JudikaturJustiz13Os124/10z

13Os124/10z – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jahn als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Martin B***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und 13 FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 21. Juli 2010, GZ 11 Hv 79/10p 21, sowie über dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martin B***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und 13 FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er in den Jahren 2000 bis 2003 in Steyr gewerbsmäßig vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige , Offenlegungs oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen

(1) bewirkt, nämlich für die Jahre 2000 bis 2002 an Umsatz und Einkommensteuer um 105.067,12 Euro, und

(2) zu bewirken versucht, nämlich für das Jahr 2001 an Einkommensteuer um 24.727,29 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider sind die beweiswürdigenden Überlegungen, wonach die Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem äußeren Tatgeschehen, insbesonders dem professionellen und organisierten Agieren des Beschwerdeführers, folgen (US 12, 13), unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden. Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zu Grunde liegendes Wollen oder Wissen ist nämlich soweit nicht (wie teilweise hier ohnedies) entsprechende Erklärungen des Handelnden vorliegen in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz , WK StPO § 281 Rz 452).

Welche Teile der Verantwortung des Beschwerdeführers aus dem Blickwinkel der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) einer gesonderten Erörterung bedurft haben sollen, lässt die Beschwerde nicht erkennen. Nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 20) verantwortete sich dieser nämlich im Wesentlichen geständig (ON 20 S 2, 3). Lediglich zum Schuldspruch 2 gab er indifferente Erklärungen ab (ON 20 S 3, 4), die aber aufgrund fehlender inhaltlicher Positionierung einer Erörterung gerade nicht zugänglich waren.

Indem die Beschwerde den Urteilsannahmen unter Berufung auf die „Lebenserfahrung“ eigene für den Beschwerdeführer günstige Beweiswerterwägungen entgegenstellt, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Konstatierungen zur Gewerbsmäßigkeit werden keineswegs mittels Wiedergabe der verba legalia, sondern aus dem hohen Schadensbetrag, dem langen Tatzeitraum sowie der Vielzahl gleichgelagerter Tathandlungen begründet (US 13), was den Kriterien des § 270 Abs 2 Z 5 StPO entspricht.

Welche im angeschlossenen Beiakt AZ 11 Hv 9/04k des Landesgerichts Steyr enthaltenen Verfahrensergebnisse den Urteilsfeststellungen erörterungsbedürftig entgegenstehen sollen, sagt die Beschwerde nicht.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Tatrichter die insoweit relevierte Konstatierung des Zuflusses von 150.000 Euro an den Beschwerdeführer aus dem Titel „Gegenleistung für Beratungstätigkeit“ aktenkonform (ON 20 S 2) auf die diesbezüglich geständige Verantwortung des Beschwerdeführers stützen (US 12).

Aus welchem Grund die Feststellungen zum jeweils auf einzelne Abgabenarten und Veranlagungszeiträume bezogenen Ausmaß der Abgabenverkürzungen (US 5 bis 10) den Schuldspruch nicht tragen sollen (Z 9 lit a), legt die Beschwerde nicht dar. Indem sie insoweit das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) anspricht, verkennt sie, dass nicht dieses, sondern die in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) den tatsächlichen Bezugspunkt der rechtlichen Beurteilung bilden ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 584).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht aus dem Gesetz ab, weshalb Einkünfte mit kriminellem Hintergrund nicht einkommensteuerpflichtig sein sollen, und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei (im Sinn der zutreffenden Gegenausführung der Finanzstrafbehörde) festgehalten, dass das durch ein strafgesetzwidriges Tun oder Unterlassen aus (dem allgemeinen Wirtschaftsverkehr entsprechenden) Rechtsgeschäften gewonnene Einkommen, sofern es den Kriterien des § 2 EStG entspricht, nach ständiger Judikatur sehr wohl die Einkommensteuerpflicht auslöst (RIS Justiz RS0109799). Genau dies trifft aber auf die von der Beschwerde insoweit offenbar angesprochenen Verkürzungen zu. Nach den diesbezüglichen Urteilskonstatierungen hat der Beschwerdeführer die entsprechenden Beträge nämlich für Beratungs und Vermittlungsleistungen erhalten (US 7 bis 9) und solcherart Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs 3 Z 3 iVm § 23 EStG) erzielt. Dass er für diese Honorare mit betrügerischem Vorsatz keine Gegenleistungen erbrachte (Urteile ON 393, 426 im Beiakt 11 Hv 9/04k des Landesgerichts Steyr), vermag hieran nichts zu ändern.

Soweit mit der Frage, „was der Angeklagte und Beschwerdeführer denn nach Ansicht des Gerichts und der Finanzbehörde hinsichtlich begangener Malversationen im Namen der Malerei B***** Ltd. in seine eigene Einkommenssteuererklärung als Rechtstitel oder Rechtsgrund für die fraudolos erlangten Beträge hinschreiben hätte sollen?!“, unter Berufung auf grundrechtlich verbotenen Zwang zur Selbstbezichtigung (Art 6 MRK) der Sache nach eine abgabenrechtliche Offenlegungs und Wahrheitspflicht (§ 33 Abs 1 FinStrG) in Abrede gestellt wird, verschweigt die Beschwerde, warum deren Befolgung einen Hinweis auf die betrügerische Herkunft von Einkünften erfordert hätte (vgl im Übrigen RIS Justiz RS0109800). Demnach wird die behauptete Reduktion des § 33 Abs 1 FinStrG um Fälle betrügerisch erlangten steuerbaren Einkommens nicht deutlich gemacht, sodass sich das Vorbringen einer inhaltlichen Erwiderung entzieht (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

Weshalb die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 11) den Schuldspruch nicht tragen sollen, erklärt die Beschwerde nicht.

Ebenso wenig legt die Subsumtionsrüge (Z 10) dar, warum die Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Betrugs in Bezug auf Einkünfte, die auch dem gegenständlichen Schuldspruch zu Grunde liegen, hier die Annahme gewerbsmäßigen Handelns hindern soll.

Welche über die zur Gewerbsmäßigkeit getroffenen (US 11) hinausgehenden Feststellungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich sein sollen, sagt die Beschwerde nicht.

Vollständigkeitshalber sei insoweit festgehalten, dass diese Konstatierungen im Zusammenhalt mit jenen über den rund dreijährigen Tatzeitraum (US 5 bis 10) den Willen der Tatrichter, auch die gebotenen Feststellungen zur zeitlichen Komponente der Gewerbsmäßigkeit ( Jerabek in WK² § 70 Rz 7) zu treffen, hinreichend zum Ausdruck bringen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 19).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung und die gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende Beschwerde gegen den Beschluss auf Erteilung einer Weisung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Dabei wird zu beachten sein, dass die nach dem Gesetz zwingend zu erteilende (RIS Justiz RS0086112) Weisung nach § 26 Abs 2 FinStrG den zu entrichtenden Betrag konkretisieren muss (RIS Justiz RS0053185) und nur hinsichtlich jenes Einnahmenausfalls zulässig ist, der noch aushaftet (RIS Justiz RS0086125). Missverständlich ist in diesem Zusammenhang der Rechtssatz RIS Justiz RS0116853, wonach die Erteilung der Weisung „eine entsprechende Schuldenkonkretisierung durch Haftungsbescheid (§ 224 Abs 1 BAO)“ voraussetze. Ein Bescheid nach § 224 Abs 1 erster Satz BAO ist nämlich soweit hier von Bedeutung auf der Basis des § 11 BAO zu erlassen, der seinerseits die rechtskräftige Verurteilung voraussetzt. Demnach ist das Strafurteil die Grundlage für den Haftungsbescheid und nicht dieser für den in aller Regel gemeinsam mit dem Urteil zu fassenden Weisungsbeschluss (vgl VwGH 98/16/0411 VwSlg 7355/F; VwGH 99/16/0141 ÖStZB 2000/387, 442). Die Entscheidung 12 Os 54/02, SSt 64/61 drückt auch genau dies aus, indem sie festhält, die „mit Haftungsbescheid (§ 224 Abs 1 BAO) geltend zu machende “ Verbindlichkeit des Angeklagten sei vom Gericht festzustellen, wird also im angeführten Rechtssatz sinnentstellend wiedergegeben.

Anzumerken bleibt, dass das Erstgericht hinsichtlich der Verkürzung der für das Jahr 2001 zu entrichtenden Einkommensteuer (2) zu Unrecht von versuchter (anstelle vollendeter) Tat ausgegangen ist. Nach den diesbezüglichen Urteilsfeststellungen gab der Angeklagte für das Jahr 2001 keine Einkommensteuererklärung ab, aus welchem Grund die Abgabenbehörde für dieses Jahr auch keinen Einkommensteuerbescheid erließ (US 10). Demnach war die Tat gemäß § 33 Abs 3 lit a zweiter Fall FinStrG mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (31. März 2002; § 134 Abs 1 BAO idF BGBl 1972/224) vollendet, weil sich die von dieser Bestimmung verlangte Unkenntnis der Behörde nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auf die „Entstehung des Abgabenanspruchs“ und nicht etwa auf die Existenz des Abgabenpflichtigen beziehen muss. Die Vergabe einer Steuernummer bringt nur diese Existenz, also den Umstand zum Ausdruck, dass der Betreffende in früheren Veranlagungszeiträumen abgabepflichtig war, sagt aber über die Kenntnis der Abgabenbehörde vom konkreten Abgabenanspruch nichts aus (13 Os 18/09k, EvBl 2009/152, 1016 mwN).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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