JudikaturJustiz11Os40/16s

11Os40/16s – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juni 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Nordmeyer, Mag. Michel und Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Jülg, BSc, als Schriftführer in der Strafsache gegen Eduart B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 12 dritter Fall, 15 StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten B***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Eduart B*****, Flamur G***** und Klodjan Ba***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 27. November 2015, GZ 180 Hv 5/15m 94, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das Mobiltelefone betreffende Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten B***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche der Mitangeklagten Flamur G***** und Klodjan Ba***** sowie einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch des Nichtigkeitswerbers enthält, wurde Eduart B***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 12 dritter Fall, 15 StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er am 16. Juli 2015 in U***** und an anderen Orten dadurch, dass er während der Übergabe des Kokains an den verdeckten Ermittler VE 2 beim verdeckten Ermittler VE 1 wartete, um auf den im Auto des VE 1 befindlichen Kaufpreisbetrag aufzupassen und diesen nach Übergabe des Kokains zu übernehmen, dazu beigetragen, dass Klodjan Ba***** Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich 2.973,5 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 94,83 % (2.531,3 Gramm Cocain-Base in Reinsubstanz) einem anderen zu überlassen versuchte, indem er das Suchtgift aus der Radiokonsole seines Autos ausbaute und dem verdeckten Ermittler VE 2 übergab, wobei es mangels Entstehens von Alleingewahrsam seitens des VE 2 beim Versuch blieb.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B*****.

Der Einwand, das Gericht habe „in nichtigkeitsbegründender Weise mit Stillschweigen übergangen“ (Z 5 zweiter Fall), dass der Angeklagte „keine finanzielle Zuwendung für sein Handeln erhielt“ (vgl aber die konstatierte Gewinnabsicht US 13) und „aufgrund seines sozialen Umfeldes, seiner Ausbildung und seiner finanziellen Verhältnisse gar kein Motiv“ für eine Tatbeteiligung hatte, bezieht sich nicht auf die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage, somit entscheidende Tatsachen, welche aber allein Gegenstand der Mängelrüge sein können (RIS Justiz RS0106268, RS0088761).

Der Beschwerdekritik (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter die leugnende Einlassung des Nichtigkeitswerbers sowie die – ihn entlastenden – Angaben des Mitangeklagten G***** sehr wohl berücksichtigt, diese Bekundungen jedoch mit ausführlicher Begründung als nicht plausibel verworfen (US 10 ff). Weder die Überzeugung der Tatrichter von der (Un )Glaubwürdigkeit von Personen (RIS Justiz RS0106588) noch der Umstand, dass aus den Verfahrensresultaten nicht die vom Nichtigkeitswerber präferierten Schlüsse gezogen wurden (RIS Justiz RS0098400), sind einer Anfechtung aus Z 5 zugänglich. Es war dem Gericht auch keineswegs abverlangt (§ 270 Abs 1 Z 5 StPO), sich mit allen Einzelheiten der nicht als überzeugend erachteten Depositionen explizit auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0098778, RS0106642, RS0106295).

Die Rüge mangelnder Erörterung diverser von der Verteidigung vorgelegter (und in der Hauptverhandlung vorgekommener) Schriftstücke (betreffend den Werdegang des Nichtigkeitswerbers, seine Reisetätigkeit sowie Immobilienvermögen seiner Familie) übersieht die darauf bezogenen Ausführungen der Tatrichter (US 13). Mit eigenständigen Überlegungen, welche Rückschlüsse daraus sowie aus dem Umstand zu ziehen seien, dass der Nichtigkeitswerber nur der albanischen und der englischen, nicht aber der deutschen Sprache mächtig ist, unternimmt die Beschwerde nur den Versuch, die tatrichterlichen Erwägungen zum Vorsatz des Nichtigkeitswerbers (US 8 und 10 ff) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld in Zweifel zu ziehen.

Passagen in der Aussage des Mitangeklagten Ba*****, die eine bloße Einschätzung der subjektiven Tatseite des Rechtsmittelwerbers beinhalteten, bedurften keiner Erörterung im Urteil.

Die Beschwerde macht nicht deutlich, inwieweit die Bekundung des verdeckten Ermittlers 1, wonach er mit B***** „nicht über das Suchtmittelgeschäft gesprochen“ habe (ON 93 S 5), den getroffenen (entscheidungswesentlichen) Konstatierungen erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegenstehen sollte.

Die unter Hinweis auf die eigene Einlassung des Beschwerdeführers (ON 87 S 24 und ON 93 S 3 f) sowie die Bekundung des verdeckten Ermittlers 1, „kein Handy gesehen“ zu haben (ON 93 S 4), erhobene Behauptung, der Nichtigkeitswerber hätte am Vorfallstag „gar kein Handy bei sich gehabt“ (Z 5 zweiter Fall), betrifft abermals keinen erheblichen Aspekt (RIS Justiz RS0106268), sondern zieht nur erneut die Verantwortlichkeit des Genannten unter der – eigenständig zu Grunde gelegten – Prämisse in Zweifel, die Innehabung eines eigenen Mobiltelefons sei zwingende Voraussetzung der inkriminierten Tatbeteiligung.

Soweit die Beschwerde (nominell Z 9 lit a) unter Hinweis auf zwei Erkenntnisse des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (9. 6. 1998, 44/1997/828/1034, Teixeira de Castro/Portugal ; 5. 2. 2008, 74420/01, Ramanauskas/Litauen ), die Kommentarstelle „ Meyer Ladewig EMRK 2 Art 6 Rz 58“ [allenfalls gemeint: Meyer Ladewig EMRK 3 Art 6 Rz 158] sowie die Entscheidung 13 Os 73/08x behauptet, der bislang unbescholtene Beschwerdeführer sei unwiderlegt auf eine Art 6 Abs 1 MRK widersprechende Weise rechtswidrig zur Tat provoziert worden (vgl dazu RIS Justiz RS0130354, RS0119618; EGMR 23. 10. 2014, 54.648/09, Furcht / Deutschland ), entfernt sie sich von den erstgerichtlichen Feststellungen (RIS Justiz RS0099810), wonach der Nichtigkeitswerber über die Initiative seines Freundes G*****, der ihn in ein vereinbartes Suchtgiftgeschäft einweihte (US 5), und gerade nicht über die Einflussnahme der Ermittlungsbeamten (die Hinweisen nachgingen, albanisch stämmige Personen seien in Österreich auf der Suche nach Käufern für Kokain im Kilobereich) tätig wurde (US 5 f).

Dass die polizeiliche Kontaktaufnahme mit „Bedri“, welcher wiederum G***** veranlasste, Kokain zu besorgen (US 5), auf die Beteiligung des Nichtigkeitswerbers nach Art einer (Ketten )Bestimmung im Sinne des § 12 zweiter Fall StGB (RIS-Justiz RS0089581, RS0089777) durchschlagen sollte (vgl Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 45), wird selbst von der Beschwerde nicht behauptet. Mit dem schlichten Hinweis auf den konstatierten Tatablauf (US 5 ff) sowie Aussagepassagen von Flamur G***** (ON 87 S 12) und Werner K***** (ON 27 S 27 f) betreffend die Vertrauensperson „Luli“ (vgl US 5) wird nicht erklärt, weshalb die Straftat ohne polizeilichen Antrieb nicht stattgefunden hätte, von staatlicher Seite (psychischer) Druck auf die Angeklagten ausgeübt oder dem Nichtigkeitswerber die schlichte Verweigerung seiner Mitwirkung am Scheingeschäft erschwert worden wäre, demnach fallbezogen Umstände vorlägen, die sich von einer zulässigen verdeckten Ermittlung (§ 131 StPO) unterscheiden (RIS Justiz RS0130354; EGMR 23. 10. 2014, 54.648/09, Furcht / Deutschland ).

Mit der Forderung, eine „Tatprovokation“ mildernd zu berücksichtigen, enthält die Sanktionsrüge (Z 11) lediglich ein Berufungsvorbringen (RIS-Justiz RS0099911).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – wie schon die Generalprokuratur zutreffend ausführte – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Die substratlos auf § 26 StGB gestützte (US 15) Einziehung der „sichergestellten, von Flamur G***** und Klodjan Ba***** zur Begehung der gegenständlichen Straftaten verwendeten Mobiltelefone“ (US 3) war von Amts wegen (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) aufzuheben (RIS Justiz RS0121298, va [T15]) und diesbezüglich Verfahrenserneuerung – allenfalls mit Blick auf § 19a StGB – anzuordnen.

Rechtssätze
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