Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revision von 1. F F und 2. M F, beide in S, beide vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, LL.M., MAS, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich jeweils vom 20. Dezember 2023, 1. LVwG 154017/7/WP 154018/2 und 2. LVwG 154019/6/WP 154020/2, betreffend eine baurechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde S; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit den angefochtenen Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (im Folgenden: LVwG) wurde jeweils einer Beschwerde der beiden revisionswerbenden Parteien gegen die Abweisung ihres näher bezeichneten Bauansuchens jeweils durch den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde S. vom 5. Juni 2023 mit der Maßgabe stattgegeben, dass der Spruch des jeweils bekämpften Bescheides zu lauten habe: „Gemäß § 68 Abs 1 AVG wird obiges Ansuchen wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückgewiesen“ (Spruchpunkt I.). Weiters sprach das LVwG jeweils aus, dass gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig sei (Spruchpunkt II.).
2 Seine Entscheidung begründete das LVwG jeweils damit, dass die revisionswerbenden Parteien am 20. November 2021 einen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für das Projekt „Neuerrichtung Wohngebäude mit Schafstall + landwirtschaftlichen Nebenräumen + Errichtung einer Senkgrube Index E“ auf näher genannten Grundstücken der KG K., wie dargestellt auf einem näher bezeichneten Einreichplan, eingebracht hätten. Dieser sei im Beschwerdeweg vom LVwG mit einer näher bezeichneten Entscheidung vom 26. April 2023 abgewiesen worden. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerden habe der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. November 2023, E 1776 1777/2023, abgelehnt. Mit Eingabe vom 23. März 2023 hätten die revisionswerbenden Parteien den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für die „Neuerrichtung Wohngebäude mit Schafstall + landwirtschaftlichen Nebenräumen + Errichtung einer Senkgrupe Index E“ auf denselben Grundstücken der KG K. beantragt. Am 28. März 2023 habe der Gemeinderat der Marktgemeinde S. die Verordnung „Neuplanungsgebiet Nr. 01/2023 ‚S[..]straße, Änderung Flächenwidmungsteil“ beschlossen, diese Neuplanungsgebietsverordnung stehe nach wie vor in Geltung. Der Antrag vom 23. März 2023 sei mit Bescheiden des Bürgermeisters der Marktgemeinde S. vom 5. Juni 2023 abgewiesen worden. Die revisionswerbenden Parteien hätten im Rahmen einer Stellungnahme nach Aufforderung durch das LVwG im gegenständlichen Verfahren klargestellt, dass „aus technischer Sicht die Einreichpläne jenen entsprechen [würden], über die die Baubehörde und das LVwG bereits entschieden“ hätten. Die bebauungsrechtlichen Grundlagen hätten sich nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien aber geändert.
3 Das LVwG führte jeweils im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen sodann aus, dass der tragende Abweisungsgrund für die Versagung der Bewilligung zum ersten Antrag der Widerspruch zur einschlägigen Neuplanungsgebietsverordnung gewesen sei, die nach wie vor in Kraft stehe. Das Ansuchen sei somit bereits Gegenstand einer verwaltungsbehördlichen und einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gewesen, weshalb aufgrund der identen Sach- und Rechtslage der gegenständliche Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen sei.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Verletzung „in den uns einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Sachentscheidung über unsere Beschwerden entgegen § 68 Abs. 1 AVG sowie Erteilung der beantragten Baubewilligungen“. Zur Zulässigkeit der Revisionen wird vorgebracht, das LVwG sei von näher genannter Rechtsprechung zum Vorliegen einer „res iudicata“ abgewichen. Die Rechtslage habe sich infolge der Aufhebung des Flächenwidmungsplanes durch den Verfassungsgerichtshof (wird nicht näher ausgeführt) geändert. Außerdem habe das LVwG das „Überraschungsverbot“ und die Verhandlungspflicht verletzt.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. für viele etwa VwGH 18.1.2014, Ra 2023/05/0262, mwN).
9 Soweit die Revision vermeint, das LVwG sei zu Unrecht von einer entschiedenen Sache ausgegangen und damit von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, ist vorab festzuhalten, dass die Beurteilung, ob eine entschiedene Sache vorliegt, eine Rechtsfrage darstellt (vgl. VwGH 14.12.2023, Ra 2023/05/0060).
10 Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
11 Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht (vgl. VwGH 24.6.2014, Ro 2014/05/0050, mwN). Eine derartige Änderung des Sachverhalts den Sachverhalt machen die revisionswerbenden Parteien aber nicht geltend, vielmehr ist dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien sowohl in den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als auch in der Revision zu entnehmen, dass die beiden Ansuchen identisch seien.
12 In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (vgl. erneut VwGH 24.6.2014, Ro 2014/05/0050, mwN).
13 Die von der Revision angesprochene Aufhebung des von ihr nicht näher bezeichneten Flächenwidmungsplanes durch den Verfassungsgerichtshof mit Entscheidung vom 28. Februar 2023, V 97/2021, betraf einen im vorliegenden Fall nicht mehr anzuwendenden Flächenwidmungsplan. Sowohl die Entscheidung über den ersten Antrag vom 20. November 2021 auf Erteilung einer Baubewilligung durch Entscheidung in der Sache selbst durch das LVwG am 26. April 2023 (vgl. zur anzuwendenden Sach- und Rechtslage im Falle einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts in der Sache selbst VwGH 16.10.2023, Ro 2021/05/0037, mwN) als auch die Entscheidung über den gegenständlichen neuerlichen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung fallen in den Geltungszeitraum der Verordnung des Gemeindesrates der Marktgemeinde S. vom 28. März 2023 gemäß § 37b Oö. ROG 1994 mit dem Titel „Neuplanungsgebiet Nr. 01/2023 ‚S[..]straße, Änderung Flächenwidmungsteil“.
14 Zur behaupteten Verletzung der Verhandlungspflicht durch das LVwG ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
15 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einer Reihe von Entscheidungen mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann und keine übermäßig komplexen Rechtsfragen zu lösen sind (vgl. dazu etwa VwGH 7.2.2018, Ra 2017/03/0101, mwH auf EGMR 18.7.2013, Schädler Eberle/Liechtenstein und EGMR 20.12.2016, Sagvolden/Norwegen ).
16 Die Revision führt in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht aus, inwiefern nach den oben dargestellten Grundsätzen dennoch eine Verletzung der Verhandlungspflicht vorliegen sollte. Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision beschränkt sich auf die Wiedergabe eines Rechtsprechungszitates zur Verhandlungspflicht, stellt aber nicht dar, welcher konkrete Sachverhalt fallbezogen strittig oder nicht geklärt sei, oder dass eine komplexe Rechtsfrage zu beantworten gewesen sei (vgl. etwa VwGH 26.6.2018, Ra 2018/05/0189; 25.9.2018, Ra 2018/05/0229, jeweils mwN).
17 Schließlich handelt es sich beim Vorbringen der Verletzung des Parteiengehörs um einen behaupteten Verfahrensmangel, dessen Relevanz in der Begründung der Zulässigkeit darzutun ist (vgl. für viele etwa VwGH 16.1.2023, Ra 2021/05/0223, mwN). Dieser Anforderung wird die Revision, die diese Verletzung zwar behauptet, jedoch keine näheren Ausführungen im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens (und auch nicht unter der inhaltlichen Begründung der Revision) enthält, nicht gerecht.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 15. April 2024