JudikaturBVwG

W289 2302348-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
25. September 2025

Spruch

W289 2302348-1/17Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ajdin LUBENOVIC als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Andreas KARWAS und Mag. Robert STEIER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 24.07.2024, VN XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 23.09.2024, Zl. XXXX , beschlossen:

A)

Das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 17 VwGVG iVm §§ 9, 38 AVG bis zur Entscheidung über das beim Bezirksgericht XXXX zur Zahl XXXX anhängige Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters ausgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: belangte Behörde, AMS) vom 24.07.2024 wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 38 iVm § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) den Anspruch auf Notstandshilfe im Zeitraum 02.07.2024 – 16.08.2024 verloren habe.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde.

Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 23.09.2024, Zl. XXXX , wurde die Beschwerde betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe im Ausmaß von 42 Tagen ab 02.07.2024 als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin stellte fristgerecht einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Am 12.11.2024 wurde der Beschwerdeakt dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt.

In Folge einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wurde das BVwG am 29.07.2025 von der Beschwerdeführerin telefonisch davon in Kenntnis gesetzt, dass sie über einen neuen Befund ihres Psychiaters verfüge und sie aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage sei, an der Beschwerdeverhandlung am 15.09.2025 teilzunehmen.

Nach entsprechender Aufforderung des BVwG, ein fachärztliches Attest betreffend eine allfällige Verhandlungsunfähigkeit vorzulegen, übermittelte die Beschwerdeführerin am 02.09.2025 einen fachärztlichen Befundbericht vom 18.06.2025. Laut jenem übermittelten psychiatrischen Befundbericht wurden bei der Beschwerdeführerin XXXX diagnostiziert. Darüber hinaus hält der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie darin fest, dass die Beschwerdeführerin mit den Anforderungen ihrer Lebenssituation überfordert erscheine. Sie sei nicht ausreichend in der Lage, so gut für sich zu sorgen, dass sie wirtschaftlich über die Runden kommt. Behördliche Anforderungen würden sie maßlos überfordern. Sie benötige dringend professionelle Hilfe, XXXX . Sofern sie diesbezüglich keine Hilfe erhalte, würde sich ihre XXXX mit entsprechend schwerwiegenden gesundheitlichen und psychologischen Folgen verschlechtern.

Das BVwG ersuchte das Bezirksgericht XXXX am 12.09.2025 – im Hinblick auf die Verhandlung des BVwG am 15.09.2025 – um eine dringende Auskunft, ob zur Beschwerdeführerin gegenwärtig eine Erwachsenenvertretung vorliegend ist. Noch am selben Tag teilte das zuständige Bezirksgericht dem BVwG mit, dass die Beschwerdeführerin keinen Erwachsenenvertreter hat und derzeit auch kein Erwachsenenschutzverfahren anhängig ist.

Die Beschwerdeführerin ist in weiterer Folge, wie von ihr telefonisch gegenüber dem BVwG bereits angekündigt, nicht zur Beschwerdeverhandlung des BVwG am 15.09.2025 erschienen. In jener wurde von der anwesenden Behördenvertreterin im Wesentlichen mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin in aufrechtem Krankengeldbezug sei und im XXXX einen Antrag auf Invaliditätspension gestellt habe.

Mit Schreiben vom 18.09.2025 wurde seitens des BVwG beim zuständigen Bezirksgericht angeregt, ein Verfahren zur Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters einzuleiten.

Mit Schreiben vom 24.09.2025 wurde das BVwG vom zuständigen Bezirksgericht darüber informiert, dass für die Beschwerdeführerin ein Erwachsenenschutzverfahren eingeleitet wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Beim Bezirksgericht XXXX ist zur Zahl XXXX ein Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters für die Beschwerdeführerin anhängig, welches noch nicht rechtskräftig beendet ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen konnten aufgrund der unbedenklichen Aktenlage erfolgen und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) iVm § 56 Abs. 2 AlVG (vgl. VwGH 07.09.2017, Ra 2017/08/0081).

Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide einer regionalen Geschäftsstelle des AMS das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören. Der Tatbestand, aus dem sich die Senatszuständigkeit ableitet, stellt nur auf die bescheiderlassende Behörde und nicht etwa darauf ab, worüber sie entschieden hat. Die Regelung trägt dem Legalitätsprinzip iSd Art. 18 Abs. 1 iVm Art. 83 Abs. 2 B-VG Rechnung, wonach der Gesetzgeber insbesondere in Bezug auf die Behörden- und Gerichtszuständigkeit zu einer präzisen, strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Regelung verpflichtet ist und eine Zuständigkeitsfestlegung klar und unmissverständlich sein muss (vgl. VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0159). Gegenständlich ist Sache des Verfahrens die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 23.09.2024 betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe im Ausmaß von 42 Tagen ab 02.07.2024.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Aussetzung des Verfahrens:

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) lauten:

„Rechts- und Handlungsfähigkeit

§ 9. Insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, ist sie von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

Allgemeine Grundsätze

§ 38. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.“

Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 17 VwGVG – ausgenommen den hier nicht zutreffenden Fall, dass im VwGVG anderes bestimmt ist – auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG neben Bestimmungen des AVG, der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG) und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgeführt (VwGH 12.09.2017, Ra 2017/16/0078):

„Die Frage der Handlungsfähigkeit und somit auch jene der Prozessfähigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Behörde als Vorfrage (iSd § 38 AVG) zu beurteilen. Einen Mangel der Prozessfähigkeit hat sie in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Mangelt es einem Adressaten einer Verfahrenshandlung (insbesondere auch eines Bescheides) in Bezug auf den Verfahrensgegenstand an der Prozessfähigkeit, so geht die Verfahrenshandlung insofern ins Leere, als sie diesem Adressaten gegenüber keinerlei Rechtswirkungen entfaltet. Die Behörde kann diesfalls Verfahrenshandlungen rechtswirksam nur gegenüber dem gesetzlichen Vertreter setzen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. Feber 2016, Ra 2016/19/0007, mwN sowie die in Hengstschläger/Leeb, AVG I2, unter Rz 5 f zu § 9 AVG wiedergegebene weitere Judikatur).“

3.3. Fallgegenständlich ist ein Verfahren beim zuständigen Bezirksgericht zur Überprüfung der Notwendigkeit zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters für die Beschwerdeführerin anhängig. Es ist derzeit fraglich, ob die Beschwerdeführerin die erforderliche Prozessfähigkeit in Bezug auf den Verfahrensgegenstand besitzt. Das Vorhandensein der Prozessfähigkeit der Beschwerdeführerin ist jedoch Voraussetzung für die Wirksamkeit jeder das gegenständliche Beschwerdeverfahren betreffenden Verfahrenshandlung.

Somit stellt die Frage der Prozessfähigkeit der Beschwerdeführerin in dem gegenständlichen Verfahren eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG dar. Da diese Vorfrage den Gegenstand des Verfahrens zur Überprüfung der Notwendigkeit zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters bildet, ist das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich berechtigt, das Verfahren bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung in dem genannten Verfahren auszusetzen. Dies erscheint insbesondere vor dem Hintergrund möglichst richtiger und vor allem einheitlicher Entscheidungen sinnvoll. Dem Bundesverwaltungsgericht liegen bis dato keine entsprechenden Ermittlungsergebnisse vor und wäre es auch nicht zweckmäßig, parallel ein Ermittlungsverfahren hierzu zu führen. Aufgrund der Aussetzung des Verfahrens ist kein besonderer Rechtsnachteil für die Beschwerdeführerin zu erwarten.

Bis zur Entscheidung über das beim Bezirksgericht anhängige Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters für die Beschwerdeführerin wird das gegenständliche Beschwerdeverfahren daher gemäß § 17 VwGVG iVm §§ 9, 38 AVG ausgesetzt.

3.4. Die Verfahrensparteien sind im Lichte ihrer Mitwirkungspflicht gehalten, dem Bundesverwaltungsgericht nach rechtskräftigem Abschluss des beim zuständigen Bezirksgericht anhängigen Verfahrens dessen Ergebnisse unverzüglich mitzuteilen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.