JudikaturJustiz13Os179/03

13Os179/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Bernhard T***** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 29. August 2003, GZ 27 Hv 110/03t-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das zu A/2 und 3 im Schuldspruch wegen (nicht qualifizierter) Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB, in den zu B und C ergangenen Schuldsprüchen sowie im Kostenspruch unberührt bleibt,

im Schuldspruch zu A/1,

in der Subsumtion der zu A/2 und 3 genannten Taten als schwere

Erpressung nach § 145 Abs 1 Z 1 StGB,

im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie in der Unterbringungsanordnung

aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Innsbruck zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die auf die Erledigung seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Bernhard T***** wurde des (richtig: mehrerer) Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (A/1-3), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (B) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (C) schuldig erkannt.

Danach hat er in L*****

A. Dr. Erwin T***** seinen (Adoptiv )Vater, zu 1. auch seine (Adoptiv )Mutter Christina, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch gefährliche Drohung mit dem Tod und der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz zu vermögensschädigenden Handlungen genötigt, und zwar

1. am 20. oder 21. Mai 2003 durch die mit einem Küchenmesser unterstrichene Äußerung, wenn er das geforderte Geld nicht erhalte, steche er den Erstbesten ab, zur Übergabe von 100 Euro;

2. am 22. Mai 2003 durch die Erklärung, wenn er nicht sofort 300 Euro erhalte, verwüste er die Ordination und schlage alles zusammen, zur Übergabe dieses Geldbetrages;

Rechtliche Beurteilung

Der nominell aus Z 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt - worauf auch die Generalprokuratur hinweist - teilweise Berechtigung zu. Aus Z 5 zweiter Fall - inhaltlich auch Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter Fall, soweit die Beschwerde die für die Sanktionsfrage der Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB entscheidende Tatsache des Einflusses einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad auf Anlasstaten in Frage stellt - wird kein konkretes Beweisergebnis als übergangen reklamiert, sodass die Kritik am biologischen Schuldelement (§ 11 StGB) einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung jener Tatumstände entbehrt, welche den Nichtigkeitsgrund bilden sollen (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

Soweit der Beschwerdeführer zu B das Fehlen der erforderlichen Ermächtigung behauptet, zeigt er keinen Feststellungsmangel auf. Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (Z 9 lit a bis c) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600, 602, 611). Die vermisste Ermächtigung wurde aber ohnehin erteilt (Bd I, S 55 und 65). Zutreffend weist der Beschwerdeführer (inhaltlich aus Z 11 erster und zweiter Fall) indes auf das vollständige Fehlen von Sachverhaltsannahmen hin, welche die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB tragen könnten (näher: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 400, 673 ff, 715 ff sowie in WK2 Vorbem §§ 21-25 Rz 8 ff; Fabrizy StPO9 § 281 Rz 72), was die Aufhebung der Anstaltsunterbringung zur Folge hat. Die aus Z 5a allein gegen diese Sanktion vorgetragenen Argumente (sachlich Z 11 erster Fall iVm Z 5a) bedürfen demnach keiner Erörterung.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof zudem von mehrfacher weiterer zum Nachteil des Angeklagten geschehener unrichtiger Anwendung des Strafgesetzes überzeugt (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), was die gänzliche Aufhebung des zu A/1 ergangenen Schuldspruchs (Z 9 lit a) und die Aufhebung der Subsumtion der zu A/2 und 3 genannten (Erpressungs )Taten als - jeweils - schwere Erpressung nach § 145 Abs 1 Z 1 (erster und siebter Fall) StGB (Z 10) nach sich zieht; auch darauf hat die Generalprokuratur verwiesen.

Gefährlich ist eine Drohung nämlich nach der Legaldefinition des § 74 Abs 1 Z 5 StGB nur, soweit sie gegen den Bedrohten selbst, gegen dessen Angehörige oder gegen andere unter seinen Schutz gestellte oder ihm persönlich nahestehende Personen gerichtet ist (vgl Jerabek in WK2 § 74 Rz 27, Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 36, Schwaighofer in WK2 § 105 Rz 51 f). Da das Urteil keine Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der zu A/1 ausgestoßenen Drohung (gegen den "Erstbesten") enthält (Jerabek in WK2 § 74 Rz 34, Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 34 f), kann deren - strafrechtlich relevante - Gefährlichkeit nicht beurteilt werden. Denn eine allgemeine Verantwortlichkeit der Eltern (der Bedrohten) für Handlungen ihrer volljährigen Kinder (des Angeklagten), welche davon betroffene Dritte zu Schutzbefohlenen machen würde, besteht deshalb nicht, weil diese nach wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten derartige Erwartungen nicht hegen (vgl SSt 62/122).

Statt bloß des Wortlautes wären in den Entscheidungsgründen auch zu A/2 und 3 Feststellungen zu treffen gewesen, welche es erlaubt hätten, die entscheidende Frage zu bejahen, ob die jeweilige Ankündigung, erforderlichenfalls die Ordination zu verwüsten und "alles zusammenzuschlagen", dahin zu verstehen war und verstanden werden sollte (§ 5 Abs 1 StGB), dem Opfer die Erwerbsgrundlage zu entziehen, ohne dass Dr. Erwin T***** Aussicht auf alsbaldige neue, etwa gleichwertige Erwerbsmöglichkeiten hatte (Fabrizy StGB8 § 145 Rz 2, Schwaighofer in WK2 § 106 Rz 7, Kienapfel/Schroll BT I5 § 106 Rz 5, Eder-Rieder in WK2 § 145 Rz 3).

Die Aufhebung der genannten Schuldsprüche bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zieht auch die Beseitigung der ausgesprochenen Freiheitsstrafe nach sich (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
6