JudikaturJustiz13Os97/06y

13Os97/06y – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Oktober 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Denk als Schriftführer, in der Auslieferungssache des Samir K*****, AZ 17 Ur 75/06x des Landesgerichtes Linz, über die Grundrechtsbeschwerde der betroffenen Person gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 14. August 2006, AZ 9 Bs 241/06i (ON 28), nach Anhörung der Generalprokuratur und Äußerung des Verteidigers (§ 35 Abs 2 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde die über Samir K***** am 16. Juli 2006 verhängte Auslieferungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 29 Abs 1 zweiter Satz (§ 180 Abs 2 Z 1 StPO) ARHG fortgesetzt.

Die betroffene Person wurde für hinreichend verdächtig erachtet, am 10. Dezember 1996 in B***** gemeinsam mit Dzevad Sa***** die Saha S***** „unter Anwendung von Gewalt und Drohungen ausgezogen, auf den Vordersitz gezerrt", mehrfach „vergewaltigt" und gezwungen zu haben, „deren Geschlechtsorgan in den Mund zu nehmen". Zudem hätten die beiden Täter ihrem Opfer Brandwunden am Geschlechtsteil zugefügt und es mehrfach geschlagen, was zu weiteren Verletzungen geführt habe. Sowohl nach dem Recht des ersuchenden Staates als auch nach österreichischem Recht sei eine derartige Vorsatztat mit einer mindestens einjährigen Freiheitsstrafe - nämlich jeweils mit einer solchen bis zu 15 Jahren (Art 221 des Strafgesetzes der Föderation Bosnien-Herzegowina, § 201 Abs 1 und 2 vierter Fall StGB) - bedroht und die Auslieferungsfähigkeit nach dem vorliegend anzuwendenden Art 2 Abs 1 EuAusliefÜb solcherart gegeben.

Fluchtgefahr wurde aus der im Fall eines Schuldspruchs zu erwartenden Freiheitsstrafe und dem Umstand abgeleitet, dass der Asylantrag des - als sozial integriert gestuften - Beschwerdeführers abgewiesen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Die rechtliche Annahme einer der von § 180 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens nur dahin überprüft, ob sie aus den angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806).

Indem der Beschwerdeführer die Argumentation des Oberlandesgerichtes zum angenommenen Haftgrund ignoriert und statt dessen unter Berufung auf die mögliche Kenntnisnahme von Fahndungsmaßnahmen Fluchtabsicht bestreitet sowie vage Überlegungen darüber anstellt, weshalb seitens der Behörden der Föderation Bosnien-Herzegowina nicht schon früher Schritte zu seiner Verhaftung gesetzt wurden, entzieht sich das Beschwerdevorbringen einer sachbezogenen Auseinandersetzung. Die Behauptung eines der Zulässigkeit der Auslieferung angeblich entgegen stehenden Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot des Art 6 Abs 1 erster Satz MRK hinwieder betrifft keine Haftvoraussetzung. Die Haftvoraussetzungen des § 29 Abs 1 ARHG decken sich mit jenen für die Zulässigkeit der Auslieferung nur insoweit, als eine der Haft zugrunde liegende strafbare Handlung „der Auslieferung unterliegen" muss (vgl Art 2 ff EuAusliefÜb, §§ 11, 14 ff ARHG; 13 Os 136/05g; aM ohne Begründung, nicht zwischen Auslieferungsfähigkeit und sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen differenzierend und daher zu Unrecht unter Berufung auf 14 Os 161, 162/98: 15 Os 195, 196/98 [11 Os 11/98, worauf sich die E ebenfalls beruft, enthält keine Aussage zu Haftvoraussetzungen im Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer Auslieferung]), was die Beschwerde in Betreff der in Rede stehenden Vergewaltigung nicht bestreitet.

Rechtssätze
5
  • RS0111221OGH Rechtssatz

    25. Juni 2019·3 Entscheidungen

    Wurde die Auslieferung einer Person zur Strafverfolgung durch den gemäß § 33 Abs 1 ARHG hiezu berufenen Gerichtshof zweiter Instanz unanfechtbar (Abs 5 leg cit) aus formellen und materiellen Gründen für zulässig erklärt, ist eine Überprüfung dieser Entscheidung - zum Unterschied vom Beschluss über Verhängung oder Fortsetzung der Auslieferungshaft selbst - mangels funktioneller Grundrechtsrelevanz im Grundrechtsbeschwerdeverfahren ausgeschlossen. Die Frage der Zulässigkeit einer Auslieferung zur Strafverfolgung ist nämlich im vorliegenden Verfahrensstadium eigenständig und losgelöst von einer allenfalls bestehenden Auslieferungshaft, die auch in einem Auslieferungsverfahren keinesfalls stets zwingend zu verhängen ist (vgl § 29 Abs 1 und 2 ARHG iVm § 180 Abs 1 und 5 StPO), ausschließlich nach den im ARHG normierten Vorschriften zu beantworten. Eine gegen einen solchen Beschluß erhobene Grundrechtsbeschwerde ist als unzulässig zurückzuweisen. Anders verhielte es sich nur, wenn das Oberlandesgericht über die Zulässigkeit der Auslieferung noch nicht abschließend entschieden, sondern vorweg deren Voraussetzungen anlässlich einer Beschwerde gegen den Beschluss über die Verhängung oder Fortsetzung der Auslieferungshaft bejaht hätte. Diesfalls müsste der Oberste Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren auch zu den formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Auslieferung als entscheidende Prämisse für die Haft Stellung beziehen (so geschehen in 11 Os 11/98, 14 Os 161,162/98).