JudikaturBVwG

W218 2313268-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
22. September 2025

Spruch

W218 2313268-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER-KOPSCHAR sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 26.03.2025, OB: XXXX , betreffend Abweisung der Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang:

1.Mit Bescheid vom 26.03.2025 hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gem. §§ 42 und 45 BBG (Bundesbehindertengesetz) abgewiesen. In ihrer Begründung traf die belangte Behörde die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die genannte Zusatzeintragung nicht vorlägen.

2. Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass bei der Beschwerdeführerin eine Autoimmunerkrankung (Myositis, Schmerzen, Gleichgewichtsstörung, Atemnot) vorläge. Sie leide zudem an massiven Einschränkungen in den unteren Extremitäten und der körperlichen Belastung sowie der psychischen Funktionen. Der Beschwerdeführerin ist lediglich das Zurücklegen von 100 Metern möglich, sie könne aufgrund der Schulterverletzung keine Hilfsmittel verwenden, es bestehe eine massive Sturzgefahr.

4. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 26.05.2025 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der Beschwerdeführerin wurde am 03.04.2025 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 vH und der Zusatzeintragung „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese“ ausgestellt.

Die belangte Behörde hat zur Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie, Arzt für Allgemeinmedizin und eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie, basierend auf persönlichen Untersuchungen herangezogen.

Die Abweisung der begehrten Zusatzeintragung ist nicht nachvollziehbar.

1. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.

Der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Verwaltungsgericht - zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - durchzuführen. (Ra 2015/08/0178 vom 27.01.2016)

In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016) Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1.-2.(…)

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(§ 1 Abs. 2 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 3 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

Zum Nachweis, dass der Behindertenpassinhaber/die Behindertenpassinhaberin, der/die über die Eintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ verfügt, die im § 29b Abs. 2 bis 4 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 (StVO), genannten Berechtigungen in Anspruch nehmen kann, ist ihm/ihr ein Parkausweis auszustellen. Die in einem gültigen Behindertenpass enthaltene Eintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder Blindheit“ ist der Eintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gleichzuhalten.

(§ 3 Abs. 1 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

Zu § 1 Abs. 2 Z 3:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr

- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten

- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen

- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

- Kleinwuchs

- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund ist der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel, "Leben am Land") oder den Transport von schweren Gepäckstücken und das Tätigen von Einkäufen rechtlich nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258).

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Die Beschwerdeführerin leidet an einer „Knieendoprothese beidseits“, einer „Myositis“, „Fußarthrosen beidseits, Knicksenkfuß beidseits“ und an einer „Schulterabnützung beidseits, rechts Zustand nach Eingriff“. Die belangte Behörde holte zur Beurteilung des bei der Beschwerdeführerin vorliegenden orthopädischen Leidenszustandes ein Sachverständigengutachten von einem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, basierend auf der persönlichen Untersuchung am 20.01.2025 ein. In diesem Gutachten begründete dieser die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wie folgt: „Eine relevante Mobilitätseinschränkung besteht nicht. Die Gehstrecke ist ausreichend, das sichere Ein-und Aussteigen und der sichere Transport sind gewährleistet. Es bestehen keine dauerhaften erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder gleichzusetzende neurologische Ausfälle. Ein Aktionsradius von 10 Minuten ist ihr möglich.“

Mit diesen Ausführungen werden die Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aber nicht in nachvollziehbarer Weise dargestellt.

So ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen.

Der beigezogene Sachverständige hat es jedoch unterlassen, in seinem Gutachten auszuführen, wie sich insbesondere die beidseitige Knieendoprothese mit Belastungsbeschwerden im linken Kniegelenk sowohl auf die Gehstrecke als auch auf die Fähigkeit Niveauunterschiede zu überwinden auswirkt. Darüber hinaus unterließ es der Sachverständige sich mit der Frage auseinanderzusetzen, inwiefern sich die Leiden der Beschwerdeführerin auf den Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel auswirken, insbesondere in Hinblick auf die beidseitige Schulterabnützung. Für ein schlüssiges Sachverständigengutachten genügt es jedoch nicht, ausschließlich darauf zu verweisen, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen, sondern ist darüber hinaus zu begründen, inwiefern es der Beschwerdeführerin möglich ist, öffentliche Verkehrsmittel zu erreichen und auch zu benützen und ist dabei auf die Funktionseinschränkungen und die objektivierbaren Belastungsbeschwerden und Schmerzen einzugehen.

Hierbei wird auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 13.03.2025 und in der Beschwerde verwiesen, wonach ihre Wegstrecke auf 100 Metern beschränkt sei. Darüber hinaus legte die Beschwerdeführerin auch einen Facharztbefund vom 13.11.2024 vor, aus der sich eine Gehstreckeneinschränkung von unter 100 Metern sowie eine eingeschränkte Möglichkeit der Benützung eines Gehstockes ergibt. Dieser Befund wurde dem Sachverständigen auch in der persönlichen Untersuchung vorgelegt.

Die belangte Behörde holte weiters ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie, Arzt für Allgemeinmedizin, ein, in welchem die Funktionseinschränkung „Depression mit phobischer Komponente“ und deren Auswirkungen auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt wurden. Ein Facharzt für Neurologie ist jedoch nicht geeignet ein psychiatrisches Leiden zu beurteilen und wäre es an der belangten Behörde gelegen ein Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Psychiatrie einzuholen.

Der Sachverständige führte zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel lediglich aus: „Leiden 1 bedingt keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, da Klaustrophobie, Soziophobie oder phobische Angststörung nicht als Hauptdiagnose nach ICD 10 geführt wird. Weiters stehen Therapieoptionen offen (Adaption der anxiolytisch-antidepressiven Medikation, Rehab-Aufenthalt ...)“

Hierbei wird auf den ärztlichen Befundbericht einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 27.11.2024 verwiesen, aus dem hervorgeht, dass bei der Beschwerdeführerin „Hinweise auf eine generalisierte Angststörung, sowie auf eine Agoraphobie und Panikattacken, die vorwiegend im Supermarkt oder bei Menschenansammlungen auftreten“ vorlägen.

Die belangte Behörde unterließ es, sich mit dem Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Einschränkungen der psychischen Funktionen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nachvollziehbar auseinanderzusetzen und (zumindest) ein Gutachten eines medizinischen Sachverständigen/einer medizinischen Sachverständigen aus dem Fachbereich der Psychiatrie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, einzuholen.

Darüber hinaus liegt bei der Beschwerdeführerin auch eine „Myositis“ vor. Dieses Leiden wurde vom orthopädischen Sachverständigen eingestuft. Ob dieses Leiden bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auch berücksichtigt wurde, geht aus dem Gutachten nicht eindeutig hervor, zumal der orthopädische Sachverständige es – wie oben ausgeführt – unterließ, die Auswirkungen der einzelnen Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu beurteilen, sondern lediglich einen Standardabsatz einfügte, indem das Vorliegen der Voraussetzungen ohne nachvollziehbare Begründung verneint wurde. Im Zuge der Einstufung des Grades der Behinderung wurden die Muskelschmerzen erwähnt, jedoch geht aus dem Gutachten nicht hervor, inwiefern diese Schmerzen die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Für die Beurteilung dieser Funktionseinschränkung bedarf es jedoch der Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin.

Die von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten werden daher den Anforderungen an die Schlüssigkeit und Vollständigkeit eines Gutachtens in Bezug auf die im gegenständlichen Verfahren entscheidungserhebliche Frage der Auswirkungen der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht gerecht. Die vorliegenden Gutachten sind somit unschlüssig und daher im gegebenen Zusammenhang nicht geeignet, zur ausreichenden Sachverhaltsklärung beizutragen.

Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen und erweist sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung der Voraussetzungen für die Festsetzung des Vorliegens der begehrten Zusatzeintragung auf Grund der zu kurz gegriffenen Ermittlungen im verwaltungsbehördlichen Verfahren als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich sind. Im Beschwerdefall hat das Sozialministeriumservice im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den maßgeblichen Sachverhalt bloß ansatzweise ermittelt.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde fachärztliche Sachverständigengutachten vorzugsweise eines Facharztes/ einer Fachärztin für Psychiatrie, eines Facharztes/ einer Fachärztin für Innere Medizin und eines Facharztes/ einer Fachärztin für Orthopädie, jeweils basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, einzuholen haben, worin auf die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen der begehrten Zusatzeintragung einzugehen sein wird. Dabei wird auch auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 13.03.2025 und in der Beschwerde ausführlich einzugehen sein.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Von den vollständigen Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird die Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid sowie der Behindertenpass, welchem Bescheidcharakter zukommt, gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückzuverweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).

Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.