Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gernot ECKHARDT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (im Folgenden: „Beschwerdeführer“) stellte am 08.08.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am 11.08.2023 fand eine Erstbefragung des Beschwerdeführers durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.
Befragt zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, seine Heimat wegen des Krieges und weil ihn das Regierungssystem beim Militär einberufen wollte, verlassen zu haben.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „belangte Behörde“) vernahm den Beschwerdeführer am 18.12.2023.
Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, er habe Syrien verlassen, weil er zum Militärdienst bei der syrischen Armee einrücken solle, was er vermeiden wolle. Zudem seien er und sein Vater in XXXX von Mitgliedern der „Nusra-Front“ bedroht worden. Hintergrund der Bedrohungen sei eine bereits länger zurückliegende Streitigkeit um ein Grundstück gewesen, welches Angehörige der „Nusra-Front“ gewaltsam an sich genommen hätten. Diese Situation habe ihn letztlich zur Ausreise veranlasst. Darüber hinaus sei die Sicherheitslage in XXXX nach wie vor äußerst prekär, die Region werde weiterhin bombardiert.
4. Mit Bescheid vom 19.12.2023 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
5. Am 24.01.2024 erhob der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. dieser Entscheidung Beschwerde.
Zu seinem Fluchtgrund trug der Beschwerdeführer vor, dass er sich im wehrfähigen Alter befinde und seinen verpflichtenden Wehrdienst in Syrien noch nicht abgeleistet habe. Er sei aus seinem Heimatland aufgrund der Angst vor einer Einberufung zum Wehrdienst auf Seiten des syrischen Regimes geflüchtet. Er sei auch von der HTS (Al-Nusra-Front) aufgefordert worden, sich ihnen anzuschließen. Zudem habe sein Vater ohne Erlaubnis seine Tätigkeit für den syrischen Staat verlassen und sei nach XXXX geflohen.
6. Das Rechtsmittel und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 30.01.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.01.2025 wurde die gegenständliche Rechtssache am 12.02.2025 der Gerichtsabteilung W118 zugewiesen.
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.09.2025 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund vorbrachte, er habe Syrien verlassen, weil er vom Regime gesucht worden sei. Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in XXXX sei er aufgrund von Problemen mit der HTS nach XXXX geflohen, wo die Al-Nusra-Front nicht präsent gewesen sei. Später sei er mit Hilfe eines Schleppers ausgereist. Im Zusammenhang mit der gewaltsamen Übernahme des landwirtschaftlichen Besitzes seiner Familie durch einen lokalen Gruppenführer sei es zu einem persönlichen Konflikt gekommen. Darüber hinaus kritisierte er das Vorgehen der Übergangsregierung, die religiöse Vorschriften mit Zwang durchsetze, etwa durch Sanktionen gegen Personen, die kurze Hosen trügen oder mit dem anderen Geschlecht sprächen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer trägt den Namen XXXX und führt das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams. Seine Muttersprache ist Arabisch.
1.1.2. Der Beschwerdeführer wurde im Dorf XXXX im Gouvernement XXXX geboren und lebte dort, bis er in der Schule die 9. Klasse besuchte. Danach lebte er für ein Jahr in XXXX und kehrte dann in sein Heimatdorf zurück, von wo aus er endgültig in die Türkei ausreiste.
Am 08.08.2023 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
1.1.3. Der Beschwerdeführer besuchte in Syrien elf Jahre lang eine Schule, die er ohne Reifeprüfung beendete. Anschließend war er in der Landwirtschaft tätig.
1.1.4. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos.
Die Eltern des Beschwerdeführers und zwei jüngere Geschwister sind in Syrien aufhältig. Ein weiterer Bruder lebt in Schweden und einer in Deutschland.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.1.5. Das Dorf XXXX und dessen Umgebung, die die Herkunftsregion des Beschwerdeführers darstellen, stehen seit 2014 unter der Kontrolle der HTS.
1.2. Fluchtgründe des Beschwerdeführers:
1.2.1. Für den Beschwerdeführer besteht in seiner Herkunftsregion aktuell nicht die Gefahr, vom ehemaligen Assad-Regime zum Militärdienst eingezogen zu werden.
1.2.2. Der Beschwerdeführer hat in seiner Herkunftsregion keine lebensbedrohliche oder seine körperliche oder geistige Integrität beeinträchtigende Gefahr zu befürchten. Zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht steht fest, dass die syrisch arabische Armee (kurz: „SAA“) im Verlauf des Falls des Assad-Regimes aufgelöst wurde. Seitens der neuen Regierung Syriens, der von der Gruppierung HTS geführten Rebellenallianz, wurde für alle wehrpflichtigen Syrer eine Generalamnestie verkündet. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers durch das gestürzte syrische Assad-Regime aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung und einer daher potentziell unterstellten oppositionellen Gesinnung ist somit ausgeschlossen.
1.2.3. Dem Beschwerdeführer droht aufgrund eines Vorfalls im Zusammenhang mit einer Grundstücksstreitigkeit mit einem örtlichen Funktionär der HTS keine asylrechtlich relevante individuelle Bedrohung. Nachdem ein Ortsverantwortlicher der HTS zur Errichtung einer Zufahrtsstraße zu seinem Haus das Grundstück der Familie des Beschwerdeführers in Anspruch genommen hatte, kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Sohn des HTS-Funktionärs. In der Folge suchten Mitglieder der HTS nach dem Beschwerdeführer, woraufhin dieser sein Herkunftsland verließ. Der Vorfall stellt eine lokal begrenzte Auseinandersetzung ohne politischen, religiösen oder sonst fluchtrelevanten Hintergrund dar. Eine konkrete Bedrohung oder anderweitige Maßnahme gegen den Beschwerdeführer durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure bei einer Rückkehr ist nicht erkennbar.
1.2.4. Dem Beschwerdeführer droht in seiner Herkunftsregion keine lebensbedrohliche oder seine körperliche oder geistige Integrität beeinträchtigende Gewalteinwirkung durch die HTS bzw. die nunmehrige syrische Übergangsregierung wegen der Nichteinhaltung islamischer Vorschriften. Er wird in seiner Herkunftsregion zudem nicht als (politischer) Gegner der HTS bzw. der nunmehrigen syrischen Übergangsregierung wahrgenommen.
1.2.5. Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass gegen den Beschwerdeführer in seiner Herkunftsregion persönlich eine integritätsbedrohende Handlung oder Maßnahme, insbesondere wegen seines Geschlechts, seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung, gesetzt wurde oder eine solche Handlung oder Maßnahme unmittelbar bevorstand oder er eine solche Bedrohung bei einer Rückkehr durch einen Akteur in Syrien zu befürchten hätte.
1.3. Situation im Herkunftsstaat:
Nachfolgend werden ausgewählte und für die Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts maßgebliche Kapitel aus dem Länderinformationsblatt Syrien der Staatendokumentation vom 08.05.2025 in zusammengefasster Form wiedergegeben. Die jeweiligen Kapitel-Überschriften wurden aus dem Länderinformationsblatt entnommen.
1.3.1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 08.05.2025:
Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes
Im Dezember 2024 stürzten Oppositionskräfte das Assad-Regime in Syrien, woraufhin eine Übergangsregierung unter Ahmad ash-Shara’ die Macht übernahm. Trotz anfänglicher Bemühungen um Stabilität und Reformen, darunter eine neue Verfassungserklärung und die Einsetzung technokratischer Minister, konzentriert sich die Macht nach wie vor auf einen kleinen Kreis von HTS-nahen Vertrauten. Die neue Regierung sieht sich mit strukturellen Schwächen, mangelnder Verwaltungsinfrastruktur, internen Spannungen und fortbestehender regionaler Zersplitterung konfrontiert. Gleichzeitig bleibt das politische Projekt autoritär geprägt, während die internationale Einstufung der HTS als Terrororganisation und die Ausgrenzung wichtiger gesellschaftlicher Gruppen fortbestehen.
Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes
Trotz des Sturzes des Assad-Regimes bleibt die Sicherheitslage in Syrien äußerst instabil. Die Übergangsregierung hat Schwierigkeiten, Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet zu erlangen und wird von internen Machtkämpfen sowie externen Bedrohungen durch Assad-treue Kräfte, radikale Milizen und kriminelle Banden herausgefordert. Besonders in den ländlichen Gebieten kommt es weiterhin zu Entführungen, sektiererischer Gewalt und gezielten Angriffen auf Sicherheitskräfte sowie ehemalige Regimeangehörige. Während in den Küstenregionen vorübergehend eine Rückkehr zur Normalität vermeldet wurde, halten die gewaltsamen Auseinandersetzungen in anderen Landesteilen an. Menschenrechtsverletzungen durch regierungsnahe Kräfte, islamistische Gruppen und Regimeüberreste sind dokumentiert und prägen den fragilen Übergang, der sowohl durch lokale als auch internationale Akteure zusätzlich destabilisiert wird.
Die Sicherheitslage in den verschiedenen Regionen Syriens variiert.
Nordsyrien
Die Sicherheitslage in Nordsyrien bleibt auch nach dem Sturz von Bashar al-Assad angespannt, da islamistische Gruppierungen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) im Nordwesten, insbesondere in Idlib und Aleppo, die Kontrolle übernommen haben, jedoch weiterhin interne Machtkämpfe und Widerstand durch Assad-treue Zellen bestehen. In Regionen wie ar-Raqqa, al-Hasaka und Ost-Aleppo kommt es regelmäßig zu Anschlägen mit improvisierten Sprengsätzen, während israelische und russische Luftangriffe die Lage zusätzlich destabilisieren. Aleppo ist strategisch besonders wichtig, bleibt jedoch zwischen islamistischen Gruppen, kurdischen Einheiten (SDF) und verbliebenen Assad-Milizen hart umkämpft, was sich in gezielten Attentaten, Entführungen und Kämpfen wie an der Ashrafiya-Front zeigt. Der Wiederaufbau der zerstörten Stadt kommt kaum voran, da die neuen Machthaber ihren Fokus auf militärische Kontrolle legen. Insgesamt hat sich die humanitäre Situation, besonders in Idlib, durch anhaltende Gewalt, Versorgungskrisen und wirtschaftliche Not weiter verschärft.
Rechtsschutz / Justizwesen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes
Nach dem Sturz des Assad-Regimes wurde die Verfassung von 2012 ausgesetzt und ein Übergangsprozess eingeleitet, in dessen Rahmen ein Verfassungskomitee eine neue Verfassung ausarbeiten soll. Derzeit wird Syrien faktisch durch eine Übergangsregierung regiert, die mangels gesetzgebender Körperschaften weitgehend per Dekret agiert. Die Justiz ist fragmentiert, verschiedene Akteure wenden unterschiedliche Rechtssysteme an – von Scharia-Gerichten bis zu modifizierten zivilrechtlichen Strukturen. In mehreren Regionen herrschen Rechtsunsicherheit, willkürliche Gewaltakte und mangelnde Rechtsdurchsetzung. Eine einheitliche, rechtsstaatliche Ordnung ist aktuell nicht gegeben.
Aufarbeitung von Kriegsverbrechen etc. unter dem gestürzten Assad-Regime
Unmittelbar nach dem Sturz des Assad-Regimes stellte der Übergangspräsident ash-Shara' eine umfassende juristische Aufarbeitung der begangenen Menschenrechtsverletzungen in Aussicht und kündigte an, Angehörige des alten Regimes zur Rechenschaft zu ziehen. Seither kommt es landesweit zu Festnahmen ehemaliger Sicherheitskräfte, wobei das Vorgehen mitunter intransparent erscheint und die Kriterien für strafrechtliche Verfolgung uneinheitlich angewendet werden. Die neu eingerichteten „Versöhnungszentren“ dienen offiziell der gesellschaftlichen Reintegration, werfen jedoch aufgrund fehlender klarer Regeln Bedenken hinsichtlich möglicher Willkür und mangelnden Rechtsschutzes auf. Parallel dazu kursieren in sozialen Medien inoffizielle Listen mutmaßlicher Kriegsverbrecher, und es wurden Fälle öffentlicher Hinrichtungen sowie Proteste von Angehörigen vermisster Personen bekannt. Eine systematische, rechtsstaatlich abgesicherte Aufarbeitung der Vergangenheit steht derzeit noch aus.
Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes
Seit dem Sturz des Assad-Regimes bemüht sich die Übergangsregierung unter HTS-Führung, die zersplitterte bewaffnete Landschaft Syriens in eine zentrale Armee- und Sicherheitsstruktur zu überführen. Dabei wurden zahlreiche Gruppierungen formal aufgelöst, teilweise in das neue Verteidigungs- und Innenministerium integriert oder in lokale Polizeikräfte überführt, wobei der Prozess teils intransparent verläuft und nicht alle Fraktionen eingeschlossen sind. Der Wiederaufbau erfolgt unter schwierigen Bedingungen – personelle Engpässe, fehlende Infrastruktur und die Zerstörung großer Teile des Militärarsenals erschweren die Konsolidierung. Die Sicherheitslage bleibt volatil, insbesondere da die HTS und verbündete Kräfte in manchen Regionen kaum Kontrolle ausüben können und vereinzelt Menschenrechtsverletzungen bekannt wurden. Trotz der zentralen Steuerung bleiben tiefgreifende ideologische und territoriale Differenzen zwischen den Gruppierungen bestehen, was den Aufbau stabiler staatlicher Strukturen weiterhin massiv behindert.
Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)
Die Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) war bis zu ihrer offiziellen Auflösung Ende Jänner 2025 die stärkste bewaffnete Gruppierung Syriens mit geschätzten 43.000 Kämpfern, darunter auch viele ausländische Mitglieder. Sie ging aus mehreren islamistischen Gruppierungen hervor und etablierte eine straffe militärische Struktur mit Spezialeinheiten wie den sogenannten Roten Brigaden. Diese Elitetruppe galt als besonders kampferprobt und ideologisch radikal und spielte eine zentrale Rolle in der Offensive gegen das Assad-Regime. Ab 2020 unterband die HTS die Bildung neuer Militärräume außerhalb ihres eigenen Kommandos und zentralisierte alle Operationen im Rahmen des „Fatah al-Mubin“-Operationsraums. Die Ankündigung ihrer bevorstehenden Auflösung durch ihren Anführer Ahmed ash-Shara’ markierte einen politischen Wendepunkt, blieb jedoch in ihrer praktischen Umsetzung zunächst weitgehend symbolisch.
Andere Gruppierungen
An der Operation „Abschreckung der Aggression“ beteiligten sich neben der HTS auch weitere Gruppierungen, darunter Teile der ehemaligen Freien Syrischen Armee (FSA) sowie Mitglieder der Nationalen Befreiungsfront (NLF), wie Jabhat Tahrir as-Souriya und Jaysh Idlib al-Hurr. Einige dieser Gruppen, wie die Sultan Murad Division oder Jaysh al-Islam, werden von der Türkei unterstützt und operieren in strategisch wichtigen Regionen wie Aleppo, Homs und Damaskus. Die NLF ist vor allem in Idlib präsent und arbeitet dort eng mit lokalen Sicherheitskräften zusammen, ist aber aufgrund begrenzter Ressourcen auf andere verbündete Milizen angewiesen. Auch im Süden Syriens, insbesondere in Dara’a, sind zahlreiche bewaffnete Gruppen aktiv, die sich teils weiterhin auf die FSA berufen.
Folter und unmenschliche Behandlung, Haftbedingungen, willkürliche Verhaftungen, Verschwinden Lassen, etc. - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes
Vor dem Sturz des Assad-Regimes berichteten die UN über systematische Folter und Hinrichtungen durch die HTS sowie durch Fraktionen der Syrischen Nationalen Armee (SNA), die in ihren Haftanstalten ähnlich brutale Methoden wie das alte Regime anwenden. Auch unter der Übergangsregierung kam es im Jänner 2025 zu zahlreichen Festnahmen im Rahmen von Sicherheitskampagnen, deren rechtliche Grundlage unklar bleibt; dabei wurden laut Syrian Network for Human Rights 229 Personen willkürlich verhaftet. Mehrere Todesfälle durch Folter in Haft wurden dokumentiert, unter anderem in einer Einrichtung in Damaskus. Die HTS verweigert weiterhin transparente Gerichtsverfahren für mutmaßliche Täter früherer Regimeverbrechen. Zudem nehmen oppositionelle bewaffnete Gruppen, einschließlich der SNA, nach wie vor wahllos Personen – auch Frauen aus SDF-Gebieten – ohne richterliche Anordnung fest.
Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes
Nach dem Sturz des Assad-Regimes wurde die Syrische Arabische Armee aufgelöst, viele Soldaten flohen, andere wurden in sogenannten „Versöhnungszentren“ zur Wiedereingliederung registriert. Die neue Übergangsregierung unter HTS-Führung kündigte eine freiwillige Berufsarmee an, schaffte die Wehrpflicht ab und begann mit der aktiven Rekrutierung von Freiwilligen. Parallel dazu laufen Pläne zur Integration ehemaliger bewaffneter Gruppen in eine neue „Nationale Armee“, wobei eine einheitliche militärische Struktur unter dem Verteidigungsministerium angestrebt wird. Trotz Amnestien und Entwaffnung bleibt unklar, wie übergelaufene Offiziere eingebunden werden und wie sich die neue Armee von der alten SAA strukturell unterscheiden wird. Rekrutierungen erfolgen mit verkürzter Ausbildung und Scharia-Unterricht, während in einigen Regionen Gerüchte über Zwangsrekrutierung kursieren, was die Spannungen erhöht.
Allgemeine Menschenrechtslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes
Die neue syrische Übergangsregierung wird trotz anfänglich disziplinierter Machtübernahme mit schweren Vorwürfen von Menschenrechtsorganisationen konfrontiert. Berichte dokumentieren willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Hinrichtungen, ethnisch motivierte Gewaltakte und Rachekampagnen, insbesondere in ehemaligen Hochburgen des Assad-Regimes. Lokale Milizen und von der Türkei unterstützte Gruppen wie die SNA sollen dabei systematisch gegen kurdische Zivilisten, Alawiten und frühere Regimetreue vorgegangen sein, oft ohne rechtliche Konsequenzen. Auch die Einschränkung von Meinungsfreiheit, neue Formen von Zensur und religiös motivierte Repressionen werfen ein kritisches Licht auf das derzeitige Machtgefüge. Die Übergangsregierung betont zwar ihre Absicht, Täter zur Rechenschaft zu ziehen, doch bleibt fraglich, inwieweit dies effektiv umgesetzt wird.
Todesstrafe - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes
Seit dem 8. Dezember 2024 dokumentierte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) 60 Tötungen, darunter 112 Opfer bei Hinrichtungen vor Ort, unter ihnen auch Frauen und Kinder. Medienberichten zufolge soll zudem ein mutmaßlicher Informant des gestürzten Präsidenten öffentlich durch einen Kopfschuss hingerichtet worden sein.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers basieren auf seinen konstanten Angaben vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht und stehen im Einklang mit seinem syrischen Personalausweis und einem Auszug aus dem Zivilregister, jeweils in Kopie. Der Beschwerdeführer bestätigte sein Geburtsdatum erneut glaubhaft in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VP, Seite 4).
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu seiner Muttersprache gründen sich auf seinen diesbezüglich stringenten Ausführungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen zu zweifeln.
2.1.2. Die Feststellungen zum Geburtsort des Beschwerdeführers in Syrien stützen sich auf seine im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben in der Einvernahme vor der belangten Behörde und in der Beschwerdeverhandlung.
Die Feststellungen zur Antragstellung im Bundesgebiet ergeben sich aus der Aktenlage und sind unbestritten.
2.1.3. Die Feststellung zur schulischen Ausbildung des Beschwerdeführers stützt sich auf seinen beständigen Angaben in den unterschiedlichen Verfahrensstadien.
2.1.4. Die Feststellungen zum aktuellen Familienstand des Beschwerdeführers und zu den derzeitigen Aufenthaltsorten seiner Angehörigen resultieren aus seinen jüngsten Aussagen in der Beschwerdeverhandlung (VP, Seiten 6).
2.1.5. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers folgt aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.1.6. Da der Beschwerdeführer den Großteil seiner Lebenszeit im Dorf XXXX verbracht hat, kann das Dorf XXXX und dessen Umgebung als Herkunftsregion des Beschwerdeführers bestimmt werden.
2.1.7. Anhand der Kontrollgebietskarte der Syria Live Map (https://syria.liveuamap.com/) in Zusammenschau mit den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht (VP, Seite 6) kann die Feststellung getroffen werden, dass das Dorf XXXX (auch XXXX ) derzeit unter der Herrschaft der HTS steht. Auch die Darstellungen des Carter-Centers: Exploring Historical Control in Syria (https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-insyria.html) weicht nicht von dieser Feststellung ab und stehen in Einklang mit den glaubhaften Ausführungen des Beschwerdeführers.
Machtverhältnis im Dorf XXXX im August 2025
Quelle: Kontrollgebietskarte des Carter-Centers
2.2. Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Der Beschwerdeführer gab im Rahmen der Erstbefragung im August 2023 an, sein Herkunftsland wegen des dort herrschenden Krieges verlassen zu haben (Erstbefragung, AS 14). In seiner Einvernahme vor der belangten Behörde im Dezember 2023 konkretisierte er dieses Vorbringen dahingehend, dass er Syrien verlassen habe, weil er zum Militärdienst in der syrischen Armee einrücken solle und dies ablehne. Zudem sei er gemeinsam mit seinem Vater von der „Nusra-Front“ bedroht worden, weil es im Zusammenhang mit einem Grundstücksstreit zu Auseinandersetzungen gekommen sei, in deren Folge ein Mitglied der „Nusra-Front“ das Grundstück gewaltsam an sich gebracht habe. Letztlich habe ihn die schlechte Sicherheitslage und die anhaltenden Bombardierungen in XXXX zur Flucht bewogen. (Einvernahme, AS 31).
2.2.2. Erstmals im Rechtsmittel gegen den angefochtenen Bescheid brachte der Beschwerdeführer ergänzend zu seinem Fluchtgrund vor, dass sein Vater in XXXX für den syrischen Staat in der Funktion eines Standesbeamten tätig war, diesen Posten dann aber unerlaubt verlassen habe. Daher drohe ihm auch eine Verfolgung von Seiten des syrischen Regimes (Beschwerde, Seite 3).
2.2.3. Schlussfolgernd kann den Angaben des Beschwerdeführers zu den Ereignissen, die letztlich zu seiner Ausreise geführt haben, im Grundsatz Glaubhaftigkeit beigemessen werden. Die geschilderte Auseinandersetzung um ein Grundstück, in deren Verlauf es zu Bedrohungen durch Angehörige der HTS kam, wurde vom Beschwerdeführer über verschiedene Verfahrensstadien hinweg – insbesondere im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht – in sich schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar dargestellt. Auch auf gezielte Nachfragen des erkennenden Richters konnte der Beschwerdeführer seine Angaben präzise und konsistent erläutern, ohne sich dabei in wesentliche Widersprüche zu verwickeln oder Ausflüchte zu geben. Das Aussageverhalten des Beschwerdeführers war durchgehend detailreich, kohärent und lebensnah, sodass nicht von einer Schutzbehauptung oder bewussten Falschangabe ausgegangen werden kann. Aus diesem Grund geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass sich die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse im Wesentlichen so zugetragen haben.
2.2.4. Betreffend eine Rekrutierung durch Kräfte des ehemaligen Assad-Regimes ist den Länderberichten zu entnehmen, dass diese im Dezember 2024 gestürzt wurden und zum Zeitpunkt der Entscheidung inaktiv (vgl. dazu Pkt. II.1.3.1. „Wehr- und Reservedienst – Entwicklung seit dem Sturz des Assad Regimes“) sind. Es besteht daher für den Beschwerdeführer keine Gefahr (mehr), zum Wehrdienst der Assad-Armee eingezogen zu werden, zumal sich auch keine zeitnahe und großflächige Rückeroberung durch das Assad-Regime abzeichnet (vgl. dazu auch der neuste Country Guidance vom Juni 2025, abrufbar unter: https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2025-06/2025_Country_Guidance_Syria_interim_guidance.pdf). Auch die FSA existiert schon länger nicht mehr.
2.2.5. In der Beschwerdeverhandlung vom September 2025 äußerte der Beschwerdeführer Zweifel dahingehend, dass seine Lebensführung nicht mit der strengen Auslegung des islamischen Rechts durch die HTS bzw. der nunmehrigen syrischen Übergangsregierung vereinbar sei. Die neue syrische Übergangsregierung wolle die Religion mit Zwang umsetzen und sie erlaube Männern nicht, eine kurze Hose anzuziehen. Zudem könne man bestraft werden, wenn man eine Frau anspricht (VP, Seite 10).
Wie bereits oben dargelegt, kommt der Beschwerdeführer aus einer Herkunftsregion, die zurzeit unter der Führung der HTS bzw. der nunmehrigen syrischen Übergangsregierung steht.
Gemäß der Berichtslage vor dem Sturz des Assad-Regimes gibt es zwar mehrere Quellen, wonach die HTS eine strenge Auslegung des islamischen Rechts vornahm. Die Einhaltung wurde jedoch nur von Frauen, Minderheiten und Personen, deren sexuelle Orientierung und/oder geschlechtliche Identität nicht den traditionellen Vorstellungen entsprachen, verlangt. Der Beschwerdeführer fällt in keine dieser Gruppen.
Soweit die Country Guidance vom April 2024 zusätzlich ins Treffen führt, dass die HTS früher auch gegen Sunniten vorgegangen sei, ist festzuhalten, dass die Übergriffe Personen betrafen, die als nicht hinreichend fromm oder als Abtrünnige galten. Der Beschwerdeführer behauptete im gesamten Verfahren keine (ernsthafte) Abkehr vom Islam und ergaben sich dafür auch keinerlei Anhaltspunkte.
Aus dem neuen Länderinformationsblatt vom Mai 2025 ist kein Bild dahingehend erkennbar, dass die nunmehrige syrische Übergangsregierung die Vorgehensweise der HTS fortsetzt, eine harte Auslegung der islamischen Regeln vornimmt und diese auch von der Bevölkerung einfordert. Es wird zwar an einer Stelle darauf hingewiesen, dass die Äußerung von nicht-islamischen Überzeugungen in Syrien zu einer Herausforderung geworden und ein Gesetz zur Bestrafung von „Verbrechen der Gotteslästerung“ eingeführt worden sei, allerdings handelt es sich hierbei um eine Einzelquelle und bleibt offen, ob diese gesetzliche Bestimmung von der nunmehrigen syrischen Übergangsregierung überhaupt exekutiert wird. Gemäß der Country Guidance vom Juni 2025 können sunnitische Muslime Ziel des IS und der Jaysh al-Islam werden, wenn sie nicht an deren Interpretation der Scharia festhalten. Derartige Bedenken werden im Hinblick auf die syrische Übergangsregierung insofern nicht geäußert, als es keine Informationen dazu gibt, wie sunnitische Moslems behandelt werden, die nicht ihrer Auslegung der Scharia angehören.
Die Argumente des Beschwerdeführers, weshalb er die Ideologie der HTS bzw. der nunmehrigen syrischen Übergangsregierung nicht teile (er könne wegen seiner Kleidung oder seiner Frisur bestraft und inhaftiert werden; VP, Seite 11), sind zwar durchaus nachvollziehbar. Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien von der nunmehrigen syrischen Übergangsregierung eine oppositionelle Haltung unterstellt werden könnte:
Erstens beteuerte der aktuelle Führer der syrischen Übergangsregierung, Ahmad ASH-SHARA', immer wieder, ein gemäßigtes System einführen zu wollen.
Zweitens ist, selbst wenn die neue syrische Übergangsregierung den radikalen Kurs der HTS fortsetzen und der Beschwerdeführer der HTS bzw. der neuen syrischen Übergangsregierung kritisch gegenüberstehen sollte, nicht davon auszugehen, dass diese Gegnerschaft wesentlicher Bestandteil seiner Identität ist und er das innerliche Bedürfnis hat, offen gegen die HTS bzw. die neue syrische Übergangsregierung Stellung zu beziehen und seine Kritik zum Ausdruck zu bringen. Der Beschwerdeführer behauptete nicht, dass er diesbezüglich bisher außenwirksam (exilpolitisch) auftrat. Konkret antwortete der Beschwerdeführer auf die Frage, ob er politisch aktiv sei, „Nein“ (VP, Seite 11).
Drittens handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen sunnitischen Araber, womit er keiner religiösen oder ethnischen Gruppierung angehört, mit der die HTS bzw. die neue syrische Übergangsregierung in (kriegerische) Auseinandersetzungen verwickelt ist oder deren Angehörigen sie misstraut.
2.2.6. Andere Fluchtgründe wurden im Kontext der Lage des Beschwerdeführers nicht dargelegt und können daher keine Feststellungen tragen.
2.3. Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat beruhen auf einer inhaltlich verdichteten Zusammenfassung ausgewählter Kapitel des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation. Auch wenn nicht der vollständige Wortlaut übernommen wurde, wurde der wesentliche Gehalt der herangezogenen Informationen vollständig erfasst und sachgerecht wiedergegeben. Die ausgewerteten Abschnitte beruhen auf einer Vielzahl voneinander unabhängiger Quellen, welche in den maßgeblichen Aussagen ein übereinstimmendes, plausibles und widerspruchsfreies Gesamtbild der Lage im Herkunftsstaat zeichnen. Das Bundesverwaltungsgericht sieht daher keinen Anlass, an der Seriosität, Plausibilität und inhaltlichen Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
Die Beschwerde richtet sich lediglich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wurde.
3.2. Rechtliches zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
Allgemeines:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie [RL 2011/95/EU] verweist).
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Der Verwaltungsgerichtshof führte zur „Verfolgung“ und zur „wohlbegründeten Furcht“ Folgendes aus (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413): „Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht.“
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551).
Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt wurden; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 09.04.1997, 95/01/0555; 26.02.1997, 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (VwGH 16.02.2000, 99/01/0097; 18.04.1996, 95/20/0239).
Relevant ist nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr (VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274; 25.09.2018, Ra 2017/01/0203; 26.06.2018, Ra 2018/20/0307); auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten hat (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; 09.03.1999, 98/01/0318;). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren allerdings ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen (VwGH 09.07.2002, 2000/01/0192).
Die begründete Furcht vor Verfolgung muss sich auf jenes Land beziehen, dessen Staatsangehörigkeit der Asylwerber besitzt (VwGH 17.02.1994, 94/19/0936).
Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (VwGH 27.01.2000, 99/20/0519). Eine Verfolgungshandlung ist nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen gesetzt wurde, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt werden – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).
„Glaubhaftmachung“ im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht (VwGH 09.05.1996, 95/20/0380). Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführer und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 2005 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).
Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder der Fremde einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Herkunftsregion und deren Erreichbarkeit:
Die Bestimmung der Heimatregion des Asylwerbers ist Grundlage für die Prüfung, ob dem Asylwerber dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht (VwGH 09.03.2023, Ra 2022/19/0317; 25.08.2022, Ra 2021/19/0442).
Zur Bestimmung der Heimatregion kommt der Frage maßgebliche Bedeutung zu, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat (VwGH 06.03.2024, Ra 2024/01/0039). In Fällen, in denen Asylwerber nicht aufgrund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang aufgrund einer Vertreibung ihren dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hatten und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnten, ist hingegen der ursprüngliche Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen (VwGH 06.03.2024, Ra 2024/01/0039; 29.02.2024, Ra 2023/18/0370).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zu prüfen, ob ein Asylwerber im (hypothetischen) Fall seiner Rückkehr in seine Heimatregion gelangen kann, ohne bei oder nach der Einreise in den Herkunftsstaat asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt zu sein (VwGH 04.03.2025, Ra 2024/18/0004; 04.07.2023, Ra 2023/18/0108). Auch der Verfassungsgerichtshof stellte fest, dass eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Herkunftsregion für den Beschwerdeführer ohne Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung erreichbar ist, stattzufinden hat, schließlich könnte sich die festgestellte Verfolgungsgefahr auch auf dem Weg in die Herkunftsregion realisieren (VfGH 11.06.2024, E 1569/2023; 04.10.2023, E 1085/2023).
Aus asylrechtlicher Sicht kommt es nicht darauf an, ob die Einreise in einen verfolgungssicheren Landesteil aus der Sicht des potentiellen Verfolgers legal stattfindet, sondern nur, ob die den Grenzübergang beherrschenden Autoritäten eine Einreise in das sichere Gebiet zulassen (VwGH 10.06.2024, Ra 2024/01/0003).
3.1.1. Anwendung auf den konkreten Fall:
Fallbezogen sind die Voraussetzungen für die Gewährung des Status des Asylberechtigten in Bezug auf die Herkunftsregion des Beschwerdeführers (Dorf XXXX und dessen Umgebung) – wie unter Pkt. II.2.1.6. oben beweisgewürdigt – nicht gegeben:
Angesichts des Sturzes des Assad-Regimes im Dezember 2024 und der damit einhergehenden Auflösung des Assad-Militärs ist der Beschwerdeführer keiner Gefahr (mehr) ausgesetzt, zum Wehrdienst der Assad-Armee einberufen zu werden. Dies deckt sich mit der Position des UNHCR vom Dezember 2024, wonach sämtliche Risiken in Bezug auf die Verfolgung durch die frühere syrische Regierung endeten.
Darüber hinaus vermag auch die persönliche Auseinandersetzung des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der erwähnten Grundstücksstreitigkeit keine asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu begründen. Die Konfrontation betraf keinen der in der GFK genannten Verfolgungsgründe, sondern beruhte auf einer individuellen zivilrechtlich geprägten Streitigkeit ohne politischen Hintergrund. Insbesondere handelte es sich bei der Gegenseite lediglich um einen örtlichen Vertreter der HTS, wobei keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Vorfall über die lokale Ebene hinaus Beachtung gefunden hätte oder eine systematische oder gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichtete Maßnahme ausgelöst hätte. Prognostisch ist daher nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund dieses Vorfalls bei einer Rückkehr nach Syrien asylrelevante Schwierigkeiten drohen. Vielmehr gab er selbst an, die Angelegenheit sei weitgehend in Vergessenheit geraten und habe sich nur deshalb nochmals zugespitzt, weil er den Sohn des Ortschefs nach längerer Zeit erneut zur Rede gestellt habe.
Für den Beschwerdeführer besteht überdies zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt kein Risiko, für die auf das Assad-Regime folgende HTS bzw. nunmehrige syrische Übergangsregierung eingezogen zu werden, weil es keine Wehrpflicht in deren Armee gibt und auch keine Zwangsrekrutierungen bekannt sind.
Eine Rekrutierung durch die FSA, die schon seit geraumer Zeit nicht mehr existiert, kann ebenfalls ausgeschlossen werden.
Mit dem Machtverlust des Assad-Regimes im Dezember 2024 fielen auch weitere Fluchtgründe des Beschwerdeführers, nämlich die behauptete Furcht vor Verfolgung wegen seiner illegalen Ausreise aus Syrien und seiner Asylantragstellung in Österreich, weg.
Dieses Vorbringen könnte nur noch im Hinblick auf die HTS bzw. die nunmehrige syrische Übergangsregierung von Relevanz sein, jedoch machte dies der Beschwerdeführer einerseits nicht geltend, andererseits mangelt es den Länderberichten an Anhaltspunkten dafür, dass eine illegale Ausreise aus Syrien und eine Asylantragstellung im Ausland als Ausdruck einer oppositionellen politischen Gesinnung seitens der HTS bzw. der nunmehrigen syrischen Übergangsregierung gewertet wird.
Ein Konflikt der Lebensweise des Beschwerdeführers mit der Auslegung der islamischen Vorschriften durch die HTS bzw. die nunmehrige syrische Übergangsregierung, kann nicht ersehen werden (vgl. dazu Pkt. II.2.2.5. oben).
Zwar wurden der HTS vor dem Fall des Assad-Regimes im Dezember 2024 Menschenrechtsverstöße vorgeworfen, doch weist der politisch unauffällige und zur sunnitisch-arabischen Volksgruppe gehörende Beschwerdeführer selbst im Lichte der insoweit gegebenen, auf die derzeitige Situation aber ohnedies nicht umzulegenden Berichtslage, keinerlei exponierende, verfolgungsindizierende Merkmale oder Verhaltensweisen auf. Nach dem Machtwechsel zeigt das verfügbare Ländermaterial moderate staatspolitische Zugänge der nunmehrigen syrischen Übergangsregierung, nicht zuletzt die ausgerollten Amnestien für vormalige Mitglieder der Assad-Armee, Demonstrationen, an denen Frauen und Männer in Damaskus friedlich und ungehindert teilnehmen können, oder die in Aussicht genommene Auflösung früherer Geheimdienste. Diese Umstände sprechen allesamt dagegen, dass der Beschwerdeführer von der HTS bzw. der nunmehrigen syrischen Übergangsregierung als politisch Andersdenkender eingestuft und deshalb verfolgt werden könnte.
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass sich auch aus dem Umstand, dass der Vater des Beschwerdeführers seinen Dienst als Standesbeamter in XXXX unerlaubt verlassen und sich in weiterer Folge nach XXXX begeben hat, keine asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer ergibt. Denn – wie oben bereits an mehreren Stellen festgestellt – ist das syrische Regime unter Präsident Bashar al-Assad mittlerweile gestürzt. Eine etwaige Sanktionierung durch staatliche Stellen, insbesondere aufgrund des pflichtwidrigen Fernbleibens vom Dienst des Vaters, ist daher nicht mehr zu befürchten. Auch konkrete Hinweise auf eine fortbestehende oder übernommene Verfolgungspraxis durch die neuen Machthaber im Hinblick auf frühere staatsdienende Personen oder deren Familienangehörige liegen nicht vor. Eine individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers durch diesen Umstand kann daher ausgeschlossen werden.
Aufgrund der getroffenen Feststellungen zur Lage der Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist auch sonst nicht darauf zu schließen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Gründe nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen.
3.1.2. Ergebnis:
Da der Beschwerdeführer keine Betroffenheit seiner Person von Verfolgungshandlungen aus einem der GFK-Gründe glaubhaft machen konnte, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
Der allgemeinen Gefährdung des Beschwerdeführers durch die derzeitige Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien wurde im gegenständlichen Verfahren mit der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 bereits vorab Rechnung getragen.
Der Vollständigkeit halber wird auch noch darauf eingegangen, dass die im Dezember 2024 veröffentlichte Position des UNHCR der vorliegenden Entscheidung nicht entgegensteht:
Die vom UNHCR thematisierten Fragen der freiwilligen Rückkehr („Voluntary Returns“) und des Moratoriums zwangsweiser Rückführungen („Moratorium on Forced Returns“) sind mit Blick auf den Gegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht von Bedeutung. Des Weiteren plädiert der UNHCR dafür, dass vorerst keine negativen Entscheidungen über Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien gehabt hätten, erlassen werden würden. Zutreffend weist der UNHCR zunächst darauf hin, dass das Risiko einer Verfolgung durch das Assad-Regime geendet habe. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit den Länderberichten, auf die sich das Bundesverwaltungsgericht stützt. Soweit der UNHCR allerdings vermeint, dass andere Risiken fortbestehen oder zunehmen könnten, ist festzuhalten, dass das Vorbringen einer asylrelevanten Verfolgung infolge der Lageänderung in Syrien eine entsprechende Glaubhaftmachung durch den Beschwerdeführer bedingt. Zum für die Beurteilung und Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt ist jedenfalls von keiner asylrelevanten Verfolgung des Beschwerdeführers durch einen der Akteure in Syrien auszugehen. Im Übrigen ist beachtlich, dass auch der UNHCR keine konkreten neuen Verfolgungsrisiken ins Treffen führt, sondern sich bloß allgemein auf die in Syrien vorherrschende Unsicherheit und Instabilität bezieht.
Zu Spruchpunkt B)
3.3. Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist nicht zulässig, weil die vorliegende Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu insbesondere die unter „Zu Spruchpunkt A)“ zitierte Judikatur), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.