JudikaturJustiz14Os101/16h

14Os101/16h – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. April 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Tharindu J***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Tharindu J***** und Malintha G***** gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 20. Mai 2016, GZ 621 Hv 7/15z-158, sowie die Beschwerde des Angeklagten Tharindu J***** gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

1/ Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Tharindu J***** wird zurückgewiesen.

2/ In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Malintha G***** wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A/II/b und B/I, demgemäß auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch, aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

3/ Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Malintha G***** zurückgewiesen.

4/ Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Malintha G***** auf diese Entscheidung verwiesen.

5/ Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten Tharindu J***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

6/ Den Angeklagten Tharindu J***** und Malintha G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Tharindu J***** (zu A/I/a und b nach § 114 Abs 1, 3 Z 1 und 2, Abs 4 [erster Fall] FPG sowie zu B/III nach §§ 12 zweiter Fall, 15 StGB, § 114 Abs 1, 3 Z 1 und 2, Abs 4 [erster Fall] FPG), Patryk L***** (zu A/I/a und b nach § 114 Abs 1, 3 Z 1 und 2, Abs 4 [erster Fall] FPG) und Malintha G***** (zu A/II/b nach § 114 Abs 1, 3 Z 1 und 2 FPG sowie zu B/I und II nach §§ 12 zweiter Fall, 15 StGB, § 114 Abs 1, 3 Z 1 und 2 FPG) der Verbrechen der Schlepperei, Malintha G***** überdies des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (C) schuldig erkannt.

Danach haben in M***** und an anderen Orten

A/ mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen,

I/ Tharindu J***** und Patryk L***** von 29. Juni 2014 bis 3. März 2015 als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren Mittätern in zehn im angefochtenen Urteil einzeln angeführten Fällen die rechtswidrige Durchreise von (namentlich genannten) Fremden durch Österreich gefördert, indem Tharindu J***** und Patryk L*****, nachdem (namentlich nicht genannte) Mittäter unter anderem die Einreise der Fremden nach Österreich und deren Unterbringung im Inland organisiert hatten, ihre Weiterreise in die USA unterstützten (a/1 bis 7 und b/1 bis 3);

II/b/ Malintha G***** von 2013 bis zum 20. Jänner 2015 in sechs im angefochtenen Urteil einzeln angeführten Fällen die rechtswidrige Einreise namentlich genannter Fremder nach Österreich gefördert oder (mangels Ausstellung von Visa) zu fördern versucht, indem er namentlich genannte Personen zur Abgabe einer Einladung oder Verpflichtungserklärung verleitete, obwohl (wie er wusste) nie beabsichtigt war, dass die Fremden bei diesen Personen tatsächlich als Gäste aufgenommen, sondern nach der Einreise im Schengenraum untertauchen würden (Punkte 1 bis 6);

B/ „in M***** nachgenannte Personen zur gewerbsmäßigen Schleppung von Personen im Sinn des § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 StGB“ (richtig: FPG) „zu bestimmen versucht, und zwar:

I/ Malintha G***** vor dem 14. 10. 2013 Mario Andreas R*****, indem er diesem 500–800 € pro Person zur Erstattung einer Verpflichtungserklärung“ für zwei im Urteil namentlich genannte Fremde „anbot, was R***** nach reiflicher Überlegung ablehnte,

II/ Malintha G***** am 27. und am 28. 1. 2015 Harsh Ra*****, indem der diesem anbot, dass dieser mit ihm gemeinsam geschleppte Personen durch die Dokumentenkontrolle“ (des Flughafens) „ohne Kontrolle der Dokumente lassen solle und dafür pro Person 2.000 € bekommen würde,

III/ Tharindu J***** im Dezember 2013 Katharina N*****, indem er ihr anbot, dass sie Personen ohne Kontrolle der Dokumente durch die Dokumentenkontrolle lassen solle, und ihr dafür pro Person 1.000 € anbot, wobei er beabsichtigte, dass N***** als Mitglied der kriminellen Vereinigung agieren sollte, deren Mitglied er war“;

C/ Malintha G***** am 3. März 2015 in S***** Harsh Ra***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn von Amts wegen zu verfolgender, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohter Handlungen, nämlich der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, 3 Z 1 und Abs 4 erster Fall FPG (teils iVm §§ 12 zweiter Fall, 15 StGB) falsch verdächtigte, obwohl er wusste, dass die Verdächtigungen falsch waren, indem er ihm im Zuge seiner Vernehmung als Beschuldigter im gegenständlichen Verfahren vorwarf, Harsh Ra***** habe ihn zur Teilnahme an einer kriminellen „Schleppervereinigung“ zu bestimmen versucht und ihm gegenüber angegeben, er habe bereits im Sommer 2014 achtzehn Afghanen von Wien nach London geschleppt und pro Person 6.000 Euro bekommen.

Dagegen richten sie die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Tharindu J***** und Malintha G*****, die sich beide auf die Z 5 und 9 lit a, erstere auch auf die Z 2 und 11, des § 281 Abs 1 StPO stützen. Nur der Nichtigkeitsbeschwerde des Letztgenannten kommt teilweise Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Tharindu J*****:

Der Verfahrensrüge (Z 2) zuwider wurden die Protokolle über von zwei geschleppten Personen vor amerikanischen Sicherheitsbehörden (Homeland Security) abgelegte Aussagen nach dem – vom Beschwerdeführer unbekämpften und auch keinen amtswegigen Bedenken ausgesetzten (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 312) – Protokoll über die Hauptverhandlung von der Verlesung ausdrücklich ausgenommen. Sie wurden auch nicht im Wege des zusammenfassenden Vortrags zweier Berichte der Kriminalpolizei (ON 154 und 155) in die Hauptverhandlung eingeführt (ON 157 S 18 f). Im Übrigen waren diese Vernehmungen nach dem Akteninhalt (vgl ON 2 S 9 und ON 4 S 57 ff) erst der Ausgangspunkt für die Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen durch die österreichische Kriminalpolizei, wurden daher gerade nicht über Veranlassung österreichischer Strafverfolgungsorgane vorgenommen. Auf einer dahingehenden aktenfremden Prämisse aufbauende Überlegungen zu Nichtigkeit begründender Verletzung von Belehrungsvorschriften können daher auf sich beruhen (vgl RIS-Justiz RS0119110; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 182 und 187).

Die Angaben des Zeugen Thomas M***** (ON 157 S 4 ff) hat das Erstgericht ohnehin erörtert (US 26). Zu einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Aussagedetails war es mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS-Justiz RS0106642). Die Unvollständigkeit reklamierende Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) bekämpft im Ergebnis bloß die – logisch und empirisch einwandfrei unter anderem auf diese Zeugenaussage gestützten – Urteilsannahmen, die vom Beschwerdeführer geschleppten Fremden seien durchwegs ohne (auf ihren Namen ausgestellte) Visa, also rechtswidrig in den Schengenraum ein- und (mit Unterstützung des Beschwerdeführers) durch Österreich durchgereist (US 13 f), für das Bestehen gültiger Aufenthaltstitel in einem Mitgliedstaat des Schengenraums gebe es „keinerlei konkrete Anhaltspunkte“ (US 26), nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Soweit in diesem Zusammenhang nominell auch Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) eingewendet wird, fehlt es an der essentiellen Behauptung unrichtiger Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln (RIS-Justiz RS0099431).

Die zum Schuldspruch A/I ausgeführte Kritik der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die Angeklagten hätten die Fremden, indem sie diese „gezielt an den vorgesehenen Reisepass- und Dokumentenkontrollen vorbeischleusten“, bloß bei ihrer Ausreise in die USA unterstützt, was vom Tatbestand des § 114 FPG nicht erfasst sei, nimmt prozessordnungswidrig nicht Maß an der Gesamtheit des Urteilssachverhalts (RIS Justiz RS0099810). Nach diesem habe der Beschwerdeführer, dem es um ein „Weiterschleppen nach Amerika“ gegangen sei, die – zuvor rechtswidrig in den Schengenraum eingereisten – Fremden durchwegs mit seinem Pkw zum Flughafen gebracht, nachdem zuvor andere Mitglieder der kriminellen Vereinigung (im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Beschwerdeführer) ihre Unterkunft und Flugtickets organisiert oder Mittel für deren Besorgung zur Verfügung gestellt hätten (US 11, 13 f und 25 f). Weshalb davon ausgehend weitere Feststellungen zur rechtswidrigen Einreise (etwa zu deren genauem Zeitpunkt) für die rechtliche Annahme eines Förderns der Durchreise – nicht bloß der Ausreise – erforderlich gewesen wären, legt die Rechtsrüge ebenso wenig dar wie die Bedeutung der Legaldefinition der „Durchreise“ in § 2 Abs 4 Z 3 FPG. Dieser ist gerade nicht zu entnehmen, dass eine nach den Feststellungen von der kriminellen Vereinigung organisierte Unterbringung der Fremden während der – solcherart (organisationsbedingt) unterbrochenen – Schleppung (US 14) der Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals entgegenstehe (vgl im Übrigen zur zeitlichen Dimension der Durchreise RIS-Justiz RS0130961). Die Behauptung bloßen Gebrauchs der verba legalia ohne Sachverhaltsbezug (vgl RIS-Justiz RS0119090) ist mit Blick auf die oben wiedergegebenen Konstatierungen nicht nachvollziehbar.

Der Einwand (der Sache nach Z 10), das Erstgericht habe bloß verabredetes Zusammenwirken des Beschwerdeführers mit Patryk L***** zum Zweck der Durchführung der zu A/I angelasteten Handlungen, nicht jedoch einen (von § 278 StGB verlangten) Zusammenschluss von mehr als zwei Personen mit entsprechender krimineller Ausrichtung festgestellt (vgl US 10 f), geht erneut nicht von der Gesamtheit des Urteilssachverhalts aus. Weshalb die weiteren Konstatierungen (US 14 iVm US 26) die Annahme der Qualifikation nach Abs 4 erster Fall des § 114 FPG nicht trügen, legt die Rüge nicht im Einzelnen dar (RIS-Justiz RS0099620; vgl im Übrigen zur Begehung von strafbaren Handlungen im Rahmen einer [von anderen gegründeten] kriminellen Vereinigung Plöchl in WK 2 StGB § 278 Rz 34 f).

Die pauschale Behauptung fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite ignoriert die entsprechenden Urteilspassagen (US 13 f iVm US 26 f).

Zum Schuldspruch B/III hat das Erstgericht – vom Beschwerdeführer erneut übergangen – konstatiert, Katharina N***** habe „bei der Dokumentenkontrolle für Flüge nach London“ gearbeitet (US 15 [iVm ON 145 S 98]). Schon dies bildet eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die Annahme, sie habe nach dem Plan des Beschwerdeführers mittels vorgeschlagenen Durchschleusens durch die Dokumentenkontrolle nicht bloß die Ausreise der Fremden aus Österreich, sondern deren Ein- oder Durchreise in oder durch einen (anderen) Mitgliedstaat der Europäischen Union fördern sollen. Zudem ergibt sich in Zusammenschau mit den Feststellungen zur arbeitsteiligen Vorgangsweise der kriminellen Vereinigung (US 13 f), für die der Beschwerdeführer Katharina N***** als Mitglied gewinnen wollte (US 15), mit hinreichender Deutlichkeit, dass deren Mitwirkung auch ein Fördern der Durchreise durch Österreich darstellen sollte.

Der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider ist die Erfüllung von Qualifikationen des Abs 3 des § 114 FPG neben jener des Abs 4 erster Fall für die Strafdrohung nicht bestimmend (vgl § 32 Abs 2 erster Satz StGB), weshalb der reklamierte Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (durch die Wertung der „mehrfache[n] Qualifikation des § 114 FPG“ als erschwerend [US 35]) nicht vorliegt (RIS-Justiz RS0115237, RS0100027).

Die Annahme des Zusammentreffens dreier (US 35) statt – wie im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) verfehlt (dazu näher unten) – zweier Verbrechen betrifft bloß das Gewicht des zu Recht angenommenen Erschwerungsgrundes (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB). Darauf bezogenes Vorbringen der Sanktionsrüge enthält daher lediglich einen Berufungsgrund (RIS-Justiz RS0116878 [T2]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde dieses Angeklagten (§§ 285i, 498 Abs 3 dritter und letzter Satz StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Malintha G*****:

Zutreffend zeigt die Mängelrüge zum Schuldspruch A/II/b auf, dass die – gerade noch hinreichend deutlichen (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 19) – Feststellungen zum auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz und zur Gewerbsmäßigkeit offenbar unzureichend begründet sind (Z 5 vierter Fall). Das Erstgericht beschränkt sich insoweit im Wesentlichen auf den (zirkulären) Hinweis, „dass das Verfahren keine realistischen Anhaltspunkte für eine andere als finanzielle Motivation“ des Beschwerdeführers ergeben habe. Soweit der von diesem als Beweggrund ins Treffen geführten Hilfsbereitschaft dessen (übrigens nicht durch Aktenzitate belegte) „Initiative zu den Einladungen“ und „in einigen Fällen“ Druckausübung „auf die Einladenden“ entgegengehalten wird, steht dies in keinem spezifischen Begründungszusammenhang mit den Konstatierungen zu den oben genannten (auf Gewinnerzielung gerichteten) Elementen des subjektiven Tatbestands (US 30).

Auch die Mängelrüge zum Schuldspruch B/I ist mit ihrer Kritik, das Erstgericht habe die dazu getroffenen Feststellungen bloß auf die Angaben des Zeugen Andreas R***** gestützt, sich insoweit mit der (leugnenden) Verantwortung des Beschwerdeführers jedoch überhaupt nicht auseinandergesetzt (US 30 f), im Recht. Zufolge Unterbleibens einer Erörterung dieser den Feststellungen entgegenstehenden Verfahrensergebnisse (ON 145 S 25 ff) sind die Konstatierungen unvollständig (Z 5 zweiter Fall) begründet (RIS-Justiz RS0098646).

Die aufgezeigten Urteilsmängel erforderten die Aufhebung der Schuldsprüche A/II/b und B/I, demgemäß auch des Malintha G***** betreffenden Strafausspruchs, samt Rückverweisung der Sache in diesem Umfang an das Erstgericht (§ 285e StPO). Darauf war dieser Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen. Einer Erörterung des weiteren auf diese Schuldsprüche bezogenen Vorbringens bedurfte es daher nicht.

Hingegen steht die von der weiteren Mängelrüge als unvollständig (Z 5 zweiter Fall) kritisierte Feststellung, keiner der vom Angeklagten Tharindu J***** geschleppten Fremden habe einen Einreise- oder Aufenthaltstitel für Österreich oder einen anderen Staat des Schengenraums gehabt (US 13), in keinem Zusammenhang mit einem den Beschwerdeführer betreffenden Schuldspruch und war daher als (für diesen) nicht entscheidend einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 398 f).

Der zum Schuldspruch C (inhaltlich auch zu B/II) erstatteten Mängelrüge zuwider hat das Erstgericht die Aussage des Zeugen Harsh Ra***** ohnehin erörtert (US 31). Zu einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Aussagedetails war es mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe nicht verhalten (neuerlich RIS-Justiz RS0106642). Davon abgesehen wird nicht deutlich und bestimmt aufgezeigt, welche Passagen dieser Aussage oder sonstigen Beweisergebnisse die tatrichterliche Annahme ihrer Glaubhaftigkeit erörterungsbedürftig in Frage gestellt hätten (RIS-Justiz RS0119422). Vielmehr versucht der Beschwerdeführer im Ergebnis bloß, seiner eigenen Verantwortung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung zum Durchbruch zu verhelfen.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) fehlende Feststellungen zur subjektiven Tatseite auch zum (verbleibenden) Schuldspruch B/II moniert, übergeht sie die dazu getroffenen Konstatierungen (US 21). Inwiefern diese Feststellungen einen „entsprechenden Sachverhaltsbezug“ vermissen ließen, wird nicht im Einzelnen dargelegt (RIS Justiz RS0099620).

Im gegen die Schuldsprüche B/II und C gerichteten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Im Übrigen:

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Bleibt anzumerken, dass dem Erstgericht mehrere, von den Angeklagten nicht geltend gemachte Subsumtionsfehler (Z 10) unterlaufen sind.

Zu den Schuldsprüchen A/I (Tharindu J***** und Patryk L*****) und A/II/b (Malintha G*****) rechnete es die – nach dem Urteilssachverhalt in selbständigen Taten (zum Großteil) einzeln oder (gelegentlich) zu zweit geschleppten – Fremden zusammen und fällte durchwegs Schuldsprüche wegen eines auch § 114 Abs 3 Z 2 FPG subsumierten Verbrechens (statt richtig wegen mehrerer Verbrechen ohne Annahme dieser Qualifikation). Eine § 29 StGB vergleichbare Anordnung zur Zusammenrechnung geschleppter Personen und Bildung einer Subsumtionseinheit findet sich im FPG nicht (RIS-Justiz RS0130603).

Zum (in Stattgebung der Mängelrüge kassierten) Schuldspruch B/I finden sich im Urteil in objektiver Hinsicht bloß Feststellungen zu einer Schleppung von zwei Personen; ein auf die Tatbestandselemente des § 114 Abs 3 Z 2 FPG gerichteter Vorsatz wurde gar nicht konstatiert (vgl US 20).

Den Schuldsprüchen B/I bis III haftet zudem ein Subsumtionsfehler mangels ausreichender Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit an. Den Entscheidungsgründen ist nämlich bloß zu entnehmen, dass Tharindu J***** (zu B/III) in der Absicht gehandelt, Malintha G***** (zu B/I und II) wiederum sich billigend damit abgefunden habe, die von ihnen angesprochenen Personen würden gewerbsmäßig handeln. Eine Absicht dieser Angeklagten, sich selbst durch wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, wurde hingegen nicht konstatiert (vgl US 15 f und US 20 f). Dies wäre aber (in tatsächlicher) Hinsicht Voraussetzung der Annahme dieser Qualifikation gewesen, weil Gewerbsmäßigkeit für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen ist (RIS-Justiz RS0089670, RS0086543; Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 70 Rz 14 und 19).

Da sich diese Fehler weder auf die Strafrahmenbildung noch bei der Strafzumessung auswirkten, sah sich der Oberste Gerichtshof insoweit mangels konkreten Nachteils der Angeklagten nicht zu amtswegigem Vorgehen veranlasst (vgl Ratz , WK-StPO § 290 Rz 22 ff).

Hinsichtlich des Angeklagten Tharindu J***** ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über dessen Berufung und Beschwerde angesichts dieser Klarstellung nicht an die fehlerhafte Subsumtion gebunden (RIS-Justiz RS0118870). Ebenso wenig das Erstgericht bei Ausstellung von Endverfügung und Strafkarte sowie im weiteren Verfahren gegen Malintha G*****, wenn es die Strafe unter Einbeziehung der rechtskräftigen Schuldsprüche (B/II und C) festsetzt (RIS Justiz RS0129614).

Rechtssätze
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  • RS0119110OGH Rechtssatz

    14. Dezember 2023·3 Entscheidungen

    § 149h Abs 2 StPO stellt auf Ergebnisse der Überwachung ab, also auf eine solche nach dem VI. Abschnitt des XII. Hauptstücks der StPO und damit grundsätzlich auf einen inländischen Grundrechtseingriff iSd § 149d StPO, dessen prozessuale Voraussetzungen gewahrt worden sein müssen, um einen Zufallsfund im Strafverfahren verwerten zu können. Ziel dieser strengen Reglementierung ist es, eine Gefährdung oder gar Umgehung des (gegenüber inländischen Behörden garantierten) Grundrechtsschutzes im sensiblen Bereich der Privatsphäre zu verhindern, um dem Wesen und dem rechtsstaatlichen Wert einer Verfahrensordnung gerecht zu werden. Da sich inländische Verfahrensgesetze nicht auf (ohne Veranlassung durch ein österreichisches Gericht entfaltete) Tätigkeiten ausländischer Behörden beziehen und sich die StPO daher nur an österreichische - und nicht auch an ausländische - Strafverfolgungsorgane als Normadressaten wendet, vermag eine innerstaatlich als akustische Überwachung zu beurteilende Vorgangsweise ausländischer Organe jedenfalls keine Nichtigkeit iSd § 149h Abs 2 Z 1 und 2 StPO zu begründen. Dessen ungeachtet steht es einem Angeklagten offen, der Verwendung ausländischer Beweisergebnisse im inländischen Strafverfahren durch eine auf die Sicherung eines fairen Verfahrens iSd Art 6 MRK abzielende (auch im Rechtsmittelverfahren gemäß § 281 Abs 1 Z 4 StPO durchsetzbare) Antragstellung entgegenzutreten.

  • RS0089670OGH Rechtssatz

    15. November 2023·3 Entscheidungen

    Gewerbsmäßig begeht eine strafbare Handlung derjenige, der sie in der Absicht vornimmt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Fremdnützigkeit, also das Abzielen auf eine fortlaufende Einnahme eines anderen, sei es eines Beteiligten (§ 12 StGB), sei es eines strafrechtlich unbeteiligten Dritten, genügt daher nicht; noch viel weniger die bloße Kenntnis davon, dass ein Beteiligter gewerbsmäßig handelt. Die Gewerbsmäßigkeit belastet immer nur denjenigen, in dessen Person dieses Merkmal vorliegt. Für dieses Ergebnis ist es gleichgültig, ob man die Gewerbsmäßigkeit dem Unrechtstatbestand oder der Schuld zurechnet. Im ersten Fall fehlt es in Ansehung des nicht auf eigene Einnahmen abzielenden Täters an einem subjektiven (Unrechtstatbestandsmerkmal) Tatbestandsmerkmal, im anderen ist ihm die Gewerbsmäßigkeit mangels eines ihn insoweit treffenden Schuldvorwurfes zufolge § 13 StGB nicht zuzurechnen, weshalb dieser Meinungsstreit für die Frage der Gewerbsmäßigkeit bei Mehrbeteiligung ohne jede Bedeutung ist. Die nur auf Sonderdelikte zugeschnittene Zurechnungsregel des § 14 StGB kommt in diesem Zusammenhang nicht zur Geltung, weil gewerbsmäßiges Handeln weder eine persönliche Eigenschaft noch ein besonderes persönliches Verhältnis des Täters darstellt, worunter nämlich nur solche Eigenschaften und Verhältnisse zu verstehen sind, die in seiner Person unabhängig vom Tatgeschehen vorliegen. Deliktstypisch vorausgesetzte bestimmte Motive oder Gesinnungen des Täters bei der Tat fallen nicht darunter.