JudikaturJustiz13Os100/04

13Os100/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. November 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. November 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Diewok als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Harald Ernst Oskar S***** wegen des teils als Versuch nach § 15 StGB begangenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Satz (erster Fall) und Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. Mai 2004, GZ 8 Hv 86/04t-80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen - demnach auch im Einziehungserkenntnis - unberührt bleibt, in der Subsumtion der zu I genannten Taten nach § 28 Abs 3 erster Satz (erster Fall) SMG, im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung sowie im Abschöpfungserkenntnis aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Harald Ernst Oskar S***** wurde des teils als Versuch nach § 15 StGB begangenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 (zu ergänzen:) vierter Fall, Abs 3 (zu ergänzen:) erster Satz (erster Fall) und Abs 4 Z 3 SMG (I) sowie mehrerer Vergehen nach § 27 Abs 1 (zu ergänzen) erster und zweiter Fall SMG (II) schuldig erkannt.

Danach hat er (wörtlich wiedergegeben)

"in G*****, K***** und anderen nicht näher bekannten Orten den

bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift

I. im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Oliver E***** und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in einer 'übergroßen' Menge in Beziehung auf eine zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge ausmachende Suchtgiftmenge, § 28 Abs 4 Z 3 SMG in Verkehr gesetzt bzw zu setzen versucht, indem er

1. im Zeitraum von Mai 2003 bis 28. Jänner 2004 Erik J***** 800 Gramm Kokain, Andreas K***** (lt US 7: ungefähr) 50 Gramm Kokain, Ernst G***** bis zu 50 Gramm Kokain, Heimo W***** ca bis zu 150 Gramm Kokain, N. F***** 20 Gramm Kokain, N. U***** 20 Gramm Kokain, N. H***** (lt US 7: rund) 50 Gramm Kokain, einem 'Manfred' ca. 100 Gramm Kokain, einem 'Gigi' ca. 60 Gramm Kokain, einem 'Raini' ca. 20 Gramm Kokain, somit insgesamt ca. 1. 100 Gramm bis 1.320 Gramm Kokain jeweils zu einem Grammpreis von EUR 85 gewinnbringend verkaufte,

2. über einen nicht näher bekannten Zeitraum bis 29. Jänner 2004 76 Gramm Kokain zum Verkauf an nicht näher bekannte Personen in seiner Wohnung zwischenlagerte,

II. über die unter I. angeführten Mengen hinaus erworben und besessen, indem er

1. im Zeitraum von September 2003 bis 28. Jänner 2004 von Otto Gr***** 50 Gramm Kokain zum Grammpreis von EUR 70 erwarb und konsumierte,

2. im Dezember 2003 von einem gewissen 'Andre' 100 Gramm Marihuana zu einem Grammpreis von EUR 5 erwarb, davon 28 Gramm konsumierte sowie die restlichen 72 Gramm bis zum 29. Jänner 2004 bei sich aufbewahrte."

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu. Während das vorschriftswidrige Inverkehrsetzen einer großen Suchtgiftmenge durch einen gewerbsmäßig, aber nach § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG privilegierten Täter die strafbare Handlung nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG begründet (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO; 13 Os 88/02), begründet gewerbsmäßiges Handeln ohne die genannte Privilegierung ideel konkurrierend auch die unselbständige Qualifikation des § 28 Abs 3 erster Satz (erster Fall) SMG, mithin eine weitere strafbare Handlung, welche den Grundtatbestand zufolge des Scheinkonkurrenztypus der Spezialität verdrängt. Stellt derartiges Handeln bei Erreichen des Fünfundzwanzigfachen der Grenzmenge - vergleichbar dem für wert- und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB - aufgrund des im § 28 Abs 4 Z 3 SMG zum Ausdruck kommenden Zusammenrechnungsgrundsatzes (13 Os 156/02, 14 Os 18/03, 14 Os 9/04, 13 Os 38/04, 14 Os 11/04) eine strafbare Handlung sui generis her, wird demnach bei gewerbsmäßigen, nicht nach § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG privilegierten Taten das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Satz (erster Fall) und Abs 4 Z 3 SMG, sonst aber das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 4 Z 3 SMG begründet, sodass bei gewerbsmäßigem Handeln die angesprochene Privilegierung für die Subsumtion maßgebend ist. Demnach spricht die Mängelrüge eine entscheidende Tatsache an, sodass nach Ansicht des erkennenden Senates dazu getroffene Feststellungen aus Z 5 bekämpfbar sind (vgl jedoch 12 Os 107/99, 15 Os 17/03, 11 Os 46/04). Die zur Ausnahme des § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG getroffene Negativfeststellung, wonach der Angeklagte "diese Suchtgiftverkäufe und Transportfahrten nicht durchführte, um sich den eigenen Suchtgiftkonsum zu ermöglichen bzw überwiegend zu finanzieren" (US 8), entbehrt, wie die Mängelrüge zutreffend kritisiert, einer Begründung (Z 5 vierter Fall).

Dazu kommt, dass das Schöffengericht die für eine Subsumtion nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Satz (erster Fall) SMG notwendige Feststellung, wonach es dem Angeklagten darauf angekommen sei, sich durch wiederkehrendes Inverkehrsetzen einer jeweils großen Menge (das ist die in § 28 Abs 2 SMG bezeichnete Tat) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (13 Os 8/98, 11 Os 44/00, 15 Os 52/00, 13 Os 1/04 uva), nicht getroffen hat, sodass die Subsumtion der zu I genannten Taten nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG einer tatsächlichen Grundlage entbehrt (Z 10; vgl US 5, 8 f). Bloßer Wille (vgl § 5 Abs 1 StGB) genügt dazu nicht.

Gleichermaßen zutreffend erweist sich die Kritik daran, dass das Schöffengericht angesichts des die Wertgrenze des § 20a Abs 2 Z 1 StGB nicht übersteigenden Abschöpfungsbetrages von 7.500 Euro die Prüfung der dort erwähnten Präventionserfordernisse vollends unterlassen hat (Z 11 dritter Fall; 15 Os 72/03). Auch das Abschöpfungserkenntnis war daher aufzuheben.

Da angesichts der vorliegenden Nichtigkeitsgründe die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, konnte bereits bei der nichtöffentlichen Beratung entschieden werden (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).

Rechtssätze
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