JudikaturJustiz10Ob77/98s

10Ob77/98s – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Danzl und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Dr. Hermann L*****, Tischlermeister, *****, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit a.d. Glan, wider die beklagte Partei Rita S*****, Lehrerin, *****, vertreten durch Dr. Dieter Havranek, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 100.000,- sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 1. Dezember 1997, GZ 4 R 442/97k-79, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508 a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ging zutreffend davon aus, daß dem Werkbesteller bis zur vollständigen Verbesserung bestehender behebbarer, wenn auch nur geringer Mängel ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, das ihn nach ständiger und trotz der Bedenken Koziols (ÖJZ 1985, 737ff) aufrechterhaltener Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu berechtigt, die gesamte, noch offene Gegenleistung und nicht bloß einen dem Mangel entsprechenden Teil davon bis zur Verbesserung des mangelhaften Werkes durch den Unternehmer zu verweigern, weil der Werkvertrag vor der gehörigen Erbringung der zugesagten Leistung noch nicht erfüllt und der Werklohnanspruch daher gemäß § 1170 ABGB noch nicht fällig ist. Ein derartiges Zurückbehaltungsrecht besteht nach herrschender Rechtsprechung nur nicht bei ganz unerheblichen Mängeln, vor allem, wenn die Ausübung dieses Rechts zur Schikane ausartet (RdW 1997, 449; exolex 1990, 677; SZ 62/169; EvBl 1987/49; SZ 56/59; SZ 56/106; EvBl 1979/198 ua).

Von solchen unerheblichen Mängeln kann bei den im vorliegenden Fall immer wieder locker werdenden Türbeschlägen, die eine ordnungsgemäße Bedienung der Türen hindern, keine Rede sein. Daß die Mängel schon bei der Lieferung vorlagen, folgt aus der bindenden Feststellung des Erstgerichtes, daß es sich bei den Türbeschlägen um eine "Fehllieferung" des Klägers handelte, die nur durch Austausch der Türbeschläge behoben werden kann.

Schikane liegt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, nach neuerer Rechtsprechung vor, wenn das unlautere Motiv der Handlung die lauteren Motive eindeutig übersteigt, es also augenscheinlich im Vordergrund steht oder wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Mißverhältnis besteht (HS 25.536; EvBl 1993/101; SZ 62/169; WBl 1987, 37 ua).

Von unlauteren Motiven des Werkbestellers bzw einem krassen Mißverhältnis der Interessen kann hier ebenfalls keine Rede sein. Die Beurteilung des (Miß )Verhältnisses der Interessen hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Es kann daher keine "fixe Prozentsatzgrenze" geben, womit der Revisionswerber das Verhältnis zwischen Werklohn und Verbesserungsaufwand meint. Das Berufungsgericht ließ sich bei der Verneinung eines krassen Mißverhältnisses von zutreffenden Überlegungen leiten. Eine damit im Zusammenhang stehende erhebliche Rechtsfrage, der Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukäme, wird vom Revisionswerber nicht aufgezeigt. Beim Vorwurf, das Berufungsgericht wäre zu Unrecht vom Klagebetrag (statt vom Gesamtwerklohn) ausgegangen, übersieht der Revisionswerber, daß die Beklagte bereits knapp die Hälfte des Werklohns bezahlt hat. Das Verhältnis der wechselseitigen Interessen, kann nur an den noch offenen Leistungen gemessen werden. Die vom Revisionswerber erstmals angestellten Überlegungen, wonach nicht die ganzen Türbeschläge, sondern jeweils nur ein Bestandteil derselben ("PVC-Kern") ausgetauscht werden müßten, womit sich der Verbesserungsaufwand reduzieren und das Mißverhältnis der wechselseitigen Interessen steigern würde, widerstreiten dem Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO). Es kann daher auch nicht auf das mit der außerordentlichen Revision vorgelegte, erst nach Schluß der Verhandlung erster Instanz verfaßte Schreiben des Sachverständigen K***** vom 2.2.1998 Bedacht genommen werden. Die neuen Überlegungen entfernen sich überdies von den erstgerichtlichen Feststellungen, wonach die "Fehllieferung" der Türbeschläge durch deren Austausch zu beheben ist.

Das Berufungsgericht hat entgegen der Behauptung des Revisionswerbers nur die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt.

Eine Warnung im Sinne des § 1168a ABGB muß erkennen lassen, daß die Befolgung der Anweisung des Bestellers das Mißlingen des Werkes zur Folge haben könnte (SZ 27/292; SZ 55/48; ecolex 1990, 543). Insbesondere dann, wenn der Besteller sachunkundig ist, sind ihm die Folgen im einzelnen vor Augen zu führen, die mit einer Nichtbeachtung der Warnung verbunden sind, um ihm dergestalt die sachgerechte Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob allenfalls die Ausführung des Werkes überhaupt unterbleiben oder zusätzliche Aufträge erteilt werden sollen (RIS-Justiz RS0022092). Diesen Voraussetzungen entsprach die Warnung des Klägers vom 28.10.1993 (Beil./G) nicht.

Rechtssätze
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