JudikaturJustiz13Os8/24m

13Os8/24m – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. März 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl, und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Drach in der Strafsache gegen * R* und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * S* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 23. November 2023, GZ 42 Hv 72/23s 56.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * S* werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten * S* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * R* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach „§ 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG“ (I A und B), der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (II) und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (III) und der Vergehen nach § 4 Abs 1 vierter und fünfter Fall NPSG (IV) sowie * S* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (I A) schuldig erkannt.

[2] Danach haben – soweit hier von Bedeutung – in W* und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar

A) * R* und * S* in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) zwischen Februar 2023 und Mitte 2023 320 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von 80 % sowie

B) * R* alleine Ende 2022 und Anfang 2023 weitere 60 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von 80 % sowie 3 Gramm Cannabiskraut beinhaltend Delta-9-THC und THCA,

wobei * R* an Suchtmittel gewöhnt war und die zu I A und B dargestellte Straftat ausschließlich deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen (US 5 f).

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen den Schuldspruch I A richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * S*.

[4] Die Feststellung zur Menge des überlassenen Kokains gründete das Erstgericht auf die Aussage des Angeklagten * R* in Zusammenhalt mit den Angaben der Abnehmer (US 8). Mit der bloß pauschal erhobenen Behauptung, der Angeklagte R* habe „widersprüchliche respektive rechnerisch nicht nachvollziehbare Angaben“ getätigt und „diese Widersprüchlichkeiten und Unklarheiten auch im Rahmen der Befragung durch den Zweitverteidiger nicht ausräumen können“, wird Unvollständigkeit im Sinn der Z 5 zweiter Fall nicht zur Darstellung gebracht.

[5] Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende, also – soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden insoweit nicht angesprochen) – für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsame Tatsachen (RIS-Justiz RS0106268). Solcherart geht der gegen die Erwägungen des Erstgerichts zur Glaubwürdigkeit des Zeugen * K* (US 8) erhobene Vorwurf der offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) schon im Ansatz ins Leere.

[6] Mit der Wiederholung des bereits zur Mängelrüge erstatteten Vorbringens weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[8] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO bleibt hinzuzufügen, dass die nach den Urteilsfeststellungen zum Schuldspruch I A und B (US 5 f) dem Angeklagten R* zukommende Privilegierung des § 28a Abs 3 SMG Gegenstand des Schuldspruchs ist (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO; RIS-Justiz RS0131857) und sich nicht wie im angefochtenen Urteil verfehlt angenommen (vgl US 3) auf die – dem Subsumtionsvorgang nachgelagerte – Strafbefugnis bezieht. Da das Erstgericht jedoch bei der B emessung der Strafe des Genannten ohne Zweifel von einer Reduktion des Strafrahmens im Sinn des § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG („§ 28a Abs 2 SMG iVm § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG“, US 3) ausging, bot dieser Rechtsfehler (Z 10) mangels konkreten Nachteils für den Angeklagten R* keinen Anlass für ein amtswegiges Vorgehen (vgl Ratz , WK-StPO § 290 Rz 23).

[9] Der Schuldspruch IV dieses Angeklagten wegen mehrerer Vergehen nach § 4 Abs 1 vierter und fünfter Fall NPSG, obwohl nach den Feststellungen (US 7) allein ein Überlassen durch gewinnbringenden Verkauf an namentlich genannte Abnehmer, nicht aber ein Verschaffen (zur Unterscheidung dieser beiden Begehungsweisen 12 Os 88/07v, SSt 2007/62) vorliegt, ist unter dem Aspekt der Subsumtion bedeutungslos. Denn der vierte (Überlassen) und der fünfte Fall (Verschaffen) des § 4 Abs 1 NPSG sind einander rechtlich gleichwertig (zu § 28a Abs 1 SMG RIS-Justiz RS0114037 [T6]: alternatives Mischdelikt).

[10] Die Berufung des Angeklagten * S* war schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, weil der Genannte weder bei deren Anmeldung (ON 62) noch in einer rechtzeitig überreichten Berufungsschrift (§ 284 Abs 2 zweiter Satz StPO) erklärt hat, ob er den Strafausspruch, das Konfiskations oder das Verfallserkenntnis bekämpft (§ 296 Abs 2 StPO iVm § 294 Abs 4 StPO; RIS Justiz RS0100395 [insbesondere T4] und RS0100042; Ratz , WK StPO § 294 Rz 10 und § 296 Rz 5).

[11] Hinzugefügt sei, dass eine Berufung, die keine im Sinn des § 294 Abs 2 vierter Satz StPO gegen (zumindest) eine Sanktion gerichtete Anfechtungserklärung enthält, auch keine Beschwerde nach § 498 Abs 3 dritter Satz StPO impliziert (RIS-Justiz RS0115624, 14 Os 106/01 EvBl 2002/21).

[12] Die Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[13] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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