JudikaturJustiz10Ob25/16y

10Ob25/16y – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Mai 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr, Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen M*****, geboren am *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen, vertreten durch den bisherigen Sachwalter Mag. G*****, Rechtsanwalt in Murau, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 24. Februar 2016, GZ 2 R 38/16m 119, womit der Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Murau vom 22. Dezember 2015, GZ 7 P 18/08a 112, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

D em Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht aufgetragen, den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu behandeln.

Der Revisionsrekurswerber hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Für den Betroffenen war Rechtsanwalt Mag. G***** zum Sachwalter bestellt worden.

Das Erstgericht wies den Antrag des Sachwalters auf Erweiterung der Sachwalterschaft auch auf den Bereich der Personensorge ab (Pkt I), enthob den Sachwalter seines Amts (Pkt II) und bestellte den Verein VertretungsNetz Sachwalterschaft zum neuen Sachwalter (Pkt III). Rechtlich ging das Erstgericht soweit für das Revisionsrekursverfahren wesentlich davon aus, dass der Betroffene selbst die Umbestellung beantragt habe. Da das Vertrauensverhältnis zwischen dem Betroffenen und dem Sachwalter nachhaltig getrübt sei, sei eine Umbestellung im Interesse und zum Wohl des Betroffenen. Der Verein VertretungsNetz Sachwalterschaft habe einer Bestellung zum Sachwalter zugestimmt.

Gegen diesen Beschluss, insoweit der Sachwalter seines Amts enthoben und der Verein VertretungsNetz Sachwalterschaft zum neuen Sachwalter bestellt wurde, wurde ein Rekurs eingebracht, in dem zwar der Name des Betroffenen genannt wird, als Rekurswerber aber der enthobene Sachwalter bezeichnet wurde. Aus der Ausführung des Rekurses ergibt sich, dass der enthobene Sachwalter „durch seine ausgewiesene Vertretung“ Rekurs erhebe. Inhaltlich wendet sich der Rekurs ausschließlich dagegen, dass das Erstgericht den Willen des Betroffenen grundlos übergangen bzw ihm nicht Rechnung getragen habe, weil dieser zwar vorerst den Wunsch nach einem anderen Sachwalter geäußert habe, seine Meinung aber wiederum geändert und geäußert habe, den enthobenen Sachwalter doch beibehalten zu wollen. Weiters wurde vorgebracht, dass Feststellungen dazu, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Betroffenen und dem bisherigen Sachwalter nachhaltig getrübt wäre, nicht getroffen worden seien. Etwaig vorhanden gewesene Unstimmigkeiten seien zwischenzeitig ausgeräumt. Die dennoch erfolgte Umbestellung entspreche deshalb nicht dem Wohl des Betroffenen.

Das Rekursgericht wies den Rekurs zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Rechtlich war das Rekursgericht der Auffassung, der Sachwalter habe den Rekurs ausschließlich im eigenen Namen erhoben. Einem enthobenen Sachwalter stehe gegen seine Enthebung aber kein Rekursrecht im eigenen Namen zu, da er aus seiner Bestellung keine eigenen Rechte erworben habe. Es bestehe kein gesetzlich verankertes Recht, in der Funktion des Sachwalters zu verbleiben. Der nicht im Namen und im Interesse des Betroffenen eingebrachte Rekurs sei mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionrekurs des Betroffenen, vertreten durch den Sachwalter.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber macht zusammengefasst geltend, im Fall einer Umbestellung sei der enthobene Sachwalter nur dann nicht rekurslegitimiert, wenn er das Rechtsmittel im eigenen Namen einbringe und dieses nicht im Interesse des Betroffenen sei. Im vorliegenden Fall sei die Rekurserhebung aber (ausschließlich) im Interesse des Betroffenen erfolgt, in dem vorgebracht worden sei, der Betroffene habe ausdrücklich den Wunsch geäußert, den enthobenen Sachwalter beibehalten zu wollen.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Gemäß § 278 Abs 1 ABGB hat das Gericht die

Sachwalterschaft auf Antrag oder von Amts wegen einer anderen Person ua dann zu übertragen, wenn der

Sachwalter nicht die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amts nicht zugemutet werden kann, die bestellte Person ihre Eigenberechtigung verliert, etwa wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung eine dem Wohl des Pflegebefohlenen förderliche Ausübung der

Sachwalterschaft nicht mehr zu erwarten ist oder das Wohl des Pflegebefohlenen dies aus anderen Gründen erfordert. Eine

Sachwalterumbestellung setzt also voraus, dass das Wohl des Betroffenen eine solche Maßnahme erfordert (RIS Justiz RS00117813).

2. Hat das Verfahren nach rechtskräftig erfolgter Sachwalterbestellung nur den Wechsel der Person des Sachwalters zum Gegenstand, sind nicht die Sonderbestimmungen betreffend das Verfahren über die Sachwalterschaft für behinderte Personen (§§ 117 ff AußStrG; § 128 AußStrG) anzuwenden, sondern die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des AußStrG (1 Ob 182/05d, SZ 2005/167; Zankl/Mondel in Rechberger , AußStrG 2 § 128 Rz 6).

3.1

Nach ständiger Rechtsprechung steht dem enthobenen Sachwalter e in Rekursrecht im eigenen Namen gegen seine Enthebung vom Amt des Sachwalters nicht zu (RIS Justiz RS0006229 [T17, T18, T23]). Wie bereits das Rekursgericht ausgeführt hat, erwirbt ein Sachwalter, dessen Bestellung nicht in seinem Interesse, sondern in dem des Betroffenen erfolgt, aus seiner Bestellung keine eigenen Rechte, in die eingegriffen werden könnte (7 Ob 77/09p mwN; vgl RIS Justiz RS0007280). Da kein gesetzlich verankertes Recht besteht, in der Funktion des Sachwalters zu verbleiben (1 Ob 3/09m; RIS Justiz RS0006229 [T10]), ist ein nicht im Namen und im Interesse des Betroffenen eingebrachtes Rechtsmittel eines Sachwalters mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen (vgl 1 Ob 3/09m; 7 Ob 77/09p).

3.2 Hingegen kommt dem Betroffenen gegen eine nicht auf seinen Antrag ergangene Umbestellung seines Sachwalters ein Rekursrecht zu, dabei kann der Betroffene auch durch den bisherigen Sachwalter vertreten werden (RIS Justiz RS0124204). Da die Enthebung des bisherigen und die Bestellung eines anderen Sachwalters erst mit Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung wirksam wird, ist der nicht rechtskräftig enthobene Sachwalter weiterhin befugt, namens des Betroffenen Rechtsmittel zu ergreifen (RIS Justiz RS0006229 [T17,T23,T24]).

4.1 Im vorliegenden Fall hat der enthobene Sachwalter zwar (formell) den Rekurs im eigenen Namen erhoben, er machte im Rekurs aber ausschließlich die Verletzung des Wohls des Betroffenen bzw eine Verletzung dessen Selbstbestimmungsrechts geltend, indem vorgebracht wurde, der Betroffene sei von seinem vorerst geäußerten Wunsch nach einem anderen Sachwalter wieder ausdrücklich abgekommen, weshalb sein Wohl die Umbestellung nicht erfordere.

4.2 Unter diesen Voraussetzungen ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs das Rechtsmittel des enthobenen Sachwalters als im Namen und im Interesse der betroffenen Person erhoben zu werten und daher als zulässig zu betrachten (8 Ob 83/09b). Nur ein nicht im Namen und nicht im Interesse des Betroffenen eingebrachtes Rechtsmittel des enthobenen Sachwalters wäre mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen (1 Ob 3/09m).

5. Das Rekursgericht wird im fortgesetzten Verfahren über den wenn auch nicht im Namen des Betroffenen, doch in dessen Interesse erhobenen Rekurs eine Sachentscheidung zu treffen haben.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben, die Entscheidung des Rekursgerichts aufzuheben und diesem eine meritorische Entscheidung aufzutragen.

6. Zur Kostenentscheidung:

Der enthobene Sachwalter verzeichnete für den im Namen des Betroffenen erhobenen Revisionsrekurs Kosten. In Sachwalterschaftsverfahren ist aber ein Kostenersatz ausgeschlossen, weil es sich um keine kontradiktorische Verfahrensart handelt, sodass es an der im § 78 AußStrG vorausgesetzten kontradiktorischen Verfahrenssituation fehlt (RIS Justiz RS0120750). Der Revisionsrekurswerber hat daher die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Rechtssätze
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