JudikaturBVwG

W298 2309933-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Datenschutzrecht
24. April 2025

Spruch

W298 2309933-1/4E

IM Namen der REpublik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mathias VEIGL als Vorsitzenden sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Gerda Ferch-Fischer als Beisitzerin und den fachkundigen Laienrichter Mag. Florian Schultes LL.M. als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass der Bescheid der belangten Behörde zu lauten hat:

„Die Beschwerde wird gemäß § 24 Abs. 4 DSG zurückgewiesen.“

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer richtete erstmals am 17.10.2024 eine Datenschutzbeschwerde an die belangte Behörde und führte darin aus, dass er die Verletzung der Vertraulichkeit von Daten rüge. Dazu führte er aus, dass er in seinem vorigen Job gemobbt worden sei und, dass er nach seiner Kündigung am 29.09.2023 um 12:09 eine Mail von einem Dritten erhalten habe, aus dem sich erschlossen habe, dass es einen Bruch des Vertraulichkeitsschutzes gegeben habe müssen.

2 Die belangte Behörde machte keinen Verspätungsvorhalt und wies mit Bescheid vom 29. November 2024 (GZ: D124.2388/24, 2024-0.758.333) die Beschwerde zurück und führte im Wesentlichen aus, dass sich aus § 24 Abs. 4 DSG ergebe, dass das Beschwerderecht präkludiert sei.

3. Am 29.11.2024 machte der Beschwerdeführer eine weitere Eingabe bei der belangten Behörde, in welcher er im Wesentlichen ausführte, dass er bezogen auf den in der ersten Beschwerde gerügten Sachverhalt den Zusammenhang von Mail und Geheimhaltungsverletzung von personenbezogenen Daten nicht gekannt habe, sondern erst viel später erkannt habe. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

5. In der Folge wies die belangte Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid die Beschwerde wegen entschiedener Rechtssache zurück.

6. Mit Eingabe vom 29.01.2025 erhob der Beschwerdeführer Bescheidbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, ohne die Beschwerdegründe zu relevieren.

7. Mit Beschluss vom 30.03.2025 erteilte das Bundesverwaltungsgericht einen Mängelbehebungsauftrag an den Beschwerdeführer.

8. Bis zum Schluss des Verfahrens ist keine Stellungnahme oder Mängelbehebung durch den Beschwerdeführer erfolgt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Der folgende Sachverhalt steht fest:

1.1. Der unter I. ausgeführte Verfahrensgang wird den Feststellungen zugrunde gelegt.

1.2. Insbesondere wird festgestellt, dass der Bescheid der belangten Behörde vom 29. 11.2024 (GZ: D124.2388/24, 2024-0.758.333) mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist.

1.3. Mit E-Mail vom 29.11.2024 bat der Beschwerdeführer zuerst das Verfahren fortzuführen und übermittelte ebenfalls ein Beschwerdeformular der belangten Behörde, in welchem er unter anderem neu ausführte von der gerügten Datenschutzverletzung erst später erfahren zu haben.

2. Die Feststellungen ergeben sich aus der folgenden Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen auf dem unbedenklichen Verwaltungsakt. Der Sachverhalt wurde von den Parteien auch nicht bestritten.

3. Rechtlich folgt daraus:

Die zulässige Beschwerde ist teilweise berechtigt.

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 27 Datenschutzgesetz (DSG) idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide, wegen Verletzung der Unterrichtungspflicht gemäß § 24 Abs. 7 und der Entscheidungspflicht der Datenschutzbehörde durch Senat. Der Senat besteht aus einem Vorsitzenden und je einem fachkundigen Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist (Ra 2021/03/0084). Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.2. Zu den maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen:

§ 1 Abs. 1 Datenschutzgesetz – DSG lautet:

Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

§ 4 Abs. 1 Datenschutzgesetz – DSG lautet:

Die Bestimmungen der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1, (im Folgenden: DSGVO) und dieses Bundesgesetzes gelten für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten natürlicher Personen sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten natürlicher Personen, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen, soweit nicht die spezifischeren Bestimmungen des 3. Hauptstücks dieses Bundesgesetzes vorgehen.

Art. 5 DSGVO lautet auszugsweise

Personenbezogene Daten müssen

a) auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden („Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz“);

b) für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden; eine Weiterverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gilt gemäß Artikel 89 Absatz 1 nicht als unvereinbar mit den ursprünglichen Zwecken („Zweckbindung“);

c) dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein („Datenminimierung“);

Art. 6 DSGVO lautet

(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

e) die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;

3.3. Angewendet auf den Sachverhalt bedeutet das:

3.3.1. Umfang der Kognitionsbefugnis:

„Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des bescheidmäßigen Spruchs der belangten Behörde gebildet hat. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts ist daher die „Sache“ des bekämpften Bescheids (vgl. etwa VwGH 18.10.2022, Ra 2022/01/0276, Rn. 19, mwN).

Im gegenständlichen Fall wurde in der Beschwerde an die belangte Behörde eine Verletzung des Grundrechts auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG iVm Art. 5 und 6 DSGVO geltend gemacht.

Demnach können nach der Judikatur des VwGH die gerügten vermeintlichen Rechtsverletzungen in anderen (früheren) datenschutzrechtlichen Verfahren und Teilen, die nicht vom Spruch des Bescheides gedeckt sind, nicht vom Bundesverwaltungsgericht aufgegriffen werden, soweit sie nicht Teil des Spruchs des in Beschwerde gezogenen Bescheides sind. Demnach ist eine Beurteilung der Frage, ob die Präklusion ursprünglich richtiger Weise erfolge, auch nicht Gegenstand des Verfahrens.

3.3.2. Zum Rechtsinstitut der res iudicata:

Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. (VwGH vom 15.04.2024, Ra 2024/05/0011)

Dieses Rechtsinstitut ergibt sich aus dem Merkmal der materiellen Rechtskraft und soll die Unzulässigkeit einer neuerlichen Beurteilung einer bereits entschiedenen Sache beinhalten.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Beurteilung der verfahrenseinleitenden Beschwerde im ursprünglichen Verfahren – wo materielle Rechtskraft eingetreten ist – ohne inhaltliche Auseinandersetzung infolge Präklusion zurückgewiesen. Es ist daher nicht zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Parteianbringen gekommen, was aber zwingend erforderlich gewesen wäre, um verfahrensgegenständlich eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache auszusprechen. (vgl. VwGH vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0029)

Einer neuerlichen Antragstellung nach einer zurückweisenden Entscheidung in dieser Angelegenheit steht daher mangels Sachentscheidung nicht das Institut der entschiedenen Sache entgegen. (vgl. VwGH vom 04.05.2022, Ra 2022/01/0006)

Umgekehrt ist dem Verwaltungsgericht aber die Überprüfung über den Sachverhalt, der die zurückweisende Entscheidung beinhaltet hat, verwehrt (vgl idS etwa VwGH vom 23. Mai 1995, 94/20/0785; vgl VfGH vom 18. Juni 2014, G 5/2014 (VfSlg 19.882/2014).

Zur Auslegung des Parteiantrags als Antrag auf neuerliche Entscheidung in der Sache.

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung sind von Mängeln eines Anbringens im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG sonstige Unzulänglichkeiten zu unterscheiden, welche nicht die Vollständigkeit des Anbringens betreffen, sondern sonst im Lichte der anzuwendenden Vorschriften seine Erfolgsaussichten beeinträchtigen. Ob es sich bei einer im Gesetz umschriebenen Voraussetzung aber um einen (zur Zurückweisung des Antrags führenden) „Mangel“ im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG oder aber um das (zur Antragsabweisung führende) Fehlen einer Erfolgsvoraussetzung handelt, ist durch die Auslegung der jeweiligen Bestimmung des Materiengesetzes zu ermitteln (VwGH 09.09.2020, Ra 2019/22/0212).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH sind Parteienerklärungen (also auch Anbringen [Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger9 Rz 152]) im Verfahren ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen (vgl auch VwGH 6. 11. 2006, 2006/09/0094; 5. 9. 2008, 2005/12/0068; 3. 10. 2013, 2012/06/0185; ferner Rz 37).

Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann, auch wenn das Begehren, so wie es gestellt wurde, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein mag (VwSlg 10.179 A/1980; VwGH 20. 10. 2004, 2004/04/0105; 20. 10. 2011, 2009/11/0269; vgl auch VwGH 12. 9. 1996, 96/20/0530; 6. 11. 2006, 2006/09/0094; 3. 10. 2013, 2012/06/0185).

Wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt, ist davon auszugehen, dass erst nach Erlassung der Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen können. Auch in diesem Lichte ist der Ausdruck des Beschwerdeführers, die belangte Behörde möge das Verfahren „weiterführen“, auszulegen, weil er den Umstand der späteren Kenntnis über den beschwerenden Sachverhalt nicht in der verfahrenseinleitenden Beschwerde releviert hat. Der belangten Behörde ist aber angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer erneut ein Beschwerdeformular übermittelt hat, nicht entgegenzutreten, wenn sie (offenbar) angenommen hat, dass der Beschwerdeführer eine neuerliche Verfahrensführung angestrebt hat und nicht auf die Wiederaufnahme hinwirken wollte.

3.4. Es war daher spruchgemäß der Bescheid der belangten Behörde insoweit abzuändern, dass infolge Präklusion die Beschwerde zurückzuweisen war.

3.5. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 2. Fall VwGVG abgesehen werden.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfragen zu lösen waren, denen grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zukommt. Zur Beantwortung der Frage, ob der Datenschutzbehörde in einem amtswegig eingeleiteten Prüfverfahren die Kompetenz zukommt, in rechtlich verbindlicher Weise Rechtsverletzungen festzustellen, oder über die Berechtigung des amtswegigen Prüfverfahrens abzusprechen, konnte sich das Verwaltungsgericht auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen. Zwar bezog sich das zitierte Erkenntnis nicht ausdrücklich auf Verstöße gegen § 1 DSG, seine tragenden Überlegungen konnten aber zweifelsfrei auf Verstöße gegen § 1 DSG übertragen werden.