JudikaturVwGH

Ra 2024/01/0039 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
06. März 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Rieder, über die Revision des F A, geboren 2020, in Wien, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Oktober 2023, Zl. W282 2265510 1/12E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Dem Revisionswerber, einem syrischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Dezember 2022 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde im Instanzenzug nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen und die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig erklärt.

3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Mit Beschluss vom 28. November 2023, E 3481/2023 5, lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

4 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es, obwohl der Revisionswerber aus Aleppo stamme, den nordwestliche Teil Idlibs als Heimatregion des Revisionswerbers herangezogen habe; das BVwG habe nicht geprüft, ob der Revisionswerber in Idlib Fuß gefasst habe. Davon ausgehend rügt der Revisionswerber auch diverse Verfahrens und Feststellungsmängel und macht insbesondere eine „unvertretbare“ Beweiswürdigung geltend.

9 Dazu ist zunächst auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach in Fällen, in denen Asylwerber nicht auf Grund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang auf Grund einer Vertreibung ihren dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hatten und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnten (Zustand innerer Vertreibung), der ursprüngliche Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen ist.

10 Zur Bestimmung der Heimatregion kommt in diesem Sinn der Frage maßgebliche Bedeutung zu, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 25.8.2022, Ra 2021/19/0442, mwN).

11 Im Übrigen hat die Prüfung, ob ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz besteht, nach den individuellen Umständen des Einzelfalls zu erfolgen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch festgehalten, dass die Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt und im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 23.2.2022, Ra 2022/01/0025, mwN).

12 Im gegenständlichen Fall kam das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung einzelfallbezogen zu dem Ergebnis, der nordwestliche Teil Idlibs sei als Heimatregion bzw. die Kleinstadt Salqin als Heimatort des Revisionswerbers anzusehen und dass dem Revisionswerber keine Verfolgung im Sinne der GFK drohe, zumal das syrische Regime dort keine Eingriffs und Kontrollmöglichkeiten habe. Dass diese Beurteilung eine im Revisionsmodell aufzugreifende Unvertretbarkeit aufweisen würde, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

13 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 21.2.2022, Ra 2021/01/0330 0331, mwN). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Revision ebenfalls nicht.

14 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. März 2024

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