JudikaturJustiz12Os111/14m

12Os111/14m – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Dezember 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Bachner-Foregger, Dr. Oshidari und Dr. Michel Kwapinksi als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Humer als Schriftführerin in der Privatanklagesache T***** GmbH gegen Abel S***** wegen des Vergehens der Verletzung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen nach § 11 Abs 1 UWG über den Antrag des Angeklagten auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO in Bezug auf die Beschlüsse des Bezirksgerichts Traun vom 19. Februar 2014, GZ 3 U 37/14b- 3, und des Landesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 11. Juli 2014, AZ 33 Bl 19/14b, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Privatanklage vom 18. Februar 2014 (ON 2) legt die Privatanklägerin T***** GmbH Abel S***** zur Last,

er habe in T***** als angestellter Betriebsleiter der Privatanklägerin in der Zeit von zumindest April bis Oktober 2013 und damit während der Geltungsdauer seines Dienstverhältnisses zahlreiche Unterlagen mit Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen der Privatanklägerin, die ihm vermöge seines Dienstverhältnisses anvertraut oder zugänglich geworden sind (so insbesondere den Versuchsbericht betreffend „T***** T***** [Strukturlacke]“ vom 11. April 2013, Grundzüge der künftigen Produktionsstrategie, das Versuchsprotokoll vom 8. September 2013 über die für das Projekt von P***** M***** International durchgeführten Schneidversuche, die Entwicklung der Andruckzeiten für den Mehrfarbendruck für den Zeitraum Mai bis August 2013, den Vergleich aller Produktionskennzahlen des Maschinenparks der Druckerei für die Jahre 2012 und 2013), an seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet, hernach zum Aufbau des Konkurrenzunternehmens S***** bzw dessen Tochtergesellschaft F***** verwendet und so unbefugt an Dritte (nämlich Jörg L***** und Lukas J*****) zu Zwecken des Wettbewerbs weitergegeben und darüber hinaus eine nicht genehmigte Betriebsführung im Unternehmen der Privatanklägerin mit Jörg L***** gemacht.

Aufgrund dieser Privatanklage ordnete das Bezirksgericht Traun noch vor Anberaumung einer Hauptverhandlung (auch) aufgrund entsprechender Antragstellung durch die Privatanklägerin mit Beschluss vom 19. Februar 2014 (ON 3) soweit hier von Relevanz an,

„1./ gemäß §§ 117 ff StPO iVm § 71 Abs 5 StPO die Durchsuchung der Wohnräumlichkeiten des Angeklagten Abel S***** […] sowie dort vorhandener Computer und Speichermedien (Notebook, PC, Festplatten, USB Sticks, CDs, DVDs) zwecks Auffindung von Gegenständen, die aus Beweisgründen sicherzustellen oder auszuwerten sind, dies in Absprache mit dem Privatanklagevertreter;

2./ gemäß §§ 109 ff StPO die Sicherstellung und Beschlagnahme sämtlicher dort gefundener Unterlagen in elektronischer und nicht elektronischer Form, beinhaltend E Mails, Dateien ua Unterlagen, mit welchen der Angeklagte die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (wie insbesondere Budgetplanungen, Präsentationen über Produktionsplan zum Budget 2014, Planungen betreffend Kapazitäten, Produktionsmengen, Verkaufspläne, Personalplanungen und Kundendaten von Kunden der Privatanklägerin sowie Produktspezifikationen der Kunden) an Dritte, nämlich Personen rund um das bulgarische Konkurrenzunternehmen, weitergeleitet hat und die dem Aufbau des Konkurrenzunternehmens S***** (inkl F*****) dienten und/oder dienen“.

Aufgrund dieser Anordnung wurden von der Polizeiinspektion M***** am 3. März 2014 zahlreiche Gegenstände (ON 6 S 11 ff) sichergestellt.

Gegen diesen Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 19. Februar 2014 erhob der Angeklagte Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben, ihm die beschlagnahmten Gegenstände auszufolgen und sämtliche beschlagnahmten Daten zu löschen.

Er brachte zusammengefasst vor, dass die Durchsuchungsanordnung betreffend die - durch Verfassungsgesetz geschützten Wohnräumlichkeiten nicht verhältnismäßig sei; der Tatverdacht auf bloßen Vermutungen beruhe, die nur darauf gründen, dass der Angeklagte mit dritten Personen in Kontakt stand; die der Privatanklage angeschlossenen Beilagen seien zur Begründung des Tatverdachts nicht geeignet, zumal keine konkreten Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse genannt worden seien. Zudem sei das bloße Senden an eine private E-Mail-Adresse keine Tathandlung im Sinne des § 11 Abs 1 UWG, solange die solcherart übermittelten Unterlagen den Verfügungsbereich des Angeklagten nicht verlassen haben. Überdies zielten die vom Privatankläger begehrten Maßnahmen von Anfang an auf eine „bloße Erkundungsbeweisführung“; die Sicherstellungs- und Beschlagnahmeanordnung (Punkt 2./) sei zu weit gefasst, enthalte keinerlei Einschränkungen auf die in der Privatanklage angeführten Fakten, weswegen „schlichtweg ein Erkundungsbeweis“ zugelassen werde; so sei die Sicherstellung bzw Beschlagnahme „sämtlicher Daten“ angeordnet worden, die „eventuell Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse darstellen können und an nicht näher bezeichnete Dritte weitergeleitet wurden“; „zumindest nunmehr der Auswertungsumfang des gesicherten Datenmaterials gemäß § 5 Abs 1 erster Satz StPO (Erforderlichkeit) und § 5 Abs 1 erster Satz und Abs 2 StPO (Verhältnismäßigkeit) im Hinblick auf den Tatvorwurf des § 11 Abs 1 UWG und die in der Privatanklage angeführten Fakten zu beschränken“ sei, die insbesondere „im Hinblick auf den möglichen Tatzeitraum […], die möglichen Tatmittel […] und die vorgeworfenen Empfänger einer solchen Mitteilung (also die Herren Lukas und Thomas J***** sowie Jörg L*****)“; da § 11 Abs 1 UWG auf Tathandlungen während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses abstelle „nur Datenspeicherung, Eingang oder Ausgang von E Mails bzw telefonisch übermittelte Nachrichten in Betracht kommen, die im konkreten Fall bis längstens 9. Oktober 2013 getätigt wurden“, sodass auf erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses angeschafften Geräten (genannt werden konkret zwei Mobiltelefone und ein PC) „derlei Daten nicht gespeichert sein“ können.

Das Landesgericht Linz als Beschwerdegericht gab der Beschwerde des Angeklagten mit Beschluss vom 11. Juli 2014, AZ 33 Bl 19/14b (ON 15 der U Akten) nicht Folge und führte im Wesentlichen aus, auf Grund der Privatanklage und den dieser angeschlossenen Beweismitteln bestünde ein hinreichender konkreter Tatverdacht gegen den Angeklagten und die Sicherstellung von Beweismitteln im Rahmen einer Hausdurchsuchung sei zulässig, geeignet sowie notwendig und verhältnismäßig.

Gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichts Traun vom 19. Februar 2014 sowie des Landesgerichts Linz vom 11. Juli 2014 richtet sich der (rechtzeitige) Antrag des Abel S***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam.

Rechtliche Beurteilung

Für einen wie hier nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag, bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und Abs 2 EMRK sinngemäß (RIS Justiz RS0122737).

Demnach hat weil die Opfereigenschaft nach Art 34 EMRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein ( Grabenwarter/Pabel , EMRK 5 § 13 Rz 16) auch ein Erneuerungsantrag gemäß § 363a StPO per analogiam deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359) und soweit er (auf Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe) nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu wecken vermag seine Argumentation auf Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS-Justiz RS0125393 [T1]).

Ferner kann der Oberste Gerichtshof erst nach Rechtswegausschöpfung angerufen werden. Dem Erfordernis der Ausschöpfung des Rechtswegs wird entsprochen, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung) und die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; vgl RIS-Justiz RS0122737 [T13]).

Soweit sich der Erneuerungsantrag gegen den (auch tatsächlich mit Beschwerde an das Landesgericht Linz bekämpften) Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 19. Februar 2014 richtet, war er demnach gemäß § 363b Abs 2 Z 2 StPO zurückzuweisen, weil Erneuerungsanträge gegen Entscheidungen, die der Erneuerungswerber mit Beschwerde anfechten kann, unzulässig sind (13 Os 47/11b, 14 Os 154/13y; RIS-Justiz RS0124739 [T2]).

Der gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 11. Juli 2014 gerichtete Erneuerungsantrag des Angeklagten ist im Übrigen offenbar unbegründet (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

Der Antragsteller bringt zunächst vor, durch die vom Bezirksgericht Traun angeordneten Sicherstellungen und „Auswertungen“ (bzw an anderer Stelle: „Datenauswertungen“) sei er „in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten“ verletzt worden, weil solcherart „eindeutig Ermittlungsmaßnahmen“ angeordnet worden seien, die mangels gesetzlicher Grundlage als willkürlich zu qualifizieren seien und damit gegen das „Sachlichkeitsgebot des Art 7 B-VG“ verstoßen würden.

Punkt 2./ des Beschlusses des Bezirksgerichts Traun enthält keine „Auswertungsanordnung“, weswegen auch das Beschwerdegericht noch nicht mit dieser Problematik befasst war.

Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführte, kommen im Übrigen gemäß § 71 Abs 5 StPO dem Privatankläger grundsätzlich die gleichen Rechte wie der Staatsanwaltschaft zu; er kann auch Zwangsmaßnahmen beantragen, soweit diese zur Sicherung von Beweismitteln (oder vorliegend allerdings nicht von Relevanz vermögensrechtlichen Anordnungen) erforderlich sind. Von diesem Antragsrecht sind auch die Durchsuchung von durch das Hausrecht geschützten Örtlichkeiten (§ 117 Z 2 lit b StPO iVm § 119 Abs 1 StPO) sowie die Sicherstellung bzw Beschlagnahme von Gegenständen (§ 109 Z 1 und 2 StPO iVm § 110 bzw § 115 StPO) umfasst; lediglich Anträge auf Festnahme oder auf Verhängung der Untersuchungshaft über den (Privat-)Angeklagten sind dem Privatankläger ausdrücklich verwehrt (§ 71 Abs 5 letzter Satz StPO).

Weiters gelten gemäß § 447 StPO für das Hauptverfahren vor dem Bezirksgericht grundsätzlich lediglich mit Ausnahme der in §§ 450 bis 458 StPO getroffenen abweichenden Regeln (die aber im vorliegenden Fall ohne Bedeutung sind) die Bestimmungen für das Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffengericht.

Aufgrund der amtswegigen Aufklärungspflicht nach § 2 Abs 2 StPO ist das Gericht durch die ihm gemäß §§ 232 Abs 2, 254 StPO eingeräumte diskretionäre Gewalt ermächtigt, (gerade) auch ohne Antrag der Beteiligten des Verfahrens nicht nur Zeugen und Sachverständige zu laden, sondern ganz allgemein (und auch schon vor der Hauptverhandlung) die Aufnahme von Beweisen anzuordnen, auch wenn dies mit Grundrechtseingriffen verbunden ist. Dabei ist es nicht an die für die Antragstellung der Beteiligten geltenden Regeln des § 55 Abs 1 StPO gebunden. Vielmehr ist maßgebend, dass die Beweisaufnahme Aufklärung über erhebliche Tatsachen erwarten lässt, wobei das Gericht nicht willkürlich von einer solchen Erwartung ausgehen darf (zum Ganzen: Kirchbacher , WK-StPO § 254 Rz 1, 2 und 3). Der Richter kann (und soll) die diskretionäre Gewalt auch schon vor der Hauptverhandlung ausüben ( Danek , WK-StPO § 222 Rz 2). Zwar ist das Strafverfahren aufgrund einer Privatanklage seit 1. Jänner 2008 anders als nach § 46 Abs 1 StPO aF ausschließlich als Hauptverfahren zu führen. Demgemäß findet kein Ermittlungsverfahren statt (§ 71 Abs 1 StPO; vgl auch § 41 Abs 5 MedienG; Korn/Zöchbauer , WK-StPO; § 71 Rz 19), doch kann es auch in diesen Verfahren notwendig sein, dass der Einzelrichter zur Vorbereitung der Hauptverhandlung vor deren Beginn oder vor deren Anberaumung von Amts wegen oder über Antrag Erhebungen durchführen lassen muss (RIS-Justiz RS0125728; Danek , WK-StPO § 222 Rz 6). Der Richter darf dabei außerhalb der Hauptverhandlung nicht selbst unmittelbar Beweise aufnehmen, er bedient sich in aller Regel der Kriminalpolizei. Die Beteiligten sollen grundsätzlich von den Erhebungsergebnissen in Kenntnis gesetzt werden, deren Erörterung hat aber erst in der Hauptverhandlung stattzufinden.

Demnach sind die Vorwürfe des Erneuerungswerbers, wonach die angeordneten „Ermittlungen“ ohne gesetzliche Grundlage erfolgt bzw die in Rede stehenden Zwangsmaßnahmen „in einem gesetzlich nicht vorgesehenen Ermittlungsverfahren angeordnet“ worden seien, das Erstgericht „unzulässige Erkundungsbeweise“ zugelassen habe und im Privatanklageverfahren keine „Amtswegigkeitskompetenz“ existiere, nicht berechtigt (vgl Schmoller , WK-StPO § 2 Rz 21).

Im Übrigen ist der Antragsteller auch mit seiner Behauptung der Verletzung „des Verhältnismäßigkeitsgebots gemäß § 5 StPO, aber auch des Schonungsgebots“, was allein damit begründet wird, dass er „in ein gesetzlich nicht vorgesehenes Ermittlungsverfahren hineingezogen“ werde, genauso auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen wie mit seinem nicht näher ausgeführten Vorbringen, das Gesetz sehe zur Vorbereitung der Hauptverhandlung in einem Privatanklageverfahren weder eine Beschlagnahme von Geräten noch eine Sachverständigenauswertung sichergestellter Unterlagen vor.

Die (gerichtliche) Bewilligung bzw gerichtliche Anordnung der Durchsuchung von auch durch das Hausrecht geschützten Orten erfordert einen „nur“ begründeten keinen dringenden (wie er etwa für die Verhängung der Untersuchungshaft gefordert wird) Verdacht, dass sich der Verdächtige oder die gesuchten Gegenstände dort befinden; dieser Verdacht muss vor dem Eingriff bestimmt und hinreichend sein. Der begehrte Gegenstand muss zumindest seiner Art nach konkretisiert sein; bei der Suche nach Geschäftsunterlagen genügt es, wenn etwa die Unterlagen zu einem konkreten Auftrag gesucht werden. Die Begründung für den Verdacht muss rational nachvollziehbar sein; es müssen Tatsachen vorliegen, aus denen vertretbar geschlossen werden kann, dass sich der gesuchte Gegenstand oder die gesuchte Person in den betroffenen Räumen befinden. Ebenso muss die Bedeutung der Gegenstände für die Untersuchung erschließbar sein (vgl zum Ganzen: Tipold/Zerbes , WK StPO § 119 Rz 17 bis 19).

Dem Vorbringen des Erneuerungswerbers zuwider hat das Beschwerdegericht den für die in Kritik gezogenen Zwangsmaßnahmen erforderlichen Tatverdacht gegen den Angeklagten logisch und empirisch einwandfrei begründet (BS 3); diese Erwägungen sind frei von Willkür und halten einer nachträglichen Überprüfung problemlos Stand.

Das Beschwerdegericht sprach zudem aus, dass eine weitere Auseinandersetzung mit dem angeklagten Sachverhalt „insbesondere Tatsachenfeststellungen und Beweiswürdigung“ der mit Urteil zu beendenden Hauptverhandlung vorbehalten ist. Die darauf Bezug nehmende Behauptung des Antragstellers, das Beschwerdegericht habe die Ansicht, „dass die Beweiswürdigung einem späteren Hauptverfahren vorbehalten sei“, vertreten und solcherart verkannt, dass das Hauptverfahren in Privatanklagesachen bereits mit Einbringung der Privatanklage eröffnet ist, erweist sich als aktenfremd.

Bloß der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass auch das nicht gegen die kritisierten Beschlüsse als solche gerichtete Vorbringen des Erneuerungswerbers, das Gericht habe ein Strafverfahren ohne eine den gesetzlichen Erfordernissen des § 210 StPO genügende Anklage zugelassen (diese sei nämlich „an sich schon haltlos“) und somit das Grundrecht des Angeklagten auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK verletzt, ist mit Blick auf die Ausführungen des Beschwerdegerichts (BS 3) nicht nachvollziehbar. Für die „zulässige“ Erhebung einer Anklage reicht schon das Bestehen eines einfachen Tatverdachts aus, was bedeutet, dass vom Gewicht der belastenden und entlastenden Indizien her bei deren Gegenüberstellung mit einfacher Wahrscheinlichkeit ein Schuldspruch zu erwarten sein muss ( Birklbauer/Mayrhofer , WK-StPO § 210 Rz 5; vgl auch Korn/Zöchbauer , WK-StPO § 71 Rz 24 f).

Dem vom Antragsteller weiters erhobenen Vorwurf, ihm sei „vor Erlassung des erstinstanzlichen Beschlusses vom 19. Februar 2014 weder eine ausreichende Gelegenheit zur Verteidigung noch überhaupt das rechtliche Gehör eingeräumt“ worden, wodurch das Gebot der „Waffengleichheit“ (gemeint: das Recht auf ein faires Verfahren im Sinn des Art 6 EMRK) verletzt worden sei, genügt zu erwidern, dass insoweit der Rechtsweg nicht ausgeschöpft wurde (RIS-Justiz RS0122737, vgl auch RS0127714). Im Übrigen kann das rechtliche Gehör gegebenenfalls auch erst im Nachhinein zu gewähren sein, nämlich immer dann, wenn der Erfolg einer Anordnung voraussetzt, dass sie dem Gegner vor ihrer Durchführung nicht bekannt wird (s § 50 zweiter Satz StPO; vgl etwa auch §§ 51 Abs 2, 89 Abs 2a Z 4 und Abs 5 zweiter Satz, 138 Abs 5, 145 Abs 2 StPO uam; vgl Wiederin , WK StPO § 6 Rz 156, 213 ff).

Der Hinweis im Erneuerungsantrag, dass „schon die Überlassung der vom Gericht selbst nicht vorgenommenen Beurteilung dessen, was beweiserheblich ist, einem Sachverständigen nicht zustehe“, weshalb gegen das Grundrecht des Angeklagten auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK verstoßen werde, lässt einen nachvollziehbaren Bezug zu den beiden vom Erneuerungswerber kritisierten Beschlüssen vermissen und bedarf daher keiner näheren argumentativen Erwiderung.

Dem weiteren Vorbringen des Antragstellers steht mangelnde Ausschöpfung des Rechtswegs entgegen, weil er in der Beschwerde gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Traun (ON 3) nicht behauptet hat, dass er durch diesen in seinem Grundrecht auf Datenschutz gemäß der im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des § 1 DSG 2000 verletzt worden sei. Im Übrigen sind gemäß § 1 Abs 2 DSG 2000 Beschränkungen dieses Grundrechts zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde aufgrund von Gesetzen, die aus den im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind; bei der zufolge dieser Bestimmung erforderlichen Notwendigkeits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung ist im hier maßgeblichen Zusammenhang einer Durchsuchung von durch das Hausrecht geschützten Räumlichkeiten zwecks Sicherstellung und Beschlagnahme von „Unterlagen“, mit denen der Angeklagte Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse an Dritte weitergeleitet hat, somit zur Sicherung von Beweisen, festzuhalten, dass das Ergebnis eines Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Aufklärung der in Rede stehenden Vorwürfe nicht zu beanstanden ist (vgl 12 Os 117/13t mwN).

Mit dem zuletzt erhobenen Einwand, die gerichtlich angeordnete Beschlagnahme von Geräten verstoße „auch noch gegen die verfassungsmäßig garantierte Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art 1 1. ZPMRK“, weil so das einzige im gegebenen Zusammenhang vorgebrachte Argument „die Beschlagnahme von Geräten (Handy, PC, USB-Stick, etc) im Privatanklageverfahren keine gesetzliche Grundlage“ habe, ist der Erneuerungswerber erneut darauf zu verweisen, dass auch im Hauptverfahren vor dem Bezirksgericht zur Vorbereitung der Hauptverhandlung bereits vor deren Anberaumung von Amts wegen oder über Antrag Erhebungen durchgeführt werden können und sollen, wenn dies wie hier zur Sicherung von Beweismitteln dienlich ist (vgl erneut RIS Justiz RS0125728).

Der Antrag war daher entgegen der beim Obersten Gerichtshof eingelangten Stellungnahme des Verteidigers gemäß § 363b Abs 1 und Abs 2 Z 2 sowie Z 3 StPO als unzulässig bzw offenbar unbegründet zurückzuweisen.

Rechtssätze
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  • RS0122737OGH Rechtssatz

    18. März 2024·3 Entscheidungen

    Bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß auch für derartige Anträge. So kann der Oberste Gerichtshof unter anderem erst nach Rechtswegausschöpfung angerufen werden. Hieraus folgt für die Fälle, in denen die verfassungskonforme Auslegung von Tatbeständen des materiellen Strafrechts in Rede steht, dass diese Problematik vor einem Erneuerungsantrag mit Rechts- oder Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 oder Z 10, § 468 Abs 1 Z 4, § 489 Abs 1 zweiter Satz StPO) geltend gemacht worden sein muss. Steht die Verfassungskonformität einer Norm als solche in Frage, hat der Angeklagte unter dem Aspekt der Rechtswegausschöpfung anlässlich der Urteilsanfechtung auf die Verfassungswidrigkeit des angewendeten Strafgesetzes hinzuweisen, um so das Rechtsmittelgericht zu einem Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B-VG zu veranlassen. Wird der Rechtsweg im Sinn der dargelegten Kriterien ausgeschöpft, hat dies zur Folge, dass in Strafsachen, in denen der Oberste Gerichtshof in zweiter Instanz entschieden hat, dessen unmittelbarer (nicht auf eine Entscheidung des EGMR gegründeter) Anrufung mittels Erneuerungsantrags die Zulässigkeitsbeschränkung des Art 35 Abs 2 lit b erster Fall MRK entgegensteht, weil der Antrag solcherart „im wesentlichen" mit einer schon vorher vom Obersten Gerichtshof geprüften „Beschwerde" übereinstimmt.