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W118 2285357-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
01. Oktober 2025

Spruch

W118 2285357-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gernot ECKHARDT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.12.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (im Folgenden: „Beschwerdeführer“) stellte am 24.07.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 25.07.2022 fand eine Erstbefragung des Beschwerdeführers durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

Befragt zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, seine Heimat vor 10 Jahren wegen des Krieges verlassen zu haben.

3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „belangte Behörde“) vernahm den Beschwerdeführer am 28.07.2023.

Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, er habe Syrien aufgrund des Krieges verlassen, weil ein Verbleib im Dorf wegen anhaltender Beschüsse nicht mehr möglich gewesen sei. Aus der Türkei seien zwar einige Dorfbewohner nach Syrien zurückgekehrt, er selbst habe dies jedoch aus Angst unterlassen. Ein Cousin sei vom IS getötet worden, ein weiterer im Militärdienst der Kurden verstorben, ebenso drei andere Verwandte, die für die Kurden gearbeitet hätten. Aufgrund dieser Vorfälle habe für ihn keine Rückkehrmöglichkeit nach Syrien bestanden.

4. Mit Bescheid vom 06.12.2023 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).

5. Am 05.01.2024 erhob der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. dieser Entscheidung Beschwerde.

Zu seinem Fluchtgrund trug der Beschwerdeführer vor, dass er während eines Aufenthaltes in Syrien im Jänner 2015 von der SDF zwangsrekrutiert und für fünf Monate an die Front zum Kämpfen geschickt worden sei. Überdies sei sein Bruder bei der SDF in Haft. Aus Angst vor den österreichischen Behörden habe er diesen Umstand nicht früher vorgebracht, weil er sich eingeschüchtert fühlte und bei der Einvernahme nicht entsprechend befragt worden sei.

6. Das Rechtsmittel und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 26.01.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.01.2025 wurde die gegenständliche Rechtssache am 12.02.2025 der Gerichtsabteilung W118 zugewiesen.

8. Mit Parteiengehör vom 14.05.2025 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 08.05.2025 an den Beschwerdeführer.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.05.2025 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, welche jedoch vertagt werden musste, nachdem der ursprünglich geladene Dolmetscher dem erkennenden Richter am Vortag mitgeteilt hatte, dass er an der Verhandlung nicht teilnehmen könne. Zwar wurde von diesem ein Ersatzdolmetscher namhaft gemacht, dieser verfügte jedoch über keine Kenntnisse der kurdischen Sprache, weshalb die Übersetzung in der erforderlichen Sprache nicht gewährleistet war.

10. Mit Eingabe vom 29.05.2025 übermittelte der Beschwerdeführer ein Konvult an Fotoaufnahmen, auf denen verschiedene Personen abgelichtet sind.

11. Am 17.09.2025 führte das Bundesverwaltungsgericht eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund vorbrachte, im Falle einer Rückkehr nach Syrien aufgrund seiner Desertion mit staatlicher Bestrafung rechnen zu müssen. Diese Gefahr ergebe sich insbesondere daraus, dass er gemeinsam mit drei Mitgliedern der PKK desertiert und sein Wohnsitz den kurdischen Kräften bekannt sei, weshalb er befürchte, für deren gemeinsames Verhalten zur Verantwortung gezogen zu werden. Ein Leben in Ruhe und Sicherheit sei in Syrien nicht möglich, da der Krieg nicht beendet sei und die politische Lage weiterhin ungeklärt bleibe. Zwar habe die PKK angekündigt, ihre Waffen niederzulegen, es werde jedoch davon ausgegangen, dass ihre Mitglieder anschließend nach Syrien zurückkehren würden. Die neue Regierung folgt laut dem Beschwerdeführer einer Ideologie, die jener des sogenannten Islamischen Staates entspreche, während die kurdischen Kräfte sich an den Lehren Abdullah Öcalans orientierten. Beide Ideologien seien nach Ansicht des Beschwerdeführers terroristisch geprägt und verhinderten daher eine stabile Entwicklung in Syrien.

12. Mit Schreiben vom 29.09.2025 machte der Beschwerdeführer von der Möglichkeit Gebrauch, ergänzend zu aktuellen Länderberichten Stellung zu beziehen. In diesem Zusammenhang wurde auf einzelne Berichte verwiesen, denen zufolge seitens der SDF in der jüngeren Vergangenheit Zwangsrekrutierungen stattgefunden hätten. Darüber hinaus wurde im Wesentlichen auf die UNHCR-Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 10, das Urteil des EuGH vom 19.11.2020, C-238/19, sowie diverse nationale Entscheidungen verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer trägt den Namen XXXX und führt das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien, gehört der Volksgruppe der Kurden an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams. Seine Muttersprache ist Kurmanji.

1.1.2. Der Beschwerdeführer wurde im Dorf XXXX im Gouvernement Aleppo geboren und lebte dort bis 2013, als er illegal zu Arbeitszwecken in die Türkei reiste. 2015 reiste der Beschwerdeführer nach Syrien in die Stadt XXXX zurück. Im Juni desselben Jahres reiste der Beschwerdeführer endgültig aus Syrien in die Türkei aus.

Am 24.07.2022 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.3. Der Beschwerdeführer besuchte in Syrien neun Jahre lang eine Schule, die er ohne Reifeprüfung beendete. Anschließend war er in der Landwirtschaft, Gastronomie sowie als Friseur tätig.

1.1.4. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Die Frau des Beschwerdeführers befindet sich in der Türkei in Haft. Zudem sind zwei seiner Brüder auch in der Türkei aufhältig. Die Mutter des Beschwerdeführers sowie die anderen Geschwister sind im Irak aufhältig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.1.5. Das Dorf XXXX und dessen Umgebung, die die Herkunftsregion des Beschwerdeführers darstellen, steht seit 2014 unter der Kontrolle der SDF.

1.2. Fluchtgründe des Beschwerdeführers:

1.2.1. Für den Beschwerdeführer besteht in seiner Herkunftsregion aktuell nicht die Gefahr, vom ehemaligen Assad-Regime zum Militärdienst eingezogen zu werden.

1.2.2. Der Beschwerdeführer hat in seiner Herkunftsregion keine lebensbedrohliche oder seine körperliche oder geistige Integrität beeinträchtigende Gefahr zu befürchten. Zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht steht fest, dass die syrisch arabische Armee (kurz: „SAA“) im Verlauf des Falls des Assad-Regimes aufgelöst wurde. Seitens der neuen Regierung Syriens, der von der Gruppierung HTS geführten Rebellenallianz, wurde für alle wehrpflichtigen Syrer eine Generalamnestie verkündet. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers durch das gestürzte syrische Assad-Regime aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung und einer daher potentziell unterstellten oppositionellen Gesinnung ist somit ausgeschlossen.

1.2.3. Dem Beschwerdeführer droht aufgrund seiner im Juni 2015 erfolgten Desertion aus dem Militärdienst der kurdischen Kräfte keine unverhältnismäßige Bestrafung, noch wird ihm eine oppositionelle Gesinnung seitens der kurdischen Behörden unterstellt.

Nach Angaben des Beschwerdeführers wurde er im Jänner 2015 gegen seinen Willen von kurdischen Kräften zwangsrekrutiert und zunächst an die Front geschickt. Er habe anschließend auf eine geeignete Gelegenheit zur Flucht gewartet und sei im Juni desselben Jahres in die Türkei ausgereist. Den aktuellen Länderinformationen zufolge wird das Fernbleiben vom oder die Flucht aus dem Wehrdienst der kurdischen Kräfte in der Regel mit einer bloßen Verlängerung der Dienstzeit um einen Monat sanktioniert. Hinweise auf systematische Gewalt oder Misshandlungen gegenüber Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren – etwa bei Festnahme an Kontrollpunkten – liegen nicht vor. Zudem werden regelmäßig Amnestien ausgesprochen, sofern sich Betroffene nachträglich zum Wehrdienst melden und diesen ableisten. Auch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit drei Mitgliedern der PKK desertiert ist, lassen sich keine konkreten Anhaltspunkte für eine gegen seine Person gerichtete Maßnahme oder Verfolgungshandlung erkennen.

1.2.4. Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass gegen den Beschwerdeführer in seiner Herkunftsregion persönlich eine integritätsbedrohende Handlung oder Maßnahme, insbesondere wegen seines Geschlechts, seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung, gesetzt wurde oder eine solche Handlung oder Maßnahme unmittelbar bevorstand oder er eine solche Bedrohung bei einer Rückkehr durch einen Akteur in Syrien zu befürchten hätte.

1.3. Situation im Herkunftsstaat:

Nachfolgend werden ausgewählte und für die Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts maßgebliche Kapitel aus dem Länderinformationsblatt Syrien der Staatendokumentation vom 08.05.2025 in zusammengefasster Form wiedergegeben.

1.3.1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 08.05.2025:

Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes

Im Dezember 2024 stürzten Oppositionskräfte das Assad-Regime in Syrien, woraufhin eine Übergangsregierung unter Ahmad ash-Shara’ die Macht übernahm. Trotz anfänglicher Bemühungen um Stabilität und Reformen, darunter eine neue Verfassungserklärung und die Einsetzung technokratischer Minister, konzentriert sich die Macht nach wie vor auf einen kleinen Kreis von HTS-nahen Vertrauten. Die neue Regierung sieht sich mit strukturellen Schwächen, mangelnder Verwaltungsinfrastruktur, internen Spannungen und fortbestehender regionaler Zersplitterung konfrontiert. Gleichzeitig bleibt das politische Projekt autoritär geprägt, während die internationale Einstufung der HTS als Terrororganisation und die Ausgrenzung wichtiger gesellschaftlicher Gruppen fortbestehen.

Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes

Trotz des Sturzes des Assad-Regimes bleibt die Sicherheitslage in Syrien äußerst instabil. Die Übergangsregierung hat Schwierigkeiten, Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet zu erlangen und wird von internen Machtkämpfen sowie externen Bedrohungen durch Assad-treue Kräfte, radikale Milizen und kriminelle Banden herausgefordert. Besonders in den ländlichen Gebieten kommt es weiterhin zu Entführungen, sektiererischer Gewalt und gezielten Angriffen auf Sicherheitskräfte sowie ehemalige Regimeangehörige. Während in den Küstenregionen vorübergehend eine Rückkehr zur Normalität vermeldet wurde, halten die gewaltsamen Auseinandersetzungen in anderen Landesteilen an. Menschenrechtsverletzungen durch regierungsnahe Kräfte, islamistische Gruppen und Regimeüberreste sind dokumentiert und prägen den fragilen Übergang, der sowohl durch lokale als auch internationale Akteure zusätzlich destabilisiert wird.

Die Sicherheitslage in den verschiedenen Regionen Syriens variiert.

Nordsyrien

Die Sicherheitslage in Nordsyrien bleibt auch nach dem Sturz von Bashar al-Assad angespannt, da islamistische Gruppierungen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) im Nordwesten, insbesondere in Idlib und Aleppo, die Kontrolle übernommen haben, jedoch weiterhin interne Machtkämpfe und Widerstand durch Assad-treue Zellen bestehen. In Regionen wie ar-Raqqa, al-Hasaka und Ost-Aleppo kommt es regelmäßig zu Anschlägen mit improvisierten Sprengsätzen, während israelische und russische Luftangriffe die Lage zusätzlich destabilisieren. Aleppo ist strategisch besonders wichtig, bleibt jedoch zwischen islamistischen Gruppen, kurdischen Einheiten (SDF) und verbliebenen Assad-Milizen hart umkämpft, was sich in gezielten Attentaten, Entführungen und Kämpfen wie an der Ashrafiya-Front zeigt. Der Wiederaufbau der zerstörten Stadt kommt kaum voran, da die neuen Machthaber ihren Fokus auf militärische Kontrolle legen. Insgesamt hat sich die humanitäre Situation, besonders in Idlib, durch anhaltende Gewalt, Versorgungskrisen und wirtschaftliche Not weiter verschärft.

Sicherheitslage in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF

Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)

Die Sicherheitslage in den von der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) kontrollierten Gebieten bleibt auch nach dem Machtwechsel in Syrien hochgradig instabil. Die Region ist geprägt von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der SDF, türkischen Streitkräften, pro-türkischen Milizen und islamistischen Gruppierungen, wobei es regelmäßig zu Luftangriffen, Artilleriebeschuss und Drohnenoperationen kommt. Der IS nutzt die fragile Sicherheitslage zur Reaktivierung von Schläferzellen, verübt Anschläge und versucht, seinen Einfluss in der Region auszuweiten. Die Situation wird zusätzlich durch ethnische Spannungen, willkürliche Verhaftungen und eskalierende Stammeskonflikte verschärft. Die humanitäre Lage ist kritisch: Infrastruktur, insbesondere Wasser- und Stromversorgung, wurde gezielt beschädigt, was zu Engpässen in der Versorgungslage führte und viele Menschen zur Flucht zwang. Die politische Lage bleibt unübersichtlich, da auch innerhalb der kurdischen und islamistischen Gruppierungen Machtverschiebungen stattfinden, während gleichzeitig internationale Vermittlungsversuche keine nachhaltige Beruhigung der Lage erzielen konnten.

Rechtsschutz / Justizwesen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes

Nach dem Sturz des Assad-Regimes wurde die Verfassung von 2012 ausgesetzt und ein Übergangsprozess eingeleitet, in dessen Rahmen ein Verfassungskomitee eine neue Verfassung ausarbeiten soll. Derzeit wird Syrien faktisch durch eine Übergangsregierung regiert, die mangels gesetzgebender Körperschaften weitgehend per Dekret agiert. Die Justiz ist fragmentiert, verschiedene Akteure wenden unterschiedliche Rechtssysteme an – von Scharia-Gerichten bis zu modifizierten zivilrechtlichen Strukturen. In mehreren Regionen herrschen Rechtsunsicherheit, willkürliche Gewaltakte und mangelnde Rechtsdurchsetzung. Eine einheitliche, rechtsstaatliche Ordnung ist aktuell nicht gegeben.

Aufarbeitung von Kriegsverbrechen etc. unter dem gestürzten Assad-Regime

Unmittelbar nach dem Sturz des Assad-Regimes stellte der Übergangspräsident ash-Shara' eine umfassende juristische Aufarbeitung der begangenen Menschenrechtsverletzungen in Aussicht und kündigte an, Angehörige des alten Regimes zur Rechenschaft zu ziehen. Seither kommt es landesweit zu Festnahmen ehemaliger Sicherheitskräfte, wobei das Vorgehen mitunter intransparent erscheint und die Kriterien für strafrechtliche Verfolgung uneinheitlich angewendet werden. Die neu eingerichteten „Versöhnungszentren“ dienen offiziell der gesellschaftlichen Reintegration, werfen jedoch aufgrund fehlender klarer Regeln Bedenken hinsichtlich möglicher Willkür und mangelnden Rechtsschutzes auf. Parallel dazu kursieren in sozialen Medien inoffizielle Listen mutmaßlicher Kriegsverbrecher, und es wurden Fälle öffentlicher Hinrichtungen sowie Proteste von Angehörigen vermisster Personen bekannt. Eine systematische, rechtsstaatlich abgesicherte Aufarbeitung der Vergangenheit steht derzeit noch aus.

Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes

Seit dem Sturz des Assad-Regimes bemüht sich die Übergangsregierung unter HTS-Führung, die zersplitterte bewaffnete Landschaft Syriens in eine zentrale Armee- und Sicherheitsstruktur zu überführen. Dabei wurden zahlreiche Gruppierungen formal aufgelöst, teilweise in das neue Verteidigungs- und Innenministerium integriert oder in lokale Polizeikräfte überführt, wobei der Prozess teils intransparent verläuft und nicht alle Fraktionen eingeschlossen sind. Der Wiederaufbau erfolgt unter schwierigen Bedingungen – personelle Engpässe, fehlende Infrastruktur, und die Zerstörung großer Teile des Militärarsenals erschweren die Konsolidierung. Die Sicherheitslage bleibt volatil, insbesondere da die HTS und verbündete Kräfte in manchen Regionen kaum Kontrolle ausüben können und vereinzelt Menschenrechtsverletzungen bekannt wurden. Trotz der zentralen Steuerung bleiben tiefgreifende ideologische und territoriale Differenzen zwischen den Gruppierungen bestehen, was den Aufbau stabiler staatlicher Strukturen weiterhin massiv behindert.

Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)

Die Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) war bis zu ihrer offiziellen Auflösung Ende Jänner 2025 die stärkste bewaffnete Gruppierung Syriens mit geschätzten 43.000 Kämpfern, darunter auch viele ausländische Mitglieder. Sie ging aus mehreren islamistischen Gruppierungen hervor und etablierte eine straffe militärische Struktur mit Spezialeinheiten wie den sogenannten Roten Brigaden. Diese Elitetruppe galt als besonders kampferprobt und ideologisch radikal und spielte eine zentrale Rolle in der Offensive gegen das Assad-Regime. Ab 2020 unterband die HTS die Bildung neuer Militärräume außerhalb ihres eigenen Kommandos und zentralisierte alle Operationen im Rahmen des „Fatah al-Mubin“-Operationsraums. Die Ankündigung ihrer bevorstehenden Auflösung durch ihren Anführer Ahmed ash-Shara’ markierte einen politischen Wendepunkt, blieb jedoch in ihrer praktischen Umsetzung zunächst weitgehend symbolisch.

Andere Gruppierungen

An der Operation „Abschreckung der Aggression“ beteiligten sich neben der HTS auch weitere Gruppierungen, darunter Teile der ehemaligen Freien Syrischen Armee (FSA) sowie Mitglieder der Nationalen Befreiungsfront (NLF), wie Jabhat Tahrir as-Souriya und Jaysh Idlib al-Hurr. Einige dieser Gruppen, wie die Sultan Murad Division oder Jaysh al-Islam, werden von der Türkei unterstützt und operieren in strategisch wichtigen Regionen wie Aleppo, Homs und Damaskus. Die NLF ist vor allem in Idlib präsent und arbeitet dort eng mit lokalen Sicherheitskräften zusammen, ist aber aufgrund begrenzter Ressourcen auf andere verbündete Milizen angewiesen. Auch im Süden Syriens, insbesondere in Dara’a, sind zahlreiche bewaffnete Gruppen aktiv, die sich teils weiterhin auf die FSA berufen.

Folter und unmenschliche Behandlung, Haftbedingungen, willkürliche Verhaftungen, Verschwinden Lassen, etc. - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes

Vor dem Sturz des Assad-Regimes berichteten die UN über systematische Folter und Hinrichtungen durch die HTS sowie durch Fraktionen der Syrischen Nationalen Armee (SNA), die in ihren Haftanstalten ähnlich brutale Methoden wie das alte Regime anwenden. Auch unter der Übergangsregierung kam es im Jänner 2025 zu zahlreichen Festnahmen im Rahmen von Sicherheitskampagnen, deren rechtliche Grundlage unklar bleibt; dabei wurden laut Syrian Network for Human Rights 229 Personen willkürlich verhaftet. Mehrere Todesfälle durch Folter in Haft wurden dokumentiert, unter anderem in einer Einrichtung in Damaskus. Die HTS verweigert weiterhin transparente Gerichtsverfahren für mutmaßliche Täter früherer Regimeverbrechen. Zudem nehmen oppositionelle bewaffnete Gruppen, einschließlich der SNA, nach wie vor wahllos Personen – auch Frauen aus SDF-Gebieten – ohne richterliche Anordnung fest.

Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes

Nach dem Sturz des Assad-Regimes wurde die Syrische Arabische Armee aufgelöst, viele Soldaten flohen, andere wurden in sogenannten „Versöhnungszentren“ zur Wiedereingliederung registriert. Die neue Übergangsregierung unter HTS-Führung kündigte eine freiwillige Berufsarmee an, schaffte die Wehrpflicht ab und begann mit der aktiven Rekrutierung von Freiwilligen. Parallel dazu laufen Pläne zur Integration ehemaliger bewaffneter Gruppen in eine neue „Nationale Armee“, wobei eine einheitliche militärische Struktur unter dem Verteidigungsministerium angestrebt wird. Trotz Amnestien und Entwaffnung bleibt unklar, wie übergelaufene Offiziere eingebunden werden und wie sich die neue Armee von der alten SAA strukturell unterscheiden wird. Rekrutierungen erfolgen mit verkürzter Ausbildung und Scharia-Unterricht, während in einigen Regionen Gerüchte über Zwangsrekrutierung kursieren, was die Spannungen erhöht.

Wehr- und Reservedienst in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF

Wehrdienst

Die Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) sieht in ihrem Gesellschaftsvertrag von 2023 die Selbstverteidigung als Pflicht und Recht jedes Bürgers vor, wobei sowohl die Community Protection Forces als auch die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) für die Umsetzung verantwortlich sind. Männer ab 18 Jahren unterliegen laut Gesetz Nr. 1 der Wehrpflicht, während Frauen freiwillig dienen können; in der Praxis wird das Gesetz regional unterschiedlich streng durchgesetzt – insbesondere Araber und Christen erfahren Ausnahmen. Die Rekrutierung erfolgt teils durch Zwang, etwa im Zuge von Kampagnen, bei denen hunderte junge Männer, insbesondere in Deir ez-Zour und al-Hasaka, zum Dienst eingezogen wurden. Die Wehrpflichtigen durchlaufen eine militärische Grundausbildung, wobei Personen mit höherer Bildung für Verwaltungsaufgaben und solche mit niedriger Bildung für Wachaufgaben eingesetzt werden. Obwohl der Einsatz in Kampfsituationen offiziell nicht vorgesehen ist, kam es in der Vergangenheit wiederholt zu Einsätzen von Wehrpflichtigen in Kampfhandlungen, etwa in Afrin oder bei Angriffen des IS.

Aufschub und Befreiung

Die Gesetzgebung der DAANES erlaubt unter bestimmten Bedingungen Aufschübe und Befreiungen vom Selbstverteidigungsdienst, etwa für Studierende, medizinisch beeinträchtigte Personen oder Brüder von Märtyrern. Studierende können ihre Einberufung je nach Ausbildungsstufe bis zu einem bestimmten Alter aufschieben, auch wenn sie außerhalb der DAANES studieren. Wer in einer anerkannten Einrichtung wie der Verkehrspolizei oder den Sicherheitskräften mehrere Jahre dient, kann sich durch diesen Ersatzdienst von der Pflicht befreien lassen. Auch medizinische Befreiungen sind möglich, sofern ein entsprechender Bericht vorliegt; Personen mit nicht-syrischer Staatsbürgerschaft oder langfristigem Auslandsaufenthalt können unter bestimmten Bedingungen ebenfalls befreit oder durch Zahlung einer Aufschubgebühr vom Dienst zurückgestellt werden. In der Praxis werden die Regelungen – laut befragten Experten – von den Behörden weiterhin umgesetzt, teils flexibel gehandhabt und regional unterschiedlich vollzogen.

Wehrpflichtverweigerer und Deserteure

Gemäß dem Gesetz Nr. 1 zur Selbstverteidigungspflicht der DAANES wird Wehrdienstverweigerern ein zusätzlicher Monat Dienstzeit angerechnet, wenn sie eingezogen werden, und ihre Namen an Checkpoints weitergegeben. Wer beim illegalen Grenzübertritt ertappt wird, wird direkt zum Dienst eingezogen, wobei laut DIS keine Fälle von Misshandlung bekannt sind. Die Behörden gehen vor allem an Checkpoints gegen Verweigerer vor, in Wohnhäusern wird nicht systematisch gesucht – in arabischen Regionen oft mit größerer Zurückhaltung. Deserteure, also Kämpfer, die 15 Tage unentschuldigt fehlen, werden nicht zusätzlich bestraft, aber zu ihren Motiven befragt. Regelmäßig gibt es Amnestien, wenn sie sich freiwillig melden. Viele versuchen dennoch, sich dauerhaft zu entziehen – je nach regionaler Kontrolle und Sicherheitslage – während sich junge Männer bei stabiler Lage eher zum Dienst melden. Familienangehörige von Verweigerern oder Deserteuren sind laut vorliegenden Informationen keiner Sanktionierung oder Repression ausgesetzt.

Allgemeine Menschenrechtslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes

Die neue syrische Übergangsregierung wird trotz anfänglich disziplinierter Machtübernahme mit schweren Vorwürfen von Menschenrechtsorganisationen konfrontiert. Berichte dokumentieren willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Hinrichtungen, ethnisch motivierte Gewaltakte und Rachekampagnen, insbesondere in ehemaligen Hochburgen des Assad-Regimes. Lokale Milizen und von der Türkei unterstützte Gruppen wie die SNA sollen dabei systematisch gegen kurdische Zivilisten, Alawiten und frühere Regimetreue vorgegangen sein, oft ohne rechtliche Konsequenzen. Auch die Einschränkung von Meinungsfreiheit, neue Formen von Zensur und religiös motivierte Repressionen werfen ein kritisches Licht auf das derzeitige Machtgefüge. Die Übergangsregierung betont zwar ihre Absicht, Täter zur Rechenschaft zu ziehen, doch bleibt fraglich, inwieweit dies effektiv umgesetzt wird.

Todesstrafe - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes

Seit dem 8. Dezember 2024 dokumentierte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) 60 Tötungen, darunter 112 Opfer bei Hinrichtungen vor Ort, unter ihnen auch Frauen und Kinder. Medienberichten zufolge soll zudem ein mutmaßlicher Informant des gestürzten Präsidenten öffentlich durch einen Kopfschuss hingerichtet worden sein.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers basieren auf seinen konstanten Angaben vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht und stehen im Einklang mit seiner unbedenklichen syrischen Geburtsurkunde und einer vorgelegten Kopie des Personenstandsregisters. Der Beschwerdeführer bestätigte sein Geburtsdatum erneut glaubhaft in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VP, Seite 5).

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu seiner Muttersprache gründen sich auf seinen diesbezüglich stringenten Ausführungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen zu zweifeln.

2.1.2. Die Feststellungen zum Geburtsort des Beschwerdeführers in Syrien stützen sich auf seine im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben in der Einvernahme vor der belangten Behörde und in der Beschwerdeverhandlung.

Die Feststellungen zur Antragstellung im Bundesgebiet ergeben sich aus der Aktenlage und sind unbestritten.

2.1.3. Die Feststellung zur schulischen Ausbildung des Beschwerdeführers stützt sich auf seine beständigen Angaben in den unterschiedlichen Verfahrensstadien.

2.1.4. Die Feststellungen zum aktuellen Familienstand des Beschwerdeführers und zu den derzeitigen Aufenthaltsorten seiner Angehörigen resultieren aus seinen jüngsten Aussagen in der Beschwerdeverhandlung (VP, Seiten 7).

2.1.5. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers folgt aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.1.6. Da der Beschwerdeführer seine gesamte Lebenszeit im Dorf XXXX verbracht hat, kann das Dorf XXXX und dessen Umgebung als Herkunftsregion des Beschwerdeführers bestimmt werden.

2.1.7. Anhand der Kontrollgebietskarte der Syria Live Map (https://syria.liveuamap.com/) in Zusammenschau mit den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht (VP, Seite 5) kann die Feststellung getroffen werden, dass das Dorf XXXX (auch XXXX ) derzeit unter der Herrschaft der SDF steht. Auch die Darstellungen des Carter-Centers: Exploring Historical Control in Syria (https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-insyria.html) weicht nicht von dieser Feststellung ab und stehen in Einklang mit den glaubhaften Ausführungen des Beschwerdeführers.

Machtverhältnis im Dorf XXXX im August 2025

Quelle: Kontrollgebietskarte des Carter-Centers

2.2. Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Der Beschwerdeführer gab im Rahmen der Erstbefragung im Juli 2022 an, sein Herkunftsland vor etwa zehn Jahren infolge des dort herrschenden Krieges verlassen zu haben (Erstbefragung, AS 6). In seiner Einvernahme vor der belangten Behörde im Juli 2023 konkretisierte er dieses Vorbringen dahingehend, dass ein Verbleib in seinem Heimatdorf aufgrund andauernder Angriffe nicht mehr möglich gewesen sei. Gleichwohl seien Teile der Dorfbevölkerung von der Türkei aus nach Syrien zurückgekehrt. Ein Cousin des Beschwerdeführers sei vom sogenannten Islamischen Staat getötet worden. Ein weiterer Verwandter sei während des Militärdienstes für kurdische Kräfte ums Leben gekommen, ebenso wie drei weitere Personen im Rahmen ihrer Tätigkeit für die kurdische Seite. Aufgrund dieser Vorfälle habe der Beschwerdeführer Angst gehabt und eine Rückkehr nach Syrien für ausgeschlossen gehalten (Einvernahme, AS 43).

2.2.2. Erstmals im Rechtsmittel gegen den angefochtenen Bescheid brachte der Beschwerdeführer ergänzend zu seinem Fluchtgrund vor, im Jänner 2015 während eines Aufenthalts in Syrien von Einheiten der SDF zwangsrekrutiert und für die Dauer von fünf Monaten an die Front entsandt worden zu sein (Beschwerde, S. 3). Befragt zu diesem Umstand in der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, von sogenannten „Haval“ mitgenommen worden zu sein, wobei es sich seinen Angaben zufolge um Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (kurz: „PKK“) gehandelt habe. Der Vorfall habe sich ereignet, als er Lebensmittel für seine Familie beschaffen wollte. Trotz seiner ausdrücklichen Ablehnung, sich diesen anzuschließen, sei er gewaltsam von den PKK-Mitgliedern mitgenommen und anschließend an die Front geschickt worden. Eine Flucht sei unter den damaligen Umständen nur schwer möglich gewesen. Er habe daher zunächst abgewartet, bis sich eine geeignete Gelegenheit zur Flucht ergeben habe, und sei schließlich geflohen. Dies habe sich im Jänner 2015 zugetragen (VP, Seite 6). Zur Untermauerung seines Vorbringens legte der Beschwerdeführer im Mai 2025 eine Sammlung von Fotografien vor, auf denen er gemeinsam mit verschiedenen Personen abgebildet ist. Auf Nachfrage erklärte der Beschwerdeführer, dass diese Fotos als Beweismittel für seinen früheren Aufenthalt bei den sogenannten „Haval“ dienen sollten. Er habe zunächst gezögert, diesen Umstand offen zu legen, da er befürchtete, von den Behörden fälschlicherweise als bewaffneter Kämpfer eingestuft und infolgedessen inhaftiert zu werden bzw. keinen Aufenthaltstitel zu erhalten. Erst nachdem ihm bewusst geworden sei, dass ihm keine andere Möglichkeit zur Glaubhaftmachung verbleibe, habe er die Fotos beschafft und sie als Nachweis für seine Dienstzeit bei den „Haval“ vorgelegt.

2.2.3. Zusätzlich zu den vorgelegten Fotografien übermittelte der Beschwerdeführer ein Schriftstück, dessen Inhalt vom in der mündlichen Verhandlung anwesenden Dolmetscher sinngemäß übersetzt wurde: Demnach handle es sich um eine Verlautbarung der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES), mit der Jugendliche ab dem vollendeten 17. Lebensjahr dazu aufgefordert werden, sich bei der nächstgelegenen Dienststelle des Selbstverteidigungsdienstes zum Wehrdienst zu melden. Die Mitteilung enthält keine Androhung von Konsequenzen für den Fall der Nichtbefolgung und ist zudem nicht persönlich an den Beschwerdeführer adressiert.

In der Folge äußerte sicher der Beschwerdeführer – auf entsprechende Nachfrage seines Vertreters – zu seinen individuellen Beweggründen, wonach er große Angst habe, wegen seiner Desertion vom kurdischen Militärdienst bestraft zu werden. Dies insbesondere deshalb, weil gemeinsam mit ihm drei Mitglieder der PKK desertiert seien und – seinen Angaben zufolge – lediglich sein Wohnort den kurdischen Kräften bekannt sei, nicht jedoch jener der anderen Deserteure. Aus diesem Grund befürchte er, allein für die gemeinsame Flucht zur Verantwortung gezogen zu werden, zumal er den anderen Deserteuren gerade beim Grenzübertritt behilflich gewesen sei. Ein ungestörtes Leben in Syrien sei ihm daher nicht möglich.

2.2.4. Schlussfolgernd kann den Angaben des Beschwerdeführers, wonach er 2015 für einen Zeitraum von mehreren Monaten Wehrdienst bei kurdischen Kräften in Syrien leisten musste, insgesamt Glaubwürdigkeit beigemessen werden. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der im Verfahren vorgelegten Fotos, auf denen der Beschwerdeführer mit uniformierten Personen abgebildet ist, bei denen es sich – dem äußeren Erscheinungsbild nach – um Angehörige kurdischer bewaffneter Einheiten handeln dürfte. Dass es sich bei diesen Personen um Mitglieder der PKK handelt, bedarf keiner abschließenden Klärung, weil dies für die Beurteilung des Sachverhalts nicht ausschlaggebend ist. Die Fotos stützen jedenfalls das zentrale Vorbringen, wonach sich der Beschwerdeführer zu einem bestimmten Zeitpunkt im Einflussbereich kurdischer Kräfte befunden hat.

Wenig glaubhaft erscheinen hingegen die Ausführungen des Beschwerdeführers zu den Umständen seiner Desertion: Diese schilderte er erstmals im Rahmen seiner Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde (vgl. Beschwerde Seite 3), nicht jedoch bereits bei seiner Einvernahme vor dieser. Dass er im Rahmen der Verfahrensführung nach eigenem Bekunden aus Angst vor negativen asyl- oder fremdenrechtlichen Konsequenzen über einen derart entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht bereits bei der Erstbefragung bzw. bei seiner Einvernahme berichtet haben will, schmälert die Glaubwürdigkeit seiner diesbezüglichen Angaben – zumal er ausdrücklich durch die Behörde auf seine Wahrheitspflicht und die Bedeutung vollständiger Angaben hingewiesen wurde (vgl. Einvernahme vom 28.07.2023, Seite 2).

Auch inhaltlich erscheint wenig lebensnah, dass er gemeinsam mit drei PKK-Mitgliedern desertiert und deshalb verfolgt werde, weil nur sein Haus den kurdischen Kräften bekannt sei. Es erscheint wenig plausibel, dass kurdische Organisationen – insbesondere, wenn es sich tatsächlich um Mitglieder der PKK gehandelt haben sollte – die Adressen ihrer eigenen Mitglieder nicht ausfindig machen können, wohl aber die Adresse eines externen Rekruten. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass es sich bei diesem Vorbringen um eine Schutzbehauptung handelt, um nach Erhalt des abweisenden Bescheids eine neue Gefährdungslage geltend zu machen.

Insgesamt ergibt sich somit, dass der Wehrdienst des Beschwerdeführers bei kurdischen Kräften in Syrien als glaubhaft zu werten ist, die näheren Umstände seiner behaupteten Desertion – insbesondere in Zusammenhang mit der Beteiligung angeblicher PKK-Mitglieder sowie der geltend gemachten individuellen Gefährdungslage – jedoch als wenig glaubwürdig zu qualifizieren sind. Diese Zweifel betreffen sowohl den Zeitpunkt der erstmaligen Aussage, die fehlende innere Schlüssigkeit, als auch die Plausibilität im Lichte der Länderberichte.

2.2.5. Betreffend eine Rekrutierung durch Kräfte des ehemaligen Assad-Regimes ist den Länderberichten zu entnehmen, dass diese im Dezember 2024 gestürzt wurden und zum Zeitpunkt der Entscheidung inaktiv (vgl. dazu Pkt. II.1.3.1. „Wehr- und Reservedienst – Entwicklung seit dem Sturz des Assad Regimes“) sind. Es besteht daher für den Beschwerdeführer keine Gefahr (mehr), zum Wehrdienst der Assad-Armee eingezogen zu werden, zumal sich auch keine zeitnahe und großflächige Rückeroberung durch das Assad-Regime abzeichnet (vgl. dazu auch der neuste Country Guidance vom Juni 2025, abrufbar unter: https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2025-06/2025_Country_Guidance_Syria_interim_guidance.pdf).

Auch die FSA existiert schon länger nicht mehr. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht von der HTS bzw. der nunmehrigen syrischen Übergangsregierung beherrscht (vgl. dazu Pkt. II.1.1.5.).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien nicht der Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund seines Fernbleibens vom oder seiner Flucht aus dem Wehrdienst der kurdischen Kräfte verfolgt zu werden, gründet sich maßgeblich auf die Erkenntnis, dass eine solche Dienstpflichtverletzung in der Regel lediglich mit einer einmonatigen Verlängerung der Dienstzeit sanktioniert wird. Dies ergibt sich aus den in das Verfahren eingeführten Länderberichten: Dem Länderinformationsblatt ist dazu zu entnehmen, dass Deserteure, also Kämpfer, die 15 Tage unentschuldigt fehlen, nicht zusätzlich bestraft werden, aber zu ihren Motiven befragt werden (vgl dazu Pkt. II 1.3.1. „Wehr- und Reservedienst in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF– Wehrpflichtverweigerer und Deserteure“).

2.2.6. Andere Fluchtgründe wurden im Kontext der Lage des Beschwerdeführers nicht dargelegt und können daher keine Feststellungen tragen.

2.3. Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat beruhen auf einer inhaltlich verdichteten Zusammenfassung ausgewählter Kapitel des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 08.05.2025. Auch wenn nicht der vollständige Wortlaut übernommen wurde, wurde der wesentliche Gehalt der herangezogenen Informationen vollständig erfasst und sachgerecht wiedergegeben. Die ausgewerteten Abschnitte beruhen auf einer Vielzahl voneinander unabhängiger Quellen, welche in den maßgeblichen Aussagen ein übereinstimmendes, plausibles und widerspruchsfreies Gesamtbild der Lage im Herkunftsstaat zeichnen. Das Bundesverwaltungsgericht sieht daher keinen Anlass, an der Seriosität, Plausibilität und inhaltlichen Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:

Die Beschwerde richtet sich lediglich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wurde.

3.2. Rechtliches zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:

Allgemeines:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie [RL 2011/95/EU] verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Der Verwaltungsgerichtshof führte zur „Verfolgung“ und zur „wohlbegründeten Furcht“ Folgendes aus (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413): „Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht.“

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551).

Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt wurden; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 09.04.1997, 95/01/0555; 26.02.1997, 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (VwGH 16.02.2000, 99/01/0097; 18.04.1996, 95/20/0239).

Relevant ist nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr (VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274; 25.09.2018, Ra 2017/01/0203; 26.06.2018, Ra 2018/20/0307); auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten hat (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; 09.03.1999, 98/01/0318;). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren allerdings ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen (VwGH 09.07.2002, 2000/01/0192).

Die begründete Furcht vor Verfolgung muss sich auf jenes Land beziehen, dessen Staatsangehörigkeit der Asylwerber besitzt (VwGH 17.02.1994, 94/19/0936).

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (VwGH 27.01.2000, 99/20/0519). Eine Verfolgungshandlung ist nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen gesetzt wurde, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt werden – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

„Glaubhaftmachung“ im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht (VwGH 09.05.1996, 95/20/0380). Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführer und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 2005 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder der Fremde einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Herkunftsregion und deren Erreichbarkeit:

Die Bestimmung der Heimatregion des Asylwerbers ist Grundlage für die Prüfung, ob dem Asylwerber dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht (VwGH 09.03.2023, Ra 2022/19/0317; 25.08.2022, Ra 2021/19/0442).

Zur Bestimmung der Heimatregion kommt der Frage maßgebliche Bedeutung zu, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat (VwGH 06.03.2024, Ra 2024/01/0039). In Fällen, in denen Asylwerber nicht aufgrund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang aufgrund einer Vertreibung ihren dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hatten und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnten, ist hingegen der ursprüngliche Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen (VwGH 06.03.2024, Ra 2024/01/0039; 29.02.2024, Ra 2023/18/0370).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zu prüfen, ob ein Asylwerber im (hypothetischen) Fall seiner Rückkehr in seine Heimatregion gelangen kann, ohne bei oder nach der Einreise in den Herkunftsstaat asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt zu sein (VwGH 04.03.2025, Ra 2024/18/0004; 04.07.2023, Ra 2023/18/0108). Auch der Verfassungsgerichtshof stellte fest, dass eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Herkunftsregion für den Beschwerdeführer ohne Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung erreichbar ist, stattzufinden hat, schließlich könnte sich die festgestellte Verfolgungsgefahr auch auf dem Weg in die Herkunftsregion realisieren (VfGH 11.06.2024, E 1569/2023; 04.10.2023, E 1085/2023).

Aus asylrechtlicher Sicht kommt es nicht darauf an, ob die Einreise in einen verfolgungssicheren Landesteil aus der Sicht des potentiellen Verfolgers legal stattfindet, sondern nur, ob die den Grenzübergang beherrschenden Autoritäten eine Einreise in das sichere Gebiet zulassen (VwGH 10.06.2024, Ra 2024/01/0003).

3.1.1. Anwendung auf den konkreten Fall:

Fallbezogen sind die Voraussetzungen für die Gewährung des Status des Asylberechtigten in Bezug auf die Herkunftsregion des Beschwerdeführers (Dorf XXXX und dessen Umgebung) – wie unter Pkt. II.2.1. oben beweisgewürdigt – nicht gegeben:

Angesichts des Sturzes des Assad-Regimes im Dezember 2024 und der damit einhergehenden Auflösung des Assad-Militärs ist der Beschwerdeführer keiner Gefahr (mehr) ausgesetzt, zum Wehrdienst der Assad-Armee einberufen zu werden. Dies deckt sich mit der Position des UNHCR vom Dezember 2024, wonach sämtliche Risiken in Bezug auf die Verfolgung durch die frühere syrische Regierung endeten.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer Bestrafung durch kurdische Kräfte aufgrund seiner eigenen Desertation und der Hilfestellung anderer erweist sich ebenfalls als nicht asylrelevant:

Die „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ ist ein de facto autonomes Gebiet im Nordosten von Syrien, das jedoch nicht anerkannt ist.

Ausgehend von der aktuellen Erkenntnislage ergibt sich, dass Personen, die sich der Erfüllung der Wehrpflicht im Einflussbereich der kurdischen Selbstverwaltungsstrukturen entziehen oder vom Dienst desertieren, keine Sanktionen drohen, die eine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 12 Abs. 2 lit. c der Statusrichtlinie darstellen würden. Die verfügbaren Informationen deuten vielmehr darauf hin, dass als Sanktion üblicherweise lediglich eine Verlängerung der Dienstzeit um einen Monat verhängt wird. Weder von systematischer Gewaltanwendung noch von diskriminierenden oder unverhältnismäßigen Bestrafungen wurde in diesem Zusammenhang berichtet. Vielmehr werden regelmäßig Amnestien gewährt, sofern sich die betroffenen Personen zur Ableistung des Wehrdienstes melden. Die Möglichkeit, sich durch Amnestien zu rehabilitieren und regulär in das Wehrsystem eingegliedert zu werden, spricht zusätzlich gegen das Vorliegen einer strafrechtlichen Verfolgung mit asylrechtlicher Relevanz.

Auch sind keine Hinweise auf Kollektivmaßnahmen gegen Angehörige von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren ersichtlich. Die staatlichen und de-facto-Behörden gehen nach derzeitiger Erkenntnislage nicht repressiv oder gewaltsam gegen die Familien betroffener Personen vor. Ebenso fehlen Anhaltspunkte für eine besonders harte oder willkürlich ausgestaltete Strafverfolgung, die aufgrund politischer, ethnischer oder ideologischer Motive gezielt gegen Deserteure ergriffen würde. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass einer Rückkehr in das Herkunftsgebiet aus Anlass einer Desertion keine konkreten, individuellen und unverhältnismäßigen Gefahren entgegenstehen, die den Schutzstandard des Art. 12 Abs. 2 lit. c der Statusrichtlinie erreichen.

Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass ihm im Falle einer Rückkehr eine asylrelevante Verfolgung drohen würde. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung näher ausgeführt, erscheinen die vom Beschwerdeführer geschilderten Umstände seiner Desertion – insbesondere die angebliche gemeinsame Flucht mit drei PKK-Mitgliedern sowie seine besondere Verantwortlichkeit – als wenig glaubwürdig. Es ist daher (prognostisch) nicht ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer gerade aufgrund dieser behaupteten Konstellation eine individuell zurechenbare Sanktionierung oder gar ein flüchtlingsrechtlich relevanter Nachteil drohen würde. Auch aus der geltend gemachten Hilfestellung für die Flucht anderer Personen lässt sich keine Handlung ableiten, die im Herkunftsstaat mit einem asylrelevanten Repressionsrisiko belegt wäre.

Darüber hinaus ist in die rechtliche Würdigung auch der erhebliche Zeitablauf einzubeziehen. Die behauptete Desertion liegt bereits rund zehn Jahre zurück und es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Umstand aktuell noch behördliches Interesse oder Sanktionen nach sich ziehen würde. Vielmehr sprechen die zeitliche Distanz sowie die wiederholt festgestellte Praxis der Amnestiegewährung zusätzlich gegen das Fortbestehen eines beachtlichen Risikos. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr aufgrund seiner behaupteten Desertion einer aktuell wirksamen, konkret-individuellen Verfolgung ausgesetzt wäre.

Aufgrund der getroffenen Feststellungen zur Lage der Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist auch sonst nicht darauf zu schließen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Gründe nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen.

3.1.2. Ergebnis:

Da der Beschwerdeführer keine Betroffenheit seiner Person von Verfolgungshandlungen aus einem der GFK-Gründe glaubhaft machen konnte, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Der allgemeinen Gefährdung des Beschwerdeführers durch die derzeitige Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien, wurde im gegenständlichen Verfahren mit der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 bereits vorab Rechnung getragen.

Der Vollständigkeit halber wird auch noch darauf eingegangen, dass die im Dezember 2024 veröffentlichte Position des UNHCR der vorliegenden Entscheidung nicht entgegensteht:

Die vom UNHCR thematisierten Fragen der freiwilligen Rückkehr („Voluntary Returns“) und des Moratoriums zwangsweiser Rückführungen („Moratorium on Forced Returns“) sind mit Blick auf den Gegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht von Bedeutung. Des Weiteren plädiert der UNHCR dafür, dass vorerst keine negativen Entscheidungen über Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien gehabt hätten, erlassen werden würden. Zutreffend weist der UNHCR zunächst darauf hin, dass das Risiko einer Verfolgung durch das Assad-Regime geendet habe. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit den Länderberichten, auf die sich das Bundesverwaltungsgericht stützt. Soweit der UNHCR allerdings vermeint, dass andere Risiken fortbestehen oder zunehmen könnten, ist festzuhalten, dass das Vorbringen einer asylrelevanten Verfolgung infolge der Lageänderung in Syrien eine entsprechende Glaubhaftmachung durch den Beschwerdeführer bedingt. Zum für die Beurteilung und Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt ist jedenfalls von keiner asylrelevanten Verfolgung des Beschwerdeführers durch einen der Akteure in Syrien auszugehen. Im Übrigen ist beachtlich, dass auch der UNHCR keine konkreten neuen Verfolgungsrisiken ins Treffen führt, sondern sich bloß allgemein auf die in Syrien vorherrschende Unsicherheit und Instabilität bezieht.

Zu Spruchpunkt B)

3.3. Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist nicht zulässig, weil die vorliegende Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu insbesondere die unter „Zu Spruchpunkt A)“ zitierte Judikatur), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.