JudikaturJustiz13Os126/20h

13Os126/20h – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Februar 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Strobl im Verfahren zur Unterbringung der Brigitta P***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 20. Oktober 2020, GZ 13 Hv 126/20p 41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung der Brigitta P***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

[2] Danach hat sie am 25. Juli 2020 in V***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), welcher auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer schizoaffektiven Störung, beruht, ihre Wohnungsnachbarn durch gefährliche Drohung mit einer Brandstiftung zum Absetzen eines Notrufs zu nötigen versucht und dadurch das Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB begangen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 (richtig: lit) a, 9 (richtig: lit) b und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen.

[4] Die Feststellungen zur objektiven Tatseite leitete das Erstgericht primär aus den insoweit im gesamten Verfahren im Wesentlichen stets gleichlautenden, für glaubwürdig befundenen Angaben der Zeugin Ulrike A***** ab (US 4). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist diese Ableitung nicht zu beanstanden.

[5] Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider blieben bei diesen Feststellungen auch die Aussagen der Zeugen F***** zu vermeintlichen Hilferufen der Betroffenen nicht unberücksichtigt (US 4).

[6] Einschätzungen zur psychischen Verfassung einer anderen Person sind kein Gegenstand des Zeugenbeweises (RIS Justiz RS0097573 [T2]). Als Bezugspunkt der Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO scheiden solche Verfahrensergebnisse somit aus.

[7] Indem die Mängelrüge (Z 5) die Aussagen der Zeugen eigenständig bewertet und daraus ihrem Standpunkt günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, verlässt sie den Anfechtungsrahmen des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes.

[8] Mit dem Hinweis auf die Angaben der Zeugin A*****, wonach die Betroffene im Vorfeld der Drohung mit einer Brandstiftung gerufen habe „Hilfe, Hilfe, Papier brennt, holts die Feuerwehr“, erweckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

[9] Nach den Konstatierungen des Erstgerichts wohnte die Betroffene als eine von mehreren Parteien in einem Wohnhaus in V*****. Bei der inkriminierten Äußerung kam es der Betroffenen den Entscheidungsgründen zufolge darauf an, ihre Wohnungsnachbarn zum Absetzen eines Notrufs zu nötigen („oder ich zünd das Papier an und dann brennt das ganze Haus“), wobei die Betroffene wusste, dass sie ihren Wohnungsnachbarn solcherart ein erhebliches Übel, nämlich eine Brandstiftung, auf welches sie Einfluss zu üben vorgab, ankündigte. Die Äußerung der Betroffenen nahm eine Dritte, nämlich die Zeugin A*****, aus einer Entfernung von etwa 50 Metern wörtlich wahr, während die Wohnungsnachbarn zwar das laute Schreien, nicht jedoch den genauen Wortlaut der Äußerungen wahrnahmen (US 2).

[10] Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Äußerung als Drohung mit einer Brandstiftung vermisst, dabei aber die dargestellten Konstatierungen übergeht, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).

[11] Weshalb die gefährliche Drohung nach dem Urteilssachverhalt nicht „gegen einen anderen“, gerichtet gewesen sein sollte, macht die Rechtsrüge nicht klar (siehe aber RIS Justiz RS0116565).

[12] Hinzugefügt sei, dass die Strafdrohungen gegen vorsätzliches Handeln nicht nur für die vollendete Tat, sondern auch für den Versuch gelten (§ 15 Abs 1 StGB). Dass der Versuch der Betroffenen fehlschlug, steht der Beurteilung des Tatgeschehens als Anlasstat im Sinn der §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB somit nicht entgegen.

[13] Soweit die Rechtsrüge die Eignung der Drohung, begründete Besorgnis einzuflößen (dazu RIS Justiz RS0092753), in Frage stellt, legt sie nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (RIS Justiz RS0116565), weshalb eine solche bei gebotener Anlegung eines objektiv individuellen Maßstabs in Bezug auf die konstatierte verbale Ankündigung der Betroffenen, das von ihr und anderen Personen bewohnte Haus durch Anzünden von Papier zur Gänze in Brand zu setzen (US 2), nicht gegeben sein sollte. Warum es bei der Lösung der Schuldfrage darauf ankommen sollte, ob die Bedrohten durch die Äußerung in Furcht und Unruhe versetzt wurden (dazu RIS Justiz RS0092753) bleibt offen (siehe aber RIS Justiz RS0116569).

[14] Von Tatvollendung geht das Erstgericht nicht aus. Der Einwand, der durch die Äußerung angestrebte Einsatz der Rettung und der Polizei sei nicht erzwungen worden, ist somit unverständlich.

[15] Weshalb die Ankündigung einer Brandstiftung ein sittlich erlaubtes Mittel zur Durchsetzung eines Anliegens (§ 105 Abs 2 StGB) gewesen sein soll (vgl dagegen RIS Justiz RS0093204), erklärt die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) nicht. Dass der Täter das Opfer unter diesem Aspekt jedenfalls nicht mit einem in § 106 Abs 1 Z 1 StGB angeführten Übel bedrohen darf, räumt sie im Übrigen selbst ein.

[16] Indem die weitere Rechtsrüge ihre Kritik nicht auf der Basis der Feststellungen zur subjektiven Tatseite entwickelt, verfehlt sie den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

[17] Nichtigkeit eines Ausspruchs nach § 21 Abs 1 StGB aus Z 11 zweiter Fall liegt vor, wenn die Gefährlichkeitsprognose zumindest eine der in der angesprochenen Norm genannten Erkenntnisquellen (Person sowie Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt oder die aus den gesetzlich angeordneten Erkenntnisquellen gebildete Feststellungsgrundlage die Ableitung der Befürchtung, also die rechtliche Wertung einer hohen Wahrscheinlichkeit für die Sachverhaltsannahme, der Rechtsbrecher werde (zumindest) eine Handlung begehen, welche ihrerseits rechtlich als mit Strafe bedroht und entsprechend sozialschädlich (mit schweren Folgen) zu beurteilen wäre, als willkürlich erscheinen lässt (RIS Justiz RS0113980 und RS0118581 ).

[18] Die Sanktionsrüge (Z 11) behauptet hinsichtlich der Prognoseentscheidung weder Willkür noch das Übergehen einer Erkenntnisquelle, sondern bezeichnet die Gefährlichkeitsprognose als unvollständig und unlogisch. Damit verlässt sie den dargelegten Anfechtungsrahmen.

[19] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[20] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Rechtssätze
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