JudikaturJustiz11Os12/23h

11Os12/23h – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. März 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen D* A* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Geschworenengericht vom 21. November 2022, GZ 19 Hv 119/22i 71.5, weiters über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsichten nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die (verbleibende) Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde D* A* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 25. Juni 2022 in M * versucht, seine ehemalige Ehe frau M* A* zu töten, indem er sie festhielt und mit einem mitgeführten Klappmesser mehrfach auf ihren Kopf und Halsbereich sowie ihren linken Unterarm „einstach bzw weiter einstechen wollte“, wodurch sie zahlreiche Schnittwunden am Unterarm und im Gesichtsbereich, insbesondere eine entlang des linken Unterkieferkörpers auf das linke Ohrläppchen reichende, etwa vier Zentimeter lange, zirka zwei bis drei Millimeter weit klaffende Hautdurchtrennung erlitt, die sich in enger Nachbarschaft zu großen Blutgefäßen, insbesondere der Halsschlagader und weiteren Halsvenen befand.

[3] Die Geschworenen hatten die anklagekonform in Richtung des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB gestellte Hauptfrage 1./ bejaht. Demzufolge blieben die Eventualfragen in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (1./), „des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4, Abs 5 Z 1 StGB“ (2./; vgl Rechtsbelehrung ON 71.2 S 14 und 16; zur echten Idealkonkurrenz der [selbständigen] Qualifikation nach § 84 Abs 4 StGB und der [unselbständigen] Qualifikation nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB bei Tat und Opferidentität siehe allerdings RIS Justiz RS0132358 [T 1 ] und Burgstaller/Schütz in WK 2 StGB § 84 Rz 2, 104; zur [gesonderten] Fragestellung in einem solchen Fall siehe 11 Os 87/22m [11 Os 88/22h] und 15 Os 91/22d; RIS Justiz RS0100788; Lässig , WK StPO § 314 Rz 1) sowie des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB ( 3./) unbeantwortet .

Rechtliche Beurteilung

[4] Der Angeklagte bekämpft das Urteil mit einer auf § 345 Abs 1 Z 6, 10a und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

[5] Die Fragenrüge (Z 6) orientiert sich nicht an der Verfahrensordnung (RIS Justiz RS0117447; Ratz , WK StPO § 345 Rz 23). Nach § 312 StPO sind die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die (Haupt )Frage(n) aufzunehmen, und zwar dergestalt, dass nicht nur die Individualisierung der dem Täter angelasteten Tat(en) zum Zwecke der Ausschaltung der Gefahr der neuerlichen Verfolgung und Verurteilung wegen derselben Tat sichergestellt ist, sondern auch deren Konkretisierung durch Aufnahme der den einzelnen Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten, die die Subsumtion des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch zugrunde gelegten Sachverhalts überhaupt erst ermöglicht und andererseits die Überprüfbarkeit dieser Subsumtion durch den Obersten Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren (§ 345 Abs 1 Z 11 lit a, 12, 13) gewährleistet (RIS Justiz RS0119082, RS0100780; vgl Ratz , WK StPO § 345 Rz 34; Lässig , WK StPO § 312 Rz 2, 4, 9, 18 ff). Überdies muss der Inhal t dieser Frage(n) nicht nur in Ansehung des gesetzlichen Tatbestands, sondern auch hinsichtlich des konkreten Sachverhalts mit der Anklage übereinstimmen (RIS Justiz RS0100505, RS0100509).

[6] Aus welchem Grund die Hauptfrage 1./ diesen Anforderungen nicht genügen sollte, macht die Beschwerde nicht deutlich. Hinsichtlich de s in der Hauptverhandlung zur Sprache gekommenen (mit nicht unerheblichem Kraftaufwand und einem gewissen Druck erfolgten ) V erursachens der in Rede stehenden Schnitt verletzungen (allenfalls auch) durch Schnitt anstatt (allenfalls ausschließlich ) durch Stich bewegungen (vgl ON 71.3, 51 ff) legt sie nicht dar , weshalb das Unterbleiben einer alternativen Aufnahme dieser Sachverhaltsvariante in das Frageschema Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 6 begründen sollte (RIS Justiz RS0100737; Ratz WK StPO § 345 Rz 47, 52) .

[7] D ie Tatsachenrüge (Z 10a) bezieht sich mit Hinweisen auf isoliert hervorgehobene Ergebnisse der Hauptverhandlung (vgl aber ON 71.3, 21 f, 35 ff, 40 f, 44 f, 52–56) bloß auf die auch in der Fragenrüge relevierten Details der im Wahrspruch festgestellten Tathandlungen (vgl Ratz , WK StPO § 345 Rz 15, 47). D ass die in Rede stehenden Schnitt verletzungen (wegen Abwehrhandlungen des Opfers) allenfalls (auch) durch Schnitt und nicht (ausschließlich) durch Stichbewegungen des Angeklagten verursacht worden sein können, vermag beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen ([vorsätzlicher] Tötungsversuch durch einen mehrfache n Angriff mit einem mitgeführten Klappmesser ua gegen den Kopf und Halsbereich, der ua eine etwa vier Zentimeter lange und weit klaffende Hautdurchtrennung in enger Nachbarschaft zu großen Blutgefäßen, insbesondere der Halsschlagader und weiteren Halsvenen nach sich zog ) hervorzurufen (vgl RIS Justiz RS0099720 [T5]) .

[8] D ie Rechtsrüge (nominell Z 12, der Sache nach Z 11 lit a) ist ebenso wenig prozessordnungskonform ausgeführt, leitet sie doch nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl RIS Justiz RS0116569), aus welchem Grund eine Subsumtion unter den – keine vom Mindesterfordernis des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz (§ 7 Abs 1) StGB abweichende Vorsatzform oder allfällige zusätzliche Vorsatzerfordernisse verlangenden – Tatbestand des § 75 StGB die Erwähnung der subjektiven Tatseite im Wahrspruch voraussetzen sollte (vgl RIS Justiz RS0113270; zur Rechtsbelehrung siehe im Übrigen ON 71.2, 8 f, 12).

[9] D ie Nichtigkeitsbeschwerde war daher ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehene (angemeldete – ON 71.3, 64) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 344, 283 Abs 1, 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO – RIS Justiz RS0100080) bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Hieraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (verbleibende) Berufung und die Beschwerde (§§ 344, 285i, 498 Abs 3 StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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