuck und Uhren in einem Gesamtwert von zumindest 246.850 Euro, indem er wahrheitswidrig behauptete, er werde diese gewinnbringend in Österreich weiterverkaufen und den Erlös für ***** Alm***** in Immobilienprojekte investieren;

(…).

[3] Gemäß § 20 Abs 1 StGB wurden (unter anderem) eine „Tasche schwarz mit Schmuck“, eine „Schmuckkassette mit Halskette“, „Schmuck lt Fotos“, „Ringe lt Fotos“, eine „schwarze Schmuckkassette 'Orient Juwel' samt Halskette, Armreifen, zwei Ohrgehänge, zwei Halsketten und ein Armband goldfarbig“, sowie eine „rote Schmuckkassette mit Halskette mit Edelsteinen, zwei Ohrringen, einem Ring und einem Armband jeweils mit Edelsteinen“ für verfallen erklärt (US 6 f).

[4] Ebenfalls vom Verfallsausspruch umfasst ist die im Eigentum der Y***** GmbH stehende Liegenschaft KG ***** EZ ***** mit der Adresse ***** (US 7).

Rechtliche Beurteilung

[5] Gegen das Urteil meldete der A ngeklagte H***** Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) an (ON 400), führte aber lediglich die Berufung aus (ON 422). Seine Nichtigkeitsbeschwerde war bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, weil er bei deren Anmeldung keinen Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet hat (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO).

[6] Die Haftungsbeteiligte Y***** GmbH meldete Berufung gegen den zuvor genannten Verfallsausspruch an (ON 401), führte aber (innerhalb der Frist von vier Wochen nach Urteilszustellung) neben dieser auch eine Nichtigkeitsbeschwerde aus (ON 423 S 9 ff). Diese war gemäß § 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 1 StPO sogleich zurückzuweisen, zumal ihr keine innerhalb der Frist des § 284 Abs 1 StPO erfolgte Anmeldung zugrunde liegt (vgl RIS Justiz RS0100007).

[7] Die Staatsanwaltschaft meldete zu Gunsten der Y***** GmbH Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen den Ausspruch des Verfalls der Liegenschaft KG ***** EZ ***** an (ON 399) und stützt erstere in ihrer Ausführung (ON 419) auf § 281 Abs 1 Z 3 StPO.

[8] Voranzustellen ist, dass Entscheidungen (unter anderem) über den Verfall von Vermögenswerten (§§ 20 ff StGB) gemäß § 443 Abs 3 StPO mit Berufung zu bekämpfen sind, der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung jedoch – weil die vermögensrechtliche Anordnung dem Ausspruch über die Strafe gleichsteht – eine Überprüfung nach Maßgabe des § 281 Abs 1 StPO – soweit die Entscheidung über die vermögensrechtliche Anordnung betroffen ist – zulässt (RIS-Justiz RS0114233; Fuchs/Tipold , WK StPO § 443 Rz 55 ff). Nach Maßgabe des Anfechtungsrahmens nach § 443 Abs 3 StPO wird dieses Recht nicht nur dem Haftungsbeteiligten selbst, sondern auch der Staatsanwaltschaft eingeräumt, die solcherart Nichtigkeit zugunsten aber auch zum Nachteil des Haftungsbeteiligten geltend machen kann (zur Möglichkeit eines amtswegigen Vorgehens bei materiell-rechtlicher, dem Haftungsbeteiligten zum Nachteil gereichender Nichtigkeit vgl 13 Os 45/12k und 11 Os 13/11p).

[9] Zutreffend macht sie geltend, dass die Haftungsbeteiligte Y***** GmbH nicht ordnungsgemäß zur Hauptverhandlung geladen wurde (ON 1 S 150 f und 167, ON 300), wodurch eine Verletzung der – auch Haftungsbeteiligten eingeräumten (§ 444 Abs 1 StPO) – Vorbereitungsfrist nach § 221 Abs 2 StPO bewirkt wurde (vgl 11 Os 149/16w; Ratz , WK StPO § 281 Rz 241; Fuchs/Tipold , WK StPO § 444 Rz 26, vgl auch Rz 79 sowie § 443 Rz 78), deren Missachtung mit Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 3 StPO bedroht ist (RIS-Justiz RS0131305). Dass – worauf das Schöffengericht und die Beschwerdeführerin hinweisen – der geschäftsführende Alleingesellschafter der Y***** GmbH, Dr. A***** (vgl ON 2 S 811 f), als Privatbeteiligter in der Hauptverhandlung anwaltlich vertreten war und sich zum Verfall nicht geäußert hat, ist für die Frage der Verletzung der Vorbereitungsfrist der mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten (und damals im Übrigen auch nicht durch den Anwalt des Dr. A***** vertretenen) Haftungsbeteiligten irrelevant.

[10] Da nicht unzweifelhaft erkennbar war, dass diese Formverletzung keinen der Haftungsbeteiligten nachteiligen Einfluss üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO), war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft der Verfallsausspruch betreffend die bezeichnete Liegenschaft bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben und insoweit eine neue Hauptverhandlung anzuordnen (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 1 StPO). Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und die Haftungsbeteiligte Y***** GmbH auf diese Entscheidung zu verweisen.

[11] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil mit materiell-rechtlicher Nichtigkeit behaftet ist, die dem Angeklagten S***** zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[12] Ein die österreichische Strafgerichtsbarkeit begründender inländischer Tatort (§ 62 StGB) liegt vor, wenn der Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder handeln hätte sollen, im Inland liegt; im Fall von Erfolgsdelikten (hier: § 146 StGB) auch, wenn ein dem Tatbild entsprechender Erfolg (hier: Vermögensschaden) ganz oder zum Teil im Inland eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen (§ 67 Abs 2 StGB). Ein (bloßer) Zwischenerfolg oder das Setzen (schon) eines Teils der Handlung in Österreich genügt (RIS Justiz RS0092073, RS0091861; vgl zuletzt 15 Os 3/20k).

[13] Im vorliegenden Fall lassen die Feststellungen zu den Schuldsprüchen des Angeklagten S***** zu II./2./, II./3./b./, II./4./a./ und II./4./b./ offen, wo der Angeklagte die betrugsspezifischen Ausführungshandlungen gesetzt hat oder ob allenfalls ein Erfolg im Inland eingetreten ist. Damit lässt sich aber – unter Berücksichtigung der im Urteilstenor pauschal genannten Tatorte („W*****, Riad und an weiteren nicht mehr feststellbaren Orten) – nicht beurteilen, ob die (sowohl voneinander als auch von den übrigen abgegrenzten) Taten der inländischen Gerichtsbarkeit unterliegen.

[14] Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) führte ebenfalls bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 3 StPO). Da sich das Verfallserkenntnis hinsichtlich der im Spruch angeführten beweglichen Gegenstände auf den Schuldspruch zu II./4./b./ bezieht (US 39 f und 51 f iVm dem Sicherstellungsprotokoll ON 30), war es in diesem Umfang ebenfalls aufzuheben.

[15] Insoweit war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu verweisen.

[16] Da Anknüpfungspunkte iSd § 64 StGB fallbezogen nicht in Rede stehen, wäre bei (reinen) Auslandstaten zu beachten, dass inländische Gerichtsbarkeit nach § 65 Abs 1 Z 2 StGB (vgl dazu RIS Justiz RS0124030) nur in Betracht kommt, wenn die konkreten Taten auch nach den Gesetzen des (jeweils festgestellten) Tatorts mit Strafe bedroht sind, also sämtliche (objektive und subjektive) Tatbestandsmerkmale einer in Betracht kommenden ausländischen Strafnorm erfüllt sind, und darüber hinaus die Strafbarkeit der Auslandstat auch nach den Gesetzen des Tatorts noch nicht erloschen ist (vgl RIS Justiz RS0092377; siehe auch Salimi in WK 2 StGB § 65 Rz 5 ff, 17 ff).

[17] Bei einem neuerlichen Verfallsausspruch (s auch § 65a StGB) wird zu beachten sein, dass dessen Gegenstände hinreichend determiniert sind, was durch Bezeichnungen wie „Tasche schwarz mit Schmuck“, „Schmuck lt Fotos“ oder „Ringe lt Fotos“ nicht der Fall ist.

[18] Über die Berufungen des Angeklagten H***** und des Privatbeteiligten Dr. ***** A***** wird das Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

[19] Die Kostenentscheidung, die sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht (RIS-Justiz RS0101558), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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