JudikaturJustiz10ObS11/13k

10ObS11/13k – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht und als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen in der Sozialrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei ***** H*****, vertreten durch Mag. Horst Winkelmayr, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84 86, wegen einstweiliger Verfügung und Ruhen des Pensionsanspruchs

1. durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter (Senat nach § 11a Abs 3 ASGG) infolge „außerordentlichen“ Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 5. Dezember 2012, GZ 10 Rs 191/12z 41, womit der Beschluss des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom 19. September 2012, GZ 14 Cgs 129/11d 27, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

2. durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas und Mag. Dr. Monika Lanz (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 15. November 2012, GZ 10 Rs 138/12f 32, den

Beschluss

gefasst:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

1. Zum Revisionsrekurs:

Das Erstgericht hat den Sicherungsantrag des Klägers vom 14. 9. 2012 ohne Anhörung der beklagten Partei abgewiesen. Das Rekursgericht hat diesen Beschluss zur Gänze bestätigt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene „außerordentliche“ Revisionsrekurs des Klägers ist gemäß § 78 EO, § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, weil gemäß § 402 Abs 2 EO für solche (Revisions )Rekurse die Ausnahmebestimmung des § 402 Abs 1 letzter Satz EO, wonach ein Revisionsrekurs nicht deshalb unzulässig ist, weil das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen Beschluss zur Gänze bestätigt hat, nicht gilt. Wurde daher wie im vorliegenden Fall der ohne Anhörung der Gegnerin der gefährdeten Partei gefasste Beschluss auf Abweisung eines Sicherungsantrags vom Rekursgericht bestätigt, dann ist ein Revisionsrekurs gegen den Beschluss der zweiten Instanz jedenfalls unzulässig. In einem solchen Fall kann auch kein „außerordentlicher“ Revisionsrekurs erhoben werden (vgl RIS Justiz RS0012260 mwN).

2. Zur Revision:

Der durch einen Verfahrenshelfer vertretene Kläger releviert in seiner außerordentlichen Revision erstmals die Nichtigkeit des Verfahrens wegen seiner Prozessunfähigkeit schon seit dem Zeitpunkt der Einbringung der Klage und regt ein Vorgehen nach § 6a ZPO an.

Dazu ist auszuführen, dass nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Einschränkung der Geschäftsfähigkeit des Behinderten durch Sachwalterbestellung rechtsgestaltend nur für die Zukunft wirkt. Für die Vergangenheit ist die Frage der Prozessfähigkeit des Behinderten daher vom Prozessgericht zu beurteilen (vgl 10 Ob 64/11a mwN ua; RIS Justiz RS0110082). Für die Überprüfung der Prozessfähigkeit des Klägers besteht hier keine Veranlassung, weil der Kläger seine Zweifel an der eigenen Prozessfähigkeit lediglich aus seiner Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB (Unterbringung von zurechnungsfähigen Tätern) und seinen teils unklaren Eingaben an das Gericht ableitet. Auch wenn man davon ausgeht, dass absolute Nichtigkeiten auch im Rahmen von außerordentlichen Revisionen von Amts wegen wahrzunehmen wären, setzt dies jedenfalls deren Ersichtlichkeit voraus. Davon kann hier aber im Hinblick auf die konkreten Behauptungen des Klägers nicht ausgegangen werden. Ist der Nichtigkeitsgrund aber nicht ersichtlich, dann kann daraus auch keine erhebliche Rechtsfrage abgeleitet werden (vgl 9 Ob 4/12x mwN).

Aber auch sonst werden in der außerordentlichen Revision des Klägers keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass gegen die Verfassungsmäßigkeit der Ruhensbestimmung des § 58 Abs 1 Z 1 GSVG, wonach die Leistungsansprüche unter anderem auch in der Pensionsversicherung ruhen, solange der Anspruchsberechtigte eine Freiheitsstrafe verbüßt oder in den Fällen der §§ 21 Abs 2, 22 und 23 des Strafgesetzbuches in einer der dort genannten Anstalten angehalten wird, keine Bedenken bestehen, entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats auch zu der gleichlautenden Ruhensbestimmung des § 89 Abs 1 Z 1 ASVG (vgl jüngst 10 ObS 137/12p; 10 ObS 54/07z, SSV NF 21/35 mit zustimmender Besprechung von Birklbauer in zuvo 2008/44, 59; 10 ObS 32/02g, SSV NF 16/59; 10 ObS 207/00i, SSV NF 14/96; 10 ObS 190/95, DRdA 1996/44, 416 [zust Birklbauer ] ua; RIS Justiz RS0085422). Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Soweit der Kläger geltend macht, es hätte näher geprüft werden müssen, ob seine Versorgung trotz Ruhens der Pension sichergestellt sei, ist darauf hinzuweisen, dass die zum Teil auch aus öffentlichen Geldern finanzierten Pensionsleistungen im konkreten Fall die vom Kläger seit 1. 9. 2007 von der beklagten Partei bezogene Erwerbsunfähigkeitspension dem Ersatz des Entgeltentfalls durch Alter, Invalidität, Erwerbsunfähigkeit usw dienen und daher ruhen, wenn dieses Bedürfnis zur Sicherung des Versicherten entfällt. Für die Dauer der Strafhaft wird für die Grundbedürfnisse des Pensionsberechtigten aus öffentlichen Mitteln in anderer Weise (vgl §§ 31, 38 ff StVG) vorgesorgt. Dieser Grundsatz der Versorgung im Strafvollzug kommt auch in der Regelung des § 31 Abs 2 StVG zum Ausdruck, wonach dem Strafgefangenen während der Zeit des Strafvollzugs kein Geld von außen zur Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung stehen darf. Der Umstand, dass die Verbüßung einer Freiheitsstrafe für den Betreffenden mit finanziellen Nachteilen verbunden ist, macht die Ruhensbestimmung für Pensionsleistungen für sich allein noch nicht unsachlich. So wie mit einer Freiheitsstrafe gegen einen Erwerbstätigen der faktische Verlust des Erwerbseinkommens mangels Erwerbsarbeit außerhalb des Strafvollzugs einhergeht, so müssen auch Pensionsleistungen durch die Gemeinschaft der Versicherten mangels Erwerbsmöglichkeit durch Alter, Invalidität oder Erwerbsunfähigkeit wegfallen, weil die fehlende Erwerbsmöglichkeit eben nicht mehr auf Alter, Invalidität oder Erwerbsunfähigkeit zurückzuführen ist, sondern auf die Tatsache der Freiheitsentziehung (vgl Birklbauer , Ruhen der Pensionsansprüche während der Strafhaft, zuvo 2008/44, 59 f mwN).

Auch eine vom Kläger geltend gemachte unsachliche Differenzierung zwischen arbeitsfähigen und nicht arbeitsfähigen Strafgefangenen ist nicht zu erkennen, weil zur Sicherung der Versorgung eines Strafgefangenen, der alters oder unfallbedingt nicht mehr arbeitsfähig ist, und zur Vermeidung von sozialen Härten ihm jedenfalls auch Geld für seine Bedürfnisse zur Verfügung steht (vgl § 54 Abs 3 StVG).

Der Gesetzgeber überschreitet daher den ihm eingeräumten Gestaltungsraum nicht, wenn er für eine Zeit, für die Versorgung des Pensionisten während seiner Unterbringung in Strafhaft aus öffentlichen Mitteln in anderer Weise vorgesorgt wird, die Pensionsleistung sistiert. Diese in der Rechtsprechung für die Strafhaft dargelegten Grundsätze gelten in gleicher Weise auch für die Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB (vgl § 167 StVG). Für die Bedürfnisse der Angehörigen wurde nach § 58 Abs 5 GSVG Vorsorge getroffen. Ein der Verfassung widersprechender Eingriff in das Eigentumsrecht oder eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist bei dieser Sachlage nicht erkennbar. Der erkennende Senat sieht sich zu der vom Kläger angeregten Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst. Ausgehend von der dargelegten Rechtsansicht liegen auch keine sekundären Feststellungsmängel vor.

Rechtssätze
4