JudikaturJustiz12Os146/15k

12Os146/15k – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. April 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kühlmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Magomed Z***** wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 22. Juli 2015, GZ 15 Hv 4/14f 129, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Konfiskation aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen Konfiskationsausspruch und rechtskräftige Freisprüche (II./ und III./) enthaltenden Urteil wurde Magomed Z***** des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (I./) und mehrerer Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 StGB (IV./) schuldig erkannt.

Danach hat er in H***** und an anderen Orten

I./ sich als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an der terroristischen Vereinigung Ansar al-Sham beteiligt, deren Ziel die Begehung terroristischer Straftaten iSd § 278c Abs 1 StGB, unter anderem Mord, Körperverletzung nach den §§ 84 bis 87 StGB, erpresserische Entführung (§ 102 StGB), schwere Nötigung (§ 106 StGB), vorsätzliche Gemeingefährdungsdelikte, Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung von terroristischen Straftaten, durch ein oder mehrere Mitglieder der Vereinigung zwecks Errichtung eines „Gottesstaates“ war, indem er in dem Wissen, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbaren Handlungen förderte,

1./ in der Zeit zwischen Anfang August und Anfang Dezember 2013 in Syrien zumindest an bewaffneten Ausgängen teilnahm und Nahrungsmittel für die Organisation verteilte,

2./ im Juli 2014 800 US Dollar an einen Unbekannten alias „Dada“ zum Zwecke der Unterstützung der Kämpfer dieser radikal-islamistischen terroristischen Vereinigung überwies,

3./ durch Nachgenannte, jeweils an einen Empfänger übermittelte Nachrichten zusagte, zur aktiven Unterstützung terroristischer Ziele nach Syrien zurückzukehren sowie zum Terrorismus aufrief und diesen gut hieß, und zwar

a./ am 6. Dezember 2013 „Ohne Dschihad ist das kein Leben. Nachdem ich meine Augen in Ordnung bringe, komme ich zurück wenn Allah erlaubt.“

b./ am 29. Juli 2014 „Diejenigen, die gute Taten gemacht haben sind diejenige die schon gestorben sind. Man hofft, dass man einer von diesen wird.“,

c./ am 3. August 2014 „Insahallah Insahallah der Anas hat mit mir Kontakt aufgenommen. Und er hat gesagt, dass er es auch den Brüdern sagt und als ich gesagt habe, dass ich vor habe wieder dorthin zu kommen hat er gemeint, dass ich es sicher nicht bereuen werde. Du wirst es nicht bereuen. Du wirst alles hier selber sehen, sagt Anas. Anas sagte weiters, dass er eh die Brüder anschreibt, wobei er nicht verstehe, warum sie sich auf das verlassen, was die islamischen Wissenschaftler sagen. Diejenigen, die aufgehängt wurden waren Aleviten Schiiten, sie haben Kinder umgebracht und Herzen rausgenommen, sind ganz brutale Menschen gewesen. Es wurde eine Gruppe dafür vorbereitet um diese Leute zu fangen. Über solche Ereignisse redet man und macht aus einer Mücke einen Elefanten. Aber wenn man sich ein bisschen geduldet zeigt Allah im Nachhinein eh immer, dass es richtig war. Diejenigen die zwischen Doli und Ar Raqqah sind, also für diejenigen und wenn diese jemand angreift, sind wir bereit für diese zu sterben.“,

d./ am 11. August 2014 „Ich schlag vor, das Video I***** A***** S*****, A***** zum J***** anzuschauen.“ und „V***** ein M***** zu sein, dann bist du ein Löwe von Allah und nicht ein Kafir Hund. Das ist besser für dich in diesem und im anderen Leben.“;

IV./ sich zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis zum 31. August 2014 pornografische Darstellungen mündiger minderjähriger Personen verschafft und diese besessen, nämlich insgesamt drei wirklichkeitsnahe Abbildungen von geschlechtlichen Handlungen an mündigen minderjährigen Personen mit einer anderen Person und zwar Oralverkehr und Geschlechtsverkehr, sowie eine Abbildung der Genitalien und der Schamgegend einer mündigen minderjährigen Person, bei denen es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensumständen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl. Sie gibt aber Anlass zu amtswegigem Vorgehen in Bezug auf den Konfiskationsausspruch.

Zum Schuldspruch I./:

Der Verteidiger des Angeklagten hielt in der gemäß § 276a zweiter Satz StPO wiederholten Hauptverhandlung (ON 128) „sämtliche bisher gestellten und gerichtlich noch nicht erledigten bzw abschlägig erledigten Beweisanträge aufrecht“ und „wiederholt(e) diese dahingehend, dass er die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Länderkunde wiederholt so wie in der letzten Verhandlung“. Als Beweisthema fügte er an, dass „insbesondere die Einholung des Gutachtens beantragt wird, um festzustellen, dass die Gruppierung der „Ansar al-Sham“ keine terroristische Vereinigung darstellt und auch im Gebiet, in dem sich der Angeklagte aufgehalten hat, nicht terroristisch im Sinn der Ausführung terroristischer Straftaten tätig gewesen ist“ (ON 128 S 68 f).

Durch die Ablehnung dieses Beweisbegehrens wurden Verteidigungsrechte schon deshalb nicht beeinträchtigt, weil der Antragsteller nicht bekannt gab, welche für die Annahme einer terroristischen Vereinigung sprechenden Sachverhaltsgrundlagen durch das beantragte Gutachten in Zweifel gezogen werden hätten können und inwiefern eine länderkundige Expertise überhaupt Aufschlüsse zu Fragen des Terrorismus erwarten lasse. Solcherart zielte der Antrag auf einen in der Hauptverhandlung unzulässigen Erkundungsbeweis ab. Soweit der Beweisantrag auf fehlende terroristische Aktivitäten der „Ansar al-Sham“ in dem vom Angeklagten aufgesuchten Gebiet gerichtet war, ließ er überdies die Relevanz für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage nicht erkennen (zum Ganzen vgl RIS-Justiz RS0118444).

Die Begründung des den Beweisantrag ablehnenden Beschlusses steht nicht unter Nichtigkeitssanktion (RIS Justiz RS0121628), worauf die diesbezügliche Rechtsmittelkritik verwiesen werden kann.

Soweit der Beschwerdeführer auch einen anlässlich einer vorangegangenen Hauptverhandlung am 11. Februar 2015 (ON 111) gestellten Beweisantrag betreffend ein Sachverständigengutachten aus dem Fach der Zeitgeschichte in den Blick nimmt, fehlt ihm die erforderliche Beschwerdelegitimation. Denn dieses Begehren wurde in der neu durchgeführten (§ 276a zweiter Satz StPO) Hauptverhandlung am 21. Juli 2015 (ON 128) nicht wiederholt. Die Erklärung, Beweisanträge „aufrecht zu erhalten“, reicht insofern nicht aus (RIS-Justiz RS0099099).

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) kritisiert eine fehlende Beweisgrundlage der für die Subsumtion der „Ansar al-Sham“ als terroristische Vereinigung ausschlaggebenden Sachverhaltsannahmen, weil sich das Erstgericht ohne diesbezügliches Beweisverfahren bloß auf im Internet frei zugängliche Veröffentlichungen (unter anderem des „Institute for the Study of War“) gestützt habe. Die Beschwerde orientiert sich dabei jedoch nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370), die nämlich für die in Rede stehenden Konstatierungen auch die Angaben der Zeugen „Nr. 62“ des Landesamts für Verfassungsschutz (US 19 f), Mansur D***** und Ajub Is***** (US 20 f) ins Treffen führen. Im Übrigen gingen die Tatrichter, was die Bezugnahme auf die angesprochenen Interneteinträge betrifft, erkennbar von einer gerichtsnotorischen Tatsache aus, die gar keines förmlichen Beweisverfahrens bedarf. Dass der Beschwerdeführer von einer solchen ihm unbekannten Gerichtsnotorietät in unzulässiger Weise überrascht worden wäre, behauptet er allerdings nicht (vgl RIS-Justiz RS0119094).

In welchem (logisch nicht vereinbaren) Widerspruch die Konstatierungen stehen sollen, wonach es sich einerseits bei der „Ansar al-Sham“ um eine terroristische Vereinigung gehandelt habe, die andererseits (ua durch den Angeklagten) für eigene Mitglieder und Opfer des (feindlichen vgl US 5) „Assad-Regimes“ humanitäre Dienste verrichtet habe, wird nicht klar.

Welchen Zweck eine dem Angeklagten gar nicht angelastete Ausreise aus Syrien und Einreise nach Österreich im Dezember 2013 hatte, ist nicht entscheidend, sodass die Kritik an der Annahme, die Reisebewegung sei wegen einer geplanten augenärztlichen Behandlung erfolgt (US 6 f), dahingestellt bleiben kann.

Soweit die Beschwerde die auf Basis vernetzter Betrachtung der Beweisergebnisse gewonnenen Schlussfolgerungen der Tatrichter betreffend die Überweisung von 800 USD an die Kämpfer der „Ansar al-Sham“ (Faktum I./2./) pauschal als „unklar“, „undeutlich“ und „nichtigkeitsbegründend“ kritisiert, eine unterbliebene „nähere Auseinandersetzung“ mit der Person namens „Dada“ bemängelt und eigene Beweiswerterwägungen hinsichtlich der diesbezüglichen Einlassung des Angeklagten sowie einer Gesprächsaufzeichnung anstellt, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Der Einwand fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite trifft nicht zu (vgl dazu nämlich US 21 f). Im Übrigen hat das Erstgericht vorsätzliches Handeln des Angeklagten iSd § 278b Abs 2 StGB iVm § 278 Abs 3 StGB auch aus objektiven Umständen abgeleitet, was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (RIS-Justiz RS0116882).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) scheitert mit ihrem Vorbringen zu angeblich fehlenden Feststellungen zu den Voraussetzungen eines Tatbestandsausschlusses nach § 278c Abs 3 StGB (zur dogmatischen Einordnung vgl Plöchl in WK 2 StGB § 278c Rz 21) daran, dass sie die Urteilsannahmen zur Zielsetzung der in Rede stehenden Vereinigung (US 5) ignoriert (RIS-Justiz RS0099810). Bleibt (unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall) lediglich der Vollständigkeit halber anzumerken, dass der Beschwerdeführer auch keine vom Erstgericht übergangenen Verfahrensergebnisse nennt, die in die Richtung weisen, dass die Gruppierung „Ansar al-Sham“ auf die Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten ausgerichtet war.

Die weitere Beschwerde bringt vor, die dem Angeklagten laut I./3./a./ bis d./ des Urteilsspruchs angelasteten Äußerungen seien, soweit diesen auch ein Bedeutungsinhalt in Richtung eines „Gutheißens“ terroristischer Ziele beigemessen wurde, vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und daher nicht tatbildlich. Dazu ist voranzustellen, dass wiederholte, gleich- oder verschiedenartige Beteiligungen (§ 278b Abs 2 StGB iVm § 278 Abs 3 StGB) des Täters an derselben terroristischen Vereinigung eine tatbestandliche Handlungseinheit darstellen, die im Sinn einer Tatbestandsverwirklichung dem § 278b Abs 2 StGB zu unterstellen ist (RIS-Justiz RS0124166; Plöchl in WK 2 StGB § 278 Rz 71, § 278b Rz 17). Daraus folgt, dass mit der Bekämpfung einzelner (hier:) Beteiligungshandlungen solange dadurch die rechtliche Beurteilung nicht tangiert wird keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache angesprochen wird (RIS-Justiz RS0122006 [T6]; RS0120233 [T9]). Das ist hier der Fall, weil sich die Beschwerde nur gegen einen Teil des dem Angeklagten angelasteten Tatgeschehens (I./1./ bis I./3./d./) richtet. Da selbst bei Wegfall der in Zweifel gezogenen Fakten I./3./a./ bis d./ die vorliegende Subsumtion im Hinblick auf den zu I./3./a./ bis d./ weiters angenommenen Bedeutungsinhalt der jeweiligen Äußerungen des Angeklagten, wonach er zur aktiven Unterstützung terroristischer Ziele nach Syrien zurückkehren werde (vgl dazu RIS-Justiz RS0129800; Plöchl in WK 2 StGB § 278 Rz 39), der Teilnahme an bewaffneten Ausgängen und der Nahrungsmittelverteilung (I./1./) sowie einer Geldüberweisung (I./2./) unverändert bliebe, spricht die Rüge gar keinen entscheidenden Umstand an.

Zum Schuldspruch IV./:

Insoweit reklamiert die Beschwerde (aus Z 5 und 9 lit „a“ [dSn 9 lit b]) Straflosigkeit wegen Vorliegens der Voraussetzungen nach § 207a Abs 5 Z 2 StGB. Dabei geht sie prozessordnungswidrig daran vorbei, dass der erwähnte Strafbefreiungsgrund nur bei bildlichen Darstellungen iSd § 207a Abs 4 Z 4 StGB (sogenannte „virtuelle Kinder-pornografie“) zum Tragen kommt, aber sich nicht auf die vorliegend abgeurteilten wirklichkeitsnahen Abbildun-gen nach § 207a Abs 4 Z 3 StGB bezieht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Bleibt zur Einfügung von Kopien der zu Schuldspruch IV./ inkriminierten Bilder in das Urteil (US 8) anzumerken, dass die Anforderungen an ein mängelfrei begründetes Urteil in keiner Weise gebieten, Kopien von Bezug habenden Bilddateien der schriftlichen Urteilsausfertigung beizufügen. Eine solche Vorgehensweise kann wie hier sogar eine Maßnahme darstellen, die (der Sache nach) dem in 14 Os 95/09s angesprochenen Gesetzesanliegen in augenfälliger Weise zuwiderläuft.

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil im Ausspruch, „die beim Angeklagten sichergestellten Mobiltelefone inklusive SD-Karte laut Standblatt ON 56“ zu konfiszieren (US 3), nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) anhaftet. Denn die Feststellungen zum Eigentum der konfiszierten Mobiltelefone reichen nicht aus, weil im angefochtenen Urteil nur von einem Mobiltelefon des Angeklagten die Rede ist (vgl US 8, 23), während im erwähnten Standblatt ON 56, auf das sich das Konfiskationserkenntnis bezieht, zwei Mobiltelefone aufgelistet werden. Da sich die Berufung des Angeklagten bloß gegen die verhängte Freiheitsstrafe (nicht auch gegen die Konfiskation) richtet, ist dem Berufungsgericht zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung dieser Nichtigkeit zugunsten des Angeklagten nicht möglich. Sie war daher vom Obersten Gerichtshof gemäß §§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO aufzugreifen (statt vieler 14 Os 72/15t; 14 Os 109/14g; Ratz , WK StPO § 295 Rz 14).

Über die Konfiskation wird daher das Erstgericht neuerlich zu entscheiden haben.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Er bezieht sich nicht auf die amtswegige Maßnahme ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 12).

Rechtssätze
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  • RS0122006OGH Rechtssatz

    17. April 2024·3 Entscheidungen

    Soweit in früherer Rechtsprechung unter dem Begriff des „fortgesetzten Delikts" (nach Maßgabe zuweilen geforderter, indes uneinheitlich gehandhabter weiterer Erfordernisse) mehrere den gleichen Tatbestand (ob versucht oder vollendet) erfüllende, mit einem „Gesamtvorsatz" begangene Handlungen zu einer dem Gesetz nicht bekannten rechtlichen Handlungseinheit mit der Konsequenz zusammengefasst wurden, dass durch die je für sich selbständigen gleichartigen Straftaten doch nur eine einzige strafbare Handlung begründet würde, hat der Oberste Gerichtshof diese Rechtsfigur der Sache nach bereits mit der Bejahung ihrer prozessualen Teilbarkeit durch die Grundsatzentscheidung SSt 56/88 = EvBl 1986/123 aufgegeben. Seither reduziert er deren Bedeutung auf den unverzichtbaren Kernbereich der der Rechtsfigur zugrunde liegenden Vorstellung, den er als tatbestandliche Handlungseinheit bezeichnet. In der Anerkennung des Fortsetzungszusammenhangs bloß nach Maßgabe tatbestandlicher Handlungseinheiten liegt gezielte Ablehnung einer absoluten Sicht des fortgesetzten Delikts und ein Bekenntnis zur deliktsspezifischen Konzeption. Denn der Unterschied zwischen der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts und der tatbestandlichen Handlungseinheit besteht darin, dass die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts aus dem allgemeinen Teil des materiellen Strafrechts abgeleitet wird, die der tatbestandlichen Handlungseinheit aber gleichartige Handlungen nach Maßgabe einzelner Tatbestände zusammenfasst. Die Kriterien einer Zusammenfassung können demnach durchaus deliktsspezifisch verschieden sein, ohne dass daraus das ganze Strafrechtssystem erfassende Widersprüche auftreten. Von einer tatbestandlichen Handlungseinheit spricht man im Anschluss an Jescheck/Weigend5 (711ff) bei einfacher Tatbestandsverwirklichung, also der Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands, insbesondere bei mehraktigen Delikten und Dauerdelikten (tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinn) und dort, wo es nur um die Intensität der einheitlichen Tatausführung geht (SSt 56/88), demnach bei wiederholter Verwirklichung des gleichen Tatbestands in kurzer zeitlicher Abfolge, also bei nur quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) und einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), auch wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden, sowie bei fortlaufender Tatbestandsverwirklichung, also der Annäherung an den tatbestandsmäßigen Erfolg durch mehrere Einzelakte im Fall einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage, etwa beim Übergang vom Versuch zur Vollendung oder bei einem Einbruchsdiebstahl in zwei Etappen (tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinn).