JudikaturJustiz11Os3/07m

11Os3/07m – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. März 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hinterleitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Robert M***** wegen des Verbrechens des schweren, durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 3 und Abs 2, 129 Z 1 und Z 2 StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. September 2006, GZ 062 Hv 98/06v-321, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Mag. Fuchs, des Angeklagten und seines Verteidigers Univ. Prof. Dr. Soyer zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 2 wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Text

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens des schweren, durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 3 und Abs 2, 129 Z 1 und Z 2 StGB (1) sowie des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt. Danach hat er

(1) am 11. Mai 2003 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigten des K***** eine Sache von allgemein anerkanntem künstlerischen und geschichtlichen Wert, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befand, nämlich das von Benvenuto C***** in der Zeit von 1540 bis 1543 angefertigte Salzfass „S*****" im Wert von etwa 36 Mio Euro durch Aufbrechen eines Fensters sowie einer Vitrine weggenommen und

(2) zwischen dem 6. Jänner und dem 7. November 2005 in wiederholten Angriffen einen Verfügungsberechtigten der U***** AG, die den Sammlungsbestand des K***** versicherte, durch Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, nämlich die Ankündigung, die Einschmelzung der S***** zu veranlassen, zur Zahlung von 10 Mio Euro zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Schuldspruch 2 aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist im Recht. Die Subsumtionsrüge (Z 10) wendet sich zutreffend gegen die Ansicht des Erstgerichts, die - anklagekonforme (ON 297) - rechtliche Einordnung der dem Schuldspruch 2 zugrunde liegenden Tathandlungen als Verbrechen der versuchten Erpressung (§§ 15, 144 Abs 1 StGB) komme mangels eines über den bereits durch den Einbruchsdiebstahl (1) eingetretenen hinausgehenden (intendierten) Vermögensschadens nicht in Betracht (US 16).

Nach den Urteilskonstatierungen hat der Angeklagte den Diebstahl (1) zum Nachteil des K***** begangen (US 3 iVm US 6 f) und in der Folge versucht, Verfügungsberechtigte des Versicherers der entfremdeten Skulptur unter Androhung deren Zerstörung zur Zahlung von 10 Mio Euro zu nötigen (2 - US 4 iVm US 9 f), wobei die Tatrichter offenbar annahmen, dass bis zum Drohungszeitpunkt (noch) keine Versicherungsleistungen erbracht worden waren (US 12, vgl auch S 241, 267/VII). Hievon ausgehend trifft aber das Urteilsargument, die vom Schuldspruch 2 umfassten Tathandlungen hätten mit Blick auf den bereits vollendeten Einbruchsdiebstahl (1) und die geplante Rückgabe der „S*****" (US 17) auf keinen (weiteren) Vermögensschaden abgezielt, nicht zu, weil die U***** AG (im Folgenden: U*****) als Versicherer durch den Diebstahl nicht geschädigt worden ist. Im Fall der Rückstellung der Diebsbeute nach Erhalt des Lösegeldes wäre der dem K***** entstandene Schaden (1) nachträglich - strafmildernd (§ 34 Abs 1 Z 14 StGB) - gutgemacht worden, jener der U***** aber in vollem Umfang aufrecht geblieben.

Unabhängig von der konkreten Fallgestaltung ist die von der Beschwerde relevierte Rechtsansicht des Erstgerichts aber auch generell verfehlt.

Nach hM verantwortet nämlich der Dieb, der vom Eigentümer für die Rückgabe der weggenommenen Sache Lösegeld fordert, (bei Vorliegen auch der subjektiven Tatbestandsmerkmale) - mangels Anrechenbarkeit der Sachrückgabe auf die abgenötigte Leistung - das Verbrechen der Erpressung (Leukauf/Steininger StGB³ § 144 Rz 9, Lewisch BT I² 222, Zipf in WK § 144 Rz 21; vgl auch JBl 1988, 731).

Die Unrichtigkeit der gegenteiligen Ansicht, wonach bei dieser Konstellation der Vermögensschaden schon durch den Diebstahl eingetreten und demgemäß bei (als Folge der Lösegeld-Zahlung vorgenommener) Rückgabe der Sache keine zusätzliche Schädigung gegeben sei (Eder-Rieder in WK² § 144 Rz 27, Mayerhofer StGB5 § 144 E 6, Venier, JSt 2004, 73), ist - wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt - insbesonders dann evident, wenn das Lösegeld früher übergeben wird als das Diebsgut, der Täter also einen bestimmten Zeitraum hindurch beide Vermögenswerte innehat.

Mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal der gefährlichen Drohung ist zunächst die zivilrechtliche Natur des Eigentums als subjektives Recht, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen (§ 354 ABGB), hervorzuheben. Dieses - vom strafrechtlichen (wirtschaftlichen) Vermögensbegriff umfasste (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 146 Rz 61) - Recht verliert der Eigentümer durch den deliktischen Zugriff eines anderen auf die Sache nicht (vgl §§ 367, 423 ff ABGB). Demnach ist die Drohung des Diebes, die weggenommene Sache nicht herauszugeben, eine solche mit der (weiteren) Verletzung des Eigentumsrechts und sohin eine gefährliche iSd § 74 Abs 1 Z 5 StGB.

Aus dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsbegriff folgt auch, dass für die Rückstellung entfremdeter Sachen geleistetes Lösegeld nicht gegen den Sachwert aufzurechnen ist. Durch die Wegnahme entsteht nämlich ein Herausgabeanspruch (§ 366 ABGB), den die Sachrückgabe abdeckt, womit aber dem Lösegeld kein Wert gegenübersteht.

Entsprechendes gilt im Übrigen für den Fall der Rückstellung der weggenommenen Sache an den (erpressten) Versicherer, der dem Bestohlenen bereits Ersatz geleistet hat, weil diesfalls durch die Rückgabe der gemäß § 67 Abs 1 VersVG auf den Versicherer übergegangene Schadenersatzanspruch befriedigt wird. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass der Ansatz des Erstgerichts, die Lösegeldforderung als versuchte Nötigung (§§ 15, 105 Abs 1 StGB) zu qualifizieren (so auch Kienapfel/Schmoller BT II § 144 Rz 44), in sich widersprüchlich ist, weil die Annahme, die Vermögensverletzung sei (final) durch den Diebstahl erfolgt, die Konsequenz nach sich ziehen würde, dass die Ankündigung, die weggenommene Sache zu behalten oder zu zerstören, keine Drohung mit einer Verletzung am Vermögen (§ 105 Abs 1 StGB iVm § 74 Abs 1 Z 5 StGB) wäre.

Da der Schuldspruch 2 aufgrund des dargelegten Rechtsfehlers aufzuheben war, erübrigt sich das Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Im zweiten Rechtsgang wird das erkennende Gericht nach neuerlicher Befragung des Beschwerdeführers Feststellungen darüber zu treffen haben, ob dieser den Verfügungsberechtigten der U***** mit Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz bedroht hat (§ 144 Abs 1 StGB), um auf dieser Basis - unter Bedachtnahme auf die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes (§ 293 Abs 2 und Abs 3 StPO) - den diesbezüglichen Anklagevorwurf zu beurteilen.

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruchs zu verweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.