JudikaturJustiz10Ob69/04a

10Ob69/04a – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hopf, Dr. Fellinger, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton S*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar und Mag. Norbert Marschall, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Katrin B*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Stanek-Nowerka, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 3. Juni 2004, GZ 48 R 135/04i-40, mit dem der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 30. Dezember 2003, GZ 23 C 7/03w-32, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Hernals vom 22. 2. 1999, GZ 1 P 1409/95t-130, verpflichtet, der Beklagten ab 1. 7. 1998 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.300 zu zahlen.

Mit der am 3. 1. 2003 beim Erstgericht zu Protokoll gegebenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass seine Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten seit 1. 9. 2002 erloschen sei, weil die Beklagte die Matura erst mit großer Verspätung am 11. 3. 2003 bestanden habe und jedenfalls seit diesem Zeitpunkt selbsterhaltungsfähig sei. Die Lernfähigkeit der Beklagten sei aufgrund ihrer Allergien nicht beeinträchtigt gewesen. Sollte eine derartige Beeinträchtigung jedoch tatsächlich bestehen, werde auch die Eignung der Beklagten zum gewählten Studium beziehungsweise Berufswunsch bestritten.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens im Wesentlichen mit der Begründung, sie habe aus Krankheitsgründen und aufgrund ihrer psychischen Belastung die Matura erst am 11. 3. 2003 erfolgreich abschließen können. Nach der Matura habe die Beklagte aus Gründen, die sie nicht zu vertreten habe, ihr Studium erst im Wintersemester 2003/2004 aufnehmen können.

Das Erstgericht bestellte nach Einholung eines pulmologischen Sachverständigengutachtens sowie eines HNO-Sachverständigengutachtens einen berufskundlichen Sachverständigen zur Beurteilung der Frage, ob die Beklagte die Eignung zum Hochschulstudium besitze. Dagegen erhob die Beklagte Rekurs mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss ersatzlos zu beheben und den bestellten berufskundlichen Sachverständigen seines Amtes zu entheben. Das Rekursgericht wies den Rekurs der Beklagten zurück. Es schloss sich in seiner Begründung der in der Entscheidung 6 Ob 277/00d vertretenen Ansicht an, wonach es sich bei der Bestellung eines Sachverständigen um eine dem Beweisbeschluss im Zivilprozess vergleichbare, der Sammlung des Entscheidungsstoffes dienende verfahrensleitende Verfügung handle, welche nur dann anfechtbar sei, wenn dadurch in die Rechtssphäre der Partei eingegriffen werde. Dies sei jedoch nur der Fall, wenn zu wenig Beweise aufgenommen würden, nicht hingegen im gegenteiligen Fall eines "Zuviel" an Beweismitteln. Wenngleich die Entscheidung 6 Ob 277/00d im außerstreitigen Verfahren ergangen sei und die Bestimmung des § 277 ZPO über den Beweisbeschluss und damit auch über dessen Unanfechtbarkeit durch die Zivilverfahrensnovelle 2002, BGBl I Nr 76/2002, aufgehoben worden sei, sei die Frage der materiellen Beschwer durch ein "Zuviel" an Beweisen ganz allgemein und daher auch im gegenständlichen streitigen Verfahren grundsätzlich beachtlich. Dieser Auffassung sei auch aus Zweckmäßigkeitsgründen zu folgen. Der Rekurs der Beklagten sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

Der ordentliche Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung sei im Hinblick auf die zu dieser Frage vorliegende uneinheitliche Rechtsprechung und die nach der ZVN 2002 bestehende neue Rechtslage zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 526 Abs 2 ZPO) des Rekursgerichtes unzulässig.

Auch gegen die Zurückweisung eines Rekurses aus formellen Gründen ist der Revisionsrekurs nur bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO zulässig (SZ 57/42; SZ 58/186; 3 Ob 135/90; 1 Ob 84/00k; 7 Ob 62/01w; 2 Ob 268/01b ua). Es entsprach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor dem Inkrafttreten der Zivilverfahrensnovelle 2002, BGBl I Nr 76/2002, dass Beschlüsse, mit denen ein Sachverständiger bestellt oder enthoben wurde, nicht gesondert anfechtbar sind. Es wurde darauf hingewiesen, dass sich die (abgesonderte) Unanfechtbarkeit nicht nur auf § 366 ZPO, sondern vor allem auf die §§ 277 Abs 4 (idF vor der ZVN 2002) und 291 Abs 1 ZPO gründe (1 Ob 211/01p; 2 Ob 268/01b; 8 ObA 124/01w; 1 Ob 98/02x ua). Die auch hier ausschließlich relevierte Frage, ob überhaupt ein Sachverständiger zu bestellen ist, stellt sich als Frage der Beweisaufnahme dar, die durch den Beweisbeschluss entschieden wird. Der Beweisbeschluss war jedoch zufolge § 277 Abs 4 ZPO nicht abgesondert bekämpfbar. Er konnte daher erst gemeinsam mit der nächsten abgesondert bekämpfbaren Entscheidung angefochten werden (8 ObA 124/01w mwN ua). Es wurde ebenfalls in der Rechtsprechung bereits darauf hingewiesen, dass der Grund für die mangelnde abgesonderte Bekämpfbarkeit des Beschlusses über die Beweisaufnahme im Streitverfahren darin liegt, dass - wie auch der gegenständliche Fall anschaulich zeigt - zeitraubende Zwischenstreitigkeiten über die Zulassung von Beweismitteln verhindert werden sollen (8 ObA 124/01w mwN ua). Es trifft zwar zu, dass die Bestimmung über den Beweisbeschluss (§ 277 ZPO) durch die ZVN 2002 aufgehoben wurde und diese Bestimmung auf die am 3. 1. 2003 zu gerichtlichen Protokoll gegebene Klage keine Anwendung mehr findet (Art XI Abs 2 ZVN 2002). Es wurde aber ebenfalls bereits ausgesprochen, dass auch nach dem Inkrafttreten der ZVN 2002 wegen des im Wesentlichen unveränderten Fortbestandes des § 291 ZPO (Unzulässigkeit abgesonderter Rechtsmittel unter anderem gegen Beschlüsse, durch welche Beweisaufnahmen angeordnet werden), zu einem Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung kein Anlass besteht (6 Ob 283/03s). In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass selbst wenn die Entscheidung der Frage, ob zur Feststellung des Sachverhaltes ein Sachverständigengutachten benötigt wird, später mit dem nächsten Beschluss bekämpft werden kann, es sich dabei - wie bei der Frage der Einholung weiterer Sachverständigengutachten - um eine nicht revisible Frage der Beweiswürdigung handelt (8 ObA 124/01w; 1 Ob 98/02x mwN ua).

Die vom Erstgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht herangezogene Entscheidung 6 Ob 277/00d und auch die von der Beklagten zur Stützung ihres Rechtsstandpunktes herangezogenen Entscheidungen bezogen sich auf die Bestellung von Sachverständigen im Außerstreitverfahren, wobei im Außerstreitverfahren ganz allgemein eine größere Verbindung zwischen dem erstinstanzlichen Verfahren und dem Rekursverfahren bei der Feststellung des relevanten Sachverhaltes besteht (8 ObA 124/01w mwN). Es ist im vorliegenden Streitverfahren nicht entscheidend, ob auch im außerstreitigen Verfahren eine abgesonderte Anfechtungsmöglichkeit gegen den Sachverständigenbestellungsbeschluss zu verneinen ist (vgl dazu die Darstellung der aktuellen Judikatur in der Entscheidung 4 Ob 171/03f). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt daher im gegenständlichen Verfahren nicht vor, weshalb das Rechtsmittel der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen ist. Auch die Revisionsrekursbeantwortung ist unzulässig, weil der Beschluss auf Bestellung eines Sachverständigen nicht zu den im § 521a Abs 1 ZPO angeführten Beschlüssen mit einem zweiseitigen Rechtsmittelverfahren zählt.

Rechtssätze
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