JudikaturJustiz14Os110/14d

14Os110/14d – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Elke K***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Mai 2014, GZ 075 Hv 186/13s 30, in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, der Angeklagten Elke K***** und ihres Verteidigers Mag. Gahler zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch

aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Elke K***** wird für das ihr zur Last liegende Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB nach dem ersten Strafsatz des § 133 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt.

Die verhängte

Freiheitsstrafe wird unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte hierauf verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Der Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Elke K***** soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie sich in W ***** von 3. April 2013 bis 15. Mai 2013 ein Gut, das ihr anvertraut worden war, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem sie einen Bargeldbetrag von 31.500 Euro aus dem Vermögen der F***** GmbH nicht auf das Geschäftskonto des Unternehmens einbezahlte, sondern für sich behielt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Gründen der Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt aus dem letztgenannten Nichtigkeitsgrund teilweise Berechtigung zu.

Inwieweit die eingangs der Mängelrüge (Z 5) zitierten Feststellungen zu den Vermögensverhältnissen der Beschwerdeführerin (US 7) mit einem Begründungsmangel behaftet sein sollen, erklärt die Beschwerde nicht.

Ob das Passwort des sogenannten Back-office PC nur der Angeklagten oder auch dem Bereichsleiter (ON 19 S 61) Gregor A ***** bekannt war, ist nicht entscheidend (vgl dazu auch US 22), womit die von der Rüge als widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) erachtete Konstatierung, das Passwort sei Elke K***** von Gregor A***** mitgeteilt worden und nur ihr bekannt gewesen (US 10), einer Anfechtung aus Z 5 entzogen ist. Im Übrigen haben die Tatrichter mit der kritisierten Urteilsannahme unmissverständlich bloß zum Ausdruck gebracht, dass die Mitarbeiter der Filiale A***** (US 8) nicht über den Zugangscode verfügten (vgl US 10 iVm US 22).

Entgegen dem Einwand fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, wonach sich die Angeklagte im Zeitraum vom 3. April 2013 bis 15. Mai 2013 in 31 Angriffen ihr anvertraute Geldbeträge von insgesamt 31.500 Euro zueignete (US 10 f), wurde diese auf von der Beschwerde prozessordnungswidrig ignorierte logisch nachvollziehbare und empirisch einwandfreie Überlegungen gestützt (US 12 bis 23, insbesonders US 21 f). Das Vorbringen, das Erstgericht hätte sich mit Blick auf den 42 Tage umfassenden Tatzeitraum mit Beweisergebnissen zur insgesamt zwölftägigen urlaubsbedingten Abwesenheit der Angeklagten befassen und die „lebensfremde Annahme“ von 31 Tathandlungen an den verbleibenden 30 Tagen begründen müssen (der Sache nach Z 5 zweiter Fall), lässt abgesehen davon, dass weder der Tatzeitraum noch die Anzahl der Angriffe vorliegend entscheidend sind außer Acht, dass die Tatrichter den „Siedlungsurlaub“ von 18. bis 19. April 2013 in ihre Überlegungen einbezogen haben (US 11, 19), während zu einer Erörterung der zehn Tage umfassenden weiteren Abwesenheit von 17. bis 26. Mai 2013 keine Veranlassung bestand, weil diese gar nicht innerhalb des Tatzeitraums lag.

Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11) verstößt die aggravierende Wertung des die

Wertgrenze des § 133 Abs 2 erster Fall StGB (hier) um mehr als das Zehnfache übersteigenden Schadens neben der Tatwiederholung nicht gegen das

Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 StGB (Z 11 zweiter Fall), weil die Überschreitung der Wertqualifikation keine Tatwiederholung voraussetzt.

Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Im Recht ist die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) demgegenüber, soweit sie einen in der Wertung des bereits für den Tatbestand der Veruntreuung charakteristischen Missbrauchs der Vertrauensstellung (US 27) als Erschwerungsgrund begründeten Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 StGB; vgl Ebner in WK² StGB § 32 Rz 62; RIS-Justiz RS0120526) geltend macht. Denn Umstände, die bereits die Strafdrohung bestimmen, dürfen bei der Strafbemessung im engeren Sinn nicht als erschwerend oder mildernd berücksichtigt werden ( Fabrizy , StGB 11 § 32 Rz 4a).

Es war daher insoweit in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten teilweise Folge zu geben und das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im

Strafausspruch aufzuheben.

Bei der damit notwendig gewordenen Strafneubemessung waren erschwerend die Tatwiederholung und die die Wertgrenze des § 133 Abs 2 erster Fall StGB um mehr als das Zehnfache übersteigende Schadenshöhe, mildernd dagegen der bisher ordentliche Lebenswandel der Angeklagten, sodass eine gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachzusehende Freiheitsstrafe von acht Monaten dem Tatunrechtsgehalt und der Schuld der Angeklagten entspricht.

Mit ihrer nur gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung war die Angeklagte hierauf zu verweisen.

Bleibt anzumerken, dass sich der Oberste Gerichtshof zu einer von der

Generalprokuratur in Ansehung des Verfallserkenntnisses vorgeschlagenen Maßnahme nach §

290 Abs 1

StPO nicht

veranlasst sah:

Das Erstgericht erkannte die Angeklagte schuldig, der Privatbeteiligten F***** GmbH 31.500 Euro (samt 4 % Zinsen seit 28. Mai 2013) binnen 14 Tagen zu bezahlen (§ 366 Abs 2 iVm § 369 StPO) und erklärte gleichzeitig gemäß § 20 StGB einen Betrag in gleicher Höhe für verfallen (US 4).

Die Abschöpfung der Bereicherung war zwar nach § 20a Abs 1 StGB in der Fassung vor BGBl I 2010/108 (sKp) unter anderem dann ausgeschlossen, wenn der Bereicherte zeitgleich (wenn auch nicht rechtskräftig, vgl zur alten Rechtslage Fuchs/Tipold WK² StGB [2007] § 20a Rz 21) wie hier durch ein Adhäsionserkenntnis zur Befriedigung von zivilrechtlichen Ansprüchen aus der Tat verurteilt wurde. Durch § 20a Abs 2 Z 2 StGB idgF wird der Ausschluss jedoch demgegenüber auf jene Fälle beschränkt, soweit der Betroffene zivilrechtliche Ansprüche aus der Tat befriedigt oder für sie Sicherheit geleistet hat (etwa durch gerichtliche Hinterlegung von barem Geld oder mündelsicheren Wertpapieren oder durch Belastung von Liegenschaften oder Rechten, die in einem öffentlichen Buch eingetragen sind; vgl ErläutRV 918 BlgNR 24. GP 7; so schon 11 Os 83/11g, SSt 2011/39; 15 Os 91/13s, 15 Os 92/13p, 15 Os 93/13k).

Anhaltspunkte für die Annahme, dass die übrigen vormals in § 20a Abs 1 StGB in der Fassung vor BGBl I 2010/108 normierten Ausschlussgründe nunmehr von § 20a Abs 2 Z 3 StGB idgF („andere rechtliche Mittel“) umfasst sein sollten, der Gesetzgeber also den Ausschluss des Verfalls weiterhin auch für diese Fälle anordnen wollte, bieten weder der Gesetzeswortlaut noch die Materialien. Letzteren ist vielmehr unmissverständlich die Intention des Gesetzgebers zu entnehmen, den Ausschluss des Verfalls aufgrund zivilrechtlicher Ansprüche einzuschränken und durch § 20a Abs 1 Z 2 StGB abschließend zu regeln (erneut ErläutRV 918 BlgNR 24. GP 7; zum möglichen Anwendungsbereich des § 20a Abs 2 Z 3 StGB vgl Fuchs/Tipold in WK 2 StGB § 20a Rz 28).

Gegen die anderslautende Ansicht von Fuchs/Tipold WK² StGB § 20a Rz 23, die sich insoweit (wie auch - durch Verweis darauf 13 Os 120/12i in einem obiter dictum) allerdings auf eine zu § 20a StGB idF BGBl 1987/605 ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (EvBl 1993/183, 742) berufen, und Fabrizy , StGB 11 § 20a Rz 6, der von „Abschöpfung“ spricht und auf den ebenso die alte Rechtslage behandelnden JME vom 11. September 2009 über die verstärkte Anwendung vermögensrechtlicher Anordnungen und praktische Probleme ihrer Handhabung, BMJ L90.018/0001 II1/2009, verweist, sprechen im Übrigen auch die mehrfachen Novellierungen der diesbezüglichen Vorschriften in der Vergangenheit. Mit diesen wurden nämlich die Ausschlussgründe für vermögensrechtliche Anordnungen, mit dem erklärten auch dem strafrechtlichen Kompetenzpaket innewohnenden (erneut ErläutRV 918 BlgNR 24. GP 6) Ziel einer Ausdehnung deren Anwendungsbereiche sowie ihrer einfachen und effizienten Handhabung immer weiter eingeschränkt (vgl Strafrechtsänderungsgesetz 1996 BGBl 1996/762; ErläutRV 33 BlgNR 20. GP 27; Budgetbegleitgesetz 2005, BGBl I 2004/136; ErläutRV 649 BlgNR 22. GP 7).

Zur Hintanhaltung (unerwünschter) mehrfacher Abnahme der durch die Tat erlangten Vermögenswerte oder von Ersatzwerten steht es dem Angeklagten frei, rechtzeitig freiwillig Entschädigungszahlungen an den Geschädigten zu leisten oder einen allenfalls noch vorhandenen Betrag (oder mündelsichere Wertpapiere) bei Gericht zu hinterlegen und so den Ausschluss der Anordnung des Verfalls nach § 20a Abs 2 Z 2 StGB zu bewirken. Zudem verpflichtet § 31a Abs 3 StGB das Gericht, die Entscheidung über den Verfall (auch) für den Fall nachträglicher Zahlungen an Geschädigte entsprechend zu ändern, während diese verlangen können, ihre rechtskräftig zuerkannte Entschädigung aus dem vom Bund vereinnahmten Vermögenswert zu befriedigen (§ 373b StPO).

Weil nach dem Vorgesagten ein gleichzeitiger Zuspruch an den Privatbeteiligten den Verfall nicht ausschließt, ist dem Erstgericht insoweit kein Rechtsfehler unterlaufen, der Anlass für eine Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO wäre.

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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