JudikaturJustiz12Os45/04

12Os45/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. August 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Finster als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Karl S*****, Johann H***** und Günther H***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 10. November 2003, GZ 42 Hv 79/02i 85, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, der Angeklagten Karl S*****, Johann H***** und Günther H***** sowie ihrer Verteidiger Dr. Dohr, Dr. Gries und Mag. Bischof zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung des Angeklagten H***** wird teilweise Folge gegeben und die Höhe des Tagessatzes auf 60 EUR herabgesetzt.

Im Übrigen wird seiner Berufung sowie den Berufungen der Angeklagten S***** und H***** nicht Folge gegeben.

Den Angeklagten S*****, H***** und H***** fallen auch die Kosten des Rechtmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (ua) die Angeklagten Karl S*****, Johann H***** und Günther H***** - abweichend von der jeweils auf das Vergehen der Bestechung nach § 307 Abs 1 Z 1 StGB lautenden Anklage (richtig:) der Vergehen der Bestechung nach § 307 Abs 2 (zu ergänzen:) Z 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben Karl S*****, Johann H***** und Günther H***** (zusammenfassend dargestellt) Beamten für die pflichtgemäße Vornahme von Amtsgeschäften, nämlich die Abwicklung von Genehmigungen gemäß § 33 Abs 2 und Abs 3 KFG, Schmiergeldzahlungen, mithin einen Vorteil, gewährt und zwar

B/l. Karl S***** seit 1993 in vielfachen und von 2001 bis Mai 2002 in 127 Fällen in Weikersdorf und anderen Orten dem gesondert verfolgten Amtssachverständigen der Niederösterreichischen Landesregierung Bernd H*****, teilweise auch dessen Vertretern, bis zu 36,33 EUR (500 S) pro Fall;

D) dem abgesondert verfolgten Amtssachverständigen der Niederösterreichischen Landesregierung Günther K*****, teilweise auch dessen Vertretern oder mit der Terminvergabe betrauten Vertragsbediensteten,

1. Johann H***** in der Zeit von 1997 bis Mai 2002 in vielfachen Angriffen bis zu 66 EUR (900 S) pro Fall;

2. Günther H***** in der Zeit von 1992 bis Mai 2002 in vielfachen Angriffen bis zu 72,67 EUR (1.000 S) pro Fall.

Rechtliche Beurteilung

Die sie betreffenden Schuldsprüche bekämpfen der Angeklagte Karl S***** mit einer ausschließlich auf die Z 9 lit a, der Angeklagte Johann H***** mit einer auf die Z 9 lit a und l0a und der Angeklagte Günther H***** mit einer auf die Z 9 lit a, 9 lit b sowie l0a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, von denen keiner Berechtigung zukommt.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes waren Personen- und Lastkraftwagen zwecks Erlangung von Einzelgenehmigungen gemäß § 33 KFG und Anzeigen von technischen Änderungen beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Abteilung WSTB, vorliegend bei der Prüfstelle Weikersdorf, dem Prüfteam, bestehend aus einem Amtssachverständigen, einem Mechaniker und einer Schreibkraft, vorzuführen. Die Terminvereinbarung erfolgte jeweils mit einem Schalterbeamten oder dem Amtssachverständigen, wobei im Normalfall Wartezeiten bis zu drei Wochen zu gewärtigen waren und Anträge - abgesehen von Fällen begründeter Dringlichkeit oder bei Ausfall anderer Termine grundsätzlich nach der Reihenfolge ihres Einlangens bearbeitet wurden (US 14 f).

Die Angeklagten S*****, H***** und H***** gaben während des im Urteilsspruch genannten Zeitraums mehrmals monatlich anlässlich jeder einzelnen Typisierung eines Fahrzeuges Geldgeschenke an die jeweils bearbeitenden Beamten, damit diese jeweils das beantragte Amtsgeschäft im Rahmen der Vorschriften zügig und positiv bearbeiten. Den Angeklagten ist es dabei nach Überzeugung des Erstgerichts nicht auf ein (pflichtwidriges) Vorziehen ihrer Anträge angekommen, sondern nur darauf, dass sie dem für sie (ausschließlich) zuständigen Beamten „in sympathischer Erinnerung bleiben“ (US 17 f).

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht das negative Tatbestandsmerkmal des nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteils im Sinn des § 307 Abs 2 StGB, weil die über mehrere Jahre gewährten, gleichartigen Geldzuwendungen an jeweils denselben Beamten aus immer demselben Anlass, nämlich der Vornahme von Typisierungen, bei allen Angeklagten von einem einheitlichen Bestechungsvorsatz getragen waren, weshalb die (nur bei isolierter Betrachtung als jeweils gering zu wertenden) Einzelbeträge zusammenzurechnen sind.

Dagegen richtet sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) sämtlicher Beschwerdeführer mit dem auf - sich ihrerseits auf ein obiter dictum, wonach ausnahmsweise bei mehreren aus einem einheitlichen (Bestechungs ) Vorsatz und demselben Anlass (vom selben Geschenkgeber) gewährten Geschenken ein (die Geringfügigkeitsgrenze allenfalls überschreitender) Gesamtwert zu ermitteln ist (EvBl 1991/33), berufenden - Meinungen Bertels (WK 2 § 304 Rz 30 f) und Zaglers (Triffterer StGB Komm III § 304 Rz 32) gestützten Argument, die Geldgeschenke seien vorliegend jeweils für selbständige Amtsgeschäfte, somit eben nicht aus demselben Anlass, gewährt worden, demnach nicht zusammenzurechnen, weshalb der Tatbestand infolge jeweils nur geringfügiger Vorteile nicht erfüllt sei.

Das in dieser Form aus dem Gesetzeswortlaut nicht ableitbare Beschwerdevorbringen übersieht zunächst, dass der von der zitierten Rechtsprechung als Grenze der Geringfügigkeit angenommene - vorliegend in einzelnen Bestechungsfällen ohnehin erreichte - Betrag von 1.000 S (72,67 EUR) nicht als starre Obergrenze zu sehen ist, die Frage, ob Zuwendungen noch als geringfügig zu werten sind, daher stets nur auf Grund einer fallbezogenen Prüfung beantwortet werden kann.

Nach den Urteilskonstatierungen wurden die Schmiergeldzahlungen auf die immer gleiche Weise, geradezu systematisch gewährt; da somit die Geschenkgeber den Tatentschluss nicht anlässlich jeder einzelnen Typisierung neu fassten, sondern eine (zumindest stillschweigende) Vereinbarung mit den für sie zuständigen Beamten bestand, sie demnach mit von vornherein auf die (noch nicht absehbare) Summe der einzelnen Geschenke gerichtetem Vorsatz handelten, haftet der erstgerichtlichen Zusammenrechnung der solcherart aus jeweils ein- und demselben Anlass (gleichsam institutionalisiert) gewährten Geldzuwendungen, wodurch jeder der Täter pro Jahr einem Beamten insgesamt einen Schillingbetrag in 5 stelliger Höhe zuwendete, ein rechtlicher Fehler nicht an (vgl SSt 44/20).

Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass die von den Beschwerdeführern vertretene Rechtsansicht im vorliegenden Fall angesichts der zwar nicht exakt bestimmbaren, nach den Urteilsannahmen aber jedenfalls beträchtlichen Gesamtsumme der Bestechungsgelder zu einem den Intentionen des Gesetzes zuwiderlaufenden Ergebnis führte, das mit dem unmissverständlich bloß für den Fall geringfügigen Fehlverhaltens beabsichtigten Ausschluss des Tatbestandes nicht in Einklang zu bringen wäre.

Der darüber hinaus vom Angeklagten Günther H***** erhobene Einwand fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite setzt sich über bereits oben wiedergegebene Urteilskonstatierungen (US 18) hinweg und verfehlt daher eine prozessordnungsgemäße Darstellung.

Die Beschwerde des Angeklagten Günther H***** (Z 9 lit b), das Erstgericht habe zu Unrecht die Annahme des in § 307 Abs 2 letzter Halbsatz StGB normierten Entschuldigungsgrundes unterlassen, sei ihm doch auf Grund des enormen wirtschaftlichen Drucks, welcher sich aus der dreiwöchigen Wartezeit in Verbindung mit dem daraus resultierenden Nutzungsausfall der betroffenen Lastkraftwagen ergeben hätte, ein rechtstreues Verhalten nicht zuzumuten gewesen, weicht von den - im Übrigen in Einklang mit der eigenen Verantwortung (S 231/VI) getroffenen - Urteilsannahmen ab, wonach die inkriminierten Zuwendungen nicht zur Abwehr beträchtlicher Nachteile geleistet wurden, sondern vielmehr ausschließlich vom Ziel getragen waren, bei den zuständigen Beamten in „sympathischer Erinnerung“ zu bleiben, „damit diese das jeweilige beantragte Amtsgeschäft im Rahmen der einschlägigen Vorschriften zügig und positiv bearbeiten" (US 18).

Im Rahmen der von den Angeklagten Johann H***** und Günther H***** erhobenen Diversionsrüge (Z 10a) behaupten diese Beschwerdeführer, das Erstgericht habe ein Vorgehen nach dem IXa. Hauptstück der StPO zu Unrecht unter Berufung auf das Vorliegen schwerer Schuld iSd § 90a Abs 2 Z 2 StPO unterlassen. Ihre Argumentation versagt:

Denn bei der Prüfung der Diversionsvoraussetzung nach § 90a Abs 2 Z 2 StPO iS einer umfassenden Strafzumessungsschuld ist das Handlungs- und Erfolgsunrecht sowie der Gesinnungsunwert jeweils tat- und täterbezogen einer Bewertung zu unterziehen (vgl Schroll in WK StPO § 90a Rz 14 mwN). Fallbezogen zeigt sich dabei, dass angesichts der von Anfang an angestrebten, in Summe erheblichen Zuwendungen an Beamte ein erhebliches Erfolgsunrecht vorlag und mit Blick auf die Vielzahl von Angriffen auch das Handlungsunrecht von außergewöhnlich hoher Intensität war. Diese sich über lange Jahre hin erstreckende, planmäßig auf eine regelrechte Korrumpierung der von den Angeklagten in Anspruch genommenen Dienststelle abzielende Delinquenz manifestiert darüber hinaus einen besonders hohen Grad verwerflicher Gesinnung. Damit zeigt aber das Tatverhalten der Angeklagten eine im Vergleich mit den der Diversion unterliegenden Delikten auch unter Berücksichtigung des geringen Strafrahmens nach § 307 Abs 2 StGB von Anfang an bestehende schwere Schuld, welche eine diversionelle Erledigung nicht zulässt.

Dazu kommt, dass die Präventionsvoraussetzungen des § 90a Abs 1 StPO auf das inkriminierte Geschehen in seiner Gesamtheit abstellen; das Verhalten der Angeklagten ist daher umfassend - und damit auch die real konkurrierenden Straftaten miteinschließend - zu bewerten (vgl Schroll in WK StPO § 90a Rz 47; Schütz , Diversionsentscheidungen 72 f; 15 Os 117/01). Im vorliegenden Fall steht die Vielzahl der auf eine geradezu systematische Unterminierung der Verwaltung in diesem Bereich gerichteten deliktischen Angriffe über einen langen Zeitraum hindurch einer diversionellen Erledigung sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiven Erwägungen entgegen. Vielmehr gebietet das inkriminierte Verhalten eine förmliche Erledigung der Anklage durch Schuldspruch und Strafe, um einerseits den Angeklagten die Verwerflichkeit ihres Vorgehens vor Augen zu führen und um anderseits sowohl Beamte als auch die Öffentlichkeit von gesetzwidriger Einflussnahme auf das Verwaltungshandeln abzuhalten.

Damit erübrigt es sich, auf die darüber hinausgehenden Einwände einzugehen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten Karl S*****, Johann H***** und Günther H***** nach § 307 Abs 2 StGB jeweils zu Geldstrafen und zwar

Karl S***** zu 80 Tagessätzen zu je 44 EUR,

Johann H***** zu 100 Tagessätzen zu je 74 EUR und

Günther H***** zu 100 Tagessätzen zu je 31 EUR.

Dabei wertete es bei allen Genannten den langen Deliktszeitraum erschwerend; mildernd berücksichtigte es hingegen das Geständnis und den bisher untadeligen Lebenswandel.

Nur die Berufung des Angeklagten H***** ist zum Teil berechtigt.

Im Blick darauf, dass das Schöffengericht ohnedies bloß eine (in § 307 Abs 2 StGB alternativ angedrohte) Geldstrafe verhängte und die Zahl der Tagessätze im untersten Bereich festsetzte, sah sich der Oberste Gerichtshof zu einer Reduzierung der Anzahl der Tagessätze bei keinem der Berufungswerber bestimmt.

Der von den Rechtsmittelwerbern angestrebten bedingten oder teilbedingten Nachsicht der Geldstrafe stehen im Hinblick auf das Gesamtausmaß der Bestechungen einerseits und die Marginalität der ausgesprochenen Geldstrafe generalpräventive Überlegungen entgegen.

Zu Recht moniert hingegen der Angeklagte H***** die Höhe des bei einem monatlichen Einkommen von 2.600 EUR und Sorgepflichten für zwei Kinder im Alter von 25 und 18 Jahren mit 74 EUR bestimmten Tagessatzes seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechend auf 60 EUR zu reduzieren.

Mit den Berufungen war daher wie im Spruch ersichtlich zu verfahren.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

Rechtssätze
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