JudikaturJustiz11Os76/93

11Os76/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. August 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.August 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Dr.Markel, Dr.Schindler und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hatvagner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz Josef B***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 2.März 1993, GZ 25 Vr 111/92-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Hauptmann, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Posch zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt 1. des Schuldspruchs wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Franz Josef B***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe von Mitte April 1991 bis 24.Juli 1991 in P***** als Bürgermeister, sohin Beamter, mit dem Vorsatz, Robert Wilhelm R***** bzw Gertrud R***** in ihrem Recht auf Ausstellung einer Widmungsbestätigung zur Erlangung einer Negativbescheinigung nach § 2 Abs. 2 Tiroler Grundverkehrsgesetz zu schädigen, indem er es unterließ, eine derartige Widmungsbestätigung hinsichtlich der Grundparzelle ***** in Einlagezahl ***** der Katastralgemeinde P***** auszustellen, seine Befugnis, im Namen einer Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen wissentlich mißbraucht, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs unverändert zur Last liegende Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB wird Franz Josef B***** nach dieser Gesetzesstelle zu 6 (sechs) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthält, wurde Franz Josef B***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Demnach hat er als Bürgermeister (zu ergänzen: der Gemeinde P*****), sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, andere an ihren Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen einer Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er es unterließ

1. von Mitte April 1991 bis 24.Juli 1991 eine Widmungsbestätigung hinsichtlich der Grundparzelle ***** Einlagezahl ***** der Katastralgemeinde P***** auszustellen, um Robert Wilhelm R***** bzw Gertrud R***** in ihrem Recht auf Ausstellung einer solchen Bestätigung zur Erlangung einer Negativbestätigung nach § 2 Abs. 2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes (der Urteilsbegründung zufolge aber auch am Vermögen) zu schädigen und

2. zwischen 1988 und August 1991 für die von Robert R***** beabsichtigten und durchgeführten Um- und Zubauten auf seiner (richtig: dessen) Liegenschaft in P***** Nr 4 ein ordentliches Bauverfahren einzuleiten und abzuführen, um das Land Tirol in seinem Recht auf Abführung eines solchen Bauverfahrens für bewilligungspflichtige Bauvorhaben zu schädigen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen zum Faktum 1. verkaufte Robert R*****, der Schwager (Bruder der Gattin) des Angeklagten, mit Vertrag vom 3.April 1991 sein Grundstück ***** der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch P***** um 1,3 Millionen Schilling an Gertrud R*****; der Kaufpreis sollte vereinbarungsgemäß nach Vorliegen aller Genehmigungen und Freistellungserklärungen zur lastenfreien Verbücherung des Vertrages sowie eines Beschlusses auf Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung zur Barzahlung an den Käufer (richtig: Verkäufer) fällig werden. Eine Verzinsung oder Wertsicherung war für die Zwischenzeit nicht vorgesehen. Am 9.April 1991 stellte die Käuferin Gertrud R***** an die Grundverkehrsbehörde bei der Bezirkshauptmannschaft ***** den Antrag auf Ausstellung einer sogenannten Negativbestätigung nach § 2 Abs. 2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes (TGVG 1983, LGBl 1983/69), das heißt einer Bestätigung, daß das erwähnte Grundstück nicht den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliege. Zur Vorbereitung dieser Erledigung erging seitens der Bezirkshauptmannschaft (richtig: Grundverkehrsbehörde) bereits am 11.April 1991 eine Anfrage an die Gemeinde P***** betreffend die Widmung des Grundstückes nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde. Trotz mindestens dreier Urgenzen unterließ der Angeklagte in seiner Eigenschaft als Bürgermeister der Gemeinde P***** die Beantwortung dieser Anfrage. Mit Bescheid vom 24.Juli 1991 sprach die Bezirkshauptmannschaft (richtig: der Vorsitzende der Grundverkehrsbehörde) dessenungeachtet - nach der Aktenlage auf Grund eigener Ermittlungen (S 93, 213) - aus, daß das betreffende Grundstück nicht den Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes unterliege (US 5 bis 7).

Der Angeklagte, der seit dem Jahr 1986 Bürgermeister der Gemeinde P***** ist (US 5), unterließ die Ausstellung der sogenannten Widmungsbestätigung, obwohl er wußte, daß er hiezu verpflichtet gewesen wäre; ihm war auch klar, daß entweder für den Käufer oder den Verkäufer des Grundstückes durch seine Unterlassung ein Schaden - der dem Robert R***** im vorliegenden Fall auch tatsächlich als "Zinsschaden" nicht genau feststellbarer Höhe erwuchs (US 7) - entstehen werde, doch nahm er dies in Kauf (US 8).

Warum der Angeklagte die sogenannte Widmungsbestätigung nicht ausstellte konnte - so das Erstgericht - "nicht mehr definitiv" festgestellt werden; es ließ offen, ob er sich hiebei von gemeindepolitischen Erwägungen (in Zusammenhang mit einer von ihm angestrebten Umwidmung des betreffenden Grundstücks in Grünland) oder vom Bestreben, der mit ihm verfeindeten Familie R***** Nachteile zuzufügen, leiten ließ (US 14).

Hinsichtlich des Urteilsfaktums 2. stellte das Erstgericht fest, daß "die Familie R*****" (laut Urteilsspruch: Robert R*****) - ohne das Bauvorhaben der Gemeinde zur Bewilligung vorzulegen oder anzuzeigen - in ihrem direkt gegenüber dem Wohnhaus des Angeklagten gelegenen Haus Nummer 4 in P***** im Jahr 1987/1988 ein Büro und einen Lagerraum errichtete und einen zu diesen Räumlichkeiten führenden Stiegenaufgang an der Außenseite aufzog, wodurch das Gebäude Änderungen sowohl im Verwendungszweck als auch hinsichtlich des Zu- und Ausganges erfuhr. Der Angeklagte, der die Umbauten wahrnahm und wußte, daß sie durch einen nach (§ 25 lit a, b und d) der Tiroler Bauordnung (TBO - damals in Geltung: LGBl 1978/43 in der Fassung LGBl 1984/19, nunmehr - ohne hier maßgebende Änderungen - in der Fassung der dritten Bauordnungsnovelle LGBl 1989/10, wiederverlautbart in LGBl 1989/33) erforderlichen baubehördlichen Konsens nicht gedeckt waren, schritt dagegen "aus familiären Gründen" (im Hinblick auf seine Verschwägerung mit Robert R*****, die damalige Tätigkeit von dessen Gattin im Gemeindeamt und das damals noch bestehende "leidliche Verhältnis" zu dieser - US 5, 13 und 15) nicht ein. Für einige Monate hatte sogar der Sohn des Angeklagten die Büro- und Lagerräumlichkeiten im Rahmen eines "Gewerbegebietes" (gemeint: Gewerbebetriebes) gepachtet. Erst nach Beendigung dieses Pachtverhältnisses und nach einer Anzeigeerstattung der Familie R***** gegen den Angeklagten beauftragte dieser am 13.August 1991 den Vizebürgermeister der Gemeinde, etwas gegen den Schwarzbau zu unternehmen; ferner sprach er sich im Jahre 1992 unter Hinweis auf die fehlende Baubewilligung für dieses Haus gegen die Ansiedlung eines Betriebes aus, an welchen die Familie R***** das Objekt im Jänner 1992 vermieten wollte (US 9).

Dem Angeklagten war bewußt, daß für das Bauvorhaben am Hause P***** eine Bauverhandlung durchzuführen gewesen wäre; er unterließ die Anordnung der hiefür erforderlichen behördlichen Maßnahmen in vollem - auch in amtlicher Funktion erlangten (US 9) - Wissen um die Errichtung eines Schwarzbaues, wobei er es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, den Staat (laut Urteilstenor: das Land Tirol) in seinem Recht auf Durchführung der vorgeschriebenen Bauverhandlung zu schädigen (US 9, 10).

Rechtliche Beurteilung

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Im Ergebnis zutreffend zeigt die - zum Teil auch im Rahmen der Mängel- und Tatsachenrüge ausgeführte - Rechtsrüge (Z 9 lit a) die materielle Nichtigkeit des Schuldspruches 1. im Zusammenhang mit dem Umstand auf, daß die Ausstellung einer Negativbestätigung nach § 2 Abs. 2 TGVG in die Zuständigkeit der Grundverkehrsbehörde - also nicht der Gemeinde - fällt, die zur Erlangung der erforderlichen Information über die Widmung des betreffenden Grundstückes nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde auch keineswegs allein auf deren Auskunft angewiesen ist. Daraus ist aber - der Rechtsrüge zuwider - weder ableitbar, daß Mitteilungen der Gemeinde über die Widmung von Grundstücken nach dem von ihr nach §§ 10 und 26 des Tiroler Raumordnungsgesetzes (TROG) 1984 erlassenen und von der Landesregierung genehmigten Flächenwidmungsplan außerhalb der Hoheitsverwaltung ergehen (die lokale Raumordnung zählt zu jenen Bereichen, in welchen zwischen dem Rechtsträger und anderen Rechtssubjekten ein Verhältnis der Unter- und Überordnung, also keine Gleichstellung, besteht) noch, daß der Bürgermeister jeglicher Verpflichtung zur Beantwortung einer entsprechenden Anfrage der Grundverkehrsbehörde enthoben ist (sind doch alle Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden schon nach Art 22 B-VG im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet). Wissentlich mißbräuchliche Unterlassung der Amtshilfe im Rahmen der Hoheitsverwaltung kann durchaus (etwa im Zusammenhang mit die persönliche Freiheit beeinträchtigenden Maßnahmen) bei Erfüllung der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen als Amtsmißbrauch strafbar sein. Voraussetzung hiefür ist allerdings unter anderem, daß das Untätigbleiben des Beamten einer Rechtsgutverletzung durch aktives Tun gleichwertig (im Sinne des § 2 StGB) ist (jeweils zu § 302 StGB: Leukauf-Steininger Komm3 RN 31, 32, Bertel in WK Rz 79 ff), das heißt im konkreten Fall dem gesamten Schuld- und Unrechtsgehalt einer Tatbegehung durch aktives Tun entspricht (Leukauf-Steininger aaO RN 35, Mayerhofer-Rieder3 ENr 34 jeweils zu § 2 StGB). Hievon kann aber bei der vom Schuldspruch 1. erfaßten Untätigkeit nicht die Rede sein, weil angesichts der dem Vorsitzenden der Grundverkehrskommission zu Gebote stehenden (und letztlich im vorliegenden Fall auch genützten - S 93) Möglichkeit, die Flächenwidmung eines Grundstücks auf eine andere Art als durch Mitteilung seitens der Gemeinde in Erfahrung zu bringen, der Unrechtsgehalt der (an sich mit keinem eigenständigen beirrenden Informationsgehalt verbundenen) Unterlassung dieser amtlichen Mitteilung keineswegs jenem eines gleichfalls auf die Verhinderung der Ausstellung einer Negativbestätigung durch die Grundverkehrskommission abzielenden Tuns - etwa einer unrichtigen Bekanntgabe der Flächenwidmung, durch welche die Grundverkehrsbehörde veranlaßt worden wäre, die Erteilung einer Bestätigung nach § 2 Abs. 2 TGVG zu verweigern - gleichkommt. In Ansehung des Schuldgehaltes ist zu berücksichtigen, daß das Erstgericht zwar davon ausging, daß dem Angeklagten klar war, daß entweder dem Käufer oder dem Verkäufer durch die Unterlassung der Ausstellung der Widmungsbestätigung ein Schaden entstehen werde und er dies in Kauf nahm (was fallbezogen ausnahmsweise - vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 5 RN 17 - einen sicheren Schluß auf die Willensbildung zuließe, weil dieser Erfolg als sicher vorausgesehen wurde), nicht jedoch davon, daß es dem Angeklagten auf die Zufügung eines solchen Schadens geradezu ankam (erneut Bertel aaO). Es kann daher auch nicht angenommen werden, daß das Zurückbleiben des Unrechtsgehaltes der Unterlassung gegenüber jenem des leichtesten Falles aktiver Begehung einer derartigen Tat (SSt 54/42) durch ein Übermaß an Schuld wettgemacht worden sein könnte. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 302 Abs. 1 StGB sind somit insoweit nicht erfüllt.

Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde hingegen gegen den Schuldspruch 2. richtet, geht sie fehl.

Das dazu formell auf Z 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 gestützte Beschwerdevorbringen ist überwiegend (Punkte g, h und i der Mängelrüge sowie 3. und 4. der Tatsachenrüge) als Behauptung von Feststellungsmängeln im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO zu werten und demgemäß bei Erledigung der auf diesen Nichtigkeitsgrund gestützten Rechtsrüge zu erörtern.

Der darüber hinaus (unter Punkt j der Mängelrüge) erhobene Einwand, die Feststellung des Vorsatzes des Angeklagten, durch das unter 2. des Urteilstenors inkriminierte Verhalten, den Staat in seinem Recht auf Durchführung der vorgeschriebenen Bauverhandlung zu schädigen, entbehre einer Beweisgrundlage, sei unhaltbar und völlig wirklichkeitsfremd, stellt keine gesetzmäßige Ausführung der Mängelrüge, sondern einen prozeßordnungswidrigen Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffensenates nach Art einer Schuldberufung dar, weil jegliche Auseinandersetzung mit der Urteilsbegründung (US 12 bis 14) unterlassen wird, in welcher das Erstgericht aktengetreu (vgl insbesondere S 315) auf die Verantwortung des Angeklagten Bezug nahm, von der Notwendigkeit einer Bauverhandlung gewußt, jedoch aus familiären Gründen nichts unternommen zu haben.

Feststellungsmängel (Z 9 lit a) zu Tatsachengrundlagen, die eine Befangenheit des Angeklagten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AVG begründeten (siehe g der Mängelrüge, 3. der Tatsachenrüge und j der Rechtsrüge), liegen nicht vor: Bei der gebotenen Würdigung der Urteilsbegründung und des damit eine Einheit bildenden Urteilstenors (in welchem Robert R***** eindeutig als für den Schwarzbau verantwortlicher Liegenschaftseigentümer bezeichnet wird) besteht kein Zweifel daran, daß das gegenständliche Bauprojekt dem Schwager des Angeklagten zuzuordnen war und daß baubehördliche Maßnahmen wegen des Schwarzbaues gegen ihn zu treffen gewesen wären. An der Beurteilung der Befangenheitsfrage hätte sich auch dann nichts geändert, wenn (ohne Berücksichtigung des Urteilstenors) vom Eigentum der "Familie" R***** - also nur vom Miteigentum des Robert R***** - auszugehen gewesen wäre; denn auch in diesem Fall wäre für den Angeklagten infolge Bauführung seines Schwagers und seiner Schwägerin der Befangenheitsgrund im Sinne der zitierten Gesetzesstelle vorgelegen. Wie das Erstgericht jedoch zutreffend (US 15) ausführte, vermag das Vorliegen dieses Befangenheitsgrundes an der strafrechtlichen Beurteilung der völligen Untätigkeit des Angeklagten (die jegliche baupolizeiliche Maßnahme unterbinden sollte und bis August 1991 auch tatsächlich verhinderte), nichts zu ändern: § 7 Abs. 1 AVG verpflichtet nämlich befangene Verwaltungsorgane, sich zwar der Ausübung ihres Amtes zu enthalten, jedoch ihre Vertretung zu veranlassen (und damit dafür Sorge zu tragen, daß ungeachtet der Befangenheit des an sich zuständigen Verwaltungsorganes das gesetzlich vorgesehene Verfahren durchgeführt werden kann). Der Angeklagte hätte daher - soferne er nicht Gefahr im Verzug als gegeben ansah (§ 7 Abs. 2 AVG) - seine Vertretung durch ein Mitglied des Gemeindevorstands (den Vizebürgermeister) nach § 37 Abs. 2 der Tiroler Gemeindeordnung veranlassen müssen (wozu er sich den Urteilsfeststellungen zufolge jedoch erst nach Jahren herbeiließ - S 171). Daß (unter anderem) auch in der jahrelangen (von dem Vorsatz, ein baubehördliches Einschreiten überhaupt zu verhindern, geleiteten) Unterlassung dieser Maßnahme vom Schöffensenat ein amtsmißbräuchliches Verhalten erblickt wurde, ist dem Schuldspruch 2. in Verbindung mit dem oben zitierten Teil der Urteilsbegründung (US 15) mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Eine - im Rahmen der Rechtsrüge nur andeutungsweise geltend gemachte - Überschreitung der Anklage im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 8 StPO ist hierin nicht zu erblicken, weil in der Anklageschrift ON 17 dem Beschwerdeführer die gänzliche Unterlassung jeglicher auf ein baubehördliches Einschreiten abzielender Schritte, insbesondere seine Untätigkeit bis zur Information des Vizebürgermeisters erst im August 1991 (S 300), zur Last gelegt wurde.

Gleichermaßen ins Leere geht das Beschwerdevorbringen zum Fehlen von Urteilsfeststellungen, aus welchen sich unter Umständen die Unzuständigkeit der Gemeinde P***** für das gegenständliche Bauvorhaben auf der Liegenschaft Nr 4 ergeben hätte: Zwar wurde gemäß §§ 1 und 2 lit b der Delegierungsverordnung der Tiroler Landesregierung vom 23.April 1968, LGBl 1968/18, die Besorgung der Aufgaben der örtlichen Baupolizei bei Vorhaben, für die außer der baupolizeilichen Bewilligung eine wasserrechtliche Bewilligung oder eine Genehmigung nach der Gewerbeordnung erforderlich ist, aus dem eigenen Wirkungsbereich (unter anderem) der Gemeinde P***** (über deren gemäß § 12 Abs. 4 TGO gestellten Antrag) auf die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft übertragen. Die vom Nichtigkeitswerber vertretene Auffassung, angesichts der gewerblichen Verwendung der im Objekt P***** ohne die erforderliche Bewilligung neu errichteten Räume, die als Erweiterung einer bestehenden Werkstätte möglicherweise einer Betriebsanlagegenehmigung bedurft hätten, hätte die Gemeinde P***** von vornherein jegliches baubehördliches Einschreiten zu unterlassen, den Vollzug der Bauordnung vielmehr zur Gänze der zuständigen Bezirkshauptmannschaft zu überlassen gehabt, trifft nicht zu:

Gemäß § 25 TBO bedarf einer Bewilligung der Behörde unter anderem der Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden (lit a), die sonstige Änderung von Gebäuden oder Gebäudeteilen, soweit sie die Festigkeit, die Feuersicherheit, die sanitären Verhältnisse oder das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes beeinflußt (lit b), sowie die Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden oder Gebäudeteilen, soferne diese Änderung auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach diesem Gesetz einen Einfluß haben kann (lit d); gemäß § 27 Abs. 1 TBO ist um die Erteilung der Baubewilligung bei der Behörde schriftlich anzusuchen (Bauansuchen). In einem Ansuchen um die Bewilligung für den Neu-, Zu- und Umbau eines Gebäude ist auch der beabsichtigte Verwendungszweck anzugeben. § 74 Abs. 2 GewO normiert, daß unter den in Z 1 bis 5 genannten Voraussetzungen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333 bis 335 GewO) errichtet oder betrieben werden dürfen. Sowohl das Bauverfahren als auch das Verfahren betreffend die Genehmigung von Betriebsanlagen haben somit ein Projekt zum Gegenstand, wobei sich die behördliche Prüfung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen (§§ 71 bzw 81 GewO) vorliegen, nicht etwa nur auf Maschinen und Geräte, sondern auch auf die Baulichkeiten der gewerblichen Betriebsanlage zu erstrecken hat (vgl Hauer-Tiroler Baurecht, Judikaturnachweis 2. zu § 27 TBO, Mache-Kinscher-GewO Anm 27 zu § 74). Daraus folgt, daß ein Übergang baubehördlicher Kompetenzen nach der erwähnten Delegierungsverordnung frühestens nach Vorliegen und Prüfung eines entsprechenden schriftlichen Ansuchens (vgl § 1 der Delegierungsverordnung: Die Besorgung der Aufgaben der örtlichen Baupolizei wird bei Vorhaben ...), für dessen positive Erledigung (hier) auch eine erst damit aktuell werdende Genehmigung nach der Gewerbeordnung erforderlich ist, Platz greifen kann. Damit hat aber der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz alle vor einer in der weiteren Folge allenfalls wirksam werdenden Kompetenzverschiebung notwendigen baubehördlichen (Sofort )Maßnahmen zu treffen (vgl Hauer aaO Anm 8 zu § 40 TBO), wie sie insbesondere bei sogenannten Schwarzbauten in Frage kommen (vgl insbesondere § 40 Abs. 2 TBO über die Untersagung der Fortsetzung der Arbeiten an einem ohne rechtskräftige Baubewilligung ausgeführten, jedoch bewilligungspflichtigen Bauvorhaben und über die baubehördliche Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Beseitigung der baulichen Anlage bei Unterlassung eines nachträglichen Bauansuchens binnen einem Monat nach Zustellung des Untersagungsbescheides). Unterläßt in einem solchen Fall die Gemeinde (der Bürgermeister bzw dessen Vertreter) jegliches baupolizeiliche Einschreiten, dann besteht die Gefahr, daß es zum gesetzlich vorgeschriebenen Bauverfahren überhaupt nicht kommt. Gerade die tatplangemäße Herbeiführung des - im völligen Unterbleiben jeglichen baubehördlichen Verfahrens bestehenden - Schadens an einem konkreten staatlichen Recht (vgl insbesondere JBl 1990, 807; 13 Os 104/91 = JUS 1992/89 OGH-St 913) durch die wissentlich pflichtwidrige Unterlassung jeglicher amtlichen Tätigkeit (fallbezogen insbesondere der Vorsorge für einen Vertreter gemäß § 7 Abs. 1 AVG) wird aber dem Angeklagten im Faktum 2. zum Vorwurf gemacht. Die gegen die strafrechtliche Relevanz eines solchen Schadens vom Beschwerdeführer relevierten, überdies nicht näher substantiierten "rechtsphilosophischen Bedenken" erweisen sich einer meritorischen Erwiderung nicht zugänglich.

Da sich ferner - im Gegensatz zu Faktum 1 - materiellrechtliche Bedenken bei Prüfung der Gleichwertigkeit (§ 2 StGB) der hier in Rede stehenden Unterlassung mit einem auf eine derartige Rechtsgutverletzung abzielenden Tun (Erteilen der Baubewilligung ohne vorangegangenes Bauverfahren) nicht ergeben, weil keine Anhaltspunkte für eine unterschiedliche Bewertung des Unrechts- und Schuldgehaltes beider Verhaltensweisen erkennbar sind, erweist sich dieser Schuldspruch als frei von Rechtsirrtum.

Infolge der Teilaufhebung des Schuldspruchs war auch der Strafausspruch zu kassieren und die Strafe neu zu bemessen. Dabei war das Verharren des Angeklagten in seinem Fehlverhalten durch mehr als zwei Jahre erschwerend, mildernd hingegen der bisherige ordentliche Lebenswandel. Ausgehend davon erwies sich eine bedingt nachgesehene, der Untergrenze der aktuellen Strafdrohung entsprechende Freiheitsstrafe von sechs Monaten als sowohl der Tatschuld als auch dem verwirklichten Unrecht angemessen.

Die besonderen Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung (§ 41 StGB) liegen - entgegen den Berufungsausführungen - nicht vor. Auch eine bedingte Geldstrafe wäre nach Lage des Falles zur Erreichung der hier aktuellen Strafzwecke nicht hinreichend effektiv.

Auf diese Strafneubemessung war der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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