JudikaturJustiz11Os127/83

11Os127/83 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. September 1983

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Schneider, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Borotschnik als Schriftführers in der Strafsache gegen Anton A wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengerichtes vom 28. Jänner 1983, GZ 27 Vr 1887/81-30, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Haselauer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 StGB auf 5 (fünf) Monate herabgesetzt wird. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Vizeleutnant des Bundesheeres Anton A des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB und des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in Linz 1. in der Zeit von Oktober 1980 bis Anfang Mai 1981

mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihrem Vermögen zu schädigen, seine Befugnis (als Kochstellenleiter der Hillerkaserne in Linz-Ebelsberg), im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht zu haben, indem er auf Namen und Rechnung des Bundesheeres bei einer Bäckerei insgesamt wenigstens 118 Torten zu je 120 S bestellte, sie jedoch sodann für private Zwecke verwendete und in den bezughabenden Unterlagen die Bestellung von Knödelbrot, Bröseln und Brot für die Truppenverpflegung deklarierte, und 2. etwa Anfang Mai 1981 eine echte Urkunde, nämlich den Lieferschein der Bäckereifirma Franz B vom 4. Mai 1981, durch nachträgliche Abänderung des Lieferdatums auf 29. April 1981, mit dem Vorsatz verfälscht zu haben, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis von Tatsachen gebraucht werde.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses - im zweiten Rechtsgang (nach Aufhebung eines von beiden Anklagepunkten freisprechenden Urteils durch den Obersten Gerichtshof und Rückverweisung der Strafsache an die erste Instanz) gefällte - Urteil richtet sich die auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Dem Beschwerdevorbringen zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund zuwider überging das Erstgericht die Divergenzen zwischen den Angaben des Zeugen Franz B keineswegs mit Stillschweigen, gelangte jedoch ihrer ungeachtet zu dem Schluß, daß die letzte in übereinstimmung mit der Anzeige (S 33, 35) und den Angaben des Zeugen Josef C (s insbes S 284, 285) den Angeklagten belastende Version, zu welcher sich der Zeuge B nach wiederholten Vorhalten und eindringlichen Wahrheitserinnerungen herbeiließ, im entscheidenden Punkt, nämlich in der Behauptung, daß sämtliche in den Lieferscheinen Blg 1 bis 6 angeführten Lieferungen unrichtig deklarierte Tortenbezüge betreffen (S 301; s auch S 298), glaubhaft ist (S 320 unten bis 323; S 326). Die nach Ansicht des Beschwerdeführers in der Urteilsbegründung zu Unrecht nicht erörterten Aussagen der Zeugen Hermann D (S 188 bis 191, aufrechterhalten und ergänzt auf S 276, 277), Franz E (S 192, 193, 274, 275), Alfred F (S 191, 192, 275), Werner G (S 199, 270 bis 272) und Josef H (S 196 bis 198, 272 bis 274) geben lediglich Aufschluß darüber, daß es zur Lieferung von Torten in die Hillerkaserne kam, und daß solche Mehlspeisen dort bei besonderen Anlässen verzehrt wurden, bestätigen aber nicht die Verantwortung des Angeklagten, wonach für Heereszwecke verwendete Torten falsch deklariert werden mußten. Von der vereinzelten Erwähnung solcher - hier nicht bedeutsamer - Tortenlieferungen, die von privater Seite oder aus Sonderzuschüssen bezahlt wurden, abgesehen, vermochten die genannten Zeugen über die Verrechnung und Begleichung der in der Kaserne konsumierten Torten nichts auszusagen.

Dies gilt - dem Beschwerdevorbringen zuwider - auch für den Zeugen D, der nur über privat bestellte und bezahlte Torten konkrete Angaben (S 189, 190 jeweils Mitte) machte, 'umgeschriebene' Lieferscheine aber gar nicht gesehen zu haben behauptet (S 276). Seine abschließende Erklärung, auf den Lieferscheinen sei keinesfalls 'Torte' oder 'Mehlspeise', 'sondern Knödelbrot' gestanden (S 277), kann sich daher nicht auf die Falschdeklaration von ohnehin für Heereszwecke verwendete Torten bezogen haben. Einer eingehenden Erörterung dieser zur Entlastung des Angeklagten nicht dienlichen Zeugenaussagen bedurfte es umsoweniger, als sie - der Beschwerde zuwider - auch mit den Angaben des Zeugen Adolf I in Einklang zu bringen sind; denn aus dessen Aussage geht nur hervor, daß er persönlich Torten als für die Normalverpflegung der Truppe ungeeignet ansah, nicht aber, daß er ihre Bestellung für besondere Anlässe verhinderte (S 204, 205, 212, 304, 308).

Mit dem Hinweis auf die vom Erstgericht (S 316, 317) ohnehin erörterte Unsicherheit der Verbrauchsberechnung, auf Grund welcher der Zeuge Josef C als militärischer Untersuchungskommissär einen vom Angeklagten vorgetäuschten Mehrbedarf an Knödelbrot etwa im Umfang der in Blg 1 bis 6 unrichtig deklarierten Lieferungen (s S 288) ermittelte, zeigt der Beschwerdeführer keinen Verstoß gegen die Begründungspflicht im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO auf, sondern sucht lediglich die Richtigkeit der Beweiswürdigung des Erstgerichtes in Zweifel zu ziehen; damit bringt er jedoch den angerufenen formellen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Entgegen dem abschließenden Vorbringen der Mängelrüge entbehren die Urteilsfeststellungen, wonach auch die letzte gegenständliche Lieferung von 10 Torten durch das Bundesheer bezahlt wurde und mit der am 8. Mai 1981 vom Angeklagten selbst beglichenen Ware nicht identisch ist (S 319, 322), keineswegs der Deckung durch den Akteninhalt (vgl Zg C S 292 sowie die - in weiterer Folge allerdings abgeschwächten - Angaben des Zg B S 299 Mitte). Der in diesem Zusammenhang behauptete Begründungsmangel beträfe zudem keine entscheidende Tatsache: Rechtlich bliebe es belanglos, wenn der Angeklagte in Kenntnis des gegen ihn aufgekommenen Verdachts (S 209, 299 vorl Abs, 304, 306) den Schaden aus der letzten Malversation verhindert hätte, denn nicht der tatsächliche Schadenseintritt, sondern nur der darauf gerichtete Vorsatz ist Tatbestandsmerkmal des § 302 Abs 1 StGB

Beizupflichten ist zwar den Ausführungen des Beschwerdeführers zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO darin, daß der Tatbestand der Urkundenfälschung einen mit Rücksicht auf den Inhalt rechtserheblichen Gebrauch der falschen oder verfälschten Urkunde (§ 223 Abs 2 StGB) oder einen darauf gerichteten Vorsatz des Fälschers (§ 223 Abs 1 StGB) voraussetzt, mithin ein Zusammenhang zwischen dem Gebrauch und dem Inhalt der Urkunde bestehen muß (Mayerhofer-Rieder2 EGr 12 bis 16 zu § 223 StGB). Aus der Urteilsbegründung ergibt sich jedoch ohnehin mit zureichender Klarheit, daß es dem Angeklagten nach Annahme des Erstgerichtes um die in bezug auf den Inhalt rechtserhebliche Verwendung des von ihm durch Abänderung des Ausstellungsdatums verfälschten Lieferscheines ging, weil er bezweckte, die auf dieser Urkunde bestätigte übernahme von 220 kg Brot am 4. Mai 1981, die wegen Vorhandenseins von zwei anderen Lieferscheinen gleichen Datums über Brotlieferungen von insgesamt 210 kg aufzufallen drohte, einem früheren Liefertermin und damit auch einer früheren Abrechnung zuzuordnen (vgl die Urteilsfeststellungen S 318 unten, 324 in Verbindung mit Blg F und G sowie den Aussagen der Zeugen Josef C S 291 Mitte und Adolf I S 304 unten bis 307). Es fehlt daher keineswegs an einem Zusammenhang zwischen dem Gebrauch und dem Inhalt der verfälschten Urkunde, mag auch der Angeklagte nicht mit Sicherheit damit gerechnet haben, daß gerade der Lieferschein Blg 6 einer auch das Ausstellungsdatum erfassenden überprüfung unterzogen würde (S 327).

Der Schuldspruch wegen Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB (Punkt 2 des Urteilstenors) beruht mithin nicht auf dem vom Beschwerdeführer behaupteten Subsumtionsirrtum; im Hinblick auf die einheitliche Strafdrohung des § 223 StGB erübrigt sich auch ein amtswegiges Vorgehen nach dem § 290 Abs 1 StPO (in Verbindung mit dem § 281 Abs 1 Z 10 StPO)mit dem Ziel einer Unterstellung des nach den Urteilsannahmen bis zum tatsächlichen Gebrauch der verfälschten Urkunde gediehenen Verhaltens des Angeklagten unter den Tatbestand des § 223 Abs 2 StGB, dem gegenüber die vom selben Täter verübte Fälschungshandlung eine nachbestrafte Vortat darstellt (vgl EGr 21 zu § 223 StGB in Mayerhofer-Rieder2).

Soweit die Beschwerde den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt (1 des Urteilstenors) für nichtig im Sinn des § 281 Abs 1 Z 10 StPO erachtet, weil der Angeklagte der Lieferfirma bei den gegenständlichen Bestellungen gleichberechtigt - nicht mit imperium ausgestattet - gegenübergetreten sei und folglich keine Hoheitsakte gesetzt habe, ist zu erwidern, daß die nach jüngerer Rechtsprechung (ÖJZ-LSK 1983/28 = EvBl 1983/44 = RZ 1983/33) gebotene einzelfallbezogene Prüfung der konkreten deliktischen Tätigkeit auf ihren Zusammenhang mit den Aufgaben des Rechtsträgers nicht auf die isolierte Betrachtung einzelner Phasen des Täterverhaltens beschränkt werden darf. Vielmehr ist das Gesamtverhalten des Täters auch dann als amtsmißbräuchlich zu qualifizieren, wenn es nicht in allen Phasen und nicht in Beziehung auf alle davon Betroffenen in der Ausübung der dem Beamten im Rahmen der Hoheitsverwaltung eingeräumten Befugnis zu Organhandlungen bestand. Nur wenn - wie im Fall der oben erwähnten Entscheidung - kein einziger Teilakt im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Verwaltungsbefugnis stünde, das Tatverhalten in seiner Gesamtheit vielmehr außerhalb des dem Täter im Rahmen der Hoheitsverwaltung zugewiesenen Vollziehungsbereiches läge, könnte es nicht als Befugnismißbrauch im Sinn des § 302 Abs 1 StGB beurteilt werden. Hievon kann vorliegend aber nicht die Rede sein; denn die Verfehlungen des Angeklagten beschränkten sich keineswegs auf den Ankauf von (in den Lieferscheinen falsch deklarierten) Backwaren im Namen und auf Rechnung des Bundesheeres, sondern bestanden im Kern darin, daß der Angeklagte durch 'Abzweigen' solcher Lieferungen für private Zwecke die ihm als Kochstellenleiter einer Kaserne im Rahmen der Heeresverwaltung zustehende - mithin hoheitliche (EvBl 1979/ 195) - Verfügungsmacht und Aufsichtsbefugnis hinsichtlich der Truppenverpflegung wissentlich mißbrauchte, um sich zum Nachteil des Staates zu bereichern.

Die zum Teil nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführte, im übrigen aber unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 302 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten und sah diese Strafe gemäß dem § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach.

Bei der Strafbemessung wertete es den Mißbrauch der Vertrauensstellung und die 'fast schon gewerbsmäßige Tendenz des Handelns des Angeklagten' als erschwerend und nahm demgegenüber die Unbescholtenheit und das Teilgeständnis als mildernd an. Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Herabsetzung des Strafausmaßes 'oder' die Verhängung einer bedingten Geldstrafe. Die Berufung ist teilweise begründet.

Die Strafzumessungsgründe bedürfen zunächst insofern einer Korrektur, als der Mißbrauch der Vertrauensstellung auf Grund des Doppelverwertungsverbotes nicht zusätzlich als Erschwerungsgrund herangezogen und auch eine 'fast gewerbsmäßige Tendenz des Handelns' dem Angeklagten nicht als erschwerend angelastet werden kann. Unter Bedachtnahme auf die sohin nur noch vorliegenden Milderungsgründe konnte unter besonderer Berücksichtigung des bisher einwandfreien Vorlebens des Anton A und einer damit gegebenen nicht ungünstigen Prognose von der außerordentlichen Strafmilderung nach dem § 41 StGB Gebrauch gemacht und demgemäß eine Reduktion der Freiheitsstrafe auf das tatschuldadäquate Ausmaß von fünf Monaten vorgenommen werden.

In diesem Sinn war der Berufung des Angeklagten daher Folge zu geben.

Der eventualiter begehrten Verhängung einer Geldstrafe an Stelle der Freiheitsstrafe (§ 37 StGB) standen im Hinblick auf die vorliegende wiederholte Verletzung von Amtspflichten generalpräventive Erwägungen entgegen.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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