JudikaturJustiz12Os65/19d

12Os65/19d – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Richard P***** (nunmehr: Markus H*****) wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 4. Dezember 2018, GZ 21 Hv 61/18s-29, sowie über dessen Beschwerden gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung und gegen den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 16. April 2019, GZ 21 Hv 61/18s-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Richard P***** (nunmehr: Markus H*****) des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in H***** im Zeitraum von 12. April bis 4. Mai 2018 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, Hans P***** durch gefährliche Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und der gesellschaftlichen Stellung zu einer Handlung, nämlich der Übergabe von 65.000 Euro zu nötigen versucht, (US 42, 47:) die Hans P***** am Vermögen schädigen sollte, indem er ihm mehrere Schreiben mit dem sinngemäßen Inhalt übermittelte, wenn er ihm nicht 65.000 Euro übergebe, werde er gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch Anzeige wegen schweren Betrugs, Abgabenhinterziehung, illegaler Prostitution, Menschenhandel und Drogenhandel erstatten, weil er unter anderem seine Ex-Frau bei der Scheidung um mehr als 300.000 Euro betrogen und als Unternehmer über einen Zeitraum von 30 Jahren Steuern hinterzogen habe, es seien mit dem gegen ihn dadurch eingeleiteten Strafverfahren hohe Kosten verbunden, er werde zu hohen Schadenersatzzahlungen, Geldstrafen und mehrjährigen Haftstrafen verurteilt werden, sämtliche seiner Vermögenswerte würden exekutiert und das Haus versteigert werden, wodurch er mit seiner jetzigen Familie mittellos „auf der Straße sitzen“ und „beim Gericht und beim Finanzamt einen so hohen Schuldenberg“ haben werde, dass er bis an sein Lebensende auf das Existenzminimum gepfändet und es ihn schlussendlich gesellschaftlich und wirtschaftlich ruinieren werde.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. April 2019 (ON 45) wies die Vorsitzende des Schöffengerichts den Antrag des Angeklagten auf Protokollberichtigung gemäß § 271 Abs 7 StPO ab.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Angeklagten (ON 46).

Gegen das Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert das Fehlen von Beweisaufnahmen, insbesondere durch Vernehmung der Zeuginnen Maria P***** und Caroline E***** dazu, ob Hans P***** „ein geachtetes Mitglied der Gesellschaft“ sei. Damit scheitert die Rüge schon am Fehlen eines Antrags in der Hauptverhandlung (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 302, 327 ff). Das Vorliegen eines solchen wird (auch im Antrag auf Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls) nicht behauptet.

Die Mängelrüge vermag mit ihrer Kritik, das Schöffengericht habe sich mit für den Angeklagten günstigen Verfahrensergebnissen nicht auseinandergesetzt, keine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) aufzuzeigen. Denn die Tatrichter haben – entgegen dem Beschwerdevorwurf – die Einlassung des Angeklagten, er habe seinen Vater nur an eine bereits im Jahr 2011 getroffene Vereinbarung über die vorzeitige Auszahlung des Pflichtteils erinnern wollen und das „Angebot“ habe sich darauf bezogen, bei einer vorzeitigen Auszahlung des Pflichtteils „auf die Hälfte des Erbanteils zu verzichten“, und die Aussagen der Zeuginnen Maria P***** und Caroline E***** in eingehender Beweiswürdigung berücksichtigt und dargelegt, aufgrund welcher Beweisergebnisse sie anhand welcher Überlegungen die leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt erachteten (US 42 ff). Dabei waren sie – dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – nicht verhalten, im Urteil den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen des Beschwerdeführers und von Zeugen im Einzelnen zu erörtern und daraufhin zu untersuchen, wie weit jede einzelne Angabe für oder gegen diese oder jene Darstellung spricht (RIS-Justiz RS0106642).

Die kritisierte Unvollständigkeit der Beweiswürdigung (Z 5 zweiter Fall) durch stillschweigendes Übergehen des Inhalts des Briefs vom 24. April 2018 (US 15: „... Du wolltest mir meinen Pflichterbanteil vorzeitig auszahlen, im Gegenzug ich dafür auf 50 % des Pflichterbanteils verzichte ...“), aus dem sich eine in der Vergangenheit getroffene Vereinbarung ergäbe, liegt nicht vor, weil sich das Erstgericht auch damit auseinandersetzte (vgl US 42 ff). Im Übrigen bringt der Beschwerdeführer – entgegen dem Erfordernis der Beachtung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0116504) – das relevierte Zitat unvollständig (und dadurch sinnentstellend) zur Darstellung, lautet doch die vollständige Textpassage „Ich habe Dich in meinem Schreiben vom 10. 04. 2018 höflich und sachlich darum ersucht, Du wolltest mir meinen Pflichterbanteil vorzeitig auszahlen ...“ (US 15; ON 2 S 21).

Entgegen dem weiteren Vorwurf von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter auch den Brief des Angeklagten vom 4. Mai 2018 (US 29 ff; ON 2 S 39 ff) nicht mit Stillschweigen übergangen (vgl insb US 43 und 47). Dass das Schöffengericht den Inhalt dieses Briefs in Betreff der subjektiven Tatseite nicht im vom Beschwerdeführer gewünschten Sinn interpretierte, vermag Nichtigkeit nicht zu begründen (vgl RIS-Justiz RS0099455, RS0114524).

Soweit die Mängelrüge Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) mit dem Vorbringen behauptet, in dem in den Urteilskonstatierungen wiedergegebenen Brief vom 4. Mai 2018 (US 29 ff) werde das Fehlen der „inneren Tatseite“ zum Ausdruck gebracht, übersieht sie, dass ein Urteil dann aktenwidrig ist, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt, wohingegen der Vorwurf an die Tatrichter, daraus statt der vertretbarerweise gezogenen Schlüsse nicht andere abgeleitet zu haben, bloß unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung darstellt (RIS-Justiz RS0099431 [T2]).

Der von der Mängelrüge „aus advokatorischer Vorsicht“ relevierte innere Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen den beweiswürdigenden Erwägungen, wonach der Angeklagte in seinen Briefen klar zu erkennen gegeben habe, dass er seinem Vater etwas „anbietet“ (US 45), und jenen, wonach er die Auszahlung von 65.000 Euro gefordert habe (US 46 f), liegt bei gebotener Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 42 ff; erneut RIS Justiz RS0116504) nicht vor. Denn durch die Hervorhebung des Wortes „anbieten“ mittels Anführungszeichen (vgl US 45) haben die Tatrichter – in Zusammenhalt mit den weiteren Erwägungen zum Bedeutungsinhalt der Äußerungen (US 43) sowie zur „Gesamtschau“, zur „Tonart“ der Briefe und zur wahren, dahinter stehenden Intention des Angeklagten (US 46 f) – klar zum Ausdruck gebracht, dass sie „anbieten“ im Sinn einer Forderung zur (durch die geäußerten Drohungen veranlassten) Übergabe von 65.000 Euro verstanden.

Indem die Mängelrüge unter dem Titel „subjektive Empfindung der Äußerungen durch Hans P*****“ eine unvollständige Begründung (Z 5 zweiter Fall) behauptet, erweist sie sich bereits mangels konkreter Bezugnahme auf die davon betroffenen Feststellungen als nicht prozessordnungskonform ausgeführt (vgl RIS-Justiz RS0130729). Im Übrigen finden sich die als fehlend bemängelten Erwägungen der Tatrichter zum Inhalt des Briefs des Angeklagten vom 4. Mai 2018, zur Aussage des Tatopfers in der Hauptverhandlung, zu dessen Schreiben vom 14. August 2018 und zur eidesstättigen Erklärung des Hans P***** vom 26. September 2018 auf den US 42 ff. Soweit der Beschwerdeführer vermeint, es sei aus diesen Beweisergebnissen ersichtlich, dass lediglich eine „Meinungsverschiedenheit zwischen Vater und Sohn“ bestanden habe, die „aus ungünstigen Umständen“ behördenkundig geworden sei, zeigt er keinen Begründungsfehler auf, sondern argumentiert nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0099455).

Mit dem Beschwerdevorbringen, im Schreiben des Hans P***** vom 14. August 2018 und in dessen eidesstättiger Erklärung vom 26. September 2018, wonach er sich „nicht genötigt, bedroht bzw erpresst erachtet“ habe, werde das Gegenteil der Urteilskonstatierungen zum Ausdruck gebracht, wird eine Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) nicht einmal behauptet (vgl erneut RIS-Justiz RS0099431).

Indem die Mängelrüge unter isolierter Hervorhebung einer Textpassage („... habe vollen Anspruch auf meinen Erbteil ...“) des – in den Urteilskonstatierungen vollständig zitierten – Briefs vom 4. Mai 2018 (US 32) eine unvollständige Begründung (Z 5 zweiter Fall) der Feststellung zum Wissen des Beschwerdeführers über die Fälligkeit des Pflichtteils erst bei Tod des Erblassers (US 42) behauptet, übersieht sie, dass dieses als übergangen gerügte Beweisergebnis das konstatierte Wissen gar nicht anspricht, weshalb es sich als nicht gesondert erörterungsbedürftig erweist (vgl RIS-Justiz RS0098646 [T8]). Die erstgerichtlichen Erwägungen zum Wissen des Beschwerdeführers über die Fälligkeit des Pflichtteils erst bei Tod des Erblassers finden sich im Übrigen auf US 48.

Selbiges gilt für den Vorwurf, das Erstgericht habe die – in der Beschwerde nur isoliert hervorgehobenen (vgl hingegen RIS-Justiz RS0116504) – Textpassagen in den Briefen vom 19. April und vom 4. Mai 2018 nicht beweiswürdigend berücksichtigt (Z 5 zweiter Fall), obwohl diese gegen den konstatierten Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz des Angeklagten sprächen. Denn die relevierten Textteile beinhalten, neben teils völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Satzfragmenten, bloß hypothetische Überlegungen des Beschwerdeführers über dessen in der Vergangenheit allenfalls zu gering entlohnte Arbeitsleistungen durch das Tatopfer und eine von ihm als zu niedrig erachtete Zahlung an Maria P***** im Scheidungsverfahren. Ein Entfall des Vorsatzes auf unrechtmäßige Bereicherung erfordert einen rechtsgültigen und fälligen Anspruch (oder einen darauf bezogenen Irrtum) des Täters (vgl Eder-Rieder in WK 2 StGB § 144 Rz 31), worauf sich aber die als übergangen monierten Beweisergebnisse nicht beziehen, weshalb sie auch nicht gesondert erörterungsbedürftig waren (vgl erneut RIS-Justiz RS0098646).

Mit dem Beschwerdeeinwand eines inneren Widerspruchs (Z 5 dritter Fall) zwischen den – durch wörtliche Zitierung der Briefe vom 24. und 27. April 2018 erfolgten – Feststellungen „... Du wolltest mir meinen Pflichterbanteil vorzeitig auszahlen ...“ (US 15) sowie „... Du wolltest mir die Hälfte meines Pflichterbanteils vorzeitig auszahlen ...“ (US 19), die auf eine in der Vergangenheit erfolgte Vereinbarung hinweisen würden, und der Erwägung, wonach der Angeklagte in seinen Briefen klar zu erkennen gab, dass er seinem Vater etwas „anbiete“ und mit keinem Wort Bezug auf ein bereits gemachtes Versprechen genommen hat (US 45), bekämpft der Beschwerdeführer der Sache nach bloß beweiswürdigend die Ableitung des Bedeutungsinhalts aus dem Wortlaut in den Briefen durch die Tatrichter. Dass diese offenbar unzureichend begründet ist (Z 5 vierter Fall), behauptet er nicht.

Der kritisierte innere Widerspruch (Z 5 dritter Fall) der beweiswürdigenden Erwägung, wonach die Aussage des Angeklagten, er habe seinen Vater in den Briefen nur an eine bereits im Jahr 2011 gemachte Zusage auf vorzeitige Auszahlung des Pflichtteils erinnern wollen, als Schutzbehauptung zu werten sei (US 45), mit jener, wonach der Angeklagte bereits im Verfahren des Landesgerichts Steyr wegen bedingter Entlassung die Auszahlung eines Teils seines Erbes von 500.000 Euro erwähnt habe (US 46), liegt nicht vor, weil die bloße Erwähnung der Auszahlung eines Erbteils und die Verneinung einer in der Vergangenheit getroffenen Vereinbarung über die vorzeitige Auszahlung des Pflichtteils nach Maßgabe von Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen durchaus nebeneinander bestehen können (vgl RIS-Justiz RS0117402).

Weshalb zwischen den beweiswürdigenden Erwägungen zum Wissen des Angeklagten über die Fälligkeit des Pflichtteilsanspruchs erst bei Tod des Erblassers (US 48) und der festgestellten Textpassage eines Briefs des Angeklagten an das Tatopfer betreffend den Vorschlag zur vorzeitigen Auszahlung des Pflichtteils (US 33) ein innerer Widerspruch (Z 5 dritter Fall) bestehen soll, ist nicht nachvollziehbar.

Entgegen der weiteren Kritik der Mängelrüge sind die Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall). Denn der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen ist rechtsstaatlich vertretbar und bei (wie hier) leugnenden Angeklagten methodisch meist nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116882).

Das Vorbringen, die beweiswürdigenden Erwägungen zu den vom Tatopfer durch die drohende Anzeigenerstattung tatsächlich befürchteten Anwaltskosten (US 44) seien angesichts dessen Aussage, über eine Rechtsschutzversicherung zu verfügen, „logisch nicht nachvollziehbar“ (Z 5 vierter Fall), spricht keinen für den Ausspruch über die Schuld und die Subsumtion erheblichen Umstand an (vgl RIS-Justiz RS0092102, RS0117264; Eder Rieder in WK 2 StGB § 144 Rz 15).

Die als fehlend (Z 5 vierter Fall) monierte Begründung der – im Übrigen keine entscheidende Tatsache betreffenden – Konstatierung, wonach das Tatopfer aufgrund der in den Briefen in Aussicht gestellten Anzeigen anwaltliche Hilfe in Anspruch nahm (US 41), findet sich auf US 43. Die weiteren Beschwerdeausführungen, es fehle an einer Begründung, von welchem Motiv des Tatopfers zur Konsultierung eines Rechtsanwalts der Angeklagte ausgegangen sei, sind ebenfalls mangels Relevanz für die Lösung der Schuld und der Subsumtionsfrage einer Anfechtung aus Z 5 entzogen (vgl RIS-Justiz RS0117499 [T2]).

Mit der Behauptung offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der konstatierten Befürchtung des Hans P*****, dass aufgrund „dieser Ermittlungen sein bis dato tadelloser Ruf in seinem gesellschaftlichen und sozialen Umfeld ruiniert wird und er die Achtung seiner Mitmenschen verliert“ (US 41), spricht die Mängelrüge erneut keine entscheidende Tatsache an (vgl RIS-Justiz RS0117264, RS0092102). Im Übrigen haben die Tatrichter diese Feststellung empirisch einwandfrei begründet (US 44).

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen sind auch die tatrichterlichen Erwägungen, die die Angaben des Hans P***** betreffend seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und gesellschaftlichen Stellung für glaubwürdig erachten (US 44), jedoch jenen zur (nicht entscheidenden) Frage, ob er die Drohungen ernst nahm – unter Darlegung von Kriterien logischen Denkens entsprechenden Gründen (US 43) – nicht folgen (US 43), unter dem Aspekt der Z 5 vierter Fall nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098372).

Soweit die Mängelrüge unter dem Titel „Bedeutungsgehalt des Vater-Sohn-Verhältnisses für die Erpressung“ und „Instrumentalisierung der Familie“ fehlende Begründung (Z 5 vierter Fall) moniert, sich dabei aber nur gegen beweiswürdigende Erwägungen (US 43, 45) wendet, entspricht sie nicht dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (vgl RIS-Justiz RS0130729 [T1]).

Die von der Rüge als unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) bekämpften Feststellungen, wonach der Angeklagte seinen Tatplan auch nach dem 5. Mai 2018 nicht aufgegeben hat, sondern weiterhin versuchte, von seinem Vater unter Androhung von Anzeigen Geld zu lukrieren (US 42), spricht keine entscheidende Tatsache (vgl RIS-Justiz RS0117264) an. Denn nach den weiteren erstgerichtlichen Konstatierungen scheiterte der Tatplan, weil das Tatopfer sich weigerte, den geforderten Geldbetrag zu zahlen und spätestens am 2. Mai 2018 anwaltliche Hilfe in Anspruch nahm (US 40, 49), wovon es den Angeklagten auch informierte (US 43). Rücktritt von einem (bereits) fehlgeschlagenen Versuch kommt aber schon begrifflich nicht in Betracht (vgl Hager/Massauer in WK 2 StGB §§ 15, 16 Rz 157; RIS-Justiz RS0090338, RS0090331).

Das eine „Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, dass den Äußerungen des Angeklagten nicht die Bedeutung zukam, seinen Vater an eine im Jahr 2010/2011 in Aussicht gestellte vorzeitige Auszahlung des Pflichtteils zu erinnern (US 41), behauptende Beschwerdevorbringen übergeht prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0119370), dass die Tatrichter ihre Annahme, die Angaben des Angeklagten seien als „klare Schutzbehauptung“ zu werten, logisch und empirisch einwandfrei auf dessen Eloquenz und juristische Versiertheit, den (eine derartige Zusage nicht ansprechenden) Wortlaut der Briefe und (auch) auf den persönlichen Eindruck vom Angeklagten in der Hauptverhandlung stützten (US 45).

Das konstatierte Wissen des Angeklagten von der Fälligkeit des Pflichtteilsanspruchs erst bei Tod des Erblassers (US 42) wurde – der Beschwerdekritik einer „Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) zuwider – ohne Verstoß gegen Kriterien logischen Denkens oder grundlegende Erfahrungssätze (vgl RIS-Justiz RS0108609) auf den Wortlaut der Briefe, in denen der Angeklagte von „vorzeitigem“ Auszahlen und „gesetzlicher Erbfolge“ sprach und auf die wiederholte Betonung von in Haft erworbenen Rechtskenntnissen, woraus die Tatrichter das Vorhandensein von zumindest Grundkenntnissen im Erbrecht schlossen (US 48), gestützt.

Die Ableitung der Feststellung zum Vorsatz des Angeklagten, sich unrechtmäßig zu bereichern (US 42), aus dem äußeren Geschehensablauf ist entgegen dem Vorbringen fehlender oder offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116882). Soweit der Beschwerdeführer den tatrichterlichen Erwägungen (US 47) teils eigene beweiswürdigende Überlegungen („aus all den gegenständlichen Schreiben ist kein Vorsatz auf eine Unrechtmäßigkeit der Bereicherung erkennbar“), teils urteilsfremde Annahmen (zu einem vermeintlichen Schadenersatzanspruch oder offenen Forderungen aus früheren Tätigkeiten für das Tatopfer) entgegenhält, bekämpft er nur erneut – im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässig – die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Wenn die Mängelrüge Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) behauptet und diese – basierend auf dem in der Beschwerde gegen die Abweisung des Protokollberichtigungsantrags (ON 46) erhobenen Vorwurf – darauf stützt, die fehlerhafte Protokollierung der Aussage des Angeklagten, wonach sein Vater gegenüber der Mutter und der Schwester erklärt habe, sich durch die Briefe des Angeklagten unter Druck gesetzt gefühlt zu haben (ON 24 S 6), sei (auch) im Urteil unrichtig wiedergegeben worden (US 43), weil der Angeklagte tatsächlich ausgesagt habe, sein Vater hätte erklärt, sich nicht unter Druck gesetzt gefühlt zu haben, verfehlt sie ihr Ziel.

Aktenwidrig sind die Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben (RIS-Justiz RS0099547). Für den Tatbestand der Erpressung ist nicht entscheidend, dass die Drohung beim Bedrohten tatsächlich eine Besorgnis erweckt. Entscheidend ist vielmehr, ob sie dem Bedrohten als ernst gemeint und verwirklichbar erscheinen sollte (vgl Eder-Rieder in WK 2 StGB § 144 Rz 15; RIS-Justiz RS0092102). Der Umstand, ob sich das Tatopfer unter Druck gesetzt fühlte, stellt daher keine entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0117264) dar, weshalb der Vorwurf der Aktenwidrigkeit ins Leere geht.

Im Übrigen ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, dass die Tatrichter die Feststellung, die Drohung mit Anzeigen stelle nicht den üblichen Umgangston zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer dar (US 40), auf die vernetzte Betrachtung mehrerer Beweisergebnisse stützten (vgl US 43: auf die Angaben des Opfers vor der Kriminalpolizei, die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe durch das Opfer, Äußerungen des Opfers in Richtung des Angeklagten, auf die im Brief des Angeklagten vom 4. Mai 2018 Bezug genommen wird) und den unter dem Aspekt der Aktenwidrigkeit kritisierten Teil der Aussage des Angeklagten erkennbar (vgl US 43: „Zuletzt ist jedoch auch noch auf die gerichtliche Aussage des Angeklagten selbst ... zu verweisen“) nicht als notwendige Bedingung für die inkriminierte Feststellung erachtet haben (vgl RIS-Justiz RS0116737 [insb T5]).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet die Eignung der Drohungen, begründete Besorgnis einzuflößen, indem sie den vom Schöffensenat (als Tatfrage – RIS-Justiz RS0092588 [T26]) konstatierten Bedeutungsinhalt der Äußerungen (nämlich die Androhung einer Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und der gesellschaftlichen Stellung zum Nachteil des Hans P***** – US 40 f) eigenständig gegenteilig interpretiert und dabei zum Ergebnis gelangt, es liege bloß eine milieubedingte Unmutsäußerung vor, und weiters die Konstatierung, wonach die Drohung mit Anzeigen nicht den üblichen Umgangston zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer darstellt (US 40), außer Acht lässt. Damit verfehlt sie aber die prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Die von der Beschwerde (Z 9 lit a) vermissten Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der schriftlichen Äußerungen des Angeklagten finden sich auf den US 40 f.

Die freiwilligen Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet, der Angeklagte habe das zunächst mit 30. April 2018 festgesetzte Fristende auf den 7. Mai 2018 verschoben und vor Ablauf dieser Frist freiwillig von der Tatausführung Abstand genommen und das „Gespräch über die Anzeige auch nicht als ernstlich verstanden wissen“ wollen. Damit orientiert sie sich prozessordnungswidrig (erneut RIS-Justiz RS0099810) nicht am Urteilssachverhalt. Demnach wollte der Angeklagte die abgegebenen Äußerungen als ernst verstanden wissen, jedoch scheiterte der Erpressungsversuch an der Weigerung des Hans P*****, den geforderten Betrag zu bezahlen, und daran, dass sich dieser stattdessen spätestens am 2. Mai 2018 an seinen Rechtsanwalt wandte, wovon er den Angeklagten informierte (US 40, 43, 49). Inwiefern bei dieser Konstellation eines fehlgeschlagenen Versuchs dennoch ein strafbefreiender Rücktritt rechtlich möglich sein soll, leitet die Rüge nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (vgl Hager/Massauer in WK 2 StGB §§ 15, 16 Rz 157 ff mwN; RIS-Justiz RS0090331).

Die Subsumtionsrüge (Z 10), die sich gegen die Annahme der Qualifikation nach § 145 Abs 1 Z 1 StGB wendet, indem sie das Fehlen von „konkreten Sachverhaltsfeststellungen zur individuellen Prüfung“ des Vorliegens einer Drohung mit einer Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und der gesellschaftlichen Stellung behauptet und releviert, dass die Ankündigung einer Strafanzeige die Voraussetzungen der Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung im Allgemeinen nicht erfüllt, orientiert sich erneut prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit des im Urteil festgestellten Sachverhalts (RIS-Justiz RS0099810).

Denn das Erstgericht hat im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz“ durchaus konkrete Feststellungen sowohl zum objektiven Sachverhalt (wirtschaftliche Verhältnisse des Tatopfers sowie zu befürchtende Höhe des Vermögensschadens [vgl RIS-Justiz RS0131845]) als auch zum darauf bezogenen Vorsatz des Angeklagten (vgl RIS Justiz RS0094007) getroffen (US 41, 44). Unter weiterer Berücksichtigung der Konstatierungen zum Alter des 75 jährigen Tatopfers, dessen Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder sowie im Raum stehender Abgabennachzahlungen und ergänzender Zahlungen im Zusammenhang mit einem Aufteilungsverfahren (US 41), wird nicht klar, weshalb diese Tatsachengrundlage für die Subsumtion nach § 145 Abs 1 Z 1 StGB nicht ausreichen sollte.

Die in § 145 Abs 1 Z 1 StGB weiters angeführte Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung stellt eine der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz rechtlich gleichwertige Begehungsform dar (RIS-Justiz RS0092959 [T2]), sodass sich ein Eingehen darauf erübrigt, ob durch das angedrohte Übel fallbezogen auch diese Qualifikation verwirklicht wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde der Vorsitzenden des Schöffengerichts (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Damit ist auch die gegen den Beschluss vom 16. April 2019 auf Abweisung des Protokollberichtigungsantrags (ON 45) gerichtete Beschwerde (ON 46), der es betreffend der Beschwerdepunkte 1. und 2. bereits an der Bezeichnung jener Stellen mangelt, an denen das Hauptverhandlungsprotokoll zu ergänzen wäre (vgl Danek , WK-StPO § 271 Rz 48; RIS-Justiz RS0098663) und die sich betreffend Beschwerdepunkt 3. auf keine für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde wesentlichen Umstände bezieht (siehe dazu die Ausführungen bei Erledigung der Mängelrüge [Z 5 fünfter Fall] des Beschwerdeführers), erledigt, ohne dass es einer inhaltlichen Antwort bedurft hätte (RIS-Justiz RS0126057 [T1 f], RS0120683).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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